Trotz des zunehmend ökonomischen Drucks muss das Wohl der Patientinnen und Patienten im Vordergrund stehen - auch und gerade bei integrierter Versorgung!
Ich danke der Frau Abgeordneten Sassen. - Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Herr Abgeordnete Wolfgang Baasch.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf die Rede meiner Kollegin Schümann vortragen.
Jutta Schümann hat sich erkrankt nach Hause begeben. Ich bin mir sicher, dass wir alle ihr von dieser Stelle aus gute Besserung und Genesung wünschen.
Die integrierte Versorgung ist eine neue Form der Regelversorgung. Die Versorgung der Versicherten erfolgt durch Leistungserbringer, die ursprünglich verschiedenen Leistungssektoren angehört und sich nun zu einer Gemeinschaft verschiedener Anbieter zusammengeschlossen haben. Die Anbieter, die Versorgungsleistungen im Rahmen der integrierten Versorgung erbringen, konkurrieren mit den Leistungserbringern, die ursprünglich weiterhin sektorspezifisch arbeiten. Anbieter der integrierten Versorgung müssen Versicherte von ihrem Leistungsangebot überzeugen, zum Beispiel durch eine zufriedenstellende, qualitativ hochwertige Versorgung, so zum Beispiel auch durch eine ganzheitliche Sichtweise für die Probleme der Patientinnen und Patienten und eine gut aufeinander abgestimmte Erbringung der Leistung inklusive der Vermeidung von unnötigen Wartezeiten und Doppel- beziehungsweise Mehrfachuntersuchungen.
einzusparen. Wichtiger ist aber, im Interesse einer guten Patientenversorgung zum Beispiel die Übergänge von stationärer und ambulanter Versorgung zu erleichtern sowie Nachsorge zu gewährleisten.
Ein allgemeingültiges universelles Modell für integrierte Versorgung gibt es derzeit noch nicht. Dennoch erscheint diese Versorgungsform als zukunftsweisend sowohl aus gesundheitsökonomischer Sicht als auch im Interesse einer guten, optimalen Versorgung für Patientinnen und Patienten.
Dem Bericht der Landesregierung, für den ich mich im Namen von Jutta Schümann ganz herzlich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Gesundheitsministeriums sowie der Ministerin bedanken möchte, ist zu entnehmen, dass die mit dem Gesundheitsreformgesetz 2000 bereits auf den Weg gebrachten Strukturveränderungen zur Fortentwicklung von Verträgen zur integrierten Versorgung beigetragen haben, allerdings nach wie vor mit den Ergebnissen hinter den Erwartungen zurückbleiben. Daher wurden mit dem Gesundheitsmodernisierungsgesetz zusätzliche Anreize für eine integrierte Versorgung gesetzt. Für Schleswig-Holstein wurden mit Stand 2006 von der Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung insgesamt 71 Meldungen über Verträge zur integrierten Versorgung für rund 12.500 Versicherte mit einem Finanzvolumen von über 19 Millionen € ausgewiesen.
Im Bericht ist zu lesen, dass das System der Erfassung durch die Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung durchaus problematisch sein kann, dass zum Beispiel ein von mehreren Krankenkassen gemeinsam geschlossener Vertrag jeweils auf der Basis der Anzahl der Meldungen durch die Vertragskassen registriert wird. Das heißt, im Ergebnis wird ein von drei Krankenkassen unterschriebener Vertrag zur integrierten Versorgung als drei Verträge gezählt.
Für die Verträge gilt im Moment auch noch keine Meldepflicht. Das heißt, die Vertragspartner handeln autonom. Insofern ist es problematisch, eine Gesamtübersicht über die bisher geschlossenen Verträge zu erhalten.
Dennoch bietet die integrierte Versorgung als neues Versorgungskonzept in unterschiedlichen Bereichen große Chancen. Wenn man liest, welche Anbieter bisher von der integrierten Versorgung profitieren konnten, zum Beispiel Krankenhäuser in unterschiedlicher Trägerschaft, Reha-Einrichtungen, ambulant operierende Ärzte, niedergelassene Hausärzte, Ärztenetze, Apotheken und Physiotherapeuten, so wird deutlich, welche Chancen in diesem In
Bedauerlicherweise unterliegen die Verträge zur integrierten Versorgung bisher keiner umfassenden wissenschaftlichen Begleitung oder Evaluation. Deshalb erscheint es besonders schwierig, zu erkennen, ob die Behandlung von bestimmten Erkrankungen in dieser neuen Form der Versorgung verbessert werden konnte. Grundsätzlich kann man jedoch annehmen, dass durch diese Versorgungsform eine Qualitätssteigerung für die Patientinnen und Patienten erfolgen kann und gleichzeitig aus finanzieller Sicht Anreize geschaffen werden, um diese Versorgungsform auch flächendeckend und regional in Schleswig-Holstein weiter auszubauen. Dazu scheint es notwendig, dass sich die Versorgungsangebote zu größeren Einheiten verbinden und zukünftig flächendeckend überregional und vor allem auch krankenkassenübergreifend angeboten werden.
Es ist zu begrüßen, dass die Anschubfinanzierung nach Koalitionsvertrag auf Bundesebene bis zum Jahr 2008 verlängert werden soll. Wir sollten die Verlängerungszeit bis 2008 nutzen, um für Schleswig-Holstein diese durchaus optimale Versorgungsform weiter auszubauen und dafür auch entsprechende Partner einzubinden, um danach möglicherweise gesetzliche Regelungen zur Finanzierung einer regelhaften integrierten Versorgung festzulegen.
Ich danke dem Abgeordnetenteam Schümann/ Baasch und erteile für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Frau Abgeordneten Angelika Birk das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wird Sie nicht wundern, dass ich meinen Beitrag mit der Überschrift beginne: Nur integrierte Gesundheitsversorgung ist zukunftsfähig. Die Grünen verfolgen seit ihrer Gründung das Ziel, die verschiedenen Angebote der Gesundheitsversorgung auf gleicher Augenhöhe miteinander zu vernetzen. Leitbild ist für uns nicht der Halbgott in Weiß oder der einsame Landarzt, der 24 Stunden zur Verfügung steht. Diese Art der Arztromane gilt es, endlich durch realitätstüchtige Kooperationen zwischen ambulanten und stationären Angeboten zu ersetzen.
Pflege, Laboruntersuchungen, Massagen oder osteopathische Heilbehandlungen, Rehabilitationen, all dies muss aus unserer Sicht mit ärztlichen Leistungen gleichgestellt verbunden werden. Nur so kann ein optimales Gesundheitsangebot für die Patientinnen und Patienten geschaffen werden. Nur so sind Effizienzsteigerungen und Kosteneinsparungen, aber eben auch bessere Behandlungen möglich.
Inzwischen gibt es erste Schritte in diese Richtung. Auf Bundesebene - das wurde von der Ministerin referiert - sind eigentlich schon seit Jahren erste gesetzliche Rahmenbedingungen eröffnet worden. Schleswig-Holstein ist hier Pionierland. Es gibt schon seit einer geraumer Zeit eine Reihe von Einrichtungen, die sich an dem Leitbild der integrierten Versorgung orientieren. Inzwischen ist mit vielen Pilotprojekten eine Vielfalt von fachübergreifenden und sektorenübergreifenden Verträgen zwischen Krankenhäusern, ambulanten Ärztinnen und Ärzten sowie Reha-Einrichtungen mit den Krankenkassen entstanden. Das ist gut so.
Noch nicht gut ist aus unserer Sicht, dass nach wie vor - so ist unser System strukturiert - Ärztinnen und Ärzte - sei es in der ambulanten Praxis, sei es im Krankenhaus oder in der Reha-Einrichtung - die Steuerer des gesamten Leistungspaketes sind. Es ist beispielsweise für medizinische Dienstleiter, die davon abhängig sind, dass für ihre Heilbehandlung eine Massage vom Arzt verschrieben wird, schwierig, selber als Akteure aufzutreten und einen integrierten Versorgungsvertrag über dieses und jenes abzuschließen. Sie sind aber mit im Boot.
Allerdings droht bei der Vielfalt der Versorgungsverträge demnächst, dass man vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sieht. Dies ist aber notwendig, damit die neue von uns gewollte Zusammenarbeit zwischen bisher getrennt wirtschaftenden medizinischen Dienstleistern für alle Beteiligten transparent und verständlich ist, also auch für die Patientinnen und Patienten. Es sollen nicht alte patientenfeindliche Trennungs- und Auslesemechanismen durch neue ersetzt werden.
Dankenwerterweise hat uns das Ministerium einen Überblick über die verschiedenen Arten von Verträgen und auch eine Auflistung darüber gegeben, wer sich nach welchen Verträgen bisher zusammengetan hat. Es gibt offensichtlich vier große Vertragstypen; insofern kann man - bevor man zu den von der FDP genannten 14 verschiedenen Einzelvertragsarten kommt - vier große unterscheiden.
Es gibt Strukturverträge, in denen die Praxis oder Tagesklinik mit Belegärzten kooperiert; das ist zum
Teil eine Fortsetzung des alten Belegarztprinzips unter neuen Prinzipien. Es gibt die Komplexpauschale mit Gewährleistungen, die sich mehr an Krankheitsbildern orientiert, die vom Beginn der Behandlung bis zum Abschluss in der Rehabilitation durchweg von einem Team bearbeitet werden sollen.
Dann haben wir das Case Management. Hier geht es um ganze Gruppen von Vertragsärzten, die sich mit Hausärzten zusammentun. Die Krankenkassen erwarten von einem solchen Case Management mittelfristige und langfristige Einsparungen. Und schließlich gibt es den bisher noch sehr seltenen Typ der Budgetverantwortung; dazu haben wir soweit ich es überblicke - nur einen Fall in Schleswig-Holstein vorliegen. Damit ist eine ganze Bevölkerungsgruppe, ein ganzes Gebiet gemeint. Für diese Gruppe wird ein Budget verhandelt und dann haben die Krankenkassen vor, nur noch in bestimmten, besonders definierten Bereichen durch zusätzliche Vergütungen nachzusteuern. Insofern obliegt den Beteiligten eine große Verantwortung, dass alle im Rahmen dieses Budgets gut versorgt werden.
Unser Fazit: Einige von Ihnen sagten, wir brauchten Evaluationen, wir brauchten Transparenz und weiterhin Anschubfinanzierung. Dem stimme ich zwar zu, aber ich kann mich auch der Besorgnis der anderen anschließen, dass es zu Pseudoverträgen oder Missbrauch kommen könnte. Das müssen wir vermeiden. Als Stichwort nenne ich Korruption; dies wird uns noch an anderer Stelle beschäftigen. Gerade wenn man eine neue Vertragsform ausprobiert, sollte man von vornherein solche Missbrauchsmöglichkeiten mit in den Blick nehmen. Insofern erscheint mir eine Evaluation mit dem Ziel, bald zu ersten gesetzlichen Regelungen zu kommen, die sich dieser neuen Unübersichtlichkeit in einer angemessenen Form nähern, notwendig.
Ich danke der Frau Abgeordneten Birk. - Das Wort für den SSW im Landtag hat der Herr Abgeordnete Lars Harms.
Berlin zwar wieder verschoben worden. Aus Sicht des SSW ist es aber positiv, dass in der Diskussion nun endlich auch die Frage der Effizienzverbesserungen des Gesundheitswesens in den Mittelpunkt gerückt wird. Denn obwohl auch der SSW die Überlegungen, die Kosten der Gesundheit in Zukunft verstärkt über die Steuern zu finanzieren wie in Skandinavien - als richtig ansieht, so darf dies doch nicht zu weiteren Mehrbelastungen für die Bürgerinnen und Bürger oder für die Wirtschaft geschehen.
Es geht also darum, dass man zumindest zeitgleich mit der Finanzierungsfrage auch endlich die Möglichkeiten eines effizienteren Gesundheitswesens untersucht. Auch die Frage, wie die einzelnen Akteure im Gesundheitswesen zusammenarbeiten und ob diese Zusammenarbeit nicht verbessert werden kann, ist aus Sicht des SSW sehr wichtig.
Deshalb begrüßen wir auch, dass uns heute ein Bericht über die Zukunft der integrierten Versorgung vorliegt. Denn gerade im Bereich der integrierten Versorgung ist es ja neben der wichtigen Qualitätssteigerung der Leistungen auch möglich, durch eine bessere Verzahnung der verschiedenen Leistungserbringer Effizienzgewinne im Gesundheitswesen zu erzielen.
Durch das Gesundheitsmodernisierungsgesetz, das zum 1. Januar 2004 in Kraft trat, bekamen die Krankenkassen die Möglichkeit, ohne Zustimmung der Kassenärztlichen Vereinigung Verträge zur integrierten Versorgung zu schließen. Bis zu 1 % ihrer Einnahmen können die Krankenkassen zur Anschubfinanzierung für Projekte im Bereich der integrierten Versorgung einsetzen.
Auch in Schleswig-Holstein haben die Krankenkassen mit vielfältigen Versorgungsverträgen die integrierte Versorgung vorangebracht. Das zeigt der Bericht eindrucksvoll. So gibt es zum Beispiel in Flensburg die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen dem Praxisnetz Flensburg, der Diakonissenanstalt und dem Malteser Krankenhaus in Flensburg. Viele andere positive Beispiele könnten hier erwähnt werden und es steht auch viel im Bereich.
Es wurden allerdings nicht alle finanziellen Möglichkeiten, die sich aus dem Gesundheitsmodernisierungsgesetz ergaben, in Schleswig-Holstein ausgeschöpft. Denn per 31. März 2006 betrug das Vergütungsvolumen der Anschubfinanzierung ca. 19 Millionen €. Rein rechnerisch wären sogar 22,5 Millionen € möglich gewesen. Dennoch ist gerade für Schleswig-Holstein mit seinen regionalen Strukturen eine stärkere Integration von Krankenhäusern, Ärzten und rehabilitativer Medizin und da
mit die Vernetzung von ambulanten und stationären Angeboten auch eine Chance, das Gesundheitswesen im unseren Land effektiver zu organisieren.
Es ist daher wichtig, dass die bisherige Regelung im Bezug auf die Anschubfinanzierung auch über das Jahr 2006 hinaus verlängert wird. Der SSW unterstützt daher die Bestrebungen der Landesregierung, sich in Berlin für eine Verlängerung der Finanzierung der integrierten Versorgung einzusetzen. Die Chancen stehen vor dem Hintergrund der Reformdiskussionen in Berlin sicherlich nicht schlecht, dass dieses auch gelingen wird.
Denn jetzt spricht sogar schon Gesundheitsministerin Ulla Schmidt davon, vermehrt Polikliniken einzurichten. Das ist ein Ansatz, der über die bisherigen Erfahrungen mit der integrierten Versorgung hinausgeht. Übrigens hatte die DDR ein flächendeckendes Netz von Polikliniken, das aber nach der Wiedervereinigung durch die veränderten Rahmenbedingungen nicht mehr überlebensfähig war. Hätte man damals diese Strukturen erhalten, wäre unser Gesundheitswesen zumindest in Ostdeutschland heute schon viel weiter. Und wir hätten ein gutes Vorbild gehabt, wie man es auch hier im Westen hätte richtig machen können.
Wir benötigen deshalb auch längerfristig haltbare Lösungen. Hierzu gehören der Ausbau der integrativen Versorgung und die Schaffung durchlässiger Versorgungsstrukturen zwischen ambulanter und stationärer Versorgung.