Protokoll der Sitzung vom 12.10.2006

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die heutige Sitzung und begrüße Sie alle ganz herzlich.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, teile ich Ihnen mit, dass Frau Abgeordnete Astrid Höfs und Frau Abgeordnete Jutta Schümann erkrankt sind. Ich wünsche beiden Kolleginnen von dieser Stelle aus gute Besserung.

(Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 13 auf:

„Konsequenzen einer festen Querung des Fehmarnbelts“

Große Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/701

Antwort der Landesregierung Drucksache 16/1008

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Dann erteile ich zur Beantwortung der Großen Anfrage dem Herrn Ministerpräsident Peter Harry Carstensen das Wort.

(Beifall bei CDU)

In der Zwischenzeit begrüße ich auf der Tribüne ganz herzlich die Freiwillige Feuerwehr Kiel-Dietrichsdorf, den CDU-Ortsverband Schuby und die Schülerinnen und Schüler der Realschule Bordesholm mit ihren Lehrkräften. - Seien Sie uns alle ganz herzlich willkommen!

(Zuruf von Ministerpräsident Peter Harry Carstensen)

- Wer denn?

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Herr Präsident, wir können gern anfangen! Wir sind gern be- reit zur Hilfestellung!)

- Es wäre misslich, wenn wir die Aussprache ohne den Bericht der Landesregierung eröffneten. - Ich darf dem Minister für Wirtschaft, Wissenschaft und Verkehr, Herrn Dietrich Austermann, das Wort erteilen.

(Heiterkeit und Beifall)

Herr Minister, Sie haben das Wort.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Aber bei der Feh- marnbelt-Querung klappt es besser!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! - Ich wüsste nicht, was nicht geklappt haben könnte. Da wir beide uns überall, wohin wir kommen, fugenlos vertreten können, ist das auch in Ordnung

(Heiterkeit)

was die Überzeugung betrifft. Das gilt insbesondere für das Thema Fehmarnbelt-Querung.

Diese Landesregierung hat sich seit Aufnahme ihrer Regierungstätigkeit engagiert dafür eingesetzt. Das begann mit der Koalitionsvereinbarung. Das setzte sich in den entsprechenden Beschlüssen der Regierung, aber auch in dem Vorgehen des Ministerpräsidenten und der zuständigen Ministerien gegenüber der dänischen Regierung und der Bundesregierung fort. Wir haben deutlich gemacht, dass wir schnell eine Entscheidung für eine FehmarnbeltQuerung brauchen.

Die Große Anfrage der Grünen richtet sich auf die Zielrichtung, auf die Konsequenzen. Die Antragsteller wollen wissen, welche Konsequenzen eine entsprechende Querung hat. Wir können dazu feststellen, dass es 35 Untersuchungen gibt, die die sozioökonomischen Auswirkungen, die regionalen Auswirkungen, die ökonomischen Auswirkungen untersuchen. Es gibt geologische Untersuchungen. Die Umweltauswirkungen sind geprüft worden. Die landseitige Anbindung von Schiene und Straße ist untersucht worden. Erfahrungen von Regionen mit festen Querungen sind einbezogen worden. Es gibt ein Entwicklungskonzept für den Kreis Ostholstein. Es gibt Naturschutzbewertungen, Umweltkonsultationsberichte und Ähnliches. Es gibt also eine Fülle von Untersuchungen, die über Jahre hinweg erstellt worden sind und die - glaube ich - heute eine Basis für eine zügige, in die Zukunft gewandte Entscheidung der Bundesregierung zusammen mit der dänischen Regierung liefern. Wir wollen über die Fehmarnbelt-Querung jetzt entscheiden.

Wir hatten am 22. September in Berlin unter Federführung des Ministerpräsidenten zu einer Konferenz von Investoren eingeladen. In dieser haben wir erfragt: Wie groß ist die Bereitschaft der Privatwirtschaft, sich bei diesem PPP-Projekt zu engagieren? Es hat sich gezeigt, dass drei große Konsortien, angeführt im Wesentlichen von deutschen Unternehmen, bereit sind, sich tatsächlich an diesem finanziell nicht ganz einfachen Projekt zu beteiligen, Verantwortung und Risiko zu übernehmen. Sie

Schleswig-Holsteinischer Landtag (16. WP) - 41. Sitzung - Donnerstag, 12. Oktober 2006 2915

wollen zwar nicht das Risiko eines Betreibers in der Phase der Betreibung übernehmen, aber alles das, was darüber hinausgeht. Damit liegt der Ball jetzt im Spielfeld der Bundesregierung. Wir erwarten, dass die Bundesregierung jetzt sagt: Wir sind bereit, mit euch gemeinsam diesen Weg zu gehen.

Es wird nach den Konsequenzen hinsichtlich der Auswirkungen in der Region gefragt. Man kann es sich relativ einfach machen und sich auf den Standpunkt stellen: Fehmarnbelt-Querung bedeutet in der Bauphase eine Beschäftigung von etwas 5.000 bis 6.000 Menschen. Wenn man von einer Fertigstellung bis zum Jahr 2016 ausgeht, wird für die Bauphase von einem Zeitraum von mindestens sieben bis acht Jahren gerechnet. Das bedeutet, das wären sieben bis acht Jahre, in denen 5.000 bis 6.000 Menschen eine Beschäftigung haben.

Man kann aber auch einen Vergleich der Fahrtzeiten anstellen, und zwar zwischen dem Fährbetrieb mit einer Fahrzeit und einer Wartezeit von einer Stunde und der künftigen Fahrzeit. Man kann auch die Zahl der jetzt Beschäftigten und die Zahl der künftig mit der Wartung und der Unterhaltung der Brücke und der Gleise beschäftigten Menschen rechnen. Dann kommen wir ebenfalls zu einem positiven Beschäftigungseffekt, der eine Größenordnung von 1.000 bis 2.000 zusätzlichen Mitarbeitern - je nachdem, wie konservativ man rechnet - hat. Dass es Auswirkungen auf die Fähren hat, ist klar. Dass es Ersatzarbeitsplätze geben wird, dürfte für die Region aber interessant sein.

Es könnten andere Auswirkungen erwogen werden. Das betrifft beispielsweise die Frage: Was bedeutet das für Tourismus? Welchen Effekt hat das für die regionale Wirtschaft?

Ich habe gestern einen Brief der Industrie- und Handelskammer zu Lübeck bekommen, die deutlich unterstreicht, welche positiven Auswirkungen für die Region von dort erwartet werden. Das ist mir deshalb wichtig, weil es auch Bedenken aus der Region gab, was die Auswirkungen auf die Hafenwirtschaft in Lübeck betreffen könnte, Lübeck, unser größter Ostseehafen, mit gewaltigen Wachstumsraten. Angesichts 80 Fährlinien, die über die Ostsee fahren, ist der mögliche Fortfall einer Fährlinie ein Risiko, das nicht einmal mit Risiken für Arbeitnehmer verbunden ist, weil wir sagen: Durch die Betreuung der Brücke bieten wir andere Arbeitsplätze an. Also auch vom Lübecker Raum, der organisierten Wirtschaft, aber auch von der Wirtschaft insgesamt wird die Position vertreten: Eine feste Verbindung von Skandinavien nach Deutschland, eine feste Verbindung dieser zwei wichtigen Wirtschaftsregionen, angefangen von Stockholm

über Kopenhagen nach Hamburg durch SchleswigHolstein mit dem Raum Lübeck bedeutet einen wirtschaftlichen Impuls für unsere Region.

Wenn Sie heute an der Ostseeküste nach Tourismus fragen, ob das Fehmarn ist, ob das die Ostseeküste insgesamt ist, werden Sie feststellen, dass auch heute schon ein erheblicher Anteil von skandinavischen Besuchern an der deutschen Ostsee Urlaub macht. Die Erwartung auch in diesem Bereich ist, dass es eine Veränderung in Richtung positive, zusätzliche Zahlen beim Tourismus gibt.

Wir haben die Erfahrung gemacht - wer die A 20 durch Mecklenburg-Vorpommern verfolgt, wird das bestätigt finden -, dass große Verkehrsadern immer wieder bedeuten, dass es zusätzliche wirtschaftliche Impulse gibt. Große Verkehrsadern bedeuten gewissermaßen eine Chance für gewerbliche Ansiedlung, für gewerbliche Investitionen und damit für zusätzliche Arbeitplätze. So könnte man sich, wie an einer Perlenschnur aufgereiht, vorstellen, dass wir vom Wirtschaftsraum Stockholm, dem Wirtschaftsraum Øresund, dem Wirtschaftsraum Kopenhagen über den Wirtschaftsraum Lübeck auch eine Region bekommen, die im Hamburger Bereich wesentlich beeinflusst wird. Wir werden zusätzlichen Güterverkehr auf der Schiene, den wir heute nicht mehr haben, über die FehmarnbeltQuerung locken können.

Ich kann mir vorstellen, dass die Zielrichtung der Anfrage, die die Grünen gestellt haben und die auch von vielen Bürgern kommt, die aus dem Raum Fehmarn gekommen ist, die wirtschaftliche Benachteiligung anderer Regionen, aber auch für die Umwelt ist. Dazu stelle ich fest, dass die Untersuchungen, die wir vorgenommen haben, in die Richtung gehen: Wir werden eine Schrägseilbrücke mit vier Spuren für Autoverkehr, zwei Spuren für Schienenverkehr haben. Die Anbindung an diese Brücke, die etwa 20 km lang über die Ostsee führen wird, wird im Wesentlichen an den Trassen erfolgen, die heute vorhanden sind. Das gilt für die Schiene, das gilt auch für die Straße. Das bedeutet, dass Eingriffe in die Landschaft ausgleichbar sind.

Es gab ja die Frage: Was passiert denn, wenn es sich um nicht ausgleichbare Eingriffe handelt? Dazu sage ich: Wenn es nicht ausgleichbare Eingriffe gäbe, dürfte es die Brücke nicht geben. Wenn eine Belastung in der Weise erfolgt, dass sie das ökologische System belasten würde, dürfte man an dieser Stelle eine Entscheidung nicht treffen. Wir sind davon überzeugt, dass die Entscheidung so getroffen werden kann, dass sie für die Umwelt verantwortbar ist.

(Minister Dietrich Austermann)

Es gibt eine weitere Befürchtung. Damit wende ich mit insbesondere an die Abgeordneten aus der nördlichen und der westlichen Region unseres Landes. Ich bin fest davon überzeugt - ich glaube, ebenfalls die gesamte Landesregierung -, dass eine Verbindung, die für den Güterverkehr eine Entlastung im nördlichen Landesteil bedeutet, zu einer wirtschaftlichen Belebung im südöstlichen Teil unseres Landes führt. Sie führt auch dazu, dass wir an anderer Stelle Kräfte konzentrieren können, zum Beispiel auf den beschleunigten Ausbau der A 20 und auf eine schnellere Realisierung der Elbquerung. Wir werden auch wirtschaftliche Impulse in der anderen Region haben. Denn durch die private Finanzierung des Projektes wird das Volumen des Bundesverkehrswegeplans nicht berührt. Dadurch bekommen wir eine Entlastung und können uns mit ganzer Kraft auf den Ausbau der A 20 und auf die Elbquerung konzentrieren.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Die Anschlüsse müssen finanziert werden!)

- Dazu kann ich Ihnen etwas ganz klar sagen: Lesen Sie einmal Ihre eigene Anfrage und die Antworten durch, dann werden Sie feststellen, dass wir darauf hingewiesen haben, dass im Bundesverkehrswegeplan die Anschlüsse vorgesehen sind, ebenso der Ausbau der B 207. Das steht in der weiteren Finanzplanung des Bundesverkehrswegeplans. Dieser Plan reicht bis zum Jahr 2015.

Wir gehen aber von einer anderen Alternative aus. Wir wollen auch in dieser Frage eine Entlastung des Bundesverkehrswegeplans haben, weil wir eine Finanzierung der Anschlüsse, der sogenannten Hinterlandverbindungen, mit über die private Finanzierung der Brücke verwirklichen wollen. In dem Gesamtkonstrukt des Neubaus der Brücke plus Hinterlandverkehr wird es eine Gesamtfinanzierung über die Maut geben. Das bedeutet, dass wir dem Bundesverkehrsminister, dem Bundesfinanzminister und der Bundeskanzlerin sagen können: Ihr kriegt eine Fehmarnbelt-Brücke ohne eigene Beteiligung des Bundes.

(Beifall bei CDU und SPD)

Wir werden das erreichen können, indem wir sicherstellen, dass die Finanzierung dadurch geschieht, dass der Kunde, der die Brücke benutzt, die Hinterlandanbindung mitbezahlt. So können wir auch den Menschen in der Region Ostholstein und im Lübecker Raum sagen: Euere anderen Projekte, die Ihr betreibt - Ausbau der A 1, Fortführung der Elektrifizierung der Bahn und vieles andere -, werden darunter nicht leiden.

Diese Landesregierung guckt auf alle Regionen. Sie guckt auf den Süden des Landes, sie guckt auf schnelle Realisierung der Infrastrukturprojekte im Westen des Landes, sie guckt auf eine schnelle Realisierung des Ausbaus der A 7 in Richtung Nord, sie guckt auf eine bessere Eisenbahnverbindung von Kopenhagen über Flensburg nach Hamburg. Wir werden die anderen Regionen des Landes wegen dieses einen Projekts nicht vernachlässigen.

Der Brief des Ministerpräsidenten an die Bundeskanzlerin und mein Brief an den Bundesverkehrsminister machen deutlich: Wir erwarten jetzt eine sorgfältige Prüfung dessen, was wir an Unterlagen sorgfältig ausgearbeitet haben. Auch der Bund muss das sorgfältig untersuchen. Wir erwarten eine positive Antwort in Richtung auf ein klares Ja zu einem der größten Infrastrukturprojekte Nordeuropas. Die EU hat signalisiert, dass sie mitmacht. Wir brauchen jetzt bloß noch das Ja der Bundesregierung.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die fragestellende Fraktion hat Herr Abgeordneter Detlef Matthiessen. Die Redezeit beträgt elf Minuten.

Herr Präsident! Herr Ministerpräsident! Herr Verkehrsminister! Wir danken der auch aus unserer Sicht aufschlussreichen Beantwortung unserer Großen Anfrage zur festen Querung des FehmarnBelts.

Sie sagten es selber: Es gibt eine Unmenge Studien und Untersuchungen. Von der Landesregierung werden 35 Titel aufgelistet. Die Kosten dafür summieren sich auf 20 Millionen €. Das ist eine stolze Summe.

Was sind die Ergebnisse all dieser Gutachten? - Eine Querung ist technisch machbar und bei voller Staatsgarantie auch umsetzbar. Das kann aber niemanden vom Hocker hauen. Dass ein Brückenbau technisch machbar ist, wird von keinem Menschen bestritten, nicht einmal von uns, Herr Kollege Arp.

Die Frage ist aber: Ist ein neuer Brückenschlag sinnvoll?

Dann kommt die zweite Frage: Kann das Projekt finanziert werden? - Der Minister hat dies eben schon als schwierig eingestuft.