Protokoll der Sitzung vom 12.10.2006

mer zwischen den dreien, indem wir Flensburg, Lübeck und Kiel unter ein Dach bringen. Insbesondere durch den Medizinausschuss ist sichergestellt, dass Entscheidungen zukünftig ausschließlich unter fachkompetenten Gründen getroffen werden.

Nun gab es zur Zusammensetzung des Gremiums Universitätsrat - das ist gewissermaßen die Klammer für die drei Universitäten - unterschiedliche Meinungsäußerungen. Es war unter anderem von Wortbruch und Ähnlichem die Rede. Meiner Meinung nach müsste aber jeder Demokrat verstehen, dass Entscheidungsprozesse demokratisch mit Mehrheit getroffen werden. Wenn eine Vorgabe aus dem Ministerium kommt, die in eine bestimmte Richtung geht, hier aber im Prozess der Debatte im Parlament abgewandelt wird, dann ist dies kein Wortbruch, sondern ein demokratisch legitimiertes Verfahren. Ich denke, das sollte jeder begreifen und nicht als Wortbruch bezeichnen.

Im Übrigen ist sichergestellt, dass es im Universitätsrat nicht darum geht, eine Mehrheit der einen Hochschule gegen die anderen zu bilden. Es gibt keine Delegierten aus der einen oder aus der anderen Universität. Es gibt vielmehr den Weg, der beinhaltet, dass alle nach wissenschaftlichen Kriterien für alle drei Universitäten an einem Strang ziehen. Das ist jedenfalls das Bestreben des Ministeriums und ich habe den Eindruck, dies gilt auch für die Fraktionen, die sich mit dem Entwurf für das Hochschulgesetz im Vorhinein befasst haben. Auch dies ist meines Erachtens ein richtiger und guter Weg.

Meine Damen und Herren, dieser Gesetzentwurf, den wir Ihnen heute offiziell vorstellen, stellt eine gewaltige Veränderung in der Hochschullandschaft Schleswig-Holsteins da. Das Gesetz geht über das hinaus, was die Koalitionsfraktionen zu Beginn vereinbart haben. Wir haben nicht jedes Detail dieses Gesetzes beschrieben. Das bestätigt zum einen, dass die Koalition auch in Bereichen, die nicht von vornherein durch enge Leitplanken festgelegt sind, handlungsfähig ist,

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Das ist ja toll!)

und es bestätigt zum anderen die Bereitschaft, sich neuen Herausforderungen zu stellen.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Das muss man im- mer sagen!)

Insofern danke ich den Fraktionen, dass man sich in dieser Frage bewegt hat. Herr Garg, wir kennen es doch aus vielen anderen Bereichen, dass Entscheidungen angestrebt werden, aber nicht getroffen werden. Wir hatten das Thema heute Vormittag

(Minister Dietrich Austermann)

doch schon einmal. Hier werden allerdings Entscheidungen getroffen und darüber sollte sich eigentlich jeder freuen, der ein Interesse an der Weiterentwicklung des Landes hat.

(Beifall bei der CDU)

Ich erwarte, dass die Fraktionen ihre Aufgabe ernst nehmen und nach der Anhörung noch Anträge stellen werden. Ich weiß aber auch, dass die Struktur dieses Gesetzes im Kabinett und unter den Regierungsfraktionen fest vereinbart ist. Ich freue mich, insbesondere in der folgenden Debatte zu erfahren, ob unsere Oppositionsfraktionen einen einzigen klaren Gedanken zur Weiterentwicklung der Hochschullandschaft bringen werden. Wenn das positiv sein sollte - da bin ich mir sicher -, wird sicherlich niemand etwas dagegen haben, dies in das Gesetzgebungsverfahren einzuflechten.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke Herrn Minister Austermann

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Eine abwesende, aber handlungsfähige Regierung!)

und begrüße mit Ihnen zusammen Mitglieder des CDU-Ortsverbandes Wankendorf auf der Zuschauertribüne. - Herzlich willkommen!

(Beifall)

Für die CDU-Fraktion erhält nun Herr Abgeordneter Niclas Herbst das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Rund 70 oder 80 % unserer heutigen Reden fangen damit an, dass das Bildungssystem vor großen Herausforderungen steht. Das ist richtig und auch diese Rede könnte man so beginnen. Das gilt nicht nur für das Schulsystem, sondern auch für die frühkindliche Bildung, die Aus-, Fort- und Weiterbildung und ganz besonders für unsere Hochschulen.

Die Herausforderungen, denen wir hier gegenüberstehen, ergeben sich daraus, dass Deutschland ein Standort ist, der vom Hochschulwesen, von der Spitzentechnologie und von der Forschung in besonderer Weise abhängig ist. So weit zur Sonntagsrede.

Normalerweise folgt dann immer der Hinweis darauf, dass sich die Hochschulen im internationalen Wettbewerb befinden und darüber wundere ich mich immer. Denn die Hochschulen befinden sich

schon seit Jahrzehnten im internationalen Wettbewerb. Sie waren schon einmal besser im internationalen Wettbewerb, haben aber schlechtere Karten. Das ist der Unterschied. Unabhängig von einigen positiven Einzelergebnissen unserer schleswig-holsteinischen Universitäten in Rankings kann man feststellen, dass wir im internationalen Vergleich leider nicht so gut aufgestellt sind, wie wir es als Land gerne hätten.

Auch im bundesweiten Vergleich müssen wir eingestehen - und das ist keine Kritik an den Handelnden in den Hochschulen -, dass unsere Hochschulen nicht an die Ergebnisse der „National Champions“ heranreichen.

Analog zur Debatte um das Schulsystem, die wir in den letzten Tagen und gerade gestern geführt haben, habe ich auch hier den Eindruck, dass Strukturdebatten die inhaltlichen Punkte in der Diskussion leider überlagern. Man ist geneigt zu sagen, dass scheinbar jede Veränderung der inneren und äußeren Hochschulstruktur sofort auf Widerstand stößt. Eigentlich könnte man 1:1 das sagen, was der Kollege Hay heute zur Fehmarnbelt-Querung gesagt hat.

Wenn man sich allerdings intensiver mit den Betroffenen auseinandersetzt und die Stellungnahmen detailbeleuchtet, so fällt auf, dass die Ansichten der verschiedenen Akteure sehr unterschiedlich sind. Schon an einer einzigen Hochschule kann die Ansicht zwischen dem Rektor und dem Kanzler sehr unterschiedlich sein. Natürlich ist es in der Politik so - das wissen wir alle -: Es ist immer leichter, etwas zu artikulieren, wenn man gegen etwas ist, als wenn man für etwas ist. Das Lob fällt manchmal leise aus, aber das heißt nicht, dass das Lob deshalb unwichtiger ist.

Meine Damen und Herren, der Minister hat die Vorteile des Universitätsrates, der Hochschulräte, der Präsidialverfassung und weiterer Strukturmerkmale beschrieben. Ich möchte nur ergänzen, dass es viele fortschrittliche Einzelregelungen des Gesetzes gibt, auf die wir auch einmal die Aufmerksamkeit lenken sollten.

Natürlich ist es für die Medien interessanter, einen Städtekampf zwischen Kiel und Lübeck zu inszenieren. Das kommt auch in anderen Punkten immer gut an. Dies lenkt allerdings von der tatsächlichen Problematik ab, die der Hochschullandschaft blüht.

Meine Damen und Herren, dass das Gesetz 50 Paragrafen weniger hat als das alte, ist noch kein Qualitätsmerkmal. Es sagt inhaltlich noch nicht viel aus, aber immerhin zeigt es, dass auf zahlreiche Detailregelungen verzichtet wird. Ich will darauf hinwei

(Minister Dietrich Austermann)

sen, dass dies beispielsweise für die Ausgestaltung der Senats- und Fachbereichsausschüsse, den Verzicht auf Vorgaben für Wahlen oder bei der Festlegung interner Organisationsstrukturen gilt.

Man mag über die Strukturentscheidungen, die die Debatte wirklich geprägt haben, denken, wie man will, und man mag darüber streiten; meine Nachredner werden dazu noch einiges sagen. Ich finde es allerdings - jetzt kommen wir zu vielen Regelungen im Detail - richtig, dass die Berichtspflichten für Hochschulen erheblich reduziert werden und dass sich Berichte zukünftig an jährlichen Kennzahlen orientieren sollen. Ich finde es auch richtig, dass im Rahmen der Präsidialverfassung die Stelle des Präsidenten zukünftig öffentlich ausgeschrieben und dass der Einbau externen Sachverstandes auf diese Weise gefördert wird. Ich finde es ausdrücklich richtig, dass durch den gemeinsamen Ausschuss für Forschung und Lehre in der Medizin endlich ein gemeinsamer Forschungs-, Studien- und Finanzierungsraum Schleswig-Holstein angegangen wird.

Ich finde es richtig, dass Hochschulen künftig auf Antrag durch gesonderte Errichtungsgesetze zu Stiftungen des öffentlichen Rechtes umgewandelt werden können. Der Gesetzvorbehalt stellt ja sicher, dass der Gesetzgeber die letzte Entscheidung in seinen Händen behält. Gleichzeitig ermöglichen wir dadurch zukünftig Stiftungsuniversitäten und tragen dadurch ein Stück Flexibilität in die Hochschullandschaft hinein.

Meine Damen und Herren, ich finde es richtig, dass das Berufungsverfahren von W3-Professoren zukünftig auf die Hochschulen übertragen wird und dass Ausschreibungen dem Ministerium künftig nur noch angezeigt werden müssen. Auf diese Weise können die Universitäten nicht nur die Berufungsverfahren beschleunigen, sondern sie können im Rahmen einer langfristigen Finanzplanung das richtige Personal für die jeweiligen Bedürfnisse der Hochschule und die damit verbundene Profilbildung aussuchen. Schleswig-Holstein steht damit das ist auch einmal ein Lob wert - an der Spitze der Autonomie in diesem Bereich.

(Beifall bei CDU und SPD)

Dies darf allerdings nicht dazu führen, dass sich der Landesgesetzgeber völlig zurückzieht und gegebenenfalls nicht wissenschaftspolitische Schwerpunkte setzen darf. Dieses Spannungsfeld aufzuarbeiten, wird Aufgabe der Ausschussberatungen sein.

Ich finde es richtig, dass es zukünftig neben der Juniorprofessur noch gleichberechtigte Wege der Qualifikation zur Habilitation geben wird. Auf die

se Art und Weise kann wissenschaftlicher Nachwuchs an den Hochschulen flexibler und auch an den tatsächlichen Notwendigkeiten orientiert qualifiziert werden. Auch das ist ein Punkt, der in der Öffentlichkeit Widerhall gefunden hat und gelobt wird.

Vor dem Hintergrund der ansteigenden Studierendenzahl ist es auch richtig, dass es zukünftig zu einer Anhebung der Lehrverpflichtung kommen wird. Mit der geänderten LVVO wird die Lehrverpflichtung an allen Universitäten einheitlich neun SWS betragen. Die Begründung für eine unterschiedliche Lehrverpflichtung in Flensburg gegenüber Kiel und Lübeck konnte ohnehin nicht aufrechterhalten werden. Nicht zuletzt ist dies auch vor dem Hintergrund der Anhebung der Dienstzeit der Beamtinnen und Beamten Anfang des Jahres absolut zu rechtfertigen. Die Lehrkapazität wird dadurch erhöht. Dies wird zwar den Studentenberg nicht wirklich bewältigen können, aber es ist ein richtiger Schritt in die richtige Richtung.

Wie Sie sich erinnern, haben wir uns während der letzten Debatte über die Prognosen zum Studierendenberg gestritten. Man mag sich darüber streiten, wie groß er wirklich sein wird und wie verlässliche Prognosen man machen kann. Ich glaube, eine Diskussion darüber, wie man diesen Berg bewältigt, ist besser.

Vor diesem Hintergrund finde ich es auch richtig, dass das Selbstauswahlrecht der Hochschulen - was die Studierenden anbetrifft - deutlich erweitert wird. Zukünftig können die Hochschulen ihre Lernenden also selbst auswählen. Das ist deshalb wichtig, weil auch Motivation und Qualität der Studierenden etwas über die Qualität der Lehre aussagen und diese beeinflussen. Nur mit wirklich leistungsfähigen und leistungswilligen Studenten kann man dies erreichen.

Zusammen mit dem HSG wird daher das Hochschulzulassungsgesetz dahin gehend geändert, dass in den örtlich beschränkten Studiengängen in bis zu 90 % der Fälle eine Eigenauswahl stattfinden kann. Das ist ein guter und richtiger Punkt. Ein weiterer wichtiger Punkt verbirgt sich in § 68, der den Hochschulen zukünftig die Möglichkeit geben wird, wissenschaftliches Personal einzustellen, das überwiegend Lehraufgaben übertragen bekommt. Dies entspricht dem in anderen Ländern schon bekannten Lecturer. Das ist ein richtiger Schritt in die richtige Richtung, um mit der steigenden Studierendenanzahl fertig zu werden. Auch hier lohnt es sich, fernab der Holzhammerdiskussion in die Diskussion um Strukturen einzusteigen und die Fortschritte anzusprechen.

(Niclas Herbst)

Sie sehen, dass in diesem Gesetz sehr viel mehr enthalten ist als das, was uns vordergründig beschäftigt. Ich denke, jeder, der unsere Hochschullandschaft in Schleswig-Holstein schätzt und dem sie am Herzen liegt, sollte sich auch mit diesen Punkten beschäftigen. Die Ausschussberatungen werden dazu umfangreiche Möglichkeiten geben. Ich denke, wir werden der Bitte des Ministers, im Rahmen dieser Beratungen parlamentarisch noch Änderungen einzubringen, gern nachkommen. Das gilt gleichermaßen für die Koalitionsfraktionen wie auch für die Oppositionsfraktionen.

Die Punkte, über die wir diskutieren werden, betreffen beispielsweise die Akkreditierung und die Art und Weise, wie diese durchgeführt werden soll. Mir fällt dazu auch die eine oder andere Übergangsregelung ein, die im Hinblick auf individuelle Probleme der Hochschulen noch gelöst werden muss. Wir können noch ganz andere Punkte aufgreifen. Beispielsweise sind die Plagiatspraxis und die Frage, ob man diese im Hochschulgesetz noch weitergehend regeln kann, zu nennen. Hier wird uns sicherlich noch einiges einfallen. Auch hier gilt das strucksche Gesetz, das im Parlament jetzt regelmäßig zitiert wird. Ich will das nicht wiederholen. Sprüche werden nicht dadurch besser, dass man sie häufig wiederholt.

In diesem Sinne hoffe ich, dass sich der „Hochschulsowjet“ jetzt überholt hat. Am Anfang fand ich das lustig. Jetzt kann ich es nicht mehr hören.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Darauf kommt es nicht an!)

- Wenn er trotzdem kommt, dann kündige ich gleich an, dass ich noch nicht einmal mit den Mundwinkeln zucken werde, auch wenn das am Anfang lustig war.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Auch darauf kommt es nicht an!)

An dieser Stelle müssen wir zum Abschluss ganz ehrlich feststellen, dass wir mit dem Hochschulgesetz vieles angehen. Wir müssen aber auch ehrlich sagen, dass wir Kernprobleme nicht angehen. Als Parlamentarier müssen wir uns fragen, ob wir hier immer ehrlich genug waren. Es gibt zwei Kernprobleme, die wir ansprechen müssen. Ein Punkt ist dabei die Unterfinanzierung. Damit hängt auch die kleinteilige Struktur unserer Hochschullandschaft zusammen. Diese Dinge werden uns weiter beschäftigen. Sie hängen auch unmittelbar zusammen. Egal ob jemand lokalpolitisch in seinem Wahlkreis verwurzelt ist oder ob er an einer Universität tätig ist und dort seine eigenen Interessen hat - jeder

muss sich fragen, ob er in der Vergangenheit ehrlich genug war.