Man staunt schont, wenn man als langjähriger Kommunalpolitiker über 30 Jahre gemeinschaftlich verkündet hat, das Land sollte endlich die Finger von der Verwaltung lassen, weil die Kommunen das viel besser könnten. Jetzt, wo wir sagen, dass sich das Land zurückziehen wird, kommen dieselben Kommunalpolitiker und sagen: Das bringt gar keine Einsparung. Manchmal hat man das Gefühl, dass einige aus Angst vor der Verantwortung oder aus Sorge um die eigene Fähigkeit handeln. Denn nun müssen die Kommunalpolitiker beweisen, dass das gilt, was immer gesagt worden ist.
Hier muss ich, meine Damen und Herren, einen Appell aussprechen. Nur Mut, meine Herren Landräte, meine Damen und Herren Bürgermeister!
Nur das Zusammenführen der bisherigen Aufgaben der oberen Landesverwaltungsbehörden mit denen der unteren Landesverwaltungsbehörden bringt Synergieeffekte, die die Verwaltung kostengünstiger machen und Bürger und Unternehmen schnell und sachgerecht mit den notwendigen öffentlichen Leistungen versorgen.
- Was ich sagte, trifft genau zu, Herr Kubicki. Erst sagen die Kommunen: Wir können das alles besser machen, was ihr im Land macht. Und nun wird gesagt: Das bringt aber gar nichts. Darüber sollten die betreffenden Damen und Herren noch einmal nachdenken und in sich gehen.
In den letzten Wochen gab es eine neue Phantomdiskussion mit dem Thema: Wir brauchen überhaupt nicht zu sparen; es gibt ja steigende Steuereinnahmen; deshalb Schluss mit Sparen! - Aber so richtig hat noch niemand damit begonnen.
Erinnern Sie sich doch einmal zurück. Vor ziemlich genau einem Jahr habe ich hier die damals für das
Jahr 2005 geplant gewesenen Steuereinnahmen um sage und schreibe 634 Millionen € nach unten korrigiert. Was lehrt uns das? Hätte ich im vergangenen Jahr für 2006 eine ähnliche Steuersteigerung wie in den Vorjahren in den Haushaltsplan eingestellt, würden wir heute nicht über Steuermehreinnahmen reden, sondern dann würde ich Ihnen heute dramatische Steuereinbrüche verkünden. Das ist eben eine Frage der Betrachtungsweise.
Wir kommen aus einem absoluten Steuertief 2005. Voriges Jahr hatten wir mit 5,2 Milliarden € ein geringeres Steueraufkommen als 1998. Unsere Planung für 2006 liegt ebenfalls noch unter dem Ergebnis von 1998. Wenn wir jetzt also mehr einnehmen sollten - manches spricht dafür, dass wir das in diesem Jahr tatsächlich erreichen können -, dann erfolgt das auf einer extrem niedrigen Basis. Selbst wenn wir Ende 2006 300 Millionen oder gar 400 Millionen € mehr in der Kasse haben als geplant, liegen unsere Steuereinnahmen immer noch unter dem Niveau des letzten Jahrhunderts. Ich glaube, jedem ist klar, dass wir mit den Steuereinnahmen des letzten Jahrhunderts die Aufgaben des neuen Jahrtausends nicht bewältigen können.
Die jetzt ständig publizierten Mehreinnahmen sind bereits in den Finanzplanungen der kommenden Jahre enthalten. Genau da sehe ich eines unserer Hauptprobleme.
Die Steuerschätzungen gehen davon aus, dass unsere Steuereinnahmen bis 2010 um mehr als 1 Milliarde € steigen werden. Das sind mehr als 20 % in der Geschichte unseres Landes. Da sucht man vergebens nach vergleichbaren Entwicklungen. Meine besondere Sorge ist, dass die notwendigen politischen Rahmenbedingen möglicherweise nicht rechtzeitig und/oder nicht sachgerecht getroffen werden. Die sind aber die Voraussetzung dafür, dass diese Entwicklung überhaupt eintreten kann. Wenn wir es nicht schaffen, zeit- und sachgerecht eine Reform der Unternehmensbesteuerung abzuschließen, die es Unternehmen erleichtert, ihre in Deutschland erwirtschafteten Gewinne wieder hier zu versteuern statt im steuerbegünstigten Ausland, dann, so fürchte ich, werden diese Einnahmen nicht kommen, neue Arbeitsplätze übrigens auch nicht.
Langsam dürfte sich die Erkenntnis durchsetzen, dass man Steuern dauerhaft nur aus erzielten Überschüssen zahlen kann, nicht aus bereits verausgabten Kosten.
Das gilt gleichermaßen für die Reform unserer sozialen Sicherungssysteme, bei denen es darum gehen muss, die Kosten der Arbeit zu senken. Hier geht es um die Arbeitspolitik, um das Ziel, nicht
einen dritten und vierten finanzierten Arbeitsmarkt einzurichten, sondern darum, den Menschen die Chance auf den ersten Arbeitsmarkt zu geben.
Wenn das tatsächlich zum Beispiel bei der Politik im Bund und im Land gut gemacht wird und sich Erfolge einstellen, dann kann es noch mehr Steuereinnahmen geben als geplant. Dafür gibt es nur diese Begründung: Senkung der Neuverschuldung zugunsten künftiger Generationen und Investitionen in Arbeitsplätze für die Zukunft. Nur diese Möglichkeit gibt es.
Die Opposition hat bisher für mich erkennbar keine Alternativen aufgezeigt. Wenn ich die Vorschläge der FDP, Herr Kubicki, richtig verstanden habe, dann wollen Sie die Kürzung des Weihnachtsgeldes nicht haben. Das sind 100 Millionen €. Sie wollen auch die Kürzungen der Zuwendungen an die Kommunen nicht haben. Das sind 120 Millionen €. Sie wollen keine Erhöhung der Mehrwertsteuer haben. Das bedeutet 200 Millionen €. Ihre Vorschläge zur Kürzung in der Größenordnung von 420 Millionen € bei den Ausgaben habe ich bis jetzt noch nicht kennengelernt. Vielleicht erfahren wir sie heute; noch sind sie im Dunkeln. So bleibt nur der Weg in die Neuverschuldung. Aber auch die lehnen Sie ab. Insofern warten wir gespannt auf das, was vielleicht noch kommt.
Was die Grünen betrifft, so kann ich es kurz machen. Die Mitverantwortlichen für die desaströse Finanzlage des Landes haben sich nach ihrem Gang in die Opposition schnell verflüchtigt.
Wir brechen Strukturen auf. Wir öffnen den Weg für solide Finanzen. Wir zeigen wirklich neue Perspektiven auf. Das ist die Grundlage unserer Haushaltspolitik. Der Haushalt ist solide und ehrlich aufgestellt. Die Risiken sind abgebildet. Der Haushalt ist durch Transparenz, Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit geprägt.
Das Wohl künftiger Generationen ist Richtschnur für dieses verantwortungsbewusste Handeln. Es ist unsere Pflicht, die künftigen Generationen vor den Lasten vieler bereits getroffener, aber als falsch erkannter Entscheidungen zu bewahren. Jedes weitere Zögern oder Sichdrücken vor Entscheidungen verschärft die Situation und knebelt unsere Kinder und Enkelkinder in der Zukunft. Deshalb haben wir die größte Konsolidierungsoffensive in der Geschichte des Landes eingeleitet.
Es geht um Konsolidieren, Investieren und Reformieren. Unsere Haushaltspolitik wird das Land leistungs- und handlungsfähig machen und damit
Spielraum für die neuen Herausforderungen in der Bildungs- und Familienpolitik und in anderen Bereichen schaffen. Voraussetzung sind längst überfällige Reformen auf Bundesebene, in der Unternehmensteuer, bei den sozialen Sicherungssystemen und in der Arbeitsmarktpolitik. Wir verlangen von den Beschäftigten des Landes einen erheblichen Beitrag. Der Weg ist schmerzhaft und - wie wir wissen - demonstrationsreich. Der Weg zur Sparkasse wäre dagegen still und einfach, aber falsch. Alle gesellschaftlichen Gruppen müssen diesen Weg mitgehen und ihren Teil dazu beitragen. Wir sind am Anfang einer großen Aufgabe, aber die ersten Erfolge machen Mut und so werden wir weiterarbeiten.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Haushaltsdebatten sind traditionell Abrechnungen mit der Regierungspolitik und für - die Opposition Anlass für das Aufzeigen von Alternativen.
- Herr Kollege Arp, dies fällt an sich nicht schwer. Das Problem der diesjährigen Haushaltsdebatten besteht allerdings darin, dass es in Ermangelung von Regierungspolitik fast nichts zum Abrechnen gibt und es zu dem Nichts kaum Alternativen - oder nur Alternativen - geben kann. Die Alternative zu dem stets fröhlichen Ministerpräsidenten, bei dem die „Lübecker Nachrichten“ darüber nachdenken, ob ihm „die Spaßbremse fehlt“, wäre ein stets griesgrämiger Oppositionsführer - eine kaum verlockende Überlegung.
Aber was ist in dem letzten Jahr an Regierungspolitik geschehen? Welche politischen Aktionen hat die Landesregierung gestartet und mit welchem Erfolg? Welche politischen Signale gehen von dieser Regierung ins Land, in den Bund und nach Europa aus?
Wir hören von Identitätskrisen innerhalb der Union, von handwerklichen Fehlern und mangelnder Kompetenz in der Staatskanzlei und von Abstimmungsproblemen zwischen den Koalitionspartnern, die verhindern, dass etwas Sinnvolles auf die Reihe ge
bracht wird. Der Fraktionsvorsitzende der SPD sieht bereits die Grundlagen der Koalition wanken. Kann das denn wirklich alles gewesen sein?
- Lieber Kollege Ehlers, so informierte uns die Bundeskanzlerin unlängst darüber, dass - und ich zitiere wieder - „für die Belt-Querung kaum Chancen bestünden“.
Die Verlautbarungen des Minister- und Bundesratspräsidenten nach seinen Besuchen in Berlin und Kopenhagen hörten sich allerdings deutlich anders an. Bei der Chefin und im Kanzleramt sind diese Überlegungen wohl nicht angekommen.
Über den Flughafen Kiel-Holtenau legt sich der Mantel des Mitleids, statt dass ihn die schwingende Hoffnung beflügelt. Das Science Center verflüchtigt sich in die Zukunft. Die Regierungsfraktionen streiten sich mehr über das, was auf dem Kopf oder um ihn herum ist, weniger darum, was darin ist. Zukunftsgestaltende Entscheidungen? - Fehlanzeige!
Wir haben mittlerweile gerade akzeptable Wachstumsraten, es gibt erfreuliche Nachrichten bei der Beschäftigung und der Ausbildung. Herr Finanzminister, da haben Sie Recht.
Ich sehe das Nicken auf der Regierungsbank und das Klatschen der Union, wahrscheinlich in dem Glauben, ihr wäret daran schuld.
Denn hätten wir beispielsweise nur die Wachstumsraten des Ostseeraums ohne Deutschland, 3,9 %, nicht nur in einem Jahr, sondern in den letzten Jahren und künftig, hätten wir nur die durchschnittlichen Wachstumsraten der Weltwirtschaft mit 4 %, Herr Finanzminister, dann hätten wir weder fiskalische Probleme noch Probleme unserer sozialen Sicherungssysteme. Die Frage lautet doch, wie wir die Wachstumsschwäche beseitigen können, in der wir uns befinden.
Wirtschaftsminister Austermann lässt nichts unversucht, die Politik der großen Koalition als Ursache des konjunkturellen Aufschwungs anzupreisen. Dabei wissen alle, dass diese erfreulichen Nachrichten fast nur auf die Konjunktur zurückzuführen sind, nicht jedoch auf die notwendigen strukturellen Veränderungen der deutschen Volkswirtschaft, mithin nicht auf die notwendigen, bisher unterbliebenen Entscheidungen.
In dieser Phase, in der immer mehr Menschen an der Sinnhaftigkeit von Politik zu zweifeln beginnen und auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes ihr Vertrauen in ihren Arbeitgeber verloren haben, legt der Finanzminister einen Haushaltsentwurf für die Jahre 2007/2008 vor, den er als den konsequentesten Sparhaushalt anpreist, den je eine Landesregierung - und auch nur unter härtesten Anstrengungen - hat aufstellen können. Herr Finanzminister, insoweit unterscheiden Sie sich von Ihrem Vorgänger nicht. Mit Sparen, Reformieren und Investieren will die große Koalition angeblich den Haushalt ausgleichen, die Massenarbeitslosigkeit abbauen und das Wachstum stärken.