Fakt ist: Wir werden über Studienbeiträge und über alles reden, was Finanzierungsdinge anbetrifft. Dies erwähne ich nur am Rande. Wir werden hier noch genug Spaß miteinander haben. Eine Antwort auf die Strukturprobleme zu finden, ohne Besitzstände zu opfern und ohne regionalpolitische Interessen zu vernachlässigen, ohne althergebrachte Strukturen zu verändern und damit auch Leuten wehzutun, werden wir nicht schaffen. Deshalb wird uns die Debatte um die Hochschulstruktur unabhängig von diesem Gesetz noch über viele Jahre begleiten.
Ich danke Herrn Abgeordneten Niclas Herbst. - Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Jürgen Weber das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei jeder großen Novellierung und natürlich auch bei der Novellierung des Hochschulrechts stellt sich die Frage, nach welchen Grundsätzen und nach welchen Leitbildern wir Hochschulen eigentlich gestalten wollen. Insofern ist die heutige Debatte auch im Zusammenhang mit der gestrigen Debatte um das Schulgesetz zu sehen. Bildungspolitik ist Gesellschaftspolitik. Das gilt natürlich in besonderem Maße auch für den Bereich von Hochschulen und Wissenschaft.
An den Anfang meiner Ausführungen will ich stellen, dass wir Hochschulen nicht in erster Linie als Dienstleister für die Wirtschaft sehen. Wir sehen sie als Dienstleister für die gesamte Gesellschaft. Lassen Sie mich so viel sagen: In manchen Argumentationszusammenhängen wird dies immer wieder formuliert. Wir teilen nicht die unselige Ideologie vom Studenten als Kunden eines Wissenschaftsdienstleisters Universität. Dies verstellt den Blick darauf, dass Lehre und Forschung die Kernaufgaben der Hochschulen sind. Die Lehrenden, Assistierenden und Studierenden sind integrale Akteure und eben nicht Objekte des Wissenschaftsbetriebs. Ich glaube, das muss man immer wieder ins Gedächtnis zurückrufen.
Gerade auch deswegen sind Mitbestimmungsrechte aller Gruppen der Hochschulen und auch das Kriterium der Geschlechtergerechtigkeit keine alt
modischen, sondern hochaktuelle Anforderungen an gesetzliche Regelungen für Hochschulen. Das ist ein Themenkomplex, mit dem wir uns im Rahmen von Anhörungen sicherlich noch befassen werden. Das zentrale Motto und die zentrale Grundlage aller modernen Hochschulgesetzveränderungen, die wir haben, beinhalten mehr Autonomie, mehr Wettbewerb und mehr Leitungs- und Handlungskompetenz. Das sind in der Tat Maßgaben, die auch wir voll und ganz unterstreichen. Alle Maßgaben, die das Gesetz in dieser Hinsicht auf den Weg bringt, unterstützen wir natürlich ausdrücklich.
Trotzdem möchte ich noch einige aktuelle Rahmenbedingungen und Herausforderungen benennen, denn ich glaube, dass auch diese Messlatten für die Bewertung der Dinge sind, die jetzt vor uns liegen. Erlauben Sie mir dazu, einige Stichworte zu nennen!
Der Bologna-Prozess definiert internationale Standards und setzt neue Qualitätsrahmen. Er gibt der Qualitätssicherung unausweichliche Strukturen. Übrigens bestimmt er auch das Verhältnis zwischen Universitäten und Fachhochschulen neu. Das sind Dinge, aus denen wir Konsequenzen ziehen müssen.
Einen weiteren wichtigen Punkt haben wir in den letzten zwei Jahren zur Kenntnis nehmen können. Das ist die Zertrümmerung des kooperativen Föderalismus durch die Föderalismusreform, die in der Bundesrepublik regionale Verwerfungen nicht verringert, sondern eher vergrößert. Die im internationalen Rahmenvergleich nach wie vor geringe Finanzausstattung der Hochschulen und die äußerst angespannte Lage des Haushalts unseres Landes sind auf der Folie des zu erwartenden drastischen und dramatischen Anstiegs der Studierendenzahlen zu sehen, die wir berücksichtigen müssen. Wir müssen übrigens auch die Anstrengungen unserer Hochschulen berücksichtigen, an der Exzellenzförderung mit eigenen Clustern zu partizipieren. Der Herr Minister hat schon angedeutet, dass morgen dafür ein ganz wichtiger Tag für unsere Hochschullandschaft in Schleswig-Holstein ist.
Wir haben eine gewachsene Hochschullandschaft mit einer Struktur, die immer noch nicht die vollständigen Möglichkeiten von Synergien ausgeschöpft hat. Das gilt vor allem für den Bereich der Medizin. Auch dort müssen wir zu neuen Regelungen kommen. Deshalb brauchen wir ein neues Hochschulgesetz.
Der Kollege Herbst hat einige Punkte aufgelistet. Ich nenne auch einige, die gegenüber dem Status quo hervorragende Verbesserungen bedeuten. Die
Zuständigkeit der Hochschulen für die Berufung der Professoren ist ein solcher Punkt. Gleiches gilt für klare Regelungen für ein zweistufiges Studiengangsystem und die Anerkennung von Studienprüfungsleistungen von Frühstudierenden. Auch die Meisterprüfung wurde schon genannt. Auch zu nennen ist die Präsidialverfassung, wenn sie tatsächlich zu einer Stärkung der Leitungskompetenzen führt.
Natürlich stehen die Fragen der Änderung der Hochschulverfassung im Mittelpunkt der öffentlichen Debatte. Es ist kein Geheimnis, dass wir - was den Nutzen der Hochschulräte angeht - skeptisch sind. Deshalb möchte ich heute einmal von einer positiven Betrachtungsweise ausgehen. Mit diesen Hochschulräten ist nicht alles so revolutionär, wie es manchmal dargestellt wird. Mittlerweile sind wir das vorletzte Land, das Hochschulräte in das Hochschulgesetz aufnimmt. Das alles ist also nicht so neu.
Wenn Hochschulräte mit externer Kompetenz die Entwicklung der Hochschulen unterstützen können, wenn sie kompetent als Promotoren ihrer Hochschulen agieren können, wenn sie helfen, Ressourcen zu erschließen, wenn sie als Mittler zwischen Staat und Gesellschaft sowie Hochschule wirken und wenn sie als wissenschaftspolitische Autorität Einfluss auf die Entwicklungsprozesse in den Hochschulen nehmen, dann kann und wird Nutzen für die Hochschulen entstehen.
Wenn Hochschulräte, die ja ehrenamtlich tätig sein sollen, Entscheidungsbefugnisse erhalten sollen, so muss man etwas genauer hinschauen, welche Wirkungen entstehen. Das muss man hinsichtlich der Verantwortlichkeit gegenüber Gesellschaft und Hochschule, im Hinblick auf das Zusammenwirken von Hochschulleitungen, Senaten und Hochschulräten in der Praxis und natürlich nicht zuletzt auch in Bezug auf die Rechte des Gesetz- und Haushaltsgebers tun, der für die Finanzierung der Hochschulen verantwortlich ist.
Die im Gesetz noch verbliebenen Entscheidungsbefugnisse in grundsätzlichen Fragen der Planung und Strukturentwicklung, wie sie übrigens auch einige andere Hochschulgesetze der Bundesrepublik kennen, können - ich betone: können - ein akzeptabler Weg auch für Schleswig-Holsteins Hochschulen sein, wenn dabei die Verbindlichkeit von Zielvereinbarungen zwischen dem Land und den einzelnen Hochschulen und auch das Evaluierungsverfahren gesichert werden. Autonomie und - um den Begriff, den der Kollege Klug gern benutzt, ins Deutsche zu übersetzen - Rätestruktur bedeuten
eben nicht, dass sich der Staat aus seiner Verantwortung für Grundsatzentscheidungen zurückziehen darf.
Meine Damen und Herren, die größten Probleme werden dort gesehen, wo ein Hochschulrat seine Funktion für mehrere Hochschulen gleichzeitig ausüben soll, so wie es der Universitätsrat tun soll. Dieser ist also kein Hochschulrat und damit Interessenförderer einer Hochschule, aber eben auch kein Landeshochschulrat, der der Hochschullandschaft insgesamt verpflichtet ist. Der Universitätsrat soll unter Aussparung der Fach- und Kunsthochschulen seine Aufgaben für drei Universitäten des Landes erledigen. Die Idee des Ministeriums ist es - Herr Austermann hat noch einmal darauf hingewiesen -, ein Gremium zu schaffen, das, unabhängig von den Interessen der einzelnen Universitäten aus eigener Kompetenz heraus strukturbildend und strukturverändernd agieren kann.
Ich bleibe diesbezüglich skeptisch. Da die Universitäten die Mitglieder benennen, wird es - so denke ich - zumindest in einer ersten Wahlperiode eher ein Abbilden von Regionalinteressen geben.
Deswegen halte ich es für vernünftig und für vertretbar, dass in diesem Gremium die mit Abstand größte Universität, die Christian-Albrechts-Universität, zumindest nicht überstimmt werden kann.
Erste Reaktionen haben gezeigt, dass die Besetzung des Universitätsrats wegen der Asymmetrie unserer Universitäten schwierig ist und eine konsensfähige Formel nicht so leicht gefunden werden kann.
Meine Damen und Herren, manchmal ist es wichtig, gerade auf das hinzuweisen, was nicht im Gesetzentwurf steht. Das will ich gern tun. Wir halten es für richtig, dass der vorliegende Gesetzentwurf keinen Einstieg in Studiengebühren bringt. Das finden wir ausgezeichnet.
In der Kürze der Zeit, die wir für die erste Lesung zur Verfügung haben, will ich zwei weitere Aspekte kurz ansprechen.
Zunächst eine Bemerkung zu den Fachhochschulen, die in der Diskussion gern ein wenig vergessen werden. Gerade den Fachhochschulen kommt vor dem Hintergrund eines erheblichen zusätzlichen Kapazitätsbedarfs aufgrund steigender Studierendenzahlen eine wachsende Bedeutung zu. Außerdem stellt der Bologna-Prozess mit seinen gestuften Abschlüssen die Frage der Kooperation
und des Zusammenwirkens von Fachhochschulen und Universitäten neu. Wir wollen deswegen im Rahmen der gesetzlichen Beratungen prüfen, ob ein Promotionsrecht der Fachhochschulen, gegebenenfalls als Experimentierklausel, Eingang in das Gesetz finden sollte.
Lassen Sie mich zum Abschluss noch zu einem sehr zentralen Punkt etwas sagen. Die Zukunft der Hochschulmedizin in Schleswig-Holstein ist fraglos eine der drängendsten Fragen, nicht nur weil sie den Löwenanteil der Hochschulausgaben des Landes verzehrt. Durch die Verknüpfung mit dem UK S-H und durch die Aufteilung in zwei Fakultäten zweier sehr unterschiedlich strukturierter Universitäten stellt sich die Frage, wie ein Mehr an Effizienz, eine stärkere Profilbildung und auch eine bessere Aufgabenteilung zwischen Kiel und Lübeck erreicht werden kann. Das Instrument des Medizinausschusses, den der Gesetzentwurf vorsieht, halten wir für richtig. Dieser muss allerdings so konstruiert sein, dass er eben kein zusätzliches Spielfeld für regionale Auseinandersetzungen, sondern die Grundlage für mehr Synergien bildet und auch eine breite Akzeptanz abbilden kann.
Dies sind nur ein paar Punkte, die zeigen, dass wir im Ausschuss noch viel zu tun haben. Da nach mir dreimal die geballte Opposition an der Reihe ist, möchte ich schon jetzt meiner Zuversicht Ausdruck geben, dass sich alle Fraktionen konstruktiv daran beteiligen werden, notwendige Folgerungen aus der Anhörung zu ziehen.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Jürgen Weber und erteile für die FDP-Fraktion dem Herrn Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Unter Wissenschaftlern kursiert der Spruch: Die großen Tragödien der Wissenschaft sind die grausigen Morde an schönen Theorien durch hässliche Fakten. Nun können wesentliche Teile des vorliegenden Gesetzentwurfs zwar für sich das Attribut „schön“, wie ich meine, auf gar keinen Fall beanspruchen, aber ansonsten lässt sich das Zitat auch auf diese Regierungsvorlage übertragen. Das gilt insbesondere für die geplante Einführung von
Hochschulräte gibt es zwar mittlerweile in hochschulgesetzlichen Bestimmungen vieler Länder, aber ihre Aufgaben und ihre Zusammensetzung fallen dabei extrem unterschiedlich aus.
In Schleswig-Holstein erreichen die Kompetenzzuweisungen an diese Gremien einen extremen Umfang. Die daraus resultierenden Probleme werden durch die Einführung eines gemeinsamen Universitätsrats für die Universitäten Kiel, Lübeck und Flensburg sowie durch Bestimmungen weiter verschärft, die sowohl die Hochschulautonomie als auch die verantwortliche Leitung der Hochschulen, wie ich finde, auf zerstörerische Weise beeinträchtigen.
Der Gesetzentwurf von Herrn Austermann zerstört nämlich die Autorität der eigentlichen Hochschulleitung, des Präsidiums, bisher Rektorats,
indem er in § 25 den Kanzlern, also den Verwaltungschefs der Hochschulen, das Recht gibt, bei Meinungsverschiedenheiten im Hochschulpräsidium den Hochschulrat respektive den gemeinsamen Universitätsrat zur Letztentscheidung anzurufen. Die Präsidien beziehungsweise Rektorate der Hochschulen und insbesondere die Ämter der Hochschulbeziehungsweise Universitätspräsidenten werden dadurch massiv geschwächt.
Der gemeinsame Universitätsrat der Universitäten Kiel, Lübeck und Flensburg bleibt auch in seiner neuen Zusammensetzung ein Gremium, das mit seinen Aufgaben völlig überfordert ist und im schlimmsten Falle durch lokale Lobbyinteressen der einzelnen Hochschulschulstandorte gelähmt sein wird. Das Gezerre um die Zusammensetzung beziehungsweise die Anzahl der Vorschlagsrechte der einzelnen Universitäten bietet einen Vorgeschmack auf die Probleme, die sich aus dieser Gesetzesbestimmung ergeben werden.
Die fünfköpfigen Hochschulräte beziehungsweise der neunköpfige Universitätsrat sollen ehrenamtlich tätig sind. „Ehrenamtlich“. Das muss man sich wirklich auf der Zunge zergehen lassen. Ehrenamtlichkeit und Umfang der geplanten Zuständigkeiten sind völlig unvereinbar. Dass ehrenamtliche Räte nebenbei wesentliche Beschlusskompetenzen sachgerecht wahrnehmen können, ist schlechterdings nicht vorstellbar.
Die Struktur- und Entwicklungsplanung der Hochschulen soll ihnen ebenso übertragen werden wie Grundsätze für die Verteilung der Finanz- und Sachmittel und zur Personalausstattung sowie das Überwachen von Ziel- und Leistungsvereinbarungen, Stellungnahmen zum Haushaltsplan, Zustimmungsrechte zu wesentlichen Satzungen der Hochschule und so weiter.
Während die Hochschulräte in den meisten Bundesländern im Wesentlichen Aufgaben der Beratung sowie der Abgabe von Empfehlungen erhalten haben, sollen sie in Schleswig-Holstein, ähnlich wie in Hamburg - von diesem Vorbild haben die Autoren offensichtlich abgekupfert -, sehr weitgehende Entscheidungsbefugnisse besitzen.