- Ich muss jetzt etwas abkürzen. - Vielleicht gelingt uns bei der Beratung dieses Gesetzes tatsächlich einmal das, was die Bürgerinnen und Bürger von uns erwarten: eine kreative Diskussion über die Zukunft unserer Schulen. Vielleicht gelingt es tatsächlich mit einer großen gemeinsamen Kraftanstrengung,
Für den SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag erteile ich der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Was lange währt, wird gut“, heißt es so schön im Volksmund. Ob dies auch auf das neue Schulgesetz zutrifft, bleibt vorerst abzuwarten. Fest steht allerdings schon jetzt, dass es zu diesem Gesetzentwurf viele Eckpunktepapiere und fast genauso viele Entwürfe gegeben hat. Fest steht weiterhin, dass es noch vieles gibt, was im Ausschuss hinterfragt werden sollte, wenn denn die Zeit dafür reicht.
Der vorliegende Entwurf enthält aus Sicht des SSW sehr wohl positive Ansätze. Wir bedauern allerdings, dass wir es nicht mit einer echten Reform aus einem Guss zu tun haben. Denn die große Regierungsmehrheit reicht meiner Meinung nach nur für eine halbe Reform. Wenn man bedenkt, wie sich die Welt in den 16 Jahren verändert hat, in denen wir mit dem geltenden Schulgesetz gelebt haben, dann ist es interessant zu sehen, wie sich diese veränderte Welt in dem neuen Entwurf niederschlägt.
So fand ich es schon bemerkenswert, dass sowohl die Freiheit als auch der Auftrag der Schule, die jungen Menschen zur Teilnahme am Arbeitsleben und zur Aufnahme einer hierfür erforderlichen Berufsausbildung zu bewegen, nunmehr Teil des Gesetzes sind. Vor dem Hintergrund dieser Ziele wirkt die Formulierung in § 3 Abs. 3 merkwürdig vage. Dort steht nämlich: Die Schulen sollen eine Öffnung gegenüber ihrem Umfeld anstreben, insbesondere durch Zusammenarbeit mit den Trägern der Kindertageseinrichtungen und der Jugendhilfe, Jugendverbänden sowie mit anderen Institutionen im sozialen Umfeld von Kindern und Jugendlichen. Der SSW teilt in diesem Zusammenhang die Auffassung der Aktion „Kinder- und Jugendschutz“, deren Arbeitsstelle Schleswig-Holstein dem Bildungsausschuss zu genau diesem Punkt eine Stellungnahme hat zukommen lassen.
Auch eine neue OECD-Studie zur frühkindlichen Betreuung und Bildung empfiehlt für Deutschland eine bessere Abstimmung zwischen der Vorschule und den Angeboten zur Kinderbetreuung wie Horte und Kindergärten.
Wir hätten uns also gewünscht, dass die Kooperation von Schule und Jugendhilfe wesentlich verbindlicher im Gesetz festgeschrieben worden wäre. Schließlich gibt es hinreichend Argumente dafür,
gerade in diesem Bereich eine neue Kooperationskultur mit fest vereinbarten Strukturen zu entwickeln.
Eine Problemstellung ganz anderer Art ist die Neuordnung der Schulträgerschaft und des Schulkostenausgleichs, wobei der Schleswig-Holsteinische Gemeindetag zu Recht die Frage stellt, was die Landesregierung bewogen hat, den im Koalitionsvertrag angekündigten Schullastenausgleichsfonds nun doch nicht einzurichten. Es gibt weitere spannende Fragen, so zum Beispiel die Umsetzung des § 24, in dem es um die „zuständige Schule“ und damit um die freie Schulwahl geht, oder die des § 58 über den Zusammenschluss von Schulträgern zu Schulverbänden.
Bei den Regionalen Berufsbildungszentren kommt es aus unserer Sicht vor allem darauf an, dass die RBZs vor Ort mehr Gestaltungsspielraum bekommen. Stutzig macht uns daher, dass trotzdem von einer weiteren Zentralisierung in Richtung Bezirksfachklassen die Rede ist.
Wichtiger noch sind aber nach Meinung des SSW die bildungspolitischen Weichenstellungen des neuen Schulgesetzes. Um den jetzigen Entwurf des Schulgesetzes aus bildungspolitischer Sicht zu bewerten, muss man sich noch mal die Vorgeschichte in Erinnerung rufen. Ich rufe also in Erinnerung, dass es vor der letzten Landtagswahl im vorigen Jahr sehr viele schulpolitische Debatten gegeben hat, dass sich SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SSW dahin gehend einig waren, dass die Schulstruktur in Schleswig-Holstein wegen der Herausforderungen, die sich nicht zuletzt durch die Ergebnisse der verschiedenen PISA-Studien ergeben, grundlegend reformiert werden muss. Dazu gehörte und gehört weiterhin auch die Einführung einer Gemeinschaftsschule. CDU und FDP traten damals genauso entschieden für die Beibehaltung des gegliederten Schulsystems ein.
Vor diesem Hintergrund möchte ich der Bildungsministerin und der SPD dazu gratulieren, dass sie es am Ende doch noch geschafft haben, die CDU davon zu überzeugen, die Gemeinschaftsschule als neue Schulart zuzulassen. Ich denke genauso wie der Kollege Hentschel, dass der Beitrag der Kollegin Herold beachtlich war.
Für den SSW möchte ich hinzufügen, dass wir uns natürlich bewusst sind, dass mit einer neuen Schulstruktur per se keine bessere Schule entsteht. Strukturen fördern aber immer bestimmte Inhalte und die jetzigen Strukturen haben in wesentlichen Bereichen der Schulentwicklung ganz einfach versagt.
Der Gesetzentwurf kommt mit dem berühmten ersten Schritt in die richtige Richtung und wird von uns nicht kleingeredet. Wir hoffen daher, dass die neue Gemeinschaftsschule vor Ort wirklich als ein Signal des Aufbruchs verstanden wird. Denn gerade im ländlichen Raum könnte sie dazu beitragen, kleine Schulstandorte weiterzuentwickeln und damit vor der Schließung zu retten.
Inhaltlich betrachtet wird es jetzt darauf ankommen, deutlich zu machen, dass die Gemeinschaftsschule mehr ist als nur ein neues Türschild für vorhandene Gesamtschulen. Es darf also nicht so kommen, dass nur die Schulart, an der schon jetzt mit großem Erfolg das längere gemeinsame Lernen praktiziert wird, zu Veränderungen gezwungen wird, während sich ansonsten eher nichts ändert.
Ich kann in diesem Zusammenhang die Unruhe bei den Gesamtschulen verstehen, weil eben noch nicht klar ist, wie sie im Einzelnen zu Gemeinschaftsschulen umgewandelt werden sollen und welche Folgen dies inhaltlich für die Schulen haben wird. All dies muss noch geklärt werden.
Bisher ist auch völlig unklar, was die Einführung der von der CDU geforderten und von der Koalition beschlossenen Regionalschule beinhaltet. Wer darüber etwas im Schulgesetz erfahren möchte, sucht vergeblich. Kommt es so wie zum Beispiel in Sachsen, dann werden Haupt- und Realschulen wirklich zusammengeführt. Dann hätten wir praktisch zwei Arten von Gemeinschaftsschulen; einmal mit und einmal ohne Gymnasialkinder. Kommt es so, wie es von einigen Lehrerverbänden gewünscht wird, dann geschieht eher wenig: Gemeinsame Orientierungsstufe und organisatorische Zusammenführung von Haupt- und Realschulen könnte dann das Ergebnis lauten.
Wir wissen aber jetzt schon, dass es künftig zwei Orientierungsstufen geben wird: eine an Regionalund Gemeinschaftsschulen und eine an den Gymnasien. Das hat unserer Meinung nach überhaupt nichts mit einer zukunftsweisenden Bildungspolitik zu tun.
Im Klartext heißt das, dass die Schülerinnen und Schüler fürs Gymnasium weiterhin nach der vierten Klasse ausgegliedert werden. Leider bleibt so im Kern das dreigliedrige Schulwesen mit seiner viel zu frühen Sortierung der Kinder erhalten. Auch die jetzt im neuen Schulgesetz festgeschriebene Son
derstellung des Gymnasiums lehnt der SSW grundsätzlich ab. Für uns ist die Regionalschule daher auch nur ein Zwischenschritt hin zur flächendeckenden Einführung von Gemeinschaftsschulen.
Die Veränderungen im gymnasialen Bereich überraschen vor dem Hintergrund diverser Eckpunktepapiere am wenigsten. Das hängt sicherlich auch damit zusammen, dass Schleswig-Holstein nun im Mainstream der bundesdeutschen Schulpolitik angekommen ist. Leider sind unsere bisherigen Bedenken gegen die angestrebte Profilbildung mit dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht ausgeräumt worden.
Die Rückkehr zu Profilen im Sinne von Schulzweigen reduziert das Bildungsangebot. Gegenüber der bestehenden Oberstufe, die so flexibel angelegt ist, dass inhaltliche Veränderungen nicht durch die Struktur blockiert werden, bedeutet der Vorschlag der Landesregierung aus Sicht des SSW einen Rückschritt. So kann zum Beispiel eine optimale Vorbereitung auf Studium und Beruf innerhalb einer offenen und flexiblen gymnasialen Oberstufe besser erfolgen als in einem starren und nach Schulzweigen organisierten System. Ohne grundlegende Reformen wie zum Beispiel die Überlegung, ob nicht die Bildung von Oberstufenzentren der richtige Weg ist, bleibt die Profilbildung ein Schritt zurück in die bildungspolitische Vergangenheit der 60er-Jahre. Aus Sicht des SSW gibt es also gute Gründe für die Beibehaltung der reformierten Oberstufe und für die Arbeit an ihrer qualitativen Ausgestaltung.
Der Gesetzentwurf der Landesregierung enthält unserer Meinung nach aber auch gute Ansätze. Ich habe das bereits erwähnt. Beispiele dafür sind die neue Schulentwicklungsplanung und die individuellere Förderung der Kinder. Vor allem für die Schulen der dänischen Minderheit ergibt das neue Schulgesetz eine handfeste Verbesserung. Ab 2008 erhält Dansk Skoleforening für seine Schülerinnen und Schüler seit neun Jahren erstmals wieder dieselben Zuschüsse pro Schülerin und Schüler wie die öffentlichen Schulen.
Angesichts der schweren Haushaltslage wissen wir dies sehr wohl zu schätzen. Die Landesregierung beweist damit, dass die Minderheitenpolitik des Landes für sie nach wie vor einen hohen Stellenwert hat. Das begrüßt der SSW ausdrücklich.
Zeitgleich zur ersten Lesung des Schulgesetzes haben wir unsere eigenen Änderungsvorschläge eingebracht. In diesem Zusammenhang bedanke ich mich noch einmal bei den schulpolitischen Sprecherinnen und Sprechern der Fraktionen, also den Kolleginnen und Kollegen dafür, dass unsere Vorschläge bei der Anhörung berücksichtigt werden können. Dieses unübliche Verfahren ist uns wohlwollend erlaubt worden, weil wir aus minderheitenpolitischer Sicht zwei weitere wichtige Bereiche abdecken wollen. Dem SSW geht es vor allem darum, dass die Schülerbeförderungskosten für die dänischen Schulen endlich gesetzlich festgeschrieben werden. Für die Schülerinnen und Schüler an öffentlichen Schulen sind die Kreise laut Schulgesetz gesetzlich dazu verpflichtet, zwei Drittel der notwendigen Kosten zu bezahlen. Sie wissen das. Das letzte Drittel trägt der Schulträger. An den Kosten der dänischen Schulen beteiligen sie sich aber bisher nur mit sogenannten freiwilligen Leistungen ohne gesetzliche Grundlage. Obwohl der Dänische Schulverein naturgemäß längere Beförderungswege und daher auch höhere Kosten hat, bekommt er von der öffentlichen Hand bisher nur knapp ein Viertel seiner realen Kosten ersetzt.
Hinzu kommt, dass es über diese freiwilligen Leistungen schon seit Jahren harte politische Auseinandersetzungen mit den Kreisen und Kommunen gibt. Leider müssen wir feststellen, dass die Entwicklung negativ verläuft. So hat der Kreis Rendsburg-Eckernförde letztes Jahr die Zuschüsse an Dansk Skoleforening ganz gestrichen, während im Kreis Schleswig-Flensburg bis Ende 2008 eine reduzierte Übergangslösung auf der Grundlage der Durchschnittskosten der Schülerbeförderung pro öffentlichem Schüler vereinbart worden ist. Die Unsicherheit darüber, ob, wie und wie lange die Schulbusse in Zukunft noch finanziert werden, stellt Dansk Skoleforening vor eine enorme Herausforderung. Als Träger von 48 Schulen mit über 5.700 Schülern und mehr als 1.300 Angestellten muss er seine Finanzen vernünftig planen können. Als Empfänger von freiwilligen Leistungen muss er aber nach 2008 damit rechnen, dass diese Einnahmen völlig wegbrechen können. Es ist aus Sicht des SSW nicht hinnehmbar, dass wir bei der Schülerbeförderung immer noch keine Gleichstellung haben. Wir sagen, wir brauchen nach 2008 unbedingt eine gesetzliche Lösung. Wir haben daher einen Änderungsantrag eingebracht, dessen Annahme dafür sorgt, dass ab 1. Januar 2009 festgeschrieben wird, dass die Kreise auch für die Schülerbeförderung hin zu dänischen Schulen zuständig ist.
Das wäre dann eine rechtliche Gleichstellung. Somit bekämen die dänischen Schulen zumindest Planungssicherheit. Den beiden Kreisen SchleswigFlensburg und Nordfriesland würden durch diese Gesetzesänderung keine neuen Kosten auferlegt werden. Auch das Land wäre nicht unmittelbar finanziell betroffen, da das Konnexitätsprinzip nach unserer Einschätzung hier keine Anwendung findet.
Der SSW hofft daher, dass der Landtag dieser Regelung im Sinne des Schulgesetzes zustimmen wird. Weiter will der SSW mit seinem Änderungsantrag erreichen, dass im Schulgesetz der Friesisch-Unterricht in Nordfriesland und auf Helgoland gestärkt wird. So sollen zukünftig Eltern und Schulen entscheiden können, ob die friesische Sprache vor Ort unterrichtet wird. Die Mindestgruppengröße sieht fünf Schülerinnen und Schüler vor. Das Land soll verpflichtet werden, die Kosten für die friesischsprachigen Lehrkräfte zu tragen. Durch die rechtliche Anerkennung von Friesisch als zweite und dritte Fremdsprache soll die Minderheitensprache mit anderen Sprachen gleichgestellt werden. Dadurch würden dem Land keine neuen Kosten entstehen. Dass zusätzlich verstärkt auf Kultur und Geschichte der Friesen einzugehen ist, ist ein Selbstgänger.
Wir bitten um wohlwollende Prüfung unserer Änderungsanträge. Wie die Kollegin Herold hoffe ich, dass das Schulgesetz das Parlament nicht so verlässt, wie es hineingekommen ist.
Ich danke der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk. Auf der Tribüne begrüße ich Mitglieder des SPD-Ortsvereins Eutin sowie die sie begleitenden Jugendlichen von der Wilhelm-Wisser-Realschule in Eutin. - Herzlich willkommen!
- Ja, ich bin extra aus Marne herübergesegelt, Herr Abgeordneter Hentschel. Marne ist keine Insel. Für Marne würde aber genau das gelten, was Sie vorhin bezweifelt haben. Marne würde sich, wären dort tatsächlich keine Gymnasien in der Nähe, für das eignen, was Sie vorschlagen, was ich aber im Moment nicht diskutieren möchte.
Nun zu den Einwendungen des Herrn Abgeordneten Klug. Real gibt es 40 Förderstellen für die Lehrer pro Jahr, 200 aufwachsend. Natürlich kommen sie auch aus dem Bereich der Real- und der Hauptschule, einfach deshalb, weil aufgrund der demografischen Entwicklung die Stellen dort ohnehin wegfallen würden. Ich verstehe Ihre Kritik in diesem Zusammenhang überhaupt nicht.