Protokoll der Sitzung vom 13.09.2006

Wir haben ganz offensichtlich einen wirtschaftlichen Aufschwung in Schleswig-Holstein - Sie wissen, dass ich mit solchen Attributen vorsichtig bin -, der diese Bezeichnung wirklich verdient. Schon im vergangenen Jahr hatten wir ein Wachstum, das mit 1,3 % zwar noch nicht berauschend war, aber immerhin deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 0,9 % lag. In der ersten Hälfte dieses Jahres liegen wir mit 2,3 % deutlich über dem Bundesdurchschnitt, meine Damen und Herren. Dies tun wir übrigens gemeinsam mit Hamburg, was bedeutet, dass der Norden den Rest der Republik stützt. Wann haben wir das eigentlich zuletzt erlebt?

Alles, was uns Wirtschaftswissenschaftler seit vielen Jahren erzählt haben und manche in Zweifel gezogen haben, bestätigt sich: Angemessenes wirtschaftliches Wachstum erzeugt positive Effekte auf dem Arbeitsmarkt. Die Zahl der Arbeitslosen ist im Vergleich zum vergangenen Jahr um 27.000 zurückgegangen und - das ist noch viel wichtiger - die

Schleswig-Holsteinischer Landtag (16. WP) - 37. Sitzung - Mittwoch, 13. September 2006 2581

(Präsident Martin Kayenburg)

Zahl der Erwerbstätigen steigt wieder und vor allem die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist um etwa 1 % gestiegen. Das sind die Menschen, die nun wieder Steuern und Beiträge zahlen, statt Leistungen aus den öffentlichen Haushalten zu erhalten, und die vor allen Dingen den Lebensunterhalt für sich und ihre Familien wieder aus eigenem Einkommen bestreiten können. Bei allen manchmal auch ziemlich kleinkarierten - Diskussionen um politische Lösungen und politische Differenzen darf man auf diese Entwicklung gern hinweisen.

Wir stützen diese Entwicklung mit den politischen Schwerpunkten der Landesregierung, zum Beispiel indem wir durch den Schleswig-Holstein-Fonds zusätzliche Investitionen ermöglichen und damit Voraussetzungen für neue Arbeitsplätze schaffen. Wir stellen beispielsweise 15 Millionen € für Investitionen in „Leuchtturmprojekte“ in der Forschung und Entwicklung, zusätzlich 11 Millionen € für Tourismus- und Mittelstandsförderung, 60 Millionen € für den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur sowie 12 Millionen € für Schule und Hochschule bereit. Man könnte diese Liste fortsetzen; Sie können Sie in Ihren Unterlagen nachvollziehen.

Jenseits allen Streits, meine Damen und Herren das können Sie in den Medien täglich verfolgen -, um den richtigen Weg bei unserem Schulsystem darüber streiten wir uns schon mehr als 30 Jahre; die Diskussion wird sicherlich weitergehen - sorgen wir für mehr und bessere Bildung: Wir verbessern die Unterrichtsversorgung. Wir schaffen 225 neue Lehrerstellen in den nächsten beiden Jahren. Wir machen unsere Schulen fit für die Zukunft. Wir machen Leistung überprüfbar. Wir führen verbindlichen Englischunterricht ein. Wir sorgen dafür, dass Kinder Deutsch sprechen können, wenn sie in die Schule kommen. Wir verkürzen die Schulzeit. Denn unsere Schülerinnen und Schüler können das, was andere auch schaffen: das Abitur nach zwölf Jahren zum Beispiel.

Es geht darum, dass wir unseren Kindern die Voraussetzungen schaffen, die Chance eröffnen, in einer Welt offener Grenzen - viele nennen das ja Globalisierung -, in einer Welt, die für jeden Einzelnen schwieriger wird, im Wettbewerb mit jungen Amerikanern, Chinesen, Japanern und Europäern bestehen zu können.

Wir wollen übrigens gemeinsam mit dem Kommunen die Infrastruktur in der Kinderbetreuung ausbauen und den Bildungsauftrag unserer Kindergärten stärken. Aber wir sagen auch klar, wo die Grenzen sind: Wir sind derzeit nicht in der Lage, wie andere offensichtlich deutlich reichere Länder,

den kostenfreien Kindergarten anzubieten. Ich nenne Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, das Saarland oder Rheinland-Pfalz.

Wir investieren in die Sicherheit unserer Bürger. Wir werden nach jahrelanger Diskussion - obwohl wir in der vergangenen Woche einen kleinen Rückschlag erlitten haben, was die Finanzierungsfragen beim Digitalfunk anbetrifft - den Digitalfunk in Schleswig-Holstein einführen, weil er ein wichtiger Baustein für mehr Sicherheit für unsere Bürger ist.

(Beifall bei der CDU)

Wir werden das tun und das wird zusammen mit der Erneuerung der Boote der Wasserschutzpolizei ein Volumen von deutlich über 100 Millionen € haben. Das ist gut angelegtes Geld. Wir werden in dieser Woche noch Gelegenheit haben, über andere Maßnahmen der inneren Sicherheit zu diskutieren.

Wir bringen mehr Polizeipräsenz in die Regionen. Rund 160 Stellen aus der Polizeireform kommen künftig dem Dienst vor Ort zugute und, meine Damen und Herren, auch im Hinblick auf manche Diskussionen, die wir heute und in den nächsten Wochen noch erleben werden, gilt: Polizei und Justiz sind von der Budget- und Stellenkürzung im Zusammenhang mit der Verlängerung der Arbeitszeit für Beamte ausgenommen. Auch das stärkt Polizeipräsenz, weil es natürlich indirekt mehr Personal bereit stellt.

Schleswig-Holstein kommt voran - auch in der Haushaltspolitik. Denn Haushaltspolitik ist immer die Grundlage für die Entwicklung des Landes in allen anderen Aufgabenbereichen. Ist sie stetig und solide, schafft sie gute Voraussetzungen, Zukunftsaufgaben bewältigen zu können. Ist sie stetig unsolide, behindert sie auf Dauer alle anderen Aufgaben. Denn Zinsen - meine Damen und Herren, das ist wie im normalen Leben - fressen Leistung auf.

Unsere ersten bescheidenen Ergebnisse können sich durchaus sehen lassen: Wir machen weniger neue Schulden. Im Vergleich zum Start dieser neuen Regierung - lieber Herr Kubicki, ich meine den ersten Nachtrag 2005 - reduzieren wir die Schuldenaufnahme in den nächsten zwei Jahren um 870 Millionen €. Wer es etwas bescheidener möchte - dazu zähle ich den Kollegen Hentschel -: Im Vergleich zum Abschluss des ersten Regierungsjahres 2005 senken wir die Schuldenaufnahme in den nächsten beiden Jahren zusammen um 440 Millionen €.

(Beifall bei der CDU - Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Im Ver- gleich zu Rot-Grün 2004!)

(Minister Rainer Wiegard)

- Das ist ein Hinweis, den Sie gern noch einmal zu Protokoll geben können, Frau Heinold.

Das heißt, wir beginnen damit aufzuhören, öffentliche Aufgaben zunehmend über Kredite zu finanzieren und die Bezahlung einfach auf künftige Generationen zu verschieben. Ich betone: Wir beginnen damit. Denn wir sind noch lange nicht angekommen.

Technisch heißt das: Wir senken die Kreditfinanzierungsquote von 20 auf 15 %. Konkret bedeutet das: Heute finanzieren wir jeden fünften Euro, den wir ausgeben, aus neuen Schulden; das ist der derzeitige Sachverhalt. In den nächsten beiden Jahren wird es „nur“ noch jeder siebte und im Jahre 2010 jeder zehnte Euro sein. Dann haben wir das Zwischenziel erreicht und die Neuverschuldung gegenüber unserem ersten Nachtrag 2005 halbiert.

Das, meine Damen und Herren, geschieht allein durch strukturelle Veränderungen im Haushalt, auch durch zusätzliche Erlöse, aber nicht durch einmalige Erlöse. Denn diese stehen wie in früheren Jahren nicht mehr zur Verfügung, und zwar aus einem ganz einfachen Grund: Es ist kein Vermögen mehr da, aus dem man Einmalerlöse erzielen könnte. - Es wird diese Woche noch einige Diskussionen, auf die ich mich freue, über Landeswald und ähnliche Dinge geben.

Bei all dem, meine Damen und Herren, was wir positiv zur Kenntnis nehmen dürfen: Die finanzielle Lage Schleswig-Holsteins ist nach wie vor dramatisch. Viele reden von einer desolaten Haushaltslage, von notwendiger Haushaltskonsolidierung. Ich sage Ihnen, es mag mancher Kommunalhaushalt desolat sein - nicht immer ist übrigens das Land daran schuld -, sicherlich ist auch mancher private Haushalt desolat und das eine oder andere Wirtschaftsunternehmen auch, der Haushalt des Landes ist nicht desolat, der Haushalt des Landes ist verfassungswidrig und das ist ein unhaltbarer und unakzeptabler Zustand. Das geht weit über einen desolaten Zustand hinaus.

Legt man den Maßstab der Verfassung nicht nur an die Haushaltsplanaufstellung, sondern auch an den Haushaltsvollzug, so ist das schon seit über zehn Jahren so. Wir haben seit über zehn Jahren verfassungswidrige Haushaltsabschlüsse. Dies müssen wir ändern. Jeder fünfte Euro, den wir ausgeben, wird aus Schulden bezahlt. Jeder fünfte Euro, den wir einnehmen, wird gebraucht, um die Schulden zu finanzieren, die Zinsen also. Im nächsten Jahr wird die Zinslast im Landeshaushalt die Marke von 1.000 Millionen € überschritten haben. Das ist dann mehr als der gesamte Ausgabenblock im Sozial

haushalt unseres Landes. 250 bis 300 Jahre - da mag man sich streiten - würde es dauern, bis das Land schuldenfrei wäre, wenn wir jedes Jahr aus Haushaltsüberschüssen nur 100 Millionen € Schulden tilgen würden. Wir sind aber, meine Damen und Herren, noch 1.500 Millionen € davon entfernt, einen Haushaltsüberschuss zu erzielen.

Seit 1970 - und das ist das eigentlich Bedrückende hat das Land Schleswig-Holstein 20 Milliarden € neue Schulden aufgenommen. In diesen 35 Jahren haben wir ziemlich exakt 20 Milliarden € Zinsen aufgewendet, um diese Schulden zu finanzieren. Das heißt, für unser Land ist nichts dabei herausgekommen. Die Zinsen sind weg, die Schulden sind geblieben und die Schulden verursachen neue Zinsen.

Heute zahlen wir 900 Millionen € Zinsen. Nächstes Jahr werden es 100 Millionen € mehr sein. Das bedeutet, wir brauchen allein ein steuerliches Wachstum von 2 %, um nur die Mehrausgaben für Zinsen, also für die Bezahlung von Vergangenheit, zu finanzieren. Wir geben mehr Geld aus für die Bezahlung von Vergangenheit als für die Zukunft. Deshalb geht es auch nicht allein um einen so technokratischen Begriff wie Haushaltskonsolidierung, es geht vielmehr darum, dass wir eine Verantwortung, unsere Verantwortung, für künftige Generationen haben. Viele reden von Nachhaltigkeit in der Politik. Genau darum geht es. So wie soziale Gerechtigkeit und wie das Bewahren der Umwelt für zukünftige Generationen ein politischer Wert ist, so muss auch verantwortungsbewusste nachhaltige Haushaltspolitik ein politischer Wert an sich sein.

(Beifall bei CDU und SPD)

Deshalb senken wir die Kreditaufnahme auf höchstens 850 Millionen € im Jahr 2010. Auch das ist dann noch kein verfassungskonformer Haushalt. Deshalb gilt, alle Anstrengungen darüber hinaus dafür einzusetzen. Deshalb begrenzen wir die Steigerung der bereinigten Nettoausgaben in diesem Zeitraum bis 2010 auf jahresdurchschnittlich etwa 1 %. Deshalb müssen wir insbesondere dafür sorgen, dass die Primärausgaben, also das, was wir heute außerhalb von Zinsen und außerhalb von Investitionen an Ausgabensteigerungen haben, in den nächsten beiden Jahren stabilisiert und in den Jahren darauf gesenkt werden. Nur so werden wir dieses Ziel erreichen können. Zentrale Herausforderung ist es, die Verfassungsmäßigkeit unseres Haushaltes wieder herzustellen.

Meine Damen und Herren, ich erinnere an meine Ausführungen im vergangenen Jahr zum ersten Nachtrag 2005 und zum Haushalt 2006. Ich will

(Minister Rainer Wiegard)

nicht den Versuch machen, mit Formulierungstricks eine Verfassungsmäßigkeit vorzutäuschen, die tatsächlich nicht da ist.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Es würde uns insbesondere heute, wenn Sie an meine Eingangsbemerkung denken, angesichts der wirtschaftlichen Rahmendaten wohl auch ziemlich schwer fallen, die nach wie vor verfassungswidrige Kreditaufnahme von mehr als 700 Millionen € über der zulässigen Grenze mit einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zu begründen. Wir stehen dazu, dass dies ein unhaltbarer Zustand ist, aber wir arbeiten vor allem daran, schnellstmöglich wieder einen verfassungsgemäßen Haushalt aufzustellen und den Haushalt auch so abzuschließen. Wir können nachher gern in der Diskussion, in der Debatte, Herr Kubicki, über Ihre Vorschläge dazu reden, wie Sie das Ziel schneller erreichen wollen. Ich biete der Opposition gern diese Gemeinsamkeit an.

Wir scheuen deshalb vor schwierigen Entscheidungen nicht zurück. Wir setzen unser Personaleinsparkonzept um. Wir reduzieren öffentliche Aufgaben, um mit weniger Personal auskommen zu können. Wir verlängern die Arbeitszeit unserer Beamten. Wir kürzen das Weihnachtsgeld und das Urlaubsgeld und für die meisten streichen wir das vollständig. Davon sind übrigens alle Beamten betroffen, nicht allein Lehrer und Polizeibeamte, die Beamten in der Steuer- und Finanzverwaltung ebenso wie in den Katasterämtern, in der Umwelt- und in der Sozialverwaltung, in den Ministerien und in den Kommunen. Ich sage das nur einmal der Vollständigkeit halber, weil manchmal der Eindruck erweckt wird, dass einzelne Gruppen allein die Last der Verschuldung des Landes tragen. Dieses ist ein schwerwiegender Eingriff - da machen wir uns überhaupt nichts vor - in den Besitzstand unserer Beschäftigten und das ist kein erfreulicher Akt.

Wir müssen zur Kenntnis nehmen: Das Unternehmen, bei dem unsere Beamten und Angestellten des Landes beschäftigt sind, ist in der Insolvenz. Wäre das Unternehmen Schleswig-Holstein ein privates Unternehmen, es hätte längst keine Kredite mehr bekommen. Wir würden hier nicht über Arbeitszeitverlängerung und die Kürzung von Sonderzahlungen reden - das haben übrigens die meisten privaten Unternehmen längs hinter sich -, wir würden über einen Sozialplan verhandeln, der den endgültigen Verlust der Arbeitsplätze wegen Schließung des Unternehmens zur Folge hätte. Das, meine Damen und Herren, ist der Vergleich, der sich anbietet.

Unser Ziel ist eben, mit all diesen Maßnahmen diese Folgen abzuwenden und Schleswig-Holstein wieder zu einem handlungsfähigen Unternehmen machen zu können. Dazu müssen alle gesellschaftlichen Gruppen ihren Beitrag leisten, auch unsere Beschäftigten. Dieser Beitrag, der Beitrag unserer Beamten, ist ein bedeutender. 100 Millionen € sind der Gegenwert von 2.200 Stellen. Wir wissen, dass die Kürzung der Bezüge unserer Beamten häufig mit anderen Einschränkungen beispielsweise aus der Bundespolitik oder anderen Leistungen zusätzlich kumuliert und sich verschärft.

Ich habe vor einem Jahr geglaubt, wir könnten diesen Beitrag mit Aufgabenreduzierung, mit Stellenabbau, mit Leistungskürzungen in Sachhaushalten erreichen. Wir mussten lernen, ich musste lernen, dass das so kurzfristig, wie es notwendig wäre, nicht umsetzbar ist. Deshalb gehen wir diesen Weg. Hätte ich vor einem Jahr diese Erkenntnis gehabt, ich hätte der Landesregierung und dem Landtag bereits damals für das Jahr 2005 dieselben Vorschläge unterbreitet, also zwei Jahre früher.

Insgesamt beträgt das Volumen der Sonderzahlung künftig noch 20 Millionen €. Um diese wenigen Mittel einigermaßen sozial ausgewogen einzusetzen, erhalten die Beamten künftig für jedes Kind ein Weihnachtsgeld von 400 €, und die Beamten in den Besoldungsgruppen A 2 bis A 10 pauschal 660 €. Darüber hinaus bauen wir Stellen ab. Im Stellenplan des Doppelhaushalts fallen insgesamt 322 Stellen weg. 317 Stellen werden im Wissenschaftsbereich in Stiftungsstellen umgewandelt. Das ist der Anfang. Die Umsetzung der Aufgabenkritik 1 hat erst begonnen. Die Aufgabenkritik in den Kernbereichen beginnt jetzt. Auch hier wird es künftig weniger Aufgaben mit weniger Personal geben.

Neue Stellen gibt es fast ausschließlich für neue Lehrer, um mehr, bessere Bildung für unsere Kinder zu ermöglichen. Auch die Lehrer tragen übrigens mit einer halben Unterrichtsstunde pro Woche zu mehr, besserer Bildung bei. Das ist für den Einzelnen möglicherweise nicht viel, insgesamt ergibt das aber den Gegenwert von über 320 Stellen, die sonst nur über neue Schulden finanziert werden könnten.

Wir senken die Zuwendungen an die Kommunen. Natürlich wollen wir - das ergibt die Diskussion der letzten Wochen - nicht einfach die Kreditaufnahme des Landes dadurch verringern, dass wir die Kommunen zu einer erhöhten Kreditaufnahme veranlassen. Das wäre keine Lösung des gesamtstaatlichen Schuldenproblems. Deshalb werden wir einen weitgehenden Ausgleich schaffen und die Kommunen

(Minister Rainer Wiegard)

von Aufgaben entlasten. Da sind wir noch nicht am Ende der Diskussion, auch noch nicht am Ende der Summe angekommen. Es muss noch nachgelegt werden, auch wenn - darüber sind wir uns im Klaren - nicht alle Maßnahmen, die wir einleiten, bereits im ersten Jahr ihre volle Wirkung entfalten.

Bei dieser Diskussion finde ich es besonders erstaunlich, wenn es kommunale Vertreter gibt - ich hatte kürzlich das Vergnügen, auf dem Landkreistag den Reden solcher Leute zu folgen -, die gleich zweimal die Hand heben, die nämlich einmal zu einer Resolution Ja sagen, die eine volle Kompensation fordert, und in der nächsten Abstimmung zu einer Resolution ebenso Ja sagen, die alle Politikbereiche zu Tabus erklärt und insoweit die Kompensation gar nicht zulässt. Meine Damen und Herren, wir müssen uns darüber klar sein, wie wir miteinander umgehen. Zweimal Ja zu sagen geht nicht; zweimal Ja ist einmal Nein.

Es erstaunt übrigens auch, wenn man neue Stellungnahmen kommunaler Landesverbände liest, die sich gegen Entlastungen ihrer Haushalte aussprechen, zum Beispiel gegen unsere Vorschläge im Personalbereich.

Auch das Folgende sollten wir zur Kenntnis nehmen. Wenn man abwägt, wer welchen Beitrag für welche Leistung erbringt, dann muss man das anders sehen als bei den Beamten, deren gekürzte Bezüge tatsächlich zu weniger Geld in der Familienkasse führen. Die Kommunen werden wegen der wirtschaftlichen Entwicklung und der Entwicklung der Steuereinnahmen in keinem der nächsten Jahre weniger in der Kasse haben als im Vorjahr. Dies ist meine Antwort auf die Frage: Wie verlagern wir möglicherweise kreditfinanzierte Aufgaben?

Wir konsolidieren neben den Personalhaushalten und den kommunalen Zuwendungen in allen Sachhaushalten. Alle gesellschaftlichen Gruppen werden sich daran beteiligen müssen, die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben zu schließen.

Machen wir uns wirklich nicht länger etwas vor! Künftig wird es vom Bund, vom Land und von unseren Kommunen weniger öffentliche Leistungen geben, als wir sie bisher haben, weil wir das nicht mehr schaffen können. Die verbleibenden öffentlichen Leistungen werden für Herrn und Frau Bürger teurer werden. Das ist eine Botschaft, die wir den Menschen erläutern müssen und die wir nicht wieder verkleistern können, wie das in der Politik 30 Jahre lang überwiegend geschehen ist. Über die bisherigen Aufgaben können Sie, Herr Kollege Hentschel, mit den Grünen im Detail noch streiten.

Die bisherigen Aufgaben müssen auf den Prüfstand. Wir haben schon nicht genügend Einnahmen, um die bisherigen Aufgaben finanzieren zu können. Das heißt, neue Aufgaben können wir nur finanzieren, wenn wir zusätzlich auf bisherige Aufgaben verzichten.

Dazu gehört, dass wir die Verwaltung schneller, effektiver und bürgerfreundlicher machen. Die Verwaltungsstrukturreform haben wir in all ihren Facetten kräftig diskutiert. Sie gehört natürlich mit in die Betrachtung der großen Reformaufgaben der Landesregierung und in die Diskussion des Verhältnisses zwischen Land und Kommunen.

Man staunt schont, wenn man als langjähriger Kommunalpolitiker über 30 Jahre gemeinschaftlich verkündet hat, das Land sollte endlich die Finger von der Verwaltung lassen, weil die Kommunen das viel besser könnten. Jetzt, wo wir sagen, dass sich das Land zurückziehen wird, kommen dieselben Kommunalpolitiker und sagen: Das bringt gar keine Einsparung. Manchmal hat man das Gefühl, dass einige aus Angst vor der Verantwortung oder aus Sorge um die eigene Fähigkeit handeln. Denn nun müssen die Kommunalpolitiker beweisen, dass das gilt, was immer gesagt worden ist.