Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die heutige Sitzung und begrüße Sie alle herzlich. Erkrankt ist weiterhin Herr Abgeordneter Klaus-Peter Puls, dem wir natürlich gute Besserung wünschen.
Beurlaubt sind die Abgeordneten Susanne Herold und Rolf Fischer und wegen auswärtiger Verpflichtungen sind Herr Ministerpräsident Carstensen und Herr Minister Austermann beurlaubt.
Die Fraktionen sowie die Abgeordneten des SSW haben mit der Drucksache 16/894 einen Antrag zur Nichtigkeitsklage gegen die erneute Ablehnung des Antrages auf unbeschränkten Zugang zu dem internen Kommissionsdokument SEK (2005) 420 eingereicht. Ich schlage vor, die Angelegenheit als Tagesordnungspunkt 34 a in die Tagesordnung einzureihen und heute als letzten Punkt mit einem Redebeitrag des Herrn Landtagspräsidenten aufzurufen. Eine weitere Aussprache ist nicht vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann können wir so verfahren.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, begrüße ich auf der Besuchertribüne den Landfrauenverein Elmshorn. - Seien Sie uns herzlich willkommen!
Ich erteile dem Minister für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume, Herrn Dr. von Boetticher, das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unser Bericht zur „Weiterentwicklung der EU-Programme für ländliche Räume, Umwelt und Landwirtschaft“ stellt die landespolitische Ausgestaltung der EU-Förderung zur Entwicklung des
ländlichen Raums in der Förderperiode 2007 bis 2013 dar. Er gibt einen umfassenden Überblick über den derzeitigen Stand der Umsetzung der Programmgestaltung des „Zukunftsprogramms ländlicher Raum“.
Die Förderperiode des zurzeit laufenden Programms zur Entwicklung des ländlichen Raums in Schleswig-Holstein mit dem Namen „Zukunft auf dem Land“ endet am 31. Dezember 2006, wobei das EU-Haushaltsjahr - und damit auch der Zeitraum der EU-Erstattung - schon am 15. Oktober 2006 endet. Da nicht ausgeschöpfte Mittel nicht in kommende Haushaltsjahre übertragen werden können, ist es für einen nahtlosen Übergang der Förderung enorm wichtig, Anfang 2007 ein von der Kommission genehmigtes Programm vorliegen zu haben.
Bei uns laufen darum im Augenblick die Vorbereitungen auf Hochtouren, um der Kommission in Brüssel so schnell wie möglich unser Programm vorzulegen. Bei formaler Einhaltung aller Fristen und Fristabstände ist eine Programmgenehmigung zum 1. Januar 2007 praktisch nicht mehr möglich. Da der Verzug jedoch nicht von den Mitgliedstaaten zu verantworten ist, sieht sich die EU-Kommission in der politischen Verantwortung zur Vermeidung von Problemen des Übergangs der laufenden zur kommenden Förderperiode.
Sie hat daher zugesagt, sowohl den nationalen Strategieplan als auch die ländlichen Entwicklungspläne vorher in den Bearbeitungsprozess aufzunehmen, sodass das formale Genehmigungsverfahren deutlich unterhalb der maximal möglichen Fristen abgearbeitet werden kann. Wir können also darauf setzen, dass es im zweiten Halbjahr 2006 zu einem kompakten Genehmigungsverfahren kommen wird.
Seitens der EU fehlen allerdings noch wesentliche Grundlagen für die Fertigstellung und Notifizierung der Programme: So kann seitens der Kommission nicht vor September mit den für die Programmerstellung maßgeblichen Durchführungsverordnungen gerechnet werden.
Nachdem das EU-Parlament im Februar 2006 den Vorschlag des Rates zur Finanziellen Vorausschau 2007 bis 2013 abgelehnt hatte, wurde am 17. Mai dieses Jahres eine Einigung erzielt.
Während der Agrarrat in den vergangenen Wochen über die Aufteilung der Gesamtmittel auf die Jahre einen Beschluss fassen konnte, steht die definitive Mittelaufteilung auf die Mitgliedstaaten jedoch noch aus. Offiziell gibt es also noch keine Mitteilung der Kommission. Nach inoffiziellen und
deshalb noch nicht endgültig belastbaren Hinweisen gehe ich aber davon aus, dass auf Schleswig-Holstein mehr EU-Mittel zukommen werden, als wir bisher annehmen konnten. Wenn es denn wirklich so käme, könnten die von einigen befürchteten partiellen negativen Auswirkungen gekürzter EU-Mittel im „Zukunftsprogramm ländlicher Raum“ zum Teil abgemildert werden, ohne dass ich neue inhaltliche Schwerpunkte in den Säulen setzen müsste.
Insofern bestehen bezüglich der Schleswig-Holstein zur Verfügung stehenden EU-Mittel nach wie vor gewisse Unsicherheiten. Der vorgelegten Landtagsbericht kann daher nur einen Zwischenstand mit den wichtigsten Eckpunkten des zukünftigen Programms wiedergeben.
Wir haben in den zurückliegenden Monaten den Rückgang von Fördermitteln, den wir bis zur letzten Woche so annehmen mussten, und die in den nächsten Jahren auf uns zukommenden Herausforderungen zum Anlass genommen, eine Neuausrichtung der schleswig-holsteinischen Förderpolitik vorzunehmen. Darüber haben wir im Umwelt- und Agrarausschuss bereits diskutiert und dies sollten wir natürlich fortsetzen.
Hier in Kürze einige Leitlinien: Ein wichtiges Ziel der Neuausrichtung ist, im Programm den Investitionen zur Entwicklung des ländlichen Raums einen großen Raum zu geben. Ein weiteres wichtiges Politikziel des Landes ist die Umsetzung von NATURA 2000 und der Wasserrahmenrichtlinie. Hierzu gehören vor allem zahlreiche vertragliche Maßnahmen mit dem Ziel, die Zusammenarbeit von Naturschutz, Wasserwirtschaft und Landwirtschaft zu intensivieren. Hier setzen wir auch finanziell einen deutlichen Schwerpunkt. Auch die Förderung der Biomasse und Bioenergie soll verstärkt werden. Ich glaube, das ist eine Zukunftsinvestition in unser aller Sinn.
Kürzungen werden hingegen nicht zu vermeiden sein. So werden wir als Reaktion auf ein Gutachten des Landesrechnungshofs die Förderung des ländlichen Wegebaus erheblich reduzieren und die Mittel im Rahmen der ländlichen Entwicklung gezielter einsetzen. Auch werden wir Umschichtungen zwischen Maßnahmen vornehmen.
Meine Damen und Herren, im Ergebnis unserer zurzeit laufenden Arbeit am „Zukunftsprogramm ländlicher Raum“ wird ein Programm für das Land Schleswig-Holstein stehen, das im Dreiklang der Ziele „Investitionen im ländlichen Raum för
dern“, „Umweltschutz vor allem auf vertraglicher Basis vorantreiben“ sowie „Agrarinvestitionen und dem agrarischen Bereich einen breiteren Raum geben“ stehen wird. Das werden die Schwerpunkte sein.
Meine Damen und Herren, natürlich werden wir es nicht allen immer recht machen können, aber ich denke, dass wir mit unseren Vorschlägen zu einem wirklichen „Zukunftsprogramm ländlicher Raum“ auf gutem Wege sind und dass wir auch richtige Schwerpunkte gesetzt haben.
Ich danke dem Herrn Minister und eröffne die Aussprache. - Für die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat zunächst der Herr Abgeordnete KarlMartin Hentschel das Wort.
Einen wunderschönen guten Morgen. - Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wir sprechen heute über die Neugestaltung der gesamten Förderung für den ländlichen Raum in den kommenden sieben Jahren, über ein Programm, das zusammen mit den Kofinanzierungsmitteln fast eine halbe Milliarde Euro ausmacht. Es ist das größte Förderprogramm, das Schleswig-Holstein überhaupt hat. Es wird für die Gestaltung der ländlichen Räume in den kommenden sieben Jahren entscheidend sein. Es geht hier um die Landwirtschaft, um Weiterverarbeitung, Naturschutz und Wald, es geht um Tourismus und Küstenschutz sowie Dorfentwicklung und regionale Wirtschaftskreisläufe. Kurz gesagt: Es geht um die Zukunft des ländlichen Raumes, es geht um Strukturen, bei denen wir aufgrund von Globalisierung, demographischer Entwicklung und der starken Orientierung der Gesellschaft an Ballungsräumen vor großen Herausforderungen stehen.
Die Landesregierung hat mit dem Entwurf eines Zukunftsprogramms für die ländlichen Räume ihre Konzeption vorgelegt. Was mich wundert, ist, dass bisher die betroffenen Räume - zum Beispiel unsere Kreise, unsere Gemeinden und diejenigen, die vor Ort sind - überhaupt nichts von diesem Programm wissen. Ich habe in den Kreistagen danach gefragt. Die Leute dort haben überhaupt keine Ahnung davon, was hier geplant ist. Ende August soll entschieden werden. Man stelle sich einmal vor, wir von Rot-Grün hätten damals ein Programm für die Strukturpolitik der kommenden Jahre vorgelegt,
das im August hätte verabschiedet werden sollen, und keiner im Lande weiß überhaupt, worum es geht, und kann folglich auch nicht darüber diskutieren. Ich finde, das ist eine unglaubliche Entwicklung, die hier stattfindet. In der letzten Woche fand eine Diskussion im Kreistag statt. Der Landrat hat dort gesagt, er wüsste nichts, er hätte keine Informationen.
- Nein, er ist nicht selber schuld. Fragen Sie doch einmal in anderen Kreistagen nach! Wo ist über das Programm bisher debattiert worden? - Das ist auf unsere Initiative hin bisher nur im Kreistag Plön geschehen. Wir werden die Diskussion natürlich auch noch in andere Kreistage tragen. Es kann doch nicht sein, dass über die Zukunft der gesamten Strukturpolitik hier in Schleswig-Holstein entschieden wird, ohne dass darüber überhaupt Debatten stattfinden. Von uns wurde immer gefordert, wir sollten ein halbes Jahr vorher informieren und intensive Diskussionen führen. Wir haben monatelange Diskussionen über jedes neue Programm geführt. Jetzt geht es um das größte Programm für SchleswigHolstein betreffend die Strukturpolitik für die nächsten sieben Jahre. Dieses Programm soll im August verabschiedet werden. Es gibt aber keine Informationen und keine Debatten vor Ort darüber. Herr Minister, so geht es nicht!
(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Henning Höppner [SPD]: Warst du in den Ausschusssitzungen?)
- Ja, ich war dabei. Die Diskussion im Ausschuss hat auf meinen Antrag hin stattgefunden, mein lieber Henning.
Der heutige Bericht des Ministers ist auf meinen Antrag hin erfolgt. Der Herr Minister hat diesen Bericht noch nicht einmal der Presse vorgestellt. Auf unseren Antrag hin ist dieser Bericht hier im Landtag nach einem Monat Verschiebung erstattet worden. Ich weiß sehr genau, worüber ich rede.
Sie ignorieren die Chance, die die EU mit der ELER-Verordnung eröffnet hat, nämlich völlig neue Wege bei der Strukturierung der Programme für den ländlichen Raum zu gehen. Insbesondere auf Initiative von Österreich und England sind Möglichkeiten geschaffen worden, durch Modula
tionsmittel in erheblichem Maße zusätzliche Mittel für die Strukturpolitik im ländlichen Raum einzusetzen. Diese Möglichkeiten werden in diesem Programm in keiner Weise genutzt. Es gibt zwar eine entsprechende Verabredung der Agrarministerkonferenz, aber ich weiß, dass man in Bayern und in Baden-Württemberg angesichts der drastischen Streichungen, die für den ländlichen Raum bevorstehen, Modulationsmittel in Anspruch nehmen will. Ich weiß, dass andere EU-Staaten diese Möglichkeit in großem Umfang nutzen wollen. Bis zu 20 % aller Direktzahlungen aus EAGFL-Mitteln können in die Modulation übernommen werden.
Wir haben riesige Möglichkeiten, neue Strukturprogramme für den ländlichen Raum aufzustellen. Wir haben dabei einen großen Vorteil gegenüber der Vergangenheit: Es muss nicht mehr kofinanziert werden. Alle diese Mittel können ohne diese Kofinanzierung in die Modulation genommen werden. Das eröffnet riesige Chancen für Strukturpolitik für den ländlichen Raum. Diese Möglichkeiten werden in diesem Programm schlicht nicht genutzt.
Den Milchbauern in Schleswig-Holstein - das sind immerhin die Hälfte der Bauern - hat der Minister im letzten Jahr versprochen: Wir nehmen euch das, was die Grünen euch gegeben haben, zwar wieder weg, aber zum Ausgleich für die Kürzung um 40 € pro ha bekommt ihr im nächsten Jahr ein neues Strukturprogramm.
Wir haben einmal nachgerechnet. Der Minister bietet den Bauern, die ihre Kühe auf die Weide stellen, statt Mais anzubauen, die auch die Landschaft in Schleswig-Holstein erhalten, als Entschädigung für die Kürzung um 40 € pro ha im letzten Jahr jetzt ein neues Strukturprogramm an. Die Förderung nach diesem Programm macht nach unseren Berechnungen in der Summe, wenn man sie auf alle Grünflächen umlegt, einen Euro pro Hektar aus. Das bedeutet eine Veräppelung der Bauern. Damit haben Sie das Versprechen, den Milchbauern in Schleswig-Holstein zu helfen, gebrochen.
Herr Abgeordneter, die Redezeit ist abgelaufen. Ich werde heute sehr genau auf die Einhaltung der Redezeit achten. Formulieren Sie bitte Ihren letzten Satz.