Ich danke dem Herrn Abgeordneten Lars Harms. Für die Landesregierung erhält nun die Gesundheitsministerin Frau Dr. Gitta Trauernicht das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Regierungsfraktionen haben im Koalitionsvertrag zum Komplex Pflege zentrale Ziele formuliert, unter anderem, die häusliche Pflege zu stärken und die Pflegeberatung zu intensivieren. Ich glaube, dass in diesem Haus auch aufgrund vielfältiger Debatten im letzten Jahr Einigkeit darin besteht, dass wir uns auf die häusliche Pflege konzentrieren müssen, weil es hier Nachholbedarf gibt. Das heißt natürlich nicht, dass wir, wenn wir dies konsequent tun, den stationären Bereich vernachlässigen. Lassen Sie uns also konsequent das Ziel verfolgen, das wir uns gesteckt haben, nämlich die häusliche Pflege zu stärken.
Ich kann verkünden - das ist das Erfreuliche -, dass sich der Landespflegeausschuss - eine ungemein wichtige Institution in unserem Lande - dieser Herausforderung gestellt und ein umfassendes Konzept zur Stärkung der ambulanten Pflege in SchleswigHolstein vorgelegt hat. Teil dieser Gesamtkampagne ist die von mir letzte Woche vorgestellte Kampagne „aktion ambulant“, die in Neumünster gestartet wurde.
Ich will kurz deutlich machen, was mit dieser Aktion bezweckt wird: Erstens geht es darum, ein Informationsdefizit bei der Generation 50 plus, bei den Pflegebedürftigen selbst und deren pflegenden Angehörigen abzubauen. Die große Herausforderung ist da, nicht nur Informationen zu verteilen, sondern die Menschen so anzusprechen, dass sie sich auch, wenn sie noch nicht betroffen sind, von dieser Aktion angesprochen fühlen und auf das Thema einlassen.
Darüber hinaus brauchen wir - zweitens - mehr Transparenz für die Verbraucher über das Angebot, über die Leistungen, auch über die Kosten der ambulanten Pflege. Ich denke, dass das für die Menschen außerordentlich wichtig ist.
Ein dritter Punkt, der hier noch nicht so recht zum Ausdruck gebracht wurde, ist der, dass wir die am
bulanten Dienste selbst dazu bringen müssen, eine stärkere Kundenorientierung zu entwickeln, also dazu, die Menschen in ihrer Region anzusprechen. Da wollen wir helfen, korrespondierend mit einer neuen Kultur des Sich-Helfen-Lassens, denn viele, gerade Frauen, schultern die Last einer ambulanten Pflege, ohne sich Hilfe von außen zu holen.
Das müssen wir aufbrechen, damit es auch zu einer Entlastung kommt. Das ist unser nächstes Ziel: Wir wollen die pflegenden Angehörigen mit entsprechenden Angeboten entlasten. Dazu müssen sie die Angebote kennen, müssen sie schätzen lernen.
Damit soll der Verbleib in der eigenen Häuslichkeit - das ist unser gemeinsames Ziel - möglichst lange gesichert werden. Das entspricht, wie wir alle wissen, dem Wunsch der meisten älteren Menschen. Wenn wir uns die Situation in Schleswig-Holstein angucken, stellen wir fest: Von den 75.000 Menschen, die pflegebedürftig sind, lassen sich nur 15.000 durch ambulante Dienste unterstützen.
Der Anteil Pflegebedürftiger in stationären Einrichtungen in Schleswig-Holstein liegt mit 38 % über dem Bundesdurchschnitt von 31 %. Deshalb waren wir uns doch auch alle einig, dass wir hier einen politischen Schwerpunkt setzen müssen.
In dieser Kampagne soll sehr deutlich werden, dass es nicht nur um Informationen geht, sondern um Aktivierung. Wir müssen das Thema Pflege in die Mitte der Gesellschaft bringen. Deshalb brauchen wir auch mehr als Portale, wir brauchen eine Aktivierungsstrategie, in die natürlich auch die Bündelung von Informationen eingebunden wird.
Wir machen eine solche Kampagne mit einer Internetpräsentation, konzentriert auf den ambulanten Bereich, weil das unsere Ziele waren. Dort erhalten Sie - wie Sie gesehen haben - Adressen der ansässigen Pflegedienste, damit man schnell einen ersten Überblick bekommt. Dann muss man allerdings durch das System geführt werden. Da brauchen wir die Unterstützung der ambulanten Dienste selbst, der Träger, und deshalb ist das Ganze auch eine Gemeinschaftsaktion des Landespflegeausschusses.
Nun ist es kein Geheimnis, dass für mich die Pflegeberatungsstellen politisch eine deutliche Priorität haben. In den Beiträgen der Vorrednerinnen und Vorredner ist deutlich geworden, dass wir in Schleswig-Holstein auf diese Pflegeberatungsstel
len nicht verzichten können und wollen. Das ist nicht so einfach, denn sie sind als Modellprojekte auf den Weg gebracht worden. Da gibt es haushaltsrechtliche Herausforderungen, die zu bewältigen sind, und es gibt finanzielle Herausforderungen, die wir zu bewältigen haben.
Deshalb jetzt auch die Information: Ich habe mir gerade das Plazet des Finanzministers geholt. Sie wissen, dass wir uns mitten im Haushaltsaufstellungsverfahren befinden. Es ist nicht üblich, daraus vorab zu berichten, ich darf hier aber sagen, dass wir gemeinsam miteinander gerungen haben und zu der Erkenntnis gekommen sind, am Dienstag dem Kabinett und Ihnen im Landtag vorzuschlagen, die Pflegeberatungsstellen in gleicher Höhe wie bisher zu fördern.
Das ist in Zeiten knapper Kassen keine Selbstverständlichkeit, das war auch ein Stück harte Arbeit, aber es war auch ein sehr erstrebenswertes Ziel.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie werden sich im Ausschuss sicher auch mit der Situation der Pflegeberatungsstellen befassen. Dazu ist es gut, dass jetzt die Ergebnisse einer wissenschaftlichen Begleitforschung vorliegen, sodass man sich im Einzelnen damit befassen kann, welchen Nutzen diese Pflegeberatungsstellen insgesamt und mit Blick auf die jeweiligen Regionen tatsächlich haben.
Nun komme ich zum Thema Pflegeportal. Es ist nett, immer wieder neue Begriffe zu schaffen und so zu tun, als passiere jetzt wieder das Zentrale und alles andere sei nicht wichtig. Wir sollten uns darauf verständigen, dass es wichtig ist, Informationen zu bündeln und Transparenz herzustellen. In diesem Sinne möchte ich feststellen, dass in SchleswigHolstein die Türen, das Portal, schon lange weit aufstehen, damit die Menschen dort hindurchschreiten können und gut informiert wieder herauskommen. Ob nun diese Art der Internetpräsentation als Pflegeportal der entscheidende Schritt ist, darüber können wir gern miteinander reden. Aber das ersetzt auf jeden Fall nicht die Gesamtphilosophie. Ich will dazu noch Folgendes sagen.
Dann noch ein letzter Satz. - Ich habe die Pflegeberatungsstellen gebeten, die Informationen, die sie haben und die sie in einem so genannten Pflegeatlas selbst zusammentragen, daraufhin abzuchecken, wie man diese Informationen nutzen kann, damit sie auch für die Bevölkerung insgesamt zugänglich gemacht werden können und verständlich sind. Das macht gerade die wissenschaftliche Begleitforschung, sodass dieses reichhaltige Wissen bei den Pflegeberatungsstellen genutzt werden kann, um das in etwas hineinzugeben, das man meinetwegen dann auch Pflegeportal nennen könnte, das jedenfalls dazu dient, dass die Menschen zukünftig noch besser informiert sind, als sie es auf unseren Wunsch hin und durch die vielen Aktivitäten der Träger ohnehin schon sind.
Ich danke der Frau Ministerin. - Ich habe jetzt eine Anmeldung zu einem Wortbeitrag der Frau Abgeordneten Monika Heinold und bitte darum, ein bisschen Hilfestellung zum Überweisungswunsch von Herrn Dr. Garg zu bekommen, damit klarer wird, was hier überwiesen werden und was abgestimmt werden soll.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Erst einmal vielen Dank für die sehr konstruktive Debatte. Es ist so, dass CDU und SPD in ihrem Antrag, der sehr viel umfänglicher ist als unserer, unseren Punkt aufgenommen haben, nämlich einen Bericht darüber anzufordern, wie denn ein internetgestütztes System funktionieren und ob das der richtige Weg für Schleswig-Holstein sein könnte. Wir finden es sehr schade, dass CDU und SPD nicht auf den Vorschlag der FDP eingehen wollen, der lautete, dass wir den Antrag von CDU und SPD in der Sache abstimmen und unseren Antrag in den Sozialausschuss überweisen. Das wäre ein sehr gutes Verfahren gewesen. Dann hätten wir einen Bericht gehabt und hätten parallel dazu die Details eines Pflegeportals im Ausschuss beraten können.
Da CDU und SPD das nicht wollen, haben wir uns jetzt für einen anderen Weg entschieden. Meine Fraktion modifiziert ihren Antrag. Wir übernehmen den Antrag von CDU und SPD und werden dann, wenn unser Bericht vorliegt, einen Antrag zur Sache stellen.
Ich danke für diesen Hinweis. Wenn BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN den Antrag von CDU und SPD insgesamt übernehmen, ist der Überweisungsantrag der FDP, Herr Dr. Garg, damit erledigt.
Dann stelle ich den Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 16/847, zur Sachabstimmung. Er entspricht dann dem übernommenen Antrag Drucksache 16/891. Wenn man ihn deutlich liest, erkennt man, dass der ein Berichtsantrag zur 15. Sitzung ist, teilweise auch andere Themen umfasst und nur teilweise deckungsgleich ist. Der so geänderte Antrag Drucksache 16/847 wird jetzt also zur Abstimmung gestellt. Wer ihm zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich glaube, das habe ich richtig als einstimmig angenommen erkannt.
Ich darf darauf hinweisen, dass sich die parlamentarischen Geschäftsführer darauf geeinigt haben, den Tagesordnungspunkt 48, Modellversuch Flensburg als Testregion für die Einführung einer Gesundheitskarte, auf die September-Tagung zu vertagen. Ich bitte die Zuhörerinnen und Zuhörer auf der Besuchertribüne, die zu diesem Tagesordnungspunkt gekommen sind, dafür um Verständnis.
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache und erteile Frau Abgeordneter Anke Spoorendonk das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der bundesdeutsche Föderalismus und seine offensichtlichen Schwächen sind ein Thema, das uns im Landtag und zusammen mit den anderen Landtagen schon längere Zeit - mal mehr, mal weniger intensiv - beschäftigt hat. Der SSW hat hier im Haus immer einem solidarischen Föderalismus das Wort ge
redet und sich konsequenterweise gegen einen Wettbewerbsföderalismus ausgesprochen. Das geplante Kooperationsverbot, das künftig Bundeshilfen für Bildungsprogramme unmöglich machen soll, ist ein ebenso klarer wie falscher Schritt in Richtung Wettbewerbs- oder Konkurrenzföderalismus.
(Beifall beim SSW sowie der Abgeordneten Jürgen Weber [SPD] und Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Das Kernproblem des bundesdeutschen Föderalismus ist aber die parteipolitische Interessenverflechtung, gepaart mit einem erdrückenden Übergewicht der Exekutive in den intransparenten Entscheidungsprozessen im Verhältnis von Bund und Ländern. Daran möchte ich gern festhalten.
Nach gemeinsamen Anhörungen von Bundestag und Bundesrat wird der Bundestag das Gesetz zur Reform des bundesdeutschen Föderalismus heute verabschieden, nachdem noch in den letzten Tagen hinter verschlossenen Türen Änderungen zwischen den beiden Koalitionsparteien ausgehandelt worden sind.
Warum kommt nun der SSW heute noch mit einem Antrag zur Föderalismusreform, wenn doch die Elefanten in Berlin bereits alles ausgekungelt haben und der Bundesrat das Gesetz nächsten Freitag höchstwahrscheinlich ebenfalls durchwinken wird? - Nun, die Reform ist zu wichtig, als dass der Landtag sie nur zur Kenntnis nehmen und - abhängig von der Parteizugehörigkeit - brav Beifall klatschen sollte oder auch nicht. Wenn wir uns als Landesgesetzgeber selbst ernst nehmen, müssen wir das Berliner Ergebnis kritisch unter die Lupe nehmen und seine Auswirkungen abschätzen.
Der SSW kommt zu dem Schluss, dass das Ziel, die Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern deutlicher abzugrenzen, um die Anlässe und Möglichkeiten für parteipolitisch motivierte Blockaden zu verringern und klare Verantwortlichkeiten zu schaffen, so gut wie nicht erreicht worden ist.
Dies, liebe Kolleginnen und Kollegen, liegt daran, dass man die Lösung in einer stärkeren starren Trennung der Gesetzgebungskompetenzen gesehen hat. Zunächst durchaus einleuchtend, aber politisch unrealistisch, da eine konsequente Trennung der Kompetenzen zwingend auch die Trennung von Finanzströmen und Vollzugsverwaltung erfordert, wenn das funktionieren soll.