Auch das Wahlergebnis vom 20. Februar hat erneut deutlich gemacht, dass rechts- und linksradikale Parteien bei den Bürgerinnen und Bürgern in unserem Land weder Zulauf noch irgendeine Chance haben. Trotzdem sind wir natürlich aufgefordert, jederzeit gegenüber Feinden unserer Demokratie wachsam zu bleiben.
Die Gefahren, die vom internationalen Terrorismus und seinem ideologischen Umfeld ausgehen, bestimmen die aktuelle Sicherheitsdiskussion in Deutschland. Deutschland ist Teil des europäischen Gefahrenraumes. Verschiedene Straftaten haben gezeigt, dass sich auch in Deutschland Terrorstrukturen herausgebildet haben. Erlauben Sie mir, an dieser Stelle auf den vereitelten Anschlag vom Dezember letzten Jahres hinzuweisen, als Anhänger der Terrorgruppe Ansar al Islam den Staatsbesuch des irakischen Ministerpräsidenten Alawi zu einem Attentat nutzen wollten. Zudem wird versucht, aus den Reihen islamischer Fanatiker Selbstmordattentäter zu rekrutieren. Nur die konsequente Beobachtung, Überwachung und Erhöhung des Drucks auf diese Gruppierungen können extremistische Islamisten in Schach halten.
Bundesinnenminister Schily wies im Rahmen seiner Vorstellung des Bundesverfassungsschutzberichtes in seinem ersten Satz unmissverständlich darauf hin:
So Innenminister Schily. - Schleswig-Holstein war hiervon bisher nicht berührt. Aber es hat sich die Einschätzung erhärtet, dass es zumindest Personen mit Kontakten in das militante islamistische Spektrum auch hierzulande gibt. Die Zuordnung zu diesem Kreis ist häufig schwierig und vielfach nur unter Vorbehalt möglich.
Ein besonderes Problem ist die Vielzahl islamistischer Publikationen - auch über das Internet, häufig auch in deutscher Sprache -, die Abgrenzung und Konfrontation bewirken wollen. Die geistige und politische Auseinandersetzung mit dem Islamismus gerade auch dort, wo er sich gemäßigt gibt, wird eine der wichtigen Aufgaben der kommenden Jahre sein. Es wird um den Dialog mit der Religion Islam gehen und um Aufklärung über die politische Ideologie des Islamismus. Diese Einschätzung, die Minister Dr. Stegner im letzten Jahr hier im Plenum stellvertretend für den damaligen Innenminister vorgetragen hat, ist zutreffend. Deshalb besteht bei der Extremismus- und Terrorbekämpfung kein Anlass, sich zurückzulehnen. Zur Verbesserung der Sicherheit brauchen wir sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene weitere Maßnahmen.
Es ist daher zu begrüßen, dass sich CDU und SPD im Koalitionsvertrag dahin gehend verständigt haben, die im geltenden Landesverwaltungsgesetz befristete Rechtsgrundlage für die Rasterfahndung zu verlängern. Außerdem sollen straffällig gewordene Ausländer gemäß den §§ 23 ff. Aufenthaltsgesetz konsequent abgeschoben werden. Weitere Themen, wie die Kronzeugenregelung oder die Grundgesetzänderung zur Terrorabwehr bei Gefahren aus der Luft bleiben auf der Tagesordnung. Außerdem sollen die Eingriffsbefugnisse des Verfassungsschutzes in Schleswig-Holstein denen des Bundes angepasst werden.
Erforderlich sind aber auch effiziente Strukturen für die Bekämpfung terroristischer Gefahren in Form eines kooperativen Sicherheitsföderalismus. Mehr Zentralismus ist an dieser Stelle oft kontraproduktiv; denn im Regelfall werden geplante Terrorakte von den Ermittlungsbehörden der Länder entdeckt.
Wichtig ist dabei allerdings der enge Informationsaustausch zwischen den zuständigen Behörden. Deshalb ist es wichtig, weitere Verbesserungen der Rahmenbedingungen zu erreichen, unter denen der Verfassungsschutz in Schleswig-Holstein arbeiten kann. Hierzu sind konkrete Schritte einzuleiten, insbesondere bei der länderübergreifenden Zusammenarbeit mit Hamburg.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Keine akute Gefahr durch Extremisten“, so titelten verschiedene Zeitungen zur Vorlage des Landesverfassungsschutzberichts für 2004. Das ist endlich einmal eine gute Nachricht aus diesem Bereich. Eine gute Nachricht ist auch, dass die Zahl der Straf- und Gewalttaten mit politischem Hintergrund, und zwar von rechts wie von links, deutlich zurückgegangen ist. Die allerbeste Nachricht ist, dass die NPD ihr Ziel zur Landtagswahl nicht nur in Schleswig-Holstein, sondern auch in Nordrhein-Westfalen weit verfehlt hat.
Es ist also nicht ganz unbegründet, wenn man feststellt, dass die Maßnahmen der Landesregierung zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit sowie zur Gewaltprävention bei Kindern und Jugendlichen gute Früchte getragen haben. Allen Beteiligten, insbesondere dem Landesamt für Verfassungsschutz und ihrem Leiter, Michael Wolf, der sein Amt beispielhaft geführt hat, sage ich namens meiner Fraktion an dieser Stelle herzlichen Dank.
Zu den guten Nachrichten beigetragen haben auch die Maßnahmen der Bundesregierung im Rahmen des Aktionsprogramms „Jugend für Toleranz und Demokratie gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus“. Zu nennen ist insbesondere das Programm, ENTIMON „Gemeinsam gegen Gewalt und Rechtsextremismus“. Von diesem Programm haben auch Projekte in Schleswig-Holstein profitiert. Zu nennen ist auch das Programm des Europäischen Sozialfonds XENOS zur Verbindung von arbeitsmarktbezogenen Maßnahmen mit Aktivitäten zur Bekämpfung von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz.
Auch die Aussteigerprogramme bringen etwas. Mit Jürgen Gerg hat ein hoher NPD-Funktionär aus Schleswig-Holstein die Szene verlassen. Es bleibt zu hoffen, dass die Aussteiger die neuen Chancen nutzen können.
Daneben bleibt CIVITAS, die Initiative gegen Rechtsextremismus in den neuen Bundesländern, das wichtigste Programm, weil die Lage in Ostdeutschland in Bezug auf fremdenfeindliche Gewalttaten und Rechtsextremismus besonders ausgeprägt ist. Egal, wie die Bundesregierung ab Mitte September aussieht: Das muss auf jeden Fall weitergeführt werden.
Festzuhalten ist: Wir sind in Schleswig-Holstein bei der Bekämpfung von Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit auf dem richtigen Weg. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn es auch im NPDLandesverband zurzeit ziemlich chaotisch zuzugehen scheint, bleibt der Rechtsextremismus weiter eine ernst zu nehmende Gefahr. Bundesweit hat sich die Zahl der NPD-Mitglieder nämlich erhöht. Die Zahl der Straftaten mit rechtsextremem Hintergrund sind bundesweit gestiegen. Im Bereich der Subkultur - der Innenminister hat darauf hingewiesen -, wie der Musikszene, wird erfolgreich geworben. Auch die sächsische NPD-Landtagsfraktion bindet weiterhin Kader. Es ist wirklich ein Who-is-who des Rechtsextremismus, das sich dort tummelt.
Leider hat sich die Hoffnung nach dem gescheiterten NPD-Verbotsverfahren, allein das Verfahren hätte die Partei geschwächt, nicht erfüllt. Es bleibt auch im Nachhinein ärgerlich, dass gravierende handwerkliche Fehler - das ist noch sehr vornehm ausgedrückt - das Verbotsverfahren verhindert haben. Ich hoffe, dass eine Reihe von Wahlniederlagen das Szeneerfolgsmodell NPD zum Einsturz bringen wird.
Die regelmäßige Untersuchung der Indikatoren für rechtsextreme Neigungen durch die Universität Bielefeld weist allerdings nach, dass weiterhin ein zunehmendes Potenzial für rechtspopulistische Positionen besteht und im Westen bei 25 % und im Osten bei gut 30 % der Wahlbevölkerung liegt. Ursächlich hierfür sind gegenwärtig insbesondere soziale Desintegrationsgefahren und -erfahrungen. Dort, wo die Ängste zu und die Sicherheiten abnehmen, werden höhere Werte für rechtsextreme Einstellungen möglich. Diese Erkenntnis geht nicht nur die Innenpolitikerinnen und -politiker an. Dem entgegenzuwirken, bleibt eine Aufgabe für alle politisch Verantwortlichen.
Der Kollege Lehnert hat darauf hingewiesen: Bundesinnenminister Otto Schily bezeichnet den islamistischen Terror in seinem aktuellen Verfassungsschutzbericht als Hauptgefahr für die innere Sicherheit. Deutschland ist Teil eines weltweiten terroristischen Gefahrenraumes. In Schleswig-Holstein konnten - so wird im Bericht deutlich - keine entsprechenden Strukturen ausgemacht werden. Bundesweit gibt es hingegen 171 entsprechende Ermittlungsverfahren, was auch immer diese ergeben. Diese Bedrohung ist
nicht scheinbar, wie die FDP in ihrer Pressemitteilung vom 12. Mai dieses Jahres behauptet. Der 11. September, Djerba, Madrid oder der verhinderte Anschlag auf den irakischen Ministerpräsidenten Alawi in Deutschland sind Belege dafür.
Vor diesem Hintergrund waren die Terrorismusbekämpfungsgesetze notwendig. Nach Vorlage des Erfahrungsberichts zu diesen Gesetzen sind weitere Maßnahmen geplant. Aber es gibt natürlich Grenzen für Grundrechtseingriffe. Es wäre gut, wenn die Landesregierung diese Grenzen im Bundesrat einmal deutlich machte; denn manche Maßnahme, wie eine Verbesserung der Arbeitsmöglichkeiten von Verfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst, sind gewiss erforderlich. Aber die beabsichtige Aufhebung des Vertrauensverhältnisses zwischen Anwalt und Mandant beispielsweise geht aus meiner Sicht deutlich zu weit.
(Beifall der Abgeordneten Siegrid Tenor- Alschausky [SPD], Anne Lütkes [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Dr. Johann Wa- dephul [CDU])
Die Sicherung der Demokratie darf nicht durch einen immer größeren Verlust von Freiheit erkauft werden.
Frau Präsidentin, ich bitte, den Bericht zur abschließenden Beratung an den Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen.
Das Wort für die FDP-Fraktion erhält deren Fraktionsvorsitzender, Herr Abgeordneter Wolfgang Kubicki.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Verfassungsschutzbericht 2004 ändert sich einiges zu den Vorjahren. Zunächst haben wir einen neuen Innenminister, der seinen ersten Bericht vorstellt. Dazu herzlichen Glückwunsch. Auch von meiner Seite aus - Herr Wolf, wir sind im Innen- und Rechtsausschuss gemeinsam alt geworden - möchte ich sagen: Herzlichen Dank für die 13 ½ Jahre konstruktiver Zusammenarbeit mit Ihnen als Leiter der Verfassungsschutzbehörde.
Aber auch die Reaktionen sind bei einigen im Landtag vertretenen Parteien dieses Jahr neu. Das würde nicht erstaunen, wenn der diesjährige Bericht grundsätzlich neue Erkenntnisse im Vergleich zu den Vorjahren brächte. Das tut er allerdings nicht. Wir haben
das Gefühl, dass im Prinzip immer der gleiche Bericht - nur mit anderen Zahlen mit anderen Jahreszahlen - vorgestellt wird.
Wie im letzten Jahr teilt sich der Verfassungsschutzbericht in vier Teile. Drei Seiten beschäftigen sich mit der Ausstattung des Verfassungsschutzes. 38 Seiten handeln von Erkenntnissen über den Rechtsextremismus. An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass wir alle - das habe ich in der Vergangenheit auch schon gesagt - vielleicht gut daran täten, bestimmte rechtsextreme Parteien nicht dadurch größer zu machen, dass wir uns beständig mit ihnen beschäftigen. Auch das kann ein Fehler sein. Denn die Tatsache, dass die NPD in Schleswig-Holstein so hundsmiserabel abgeschnitten hat, in Nordrhein-Westfalen die rechtsextremen Parteien fast gar nicht mehr vorkommen, unterhalb der Schwelle der Erstattungsfähigkeit von Wahlkampfkosten, hat möglicherweise auch etwas damit zu tun, dass man sich mit ihnen vernünftig, das heißt politisch, beschäftigt und nicht versucht, den Rechtsrahmen zu verändern.
19 Seiten handeln vom Linksextremismus und - man höre und staune! - 28 Seiten berichten über die extremistischen Bestrebungen von Ausländern, dem wohl doch zentralen Problem, von dem ich gehört habe, das sich aber in der Quantität des Berichtes nicht wiederfindet.
Auch die Ergebnisse sind von Jahr zu Jahr ähnlich. Im Bereich der Ausstattung erfährt der geneigte Leser lediglich die Personalsollstärke, nicht den Ist-Wert. Dafür haben wir einiges Verständnis, Herr Minister.
Im Bereich des Rechtsextremismus spielen NPD oder DVU keine Rolle. Die Anzahl der rechtsextremen Liederabende - so haben wir erfahren - ist von neun im Jahr 2002 auf zwölf im Jahr 2004 angestiegen - die Sangesfreude hat also zugenommen - und die Anzahl der Mitglieder in rechtsextremen Organisationen hat sich von 2002 bis 2004 um 20 erhöht.
Die Bedeutung der linksextremen Gruppen nimmt immer weiter ab - dankenswerterweise, kann ich da nur sagen - und eine konkrete Bedrohung geht in Schleswig-Holstein von ausländischen Terroristen nicht aus.
Stattdessen geht der Innenminister in seinem Bericht von einem „nicht konkret zu bezifferndem Potenzial von Mujahedin in Schleswig-Holstein“ aus, ohne dass irgendwelche Verbindungen aus SchleswigHolstein zu islamistischen Organisationen außerhalb bekannt sind. So weit zu den Fakten.
Der Bericht liefert zwar genügend Erkenntnisse, um die Existenz eines Verfassungsschutzes zu rechtfertigen. Er macht aber auch klar - das sage ich nachdrücklich -, dass Bedrohungsszenarien, wie sie immer wieder auch von Herrn Beckstein und Herrn Schily beschrieben werden, zumindest in Schleswig-Holstein objektiv nicht vorhanden sind. Das ist die eigentlich gute Nachricht.
Dennoch soll die Bevölkerung für CDU, SPD und Grüne weiter zumindest das Gefühl behalten, dass die Bedrohung durch den internationalen Terrorismus akut und aktuell ist, damit Gesetzesvorhaben, wie die Verlängerung der Rasterfahndung in SchleswigHolstein oder Schily III auf Bundesebene, auch in der Bevölkerung Zustimmung finden. Für uns - auch das wiederhole ich - sind diese Maßnahmen nicht gerechtfertigt.
Die Reaktionen, die dieses Jahr seitens der Fraktionen auf den Bericht in der Presse erfolgten, sind höchst interessant. Die CDU erklärt erst einmal gar nichts, obwohl der neue Entbürokratisierungsstaatssekretär Klaus Schlie zusammen mit dem neuen Landtagspräsidenten noch vehement eine Zusammenlegung der norddeutschen Verfassungsschutzämter gefordert hat. Dieses Jahr wird geschwiegen. Es wäre interessant zu hören, ob in dieser Richtung noch etwas unternommen werden soll.
Die SPD erklärt auch nichts. Es herrscht also eine große Harmonie im Schweigen. Das ist schon beeindruckend, muss man zugestehen.