Protokoll der Sitzung vom 30.06.2006

Wenn die Landesregierung mit der Verlängerung der Arbeitszeit den Fehlbedarf in der Steuerverwaltung von 442 Stellen um 87 Stellen vermindert - die Deutsche Steuergewerkschaft bezweifelt allerdings, dass dies möglich sein wird -, so kommt hinzu, dass das Personal-Ist, also das für die Arbeitserledigung tatsächlich eingesetzte Personal, nur einen Stellenanteil von 3.648 ergibt. Es sagt sich von selbst, dass man bei der Höhe dieses Fehlbedarfs kaum von einer optimalen Arbeitssituation in der Steuerverwaltung sprechen kann.

Hinzu kommt - auch das ist schon angesprochen worden -, dass die durchschnittlichen Wartezeiten bis zur Erreichung einer höheren Besoldungsgruppe für die Beschäftigten der Steuerverwaltung sehr hoch sind. Auch wenn wir die Problematik zum Beispiel von der Polizei her kennen, dürfte klar sein, dass dies nicht zur Motivation und zur Begeisterungsfähigkeit beiträgt. Das Gleiche gilt übrigens auch für die erneute Kürzung des Weihnachtsgeldes.

Leider steht zu befürchten, dass die geplanten Personaleinsparungen im Doppelhaushalt 2007/2008 diese Problematik noch verschärfen werden. Dabei hätte die Landesregierung allen Grund, die Nachwuchsförderung in der Steuerverwaltung ernst zu nehmen. Nach Angaben der Steuergewerkschaft und auch des Deutschen Beamtenbundes werden bis 2023 insgesamt circa 1.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des mittleren Dienstes und circa 550 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des gehobenen Dienstes sowie etwa 400 Angestellte der Steuerverwaltung in Pension gehen. Das entspricht fast 50 % der gesamten Belegschaft in der Steuerverwaltung, wobei es keinerlei Anzeichen dafür gibt, dass wir in Zukunft weniger Mitarbeiter in der Steuerverwaltung benötigen. Ich sprach es eingangs schon an.

Die Landesregierung möchte zwar in ihrer Antwort auf eine entsprechende Kleine Anfrage des SSW dazu nicht Stellung nehmen. Aber es dürfte offensichtlich sein, dass sich das Land frühzeitig um die Nachwuchsförderung bemühen muss. Dazu würde auch gehören, dass die Landesregierung wie bisher alle Laufbahnbewerber für den gehobenen und mittleren Dienst, die die Prüfung bestehen, auch in den Landesdienst übernimmt. Das wird meines Wissens 2006 nicht der Fall sein. Ich denke, das ist

(Monika Heinold)

falsch verstandene Sparpolitik der Landesregierung. Wir appellieren an den Finanzminister, diese Entscheidung noch einmal zu überdenken. Der geringe finanzielle Gewinn überwiegt bei weitem nicht die Schäden, die dadurch für die jungen Menschen, aber auch für die Steuerverwaltung insgesamt, das heißt für uns als Land entstehen.

(Beifall der Abgeordneten Günter Neugebau- er [SPD] und Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist Ausschussüberweisung beantragt worden. Ich nehme an, dass Überweisung an den Finanzausschuss zur abschließenden Beratung empfohlen wird.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Ja!)

Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Auch wenn die Zeitabfolge etwas schwierig war, unterstelle ich: Einstimmig so beschlossen!

Ich darf auf der Tribüne ganz herzlich den Vorsitzenden Musikalischen Leiter des Musikzuges Halstenbek begrüßen, der den nächsten Landeswettbewerb ausrichten wird. - Herzlich willkommen und viel Erfolg beim Landesmusikfest!

(Beifall)

Ich rufe nunmehr Tagesordnungspunkt 33 auf:

Bürokratie abbauen - Sportboothafenverordnung überarbeiten

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/873

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Oppositionsführer, der Fraktionsvorsitzende der FDP, Herr Abgeordneter Wolfgang Kubicki.

In Anbetracht des Anstoßzeitpunktes - Wasserfahrzeuge sind zwar nicht ganz so schnell - erinnere ich alle an die Zeit.

Herr Präsident, die Parlamentarische Geschäftsführerin der CDU-Fraktion hat mir mitgeteilt, um 14:30 Uhr sei Schluss. Ich werde mich daran halten und 14:30 Uhr nicht überschreiten.

(Beifall bei der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es geht auf Mitternacht zu, als das Telefon des Hafenmeisters der kleinen Vereinsmarina in der Kieler Förde klingelt. Eine Yacht ist klar zum Auslaufen. Vor dem Nachttörn aber muss der ölige Putzlappen von der Maschineninspektion entsorgt werden. Der Kapitän holt den Hafenmeister aus seinem Bett und dem bleibt nichts anderes übrig als aufzustehen. Er muss den Lappen annehmen und entsorgen.

Dieses Szenario hat der Deutsche Segler-Verband in seiner Stellungnahme zur seit Herbst letzten Jahres gültigen Sportboothafenverordnung des Landes Schleswig-Holstein entworfen. Nach dieser Verordnung sind sämtliche Sportbootfahrer verpflichtet, vor jedem Verlassen des Hafens sämtliche auf dem Boot vorhandenen Abfälle an Land in so genannten Abfallentsorgungseinrichtungen zu entsorgen. Die Mülltonne darf also nicht zum Beispiel in Flensburg, Eckernförde, Schleimünde oder anderswo von Bord gebracht werden. Verstöße gelten als Ordnungswidrigkeit und können mit einem Bußgeld belegt werden, das nicht unerheblich sein kann.

Aber die neue Sportboothafenverordnung hält noch weitere Schmankerl parat. So hat die für Bürokratieabbau und Deregulierung angetretene Landesregierung noch weitere Regelungen in die besagte Verordnung eingebaut, die genau das Gegenteil vom Ziel der Entbürokratisierung erreichen. So ist seit In-Kraft-Treten der Verordnung jeder Sportboothafenbetreiber - außer, es handelt sich um Häfen von Kanu-, Angler- oder Ruderbootvereinen verpflichtet, Abfallbewirtschaftungspläne aufzustellen, und das alle drei Jahre neu! Das bedeutet, dass beispielsweise der Rentner, der ehrenamtlich eine kleine Marina betreut - das haben wir beispielsweise an der Schlei -, den in Zukunft anfallenden Müll in diesem Hafen alle drei Jahre im Voraus prognostizieren muss. Außerdem umfassen diese Abfälle nach EU-Recht Hunderte von Abfallarten. Nach Auskunft des Deutschen Segler-Verbandes sind diese Abfälle nach gut 800 Abfallschlüsseln zu unterscheiden.

(Konrad Nabel [SPD]: So ist es!)

Wer will da noch ehrenamtlich kleine Häfen führen? Dafür wird dann ein Hauptamtler nötig sein. Der kostet ebenso wie die Abfallbewirtschaftungspläne Geld und belastet insbesondere die kleinen Häfen. Absurdistan lässt grüßen!

(Beifall bei der FDP)

Grund für die bereits angeführten Regelungen ist angeblich die EU-Hafenauffangrichtlinie für

(Anke Spoorendonk)

Schiffsabfälle und Ladungsrückstände vom 27. November 2000. Nach Verlautbarungen des Staatssekretärs im zuständigen Umweltministerium, Herrn Rabius, hätte sein Ministerium bei der Umsetzung dieser Richtlinie den Interpretationsspielraum bereits weitestgehend ausgeschöpft. Damit will er sagen, er setze nur das um, was von der EU zwingend vorgeschrieben sei. Der Kollege Nabel sagt, so ist es. Ich sage, so ist es nicht. Die EU-Hafenrichtlinie gibt weiteren Gestaltungsspielraum, um für Schiffe bis zu einer Länge von 10 m oder mit einer Personenzahl bis zwölf weitere Ausnahmemöglichkeiten vorzusehen, von denen wir Gebrauch machen sollten.

Ich denke, dass wir das im Innen- und Rechtsausschuss weiter beraten werden. Ich werde jeweils die Überweisung beantragen, damit wir diese Fragen eingehend erörtern können. Ich bin mit dem Minister in Übereinstimmung, dass es auch in seinem Interesse liegt, die Sportboothafenbetreiber und die Sportbootfahrer möglichst unbürokratisch mit dieser Regelung zu konfrontieren.

Ich will noch darauf hinweisen, dass die Wassersportund Wassersportwirtschaftsverbände uns Folgendes mitgeteilt haben: Zur Entsorgungspflicht vor dem Auslaufen sagt die EU-Richtlinie Folgendes: Ausnahmen sind dann möglich, wenn das auslaufende Schiff über genügende Kapazität verfügt, den Müll an Bord für eine Weile zu lagern und die Möglichkeit zur Entsorgung in einem anderen Hafen besteht. Diese Vorschrift gilt selbst für die gewerblichen Häfen und die gewerblichen Schiffsbetreiber. Warum dann nicht für die Sportbootfahrer und Sportboothafenbetreiber? Das ist in der Verordnung nicht vorgesehen. Da fragt man sich, warum die Landesregierung von dieser Möglichkeit in der Verordnung keinen Gebrauch gemacht hat und Schiffe bußgeldbewehrt zwingt, den Abfall vor dem Auslaufen zu entsorgen. Ich frage das auch aus praktischen Erwägungen heraus. Wer soll denn beweisen, wann die Colaflasche an Bord ausgetrunken wurde, vor oder nach dem Auslaufen?

Zu den Abfallbewirtschaftungsplänen hat die Landesregierung selbst eine Ausnahme formuliert, nämlich für die Häfen von Kanu-, Angler- und Rudervereinen. Wir meinen, dass es für kleine Sportboothäfen in gleicher Weise gelten kann. Ausnahmen sind also möglich. Wir werden versuchen, im Rechtsausschuss nachzuweisen, dass dies für Häfen, die nur von Booten angelaufen werden können, die nicht mehr als zwölf Personen aufnehmen können, in gleicher Weise gelten kann.

(Beifall bei der FDP)

Trauriger Schlusspunkt der Verordnung sind allerdings die übertriebenen Regelungen zum Brandschutz. Ich sage das nicht nur, Kollege Wadephul, weil ich neuer Besitzer eines Bootes bin, sondern weil ich seit über 30 Jahren im Wassersport unterwegs bin und den Brandschutz, wie er jetzt vorgesehen ist, für absolut kontraproduktiv halte. Wo nach der alten Verordnung bis Herbst letzten Jahres zwei leichtgängige Feuerlöscher im Sportboothafen ausreichten, sollen nun alle 30 Meter ein 6-kg-Feuerlöscher angebracht werden. Der Geschäftsführer der Kieler Sporthafen GmbH hat ausgerechnet, dass hierfür allein in seinem Bereich 20.000 € zusätzlich ausgegeben werden müssen. Dem Yachthafen in Wedel entstehen hierdurch Kosten in Höhe von 45.000 €. Diese Kosten werden natürlich auf die Sportbootfahrer umgelegt, woraufhin diese dann Häfen außerhalb Schleswig-Holsteins aufsuchen werden. Dazu muss man sich fragen, wie viele dieser Feuerlöscher nach einem Jahr noch hängen und gewartet oder ergänzt werden müssen. Die Wassersportvereine fragen sich zu Recht, wie die Landesregierung auf einmal auf diese Vorschrift gekommen ist. Mit der bereits genannten EU-Richtlinie hat dies nichts zu tun.

Ich weise darauf hin, jeder, der ein maschinengetriebenes Fahrzeug hat, hat die Verpflichtung, einen Feuerlöscher an Bord zu haben. Kein Feuerwehrmann wird Ihnen erklären, dass Sie IFK-Boote, die anfangen zu brennen, mit einem Feuerlöscher löschen müssen. Das ist Kunststoff, den löscht man nicht mit Feuerlöschern. Bei der Unterschiedlichkeit des Materials in Sportboothäfen würde eh bei einem etwas größeren Brand die Feuerwehr dankenswerterweise zu Hilfe gerufen werden, die dann Schaumteppiche verbreitet oder das Schiff zum Sinken bringt. Warum nun völlig unsinnigerweise alle 30 Meter ein 6-kg-Feuerlöscher angebracht werden muss, erschließt sich keinem vernünftig denkenden Menschen. Ich bitte um Überweisung an den Innen- und Rechtsausschuss.

(Beifall bei der FDP)

Die Geschwindigkeit über Grund hat nicht ganz ausgereicht. - Ich erteile das Wort für die Fraktion der CDU dem Herrn Abgeordneten Axel Bernstein.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kubicki, ich fand Ihre Ausführungen gerade im Praxisteil sehr wertvoll, um auf den Unterschied zwischen Theorie und Praxis in der Umsetzung ei

(Wolfgang Kubicki)

ner europäischen Richtlinie im Verordnungswege hinzuweisen. Ich glaube, der Schiffsbesitzer, der den Hafenmeister um 12 Uhr wegen einer leeren Colaflasche herausgeklingelt hat, tut das einmal und danach hat sich dann der Vollzug für diesen Bereich ein wenig geändert.

In den vergangenen Wochen konnten wir in vielen Bereichen beobachten, dass Sachverhalte, die von der Europäischen Union geregelt werden, kritisch beleuchtet werden und man sich die Frage stellt, ob nicht Mitgliedstaaten im Sinne der Subsidiarität hier selbst tätig werden sollten oder manchmal besser auch nicht.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ein Kommentar der vergangenen Tage in einer großen Tageszeitung unseres Landes ging sogar so weit, die bürokratischen Belastungen aufzurechnen gegenüber dem Nutzen, den uns die Europäische Union bringt. Das geht sicherlich über das Ziel hinaus, in einem Kommentar kann man das machen, aber es zeigt, dass die Europäische Union in manchen Bereichen über das hinausschießt, was wir für sinnvoll halten. Die Zielscheibe der Kritik in diesem konkreten Fall, über den wir diskutieren, ist aber weniger die Sportboothafenverordnung des Landes, sondern vielmehr die europarechtliche Grundlage, die schon zitierte Verordnung über Hafenauffangeinrichtungen für Schiffsabfälle und Ladungsrückstände.

Ich sage ganz ausdrücklich, die drei Punkte, welche die FDP in ihrem Antrag fordert, kann ich inhaltlich nur begrüßen. Es gibt vielleicht sogar noch weitere Punkte, die man einfacher und unkomplizierter regeln könnte, wenn wir es denn dürften. Es ist in der Tat für mich höchst fraglich, welchen Nutzen, welchen Fortschritt, den wir uns in den vergangenen Jahren sehnlichst gewünscht hätten, solche Abfallbewirtschaftungspläne mit sich bringen werden, wenn sie dann auch noch alle drei Jahre fortzuschreiben sind. Ich sehe hier keinen Spielraum.

Artikel 5 der EU-Richtlinie ist ebenso eindeutig in seinen Forderungen wie er inhaltlich vielleicht fragwürdig ist. Was bleibt? Das Ministerium hat eins zu eins umgesetzt. Es kann nicht anders, denn die Folgen, die wir zu tragen hätten, wenn wir EU-Richtlinien ignorieren, vielleicht auch mit guten Gründen, die kennen wir alle. Für die zweite Forderung der FDP gilt das Gleiche. Im Übrigen wurde genau dieser Punkt in der Antwort auf Frage 2 der Kleinen Anfrage von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/474 aus dem Januar bereits beantwortet. Wiederum gilt, ob die Regelung sinnvoll und klug

ist, kann man zu Recht hinterfragen, Änderungen müsste jedoch die EU vornehmen.

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Andere Bundes- länder regeln es auch anders!)

Offenbar sind Sie da zu einer anderen rechtlichen Bewertung gekommen. Ich persönlich glaube und offenbar ist das Haus auch dieser Auffassung, mit Blick in den Richtlinientext ist hier leider kein Spielraum.

Ein bisschen anders sieht es in der Tat bei Ihrer dritten Forderung aus. Nach der Verordnung sollen 6-kg-Pulverlöscher im Abstand von maximal 30 Metern zu jedem Liegeplatz angebracht werden.

Ich verweise an dieser Stelle noch einmal auf die Kleine Anfrage der Grünen, aus der wir wissen, dass es in den vergangenen zehn Jahren ganze 14 Bootsbrände gegeben hat. Ob sich nun aus der Statistik ein derartiger Regelungsbedarf, an dieser Stelle auf Wunsch des Innenministeriums in die Verordnung eingebracht, ergibt, kann man tatsächlich hinterfragen. An der Stelle schreibt uns die EU den Standard nicht konkret vor.