Protokoll der Sitzung vom 30.06.2006

Was soll ich denen denn sagen, wenn anderen drei Arbeitsplätze angeboten werden und ich weiter Unterstützung zahle?

(Beifall bei SPD, CDU und FDP)

Was soll ich denen sagen, die als Busfahrer für einen Monatslohn von 1.500 € arbeiten und morgens aufstehen und zur Arbeit gehen. Es geht immer darum, dass man Arbeit angeboten bekommen hat und sie mehrfach nicht angenommen hat. Ich will nicht falsch verstanden werden.

Ich will noch kurz auf die andere Seite der Medaille eingehen. Diese Sanktionen muss es geben, sonst hat unsere Gesellschaft nicht mehr ihren Zusammenhalt und es wird unbezahlbar. Auf der anderen Seite sind wir aber auch verpflichtet, dies nachzuweisen. Mich bewegt das auch sehr. Ich habe das mehrfach gesagt und habe damit auch immer Ärger in Berlin bekommen, dass wir über die jetzige Organisationsform dringlichst neu reden müssen. Wir dürfen nicht, wie das der Koalitionsvertrag in Berlin vorsieht, bis 2008 warten. Hier brennt es, und wir müssen es endlich hinbekommen, dass in den ARGEn vermittelt wird und die sich nicht damit beschäftigen, wer welchen Personalrat wählt.

(Beifall bei SPD, CDU und FDP)

Das heißt, wir sind hier zu Organisationspunkten gekommen, dass sich diese Einrichtungen mehr mit sich selbst beschäftigen als mit der Aufgabe, wofür wir sie eigentlich geschaffen haben, übrigens zum Leidwesen derjenigen, die dort arbeiten, die gern Menschen in Arbeit vermitteln würden. Hier, denke ich, sollten wir vielleicht auch noch einmal eine Runde in diesem hohen Haus drehen, um so etwas deutlich nach draußen zu artikulieren, auch in Richtung der großen Koalition und möglichst auch in Richtung der Opposition in Berlin. Hier muss etwas geschehen. Es kann nicht sein, dass wir Milliarden ausgeben und im Grunde Bürokratien finanzieren und nicht das, was wir eigentlich wollten.

Ich muss zum Schluss noch einmal darauf hinweisen, wenn wir diese erste Debatte geführt haben, die andere ist eigentlich die wichtigere.

(Beifall bei CDU, FDP und vereinzelt bei der SPD)

(Minister Uwe Döring)

Der erste Teil ist nämlich selbstverständlich. Dass hier allerdings von den Grünen keine Vorschläge gekommen sind, spricht Bände, Frau Birk.

(Beifall bei SPD, CDU und FDP)

Ich danke dem Herrn Minister. Ich habe jetzt zwei Meldungen für Kurzbeiträge. - Zunächst hat Frau Abgeordnete Anke Spoorendonk das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erste Bemerkung! Der Kollege Klug sprach vorgestern an, dass im Rahmen des Kieler-Woche-Gesprächs der dänische Folketing-Abgeordnete und Präsident des Nordischen Rates, Ole Stavad, dafür plädierte, dass Weiterbildung, dass die dänische Arbeitsmarktpolitik als Modell eine Rolle spielen könnte, wenn es um den demographischen Wandel geht. Für die Teilnehmer des Kieler-Woche-Gesprächs lag draußen auch eine Broschüre auf Englisch über dieses Modell der Arbeitsmarktpolitik.

Zweite Bemerkung! Wenn der Minister sagt, das Modell werde in Europa als „Flexecurity“ verkauft, ist das natürlich so. Ich bitte allerdings darum, dass man beide Elemente berücksichtigt: Flexibilität und Security. Damit ist gemeint, dass die gesellschaftliche Verpflichtung besteht, Menschen, die in Arbeitslosigkeit geraten sind, die in Not sind, abzusichern, und zwar nicht auf irgendeinem Existenzminimum, sondern so, dass sie davon leben können.

Arbeitslose Menschen haben Rechte, sie haben natürlich auch Pflichten. Natürlich muss es auch Sanktionsmöglichkeiten geben. Wenn wir uns in den Debatten immer wieder Rosinen herauspicken und alles andere vergessen, begreifen wir immer noch nicht, was der Inhalt des Modells der Flexecurity ist. Nördlich der Grenze besteht ein gesellschaftlicher Konsens, der auch Sozialpartner, Wirtschaft und Politik umfasst. Diese gemeinsame Verpflichtung, dieser gesellschaftliche Konsens ist wegweisend dafür, dass man sagt: Natürlich müssen arbeitslose Menschen einen Anspruch darauf haben, gefördert zu werden. Es gibt klare Regeln dafür, wann das erste Gespräch bei der Arbeitsvermittlung stattfindet, wann welches Förderangebot in Anspruch genommen werden muss, welche Angebote vorgehalten werden müssen.

Das ist so, das kann man nachlesen. Da ist es einmal richtig zu sagen: Alles das kann auf einem Bierdeckel stehen. Es gibt klare, transparente Rech

te. Weil das so ist, hat man auch klare, transparente Pflichten.

Ich bitte darum, endlich damit aufzuhören, das, was wir hier mit Hartz IV diskutieren, mit dem dänischen Modell von Flexecurity gleichzusetzen. Es liegen Welten dazwischen - Welten!

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke der Frau Abgeordneten Spoorendonk. Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag hat Frau Abgeordnete Monika Heinold.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn wir uns die Antragslage anschauen, stellen wir erstens fest, dass beide Anträge in der Überschrift sagen: Fördern und Fordern müssen im Einklang stehen.

Zweitens können wir feststellen, dass die beiden ersten Absätze identisch sind und auch BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN als Erstes folgenden Satz formuliert hat: Die Verpflichtung der Arbeitssuchenden zur Mitwirkung korrespondiert mit der Verpflichtung der Arbeitsgemeinschaften, sich um die Vermittlung zu kümmern. - Wir haben in unserem Antrag sehr wohl betont, dass beides die Grundlage von Hartz IV ist, Fördern und Fordern. Das haben wir immer wieder gesagt.

Wenn wir uns allerdings die aktuelle Entwicklung auch in Schleswig-Holstein angucken und einmal die Zahlen betrachten, wird deutlich, warum wir sagen, dass es jetzt darum gehen muss, den Schwerpunkt des Förderns in den Vordergrund zu stellen. Der Missbrauch beträgt bundesweit unter 3 %. In der Hansestadt Lübeck sind bisher aber nur 21 % der Fördermittel ausgegeben, 80 % nicht.

(Widerspruch des Abgeordneten Wolfgang Baasch [SPD])

- Das steht in der Antwort der Landesregierung auf meine Kleine Anfrage. Es mag ja sein, dass mir die Landesregierung falsch geantwortet hat. Stand 15.6. neue Kleine Anfrage, Hansestadt Lübeck: Ist-Ausgaben zum 15. Juni für die Eingliederungsmittel 21,7 %. Darin steht auch, dass es Bindungsstände von 49 % gibt. Für das nächste halbe Jahr scheint eine Reihe von Mitteln gebunden zu sein.

Es gibt aber Kreise wie beispielsweise Steinburg, die bereits 27 % ausgegeben und 94 % gebunden haben. Da können wir davon ausgehen, dass die

(Minister Uwe Döring)

Mittel im Laufe des Jahres auch ausgegeben werden und das Instrument des Förderns ernst genommen wird. Aber Kreise, die erst um die 50 % gebunden und zwischen 20 und 30 % der Mittel ausgegeben haben, werden die Mittel für Förderung wie im letzten Jahr - wahrscheinlich nicht ausgeben.

Hier fordern wir die Arbeitsgemeinschaften auf, für diejenigen, die Hilfsangebote, Arbeitsangebote brauchen, diese auch zur Verfügung zu stellen. Hier geht es um qualifizierte Maßnahmen, es geht um Maßnahmen, die den Menschen eine Perspektive geben.

Mein letzter Punkt ist die Frage, wie es mit der Umkehr der Beweispflicht ist. Wenn ich in meiner Wohnung ein Zimmer zu vermieten habe, werde ich alles tun, das Zimmer in meiner Wohnung an niemanden zu vermieten, die oder der von Hartz IV lebt, weil ich dann nachweisen müsste, dass dieser Mensch mit mir nicht denselben Kochtopf benutzt. So ist das neue Gesetz. Damit tragen wir dazu bei, dass unsere Gesellschaft weiter verstärkt in SingleHaushalten lebt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir treiben Wohngemeinschaften auseinander, wir treiben auch Mehrgenerationen-Projekte auseinander, die wir doch eigentlich fördern wollen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

An der Stelle sagen wir: Es muss auch weiterhin möglich sein, in Wohngemeinschaften und anderen Formen miteinander zu leben, auch wenn es sich um Menschen handelt, die von Hartz IV leben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich danke der Frau Abgeordneten Heinold. - Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag hat Herr Abgeordneter Baasch.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Heinold, der gemeinsame Kochtopf ist bei den Bedarfsgemeinschaften nicht das Problem, sondern es geht darum, den Nachweis zu führen. Das heißt, es muss ein Mietvertrag existieren. Wenn man den Mietvertrag vorlegt, ist das die Begründung dafür, dass es ein Mietverhältnis gibt.

Wenn Sie mit Bedarfsgemeinschaft generell das eheähnliche Zusammenleben meinen, das etwas anderes ist als die Bedarfsgemeinschaft, will ich Ih

nen sagen, dass eheähnliche Gemeinschaften schon nach dem alten Sozialhilfegesetz überprüft wurden, um nachzuweisen, ob sie bestehen oder ob sie nicht bestehen, weil davon nämlich die Höhe der Unterstützung abhängig ist. Man muss schon unterscheiden, was man kritisieren will.

Wenn Sie die ersten Sätze Ihres Antrages zitieren, haben Sie Ihrer Kollegin nicht richtig zugehört. Die hat davon gesprochen, hier die Begründung für den Antrag zu liefern, und die ist von den Regierungsfraktionen und vom Kollegen der FDP ja entsprechend gewürdigt worden.

(Zuruf der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen hat in ihrer Pressemitteilung nicht nur die Koalitionsfraktionen bezichtigt, eine Schmarotzerkampagne zu führen, sondern sie hat gesagt: Wir Grünen haben schon vor der Veröffentlichung der Zahlen - damit meinte sie die Zahlen, die sie zitiert hat, wenn es darum geht, wie viel Missbrauch stattfindet - für die kommende Landtagssitzung einen Antrag eingereicht, der die Landesregierung auffordert, im Bundesrat gegen die geplanten Schikanen von Arbeitslosen zu stimmen. - Das heißt, Ihnen war die Zahlenunterlage völlig egal, sie wollten einfach nur das Thema polemisieren, wie Sie es hier getan haben.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich möchte noch eines ansprechen, weil der Zwischenruf einen dazu herausfordert. Im Jahr 2005 sind die Förderzahlen tatsächlich sehr schlecht gewesen, die Ausgaben der Eingliederungshilfe sind sehr schlecht gewesen:

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

landesweit knapp unter 40 %, in der Hansestadt Lübeck 20 %. Das war nicht in Ordnung, das haben wir auch allseits kritisiert.

Wir haben aber auch immer gesagt: Wenn es darum geht, am Anfang des Jahres dafür zu sorgen, dass die Leute erst einmal das ALG II aufs Konto kriegen, kann das Fördern nicht im Mittelpunkt stehen. Das musste sich erst entwickeln.

Wenn man sich die Zahlen des Jahres 2006 anschaut, sieht man, dass inzwischen vieles gemacht worden ist und sich vieles in Richtung Mehrausgaben entwickelt hat. Die Träger sind zufrieden, wie man im Gespräch mit ihnen feststellen kann, weil sie wieder eine Zukunft für Maßnahmen sehen. Die Qualifizierungsmaßnahmen laufen an. Arbeitsgelegenheiten wachsen an.

(Monika Heinold)

Ich habe versucht, in meinem Beitrag vorhin deutlich zu machen, dass es doch erfreulich ist, wenn wir einen Rückgang von 25 % bei der Arbeitslosigkeit von Jugendlichen unter 25 Jahren in einem Arbeitsamtsbezirk haben.

(Beifall bei SPD und CDU)