An den Finanzverflechtungen und den Verwaltungsverflechtungen wird sich jedoch nichts oder höchstens nur sehr marginal etwas ändern. Somit ist der Kompetenzgewinn für die Länder bei dieser Reform äußerst bescheiden und darüber hinaus auch im Hinblick auf die Wahrung der gesamtstaatlichen Interessen zumindest zweifelhaft. Ich erinnere hier an die Debatte zum Strafvollzug im Dezember letzten Jahres.
Die zukunftweisende Lösung hätte vielmehr in dem Instrument der konditionierten Zugriffsrechte beziehungsweise Abweichungsrechte der Landtage bestanden, das nachhaltig zu einer sinnvollen Mehrebenenordnung beigetragen hätte. Dies steht nun nicht zur Debatte. Das wissen wir. Aber mit dem so genannten Kooperationsverbot in Artikel 104 b Abs. 1 Grundgesetz enthält der Gesetzentwurf zur Föderalismusreform einen so groben Wegfehler, dass ihm seitens der strukturschwächeren Länder und im gesamtstaatlichen Interesse ganz einfach nicht zugestimmt werden kann.
Die Lockerung des Kooperationsverbotes im Bereich der Forschung und der Lehre, die die SPDBundestagsfraktion durch Eingeständnisse beim Gleichbehandlungsgesetz erkauft hat, reicht unserer Meinung nach bei weitem nicht aus. Das Fokussieren auf den Wissenschaftsbetrieb ist eine gefährliche Einengung des politischen Blickes. Die Herausforderungen der Zukunft, nicht zuletzt die sozialen, liegen vor allem und am dringlichsten im Schulwesen.
In der Anhörung in Berlin haben mehrere namhafte Experten wie der Direktor des Deutschen Instituts für Föderalismusforschung, Professor Hans-Peter Schneider, der „Entdecker“ der Politikverflechtungsfalle, Professor Fritz Scharpf oder auch Professorin Ursula Münch von der Universität der Bundeswehr München dringend dazu geraten, das Kooperationsverbot ersatzlos zu streichen.
„Bei allem berechtigten Bemühen um mehr Transparenz und Entflechtung weist das so genannte Kooperationsverbot … in die falsche Richtung.“
„Es sollte nicht nur ersatzlos gestrichen werden; gerade umgekehrt müsste als Ersatz für den Wegfall der gemeinsamen Bildungsplanung dem Bund … - jedenfalls bis zu einer Reform der föderalen Finanzbeziehungen sogar ausdrücklich ermöglicht werden, Län
„Würde sie (die Beschränkung in Artikel 104 b) beibehalten, würden sich die aus der unterschiedlichen Leistungskraft der Länder erwachsenen Probleme nicht nur im Bildungsbereich immer mehr zuspitzen und sie würden umso gravierender, je mehr Kompetenzen im Zuge der Reform auf die Länder übertragen werden.“
„Im ‚sozialen Bundesstaat’ des Grundgesetzes ist die Möglichkeit bedarfsorientierter Bundeshilfen die denknotwendige Ergänzung erweiterter Autonomie der Landesgesetzgeber.“
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Ziel der Föderalismusreform war und ist die Entflechtung der Kompetenzen von Bund und Ländern, die Entflechtung und die Transparenz der damit verbundenen Finanzströme. Es geht um Geld sofern vorhanden - und es geht um Macht und Einfluss - sowohl vonseiten des Bundes als auch vonseiten der Länder oder einzelner Landesfürsten. Deshalb dauert diese Diskussion so lange. Gerade im Bildungsbereich gibt es die meisten Friktionen. Die erste Föderalismusreform 2003 ist gerade an diesem Punkt gescheitert - nicht ohne Grund, denn gerade Bildung und Kultur sind die ureigene Kompetenz der Länder. Unterstützt werden sie bei dieser Aufgabe von den Kommunen.
Allerdings hat sich gerade in den letzten beiden Legislaturperioden des Bundestages gezeigt, dass der Bund zunehmend politisch auf die Hochschul- und Schulentwicklung der Länder Einfluss nehmen
wollte. Ich erinnere nur an das politisch motivierte Verbot der Erhebung von Studiengebühren im Hochschulrahmengesetz, das zum Glück als verfassungswidrig eingestuft wurde, aber auch an das Tagesbetreuungsausbaugesetz, das den Kommunen neue finanzielle Pflichten aufbürdet. Ich erinnere aber auch an den „goldenen Zügel“ im Investitionsprogramm des Bundes zu Bildung und Betreuung, das den Ländern Geldgeschenke zwecks Investitionen zuwies, diese und die Kommunen aber auf den langfristigen Personalkosten sitzen ließ.
Der Landesrechnungshof Schleswig-Holstein hat nicht zu Unrecht in seinem letzten Bericht eine Evaluation angemahnt. Die Presseveröffentlichungen der letzten Wochen hinsichtlich des Investitionsprogramms stellen zumindest die geplante Wirksamkeit des IZBB infrage.
Das so genannte Kooperationsverbot hatte gerade zum Ziel, die Einmischung des Bundes in Landeskompetenzen zu vermeiden, was sich allerdings nach der umfangreichen Anhörung vor allem im Hochschulbereich als untaugliches Mittel erwiesen hat und nach meiner Kenntnis am 22. Juni nach der Konferenz der Regierungschefs - so nenne ich sie; ich nenne sie nicht „Elefantenrunde“ - in der stringenten Fassung wieder gestrichen worden ist. Allerdings wurde ein Kompromiss gefunden, der die Gewährleistung von Finanzhilfen für besonders bedeutsame Investitionen an Länder und Gemeinden unter dem Vorbehalt zulässt, dass die Neufassung des Grundgesetzes dem Bund Gesetzgebungsbefugnis verleiht. Mit dieser Änderung ist aufgrund fortbestehender Gesetzgebungsbefugnis des Bundes im Hochschulbereich auch die Möglichkeit eines Hochschulpaktes zwischen Bund und Ländern abgesichert und meines Erachtens eine sinnvolle Lösung für den Hochschulbereich gefunden worden.
Allerdings - das ist die Auffassung der CDU - muss man schon unterscheiden zwischen dem Hochschul- und dem Schulbereich. Das Wissenschaftssystem muss an internationalen Maßstäben ausgerichtet sein. Internationale Maßstäbe verlangen auch nationale Strategien. Dafür müssen Voraussetzungen geschaffen werden - ebenso wie für den zu bewältigenden Studierendenberg der nächsten Jahre. Das kann nur gemeinsam zwischen Bund und Ländern bewältigt werden.
Die Schulpolitik soll weiterhin in die Kompetenz der Länder fallen - und das ist gut so. Die Schule lebt von der Verantwortung vor Ort und in der Re
gion, dem Zusammenspiel zwischen Land und Kommunen. Sie braucht nicht mehr politische Einwirkung, sondern mehr Freiraum. Nur so kann sie das ist ihre Aufgabe - Antworten auf die Vielfältigkeit der Regionen, zum Beispiel auch auf eine mögliche Fremdsprachenregelung in Schleswig-Holstein, Frau Spoorendonk, geben. Das mögen Befürworter einer zentralistischen Regelung nicht so sehen. Sie verweisen unter anderem auf die Dauer der Schulzeit, die Unterschiedlichkeit der Lehrpläne und die Unterschiedlichkeit der Lehrerausbildung.
Aber wichtig ist das Ergebnis von Schule. Das Erreichen gemeinsamer Bildungsstandards in allen Bundesländern, regelmäßige landeseinheitliche und länderübergreifende Vergleichsarbeiten auf der Basis eben dieser Standards, gemeinsame Bildungsberichterstattung und sich daraus ergebene gemeinsame Empfehlungen der KMK - das hat die CDU immer gewollt. Das sind in Verbindung mit PISA die Instrumente der Weiterentwicklung des Schul- und Bildungswesens insgesamt und dient auch dem Wettbewerb zwischen den Schulen im Land und länderübergreifend. Diese Kooperation zwischen den Ländern ist auch weiterhin gesichert.
Am 30. Juni - also heute - und am 7. Juli wird die erste Stufe der Föderalismusdiskussion abgeschlossen sein. Die zweite Stufe, nämlich die Reform der Bund-Länder-Finanzbeziehung, ist notwendig und wird mit härteren Bandagen geführt werden, wie wir bereits aus Äußerungen vor allen Dingen aus dem südlichen Teil unserer Bundesrepublik vernehmen konnten.
Wir haben noch einiges vor. Es wird auch nicht einfacher werden. Ich bitte heute um Zustimmung zu dem gemeinsamen Antrag der Koalition.
Ich danke der Frau Abgeordneten Sylvia Eisenberg und erteile für die SPD-Fraktion dem Herrn Abgeordneten Jürgen Weber das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man hat es nicht häufig, dass Bundestag und Landtag zeitgleich über dieselben Dinge reden. Die Bundestagsdebatte zur Föderalismusreform läuft noch. Wir befassen uns heute auf Antrag des SSW mit dem Bildungsteil dieses Reformpaketes. Ich will, bevor ich hierauf eingehe, kurz noch auf meine beiden Vorrednerinnen reagieren.
Kollegin Spoorendonk, es nützt nichts, wenn wir hier die ganze Palette des Hätte und Wenn aufblättern. Vielmehr hat ein jahrelanger Prozess in den letzten Tagen noch zu Veränderungen geführt. Die Frage, über die wir heute reden, lautet, ob wir das so akzeptieren können.
Kollegin Eisenberg, man kann natürlich unterschiedliche Auffassungen darüber haben, inwieweit der Bund in der Schulpolitik etwas tun darf. Aber ein erhebliches Milliardenprogramm zum Ausbau der Ganztagsschulen in diesem Lande mit einer 90-prozentigen Finanzierung des Bundes, die komplett freiwillig ist - ich kenne keine Gemeinde, die das Geld nehmen muss -, als goldenen Zügel zu bezeichnen, ist schon hart an der Grenze der Vermessenheit. Das muss ich einmal deutlich sagen.
Lassen Sie mich nun zu dem kommen, was heute auch im Bundestag beraten wird, zu dem Kompromiss bei der Föderalismusreform.
Mit dem in den letzten Tagen erzielten Kompromiss bei der Neufassung des Artikels 91 b, also dem Fallen des Kooperationsverbotes im Hochschulbereich, ist ein wichtiger Punkt nachgebessert und korrigiert worden. Das begrüßen wir außerordentlich. Ich will gern hinzufügen: Für uns ist es aber auch das Allermindeste an Veränderungen im Hochschulbereich, das für eine Akzeptanz des Kompromisses erforderlich ist. Deswegen darf man das meiner Meinung nach auch nicht überbewerten.
Mit dem Kompromiss kann der Bund künftig Hochschulsonderprogramme mit den Ländern vereinbaren. Damit ist auch das von Bildungsministerin Schavan angekündigte Paket, der Hochschulpakt, tatsächlich verwirklichbar. Das ist ein positives Signal. Begrüßenswert ist das vor allem, weil der Bund künftig auch im Bereich von Forschung und Lehre an den Hochschulen finanziell helfen kann und die bisher in Aussicht genommene Form des Umwegs über die Forschungsfinanzierung vom Tisch ist. Dies ist ein Stück Hoffnung, künftig für eine auskömmliche Finanzierung der Hochschulen zu sorgen.
Dennoch ist natürlich auch dieser Kompromiss kein Anlass zum Jubeln. Ich zitiere mit Genehmigung der Frau Präsidentin aus der Stellungnahme der Petition der Verbände der deutschen Wissenschaft, die folgendermaßen formuliert haben:
„Die Regelungen für den Bereich Bildung und Forschung sind nicht hinreichend, um den Herausforderungen von zunehmender In
ternationalisierung, wachsender Wissensbasierung und Innovationsorientierung Deutschlands und eines umfassenden demographischen Wandels gerecht zu werden. Sie sind vielmehr geeignet, dem Bildungs- und Forschungsstandort Schaden zuzufügen und eine bundesweit vergleichbare und international durchsetzungsfähige Bildungs- und Forschungspolitik zu gefährden.“
Das ist vielleicht etwas hart formuliert, im Kern bleiben aber auch nach dem Fall des Kooperationsverbotes viele Probleme bestehen. Denn wir haben zwar ein wenig mehr Möglichkeiten des Kooperierens, aber in vielen Bereichen nicht die entsprechenden Mittel.
Deswegen will ich in einigen Stichworten noch einmal ganz kurz sagen, was wir in den nächsten Jahren beachten müssen, weil es für uns insoweit eben keine akzeptablen Lösungen gegeben hat. Ich nenne die Abschaffung der Gemeinschaftsaufgabe „Hochschulbau“, ich nenne die Begrenzung der Bundeskompetenz im Hochschulbereich auf den Hochschulzugang und auf die Hochschulabschlüsse und schließlich auch den Wegfall der gemeinsamen Bildungsplanung von Bund und Ländern, die es im europäischen Maßstab so auch kein zweites Mal gibt.