Deshalb habe ich in einer früheren Beratung den Begriff „Hochschul-Sowjet“ geprägt. Ich freue mich, dass Peter Deutschland vom DGB in seiner neuesten Pressemitteilung den Universitätsrat nun auch als eine Art Obersten Sowjet mit weitreichenden Vollmachten einstuft. Wie Sie sehen, wird meine Einschätzung in der öffentlichen Debatte auch von anderen geteilt.
Die den Räten zugewiesenen Aufgaben betreffen eigentlich den operativen Kern der Aufgaben einer Hochschulleitung beziehungsweise des Hochschulmanagements oder Aufgaben der hochschuleigenen Gremien, insbesondere der Hochschulsenate. Die Aufgabenbeschreibung geht jedenfalls weit über das hinaus, was klassischerweise einem Aufsichtsgremium zuwiesen wird. Der Umfang der Aufgaben ist so bemessen, dass eine sachgerechte und verantwortliche Aufgabenwahrnehmung durch ehrenamtliche Räte jedenfalls nicht machbar sein wird. Es ist völlig klar, dass ehrenamtliche Räte, die gar nicht über das Zeitbudget und die Sachkenntnis zur inhaltlichen Durchdringung der ihnen übertragenen Aufgaben verfügen, letztlich nur Vorlagen abnicken werden, die von nachgelagerten Apparaten und Stäben erstellt worden sind. Am Ende führt das zu einem Regiment der Sekretäre.
Apropos „verantwortlich“: Das Hochschulgesetz definiert diverse Rechenschaftspflichten. Aber gegenüber wem sind die künftigen Hochschulräte angesichts ihrer zahlreichen Befugnisse und Aufgaben eigentlich rechenschaftspflichtig und verantwortlich? Einmal eingesetzt, schweben sie für ihre Amtszeit frei und ungebunden in der Hochschullandschaft, verfügen über die Verwendung beträchtlicher Landesmittel und bestimmen über Fragen, die für den Forschungs- und Hochschulstand
Klare Verantwortungsstrukturen, wie sie hochschulintern gegenüber den jeweiligen professionellen, hauptamtlichen Hochschulleitungen oder zwischen Landesregierung und Landesparlament einerseits und Hochschulen andererseits definiert sind, werden bei Einführung der Hochschulräte in der vorgesehenen Form durchbrochen. Das Ergebnis ist eine organisierte Verantwortungslosigkeit, bei der sich sowohl die Hochschulen als auch das Ministerium im Zweifelsfall bei Fehlentwicklungen achselzuckend mit dem Hinweis auf Entscheidungen der Hochschulräte aus der Affäre ziehen können.
Das ist genau die Konstruktion, die Herr Austermann für unser Hochschulrecht im Land vorschlägt. Ich ziehe das Fazit: Herrn Austermanns Gesetzentwurf untergräbt durch Einführung dieses Rätesystems die Hochschulautonomie und führt zu einer organisierten Verantwortungslosigkeit.
Nun zu einigen weiteren Punkten! Der Wissenschaftsminister erhebt den Anspruch, das Land ziehe sich mit dem neuen Hochschulgesetz aus der Detailsteuerung zurück und überlasse den Hochschulen viele Aufgaben in Eigenverantwortung. In einzelnen Punkten trifft dies auch durchaus zu. Wir als FDP-Fraktion haben beispielsweise schon in den 90er-Jahren in diesem Haus gefordert, den Hochschulen volle Personalkompetenzen bei der Berufung von Professoren zu übertragen. Das ist ein Punkt, bei dem in der Tat ein Fortschritt erreicht wird.
Wir kritisieren aber, dass sich die Regierung nach wie vor viele Hintertüren offen hält, um auch weiterhin die Detailsteuerung vornehmen zu können. So sieht zum Beispiel der Gesetzentwurf in § 49 Abs. 6 nach wie vor - wie das bisher geltende Landeshochschulgesetz- vor, dass die Einrichtung, Änderung und Aufhebung von Studiengängen der Zustimmung des Ministeriums bedarf. Diese Bestimmung, die auch das bisherige Landeshochschulgesetz enthält, ist schon in den letzten Jahren von dem Ministerium dazu genutzt worden, sich alle Entwürfe für neue Studien- und Prüfungsordnungen vorlegen zu lassen.
Wir haben hier im Landtag vor einigen Jahren beschlossen, die Genehmigungspflicht für Prüfungsund Studienordnungen abzuschaffen und dies der
alleinigen Kompetenz der Universitäten und anderen Hochschulen zu überlassen. Aber durch die Klausel, die ich gerade erwähnt habe, den § 49 Abs. 6, hat das Ministerium schon in den vergangenen Jahren diese Übertragung von Verantwortung auf die Hochschulen de facto unterlaufen und sich alle Vorlagen und Entwürfe für Studien - und Prüfungsordnungen vorlegen lassen.
Herr Minister, ein Vorschlag wäre es, dies aus dem Gesetzentwurf herauszunehmen und die Eigenverantwortung der Hochschulen in größerem Umfang auch faktisch und materiell zu ermöglichen, anstatt sich weiter diese Hintertür offen zu lassen.
Es gibt darüber hinaus im Gesetzentwurf eine Reihe weiterer Fragen, zum Beispiel zu der fehlenden Beschreibung der Rechte der Gleichstellungsbeauftragten, § 27 des Entwurfs. Eigenartigerweise enthält der Gesetzentwurf nur in der Bestimmung über die Gleichstellungsbeauftragte des schleswig-holsteinischen Universitätsklinikums eine klare Bezugnahme auf Rechte und Pflichten nach dem Gleichstellungsgesetz. Das wäre zum Beispiel ein Punkt, der in der Ausschussberatung dringend zu klären wäre.
Lassen Sie mich zum Schluss eine Anmerkung zu dem machen, was der Kollege Herbst gesagt hat, nämlich, dass es ein Problem sei, dass unsere schleswig-holsteinischen Hochschulen im internationalen Ranking im Vergleich zu Spitzenuniversitäten zurückgefallen seien. Dazu darf man vielleicht darauf hinweisen, dass internationale Spitzenuniversitäten, wie die in den USA, über Budgets verfügen, von denen man hierzulande nur träumen kann. Wenn die Harvard University mit einem Gesamtvermögen von 23 Milliarden US-Dollar jährlich Kapitalerträge von einer halben Milliarde Dollar einnimmt, dann ist das praktisch schon so viel, wie wir für alle schleswig-holsteinischen Hochschulen ausgeben. Das Gesamtbudget von Harvard liegt um ein Mehrfaches über dem, was wir in SchleswigHolstein für die Hochschulen ausgeben.
Übrigens hat Harvard 10.000 Studierende und eine Relation von zehn Studierenden auf eine Professur. Der Vergleich hinkt also etwas und er ist sehr unfair. Es ist so, als ob Sie erwarten, dass ein Volkswagen-Golf so flink ist wie ein Ferrari. Wenn Sie das wollen, müssen Sie ihm auch den Motor und das Fahrwerk eines Ferrari geben. Das ist die Voraussetzung, um entsprechend gleichziehen zu können. Das ist so, als ob man sagt, dass im Vergleich mit Arnold Schwarzenegger Minister Austermann nur ein Kleindarsteller ist.
Das ist auch ein unfairer Vergleich, aber das ist die gleiche Ebene, auf der Sie den schleswig-holsteinischen Hochschulen den Vorwurf machen, im internationalen Ranking mit diesen dermaßen ausgezeichnet dotierten ausländischen Spitzenuniversitäten nicht mithalten zu können. Das ist schlicht und ergreifend nicht gerecht.
Schauen Sie sich einmal im näheren Umfeld - etwa im Ostseeraum - zum Beispiel in Norwegen, in Finnland oder in Schweden um, wie dort die Universitäten von ihrem Staat ausgestattet werden. Der Unterschied ist augenfällig, wenn Sie im Vergleich dazu die Hochschullandschaft hier betrachten. Das heißt, dass es entscheidend darauf ankommt, welche Möglichkeiten, welche Voraussetzungen und welche Rahmenbedingungen wir den Hochschulen geben. Bei den entsprechenden Voraussetzungen könnten sie nicht nur in einzelnen Bereichen, wo sie heute schon an der Spitze sind, sondern in einer größeren Breite auch in diesem internationalen Wettbewerb besser mithalten.
Ich danke Herrn Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug. - Ich erteile für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Herrn Abgeordneten Karl-Martin Hentschel das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wer sich - anders als unser Hochschulminister - in den letzten Jahren mit den wirklichen Problemen unserer Hochschulen beschäftigt hat, der stellt fest: Es gibt viele Probleme an unseren Hochschulen, die gelöst werden müssen. Aber das sind nicht die, mit denen sich das Gesetz vorrangig beschäftigt. Immerhin ist es gerade zwei Jahre her, dass wesentlich mutigere Reformen in der Hochschulgesetzgebung durchgesetzt wurden. Dazu haben auch wir einiges beigetragen. Ich erinnere nur daran, dass wir den Hochschulen mehr Autonomie gegeben, den jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern mit der Juniorprofessur mehr Chancen eröffnet, das verknöcherte Vergütungssystem aufgebrochen und flexible Elemente eingebaut haben. Wir haben auch das Schwierigste angepackt, nämlich die Veränderung von Strukturen, unter anderem die Zusammenlegung der Klinika.
Dem vorliegenden Entwurf des neuen Hochschulgesetzes kann ich zumindest eines entnehmen, was mich freut, nämlich dass nun auch die CDU - zumindest in der großen Koalition - diese Reform endlich durchweg akzeptiert.
Wozu also ein neues Hochschulgesetz? - Was unsere Hochschulen tatsächlich brauchen, ist die Unterstützung des Landes bei den bevorstehenden Reformen. So sind die beschlossenen Ergebnisse und Reformen auf Vorschlag der Erichsen-Kommission noch nicht alle umgesetzt, beispielsweise im Bereich der Medizinischen Fakultäten. Es gibt genaue Pläne, die verabschiedet, aber noch nicht umgesetzt worden sind. Daran muss noch gearbeitet werden.
Was jetzt gebraucht wird, ist eine Reform der Lehrerbildung. Bei dem Gesetz, das gestern eingebracht worden ist, müssen wir das unbedingt zu einem vorrangigen Ziel machen. Ich könnte mir zum Beispiel vorstellen, dass es Sinn machten, ein Lehrerbildungsgesetz zu verabschieden, wie es andere Bundesländer haben. Was die Hochschulen jetzt brauchen, sind gute Konzepte für die Umstellung auf Bachelor- und Master-Abschlüsse. Was die Hochschulen vor allem brauchen, sind Antworten, wie in den kommenden Jahren mit den wachsenden Studentenzahlen umgegangen werden soll. Macht es zum Beispiel Sinn, reine Lehrprofessuren an den Universitäten einzuführen, wie sie an den Fachhochschulen schon längst erfolgreich vorhanden sind? Müssen möglicherweise die Strukturen der Studiengänge noch einmal neu überdacht werden? Auf all diese Fragen brauchen die Hochschulen eine Antwort.
Was die Hochschulen nun wirklich nicht brauchen, ist die Vorlage dieses Gesetzes. Der Abgeordnete Weber hat einige Punkte genannt, die durchaus sinnvoll sind, meinetwegen die Tatsache, dass die Professoren jetzt von den Hochschulen selbst berufen werden können. Das hätte man ändern können, dazu hätte man aber auch nur eine Novelle des Hochschulgesetzes vorlegen können. Warum wir ein völlig neues Hochschulgesetz vorgelegt bekommen, bleibt offen. Danach hat niemand gefragt. Die einzigen Gründe, die ich mir vorstellen kann, sind, dass wir einen neuen Minister haben und dass sich sein Parteifreund Driftmann gern neue Ideen ausdenkt.
Es ist schon bemerkenswert, dass hier ein Gesetz vorgelegt wird, gegen das sich auch nach der soundsovielten Vorlage noch alle Hochschulen unisono aussprechen. Wann hat es das je gegeben?
Selbst Kiel - eine bekanntlich schwarz-grün regierte Stadt mit der CDU als stärkste Fraktion, die Hochschulstadt Nummer eins in diesem Land
(Jürgen Weber [SPD]: Nun sagen Sie einmal was zu Ihren Beschlüssen zu den Studienge- bühren in der Ratsversammlung Kiel! - Bei- fall des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])
Ich komme jetzt zu den einzelnen Punkten, da ich davon ausgehe, dass der Minister - wie ich ihn eben verstanden habe - heute noch nicht bereit ist, das Gesetz zurückzuziehen.
Erstens der Hochschulrat. Wenn die externen Mitglieder des Hochschulrates nicht am Ort leben, wird es eine Geschäftsführung geben mit einer ganz neuen Machtposition. In § 19 Abs. 6 des Entwurfes steht, dass die Hochschulen aus ihren Personal- und Sachmitteln den Rat ausstatten müssen - und das in Zeiten des Bürokratieabbaus. Sie hatten versprochen, dass Sie Bürokratie abbauen. Was wir hier feststellen, ist eine neue Leitungsebene und mehr Bürokratie. Besonders viel Aufwand und Bürokratie wird wohl der Universitätsrat zwischen Kiel, Lübeck und Flensburg entfalten. Ich kann Herrn Professor Dunkel nur dazu gratulieren.
Welche Persönlichkeiten werden wohl in den Hochschul- und Universitätsrat gewählt? Werden die Belange der Wirtschaft vertreten und das Allgemeinwohl? Demokratisch gewählt sind sie jedenfalls nicht. Alle Hochschulen haben sich gegen diese externen Räte ausgesprochen. Es beschädigt die gerade neu erworbene Autonomie, die den Hochschulen so lauthals garantiert worden ist, auch von der CDU, wie ich mich erinnere, in ihrem Wahlkampf.
Vor allem wird die Hochschuldemokratie beschädigt. Es gibt kein drittelparitätisches Konsistorium mehr, aber einen externen Führungszirkel.
Herr Austermann, eine Universität ist weder eine Industrie- und Handelskammer, noch ist sie ein Marineschiff. In der Wissenschaft brauchen wir Kreativität, Freiheit und Engagement. Dazu ist die Hochschuldemokratie wichtig. Das ist nicht nur meine Meinung, das ist die Meinung aller Hochschulen im Lande!
Kommen wir zu den Studiengebühren. Eine der ökonomischen Binsenweisheiten der Marktwirtschaft lautet: Wenn ich etwas teurer mache, wird die Nachfrage sinken. Deutschland hat zu wenig Studenten. Wir exportieren im Vergleich zu USA, Japan, Großbritannien oder Skandinavien erheblich weniger Spitzentechnologien. Das war vor 20 Jahren noch anders. Wir investieren zu wenig in die Forschung. Dieses Problem muss gelöst werden. Der Herr Abgeordnete Klug hat darauf hingewiesen. Wir wissen sehr gut, das kann nur bundesweit gelöst werden, denn Schleswig-Holstein hat gar nicht die finanziellen Mittel, um das anzugehen. Daran werden auch die Studiengebühren nichts ändern. Eines wird sich aber ändern, es werden weniger Studenten aus sozial schwachen Familien studieren.
Nun sind wir eines der Länder in der EU, in denen viel weniger Studenten aus der Unterschicht studieren als anderswo. Wir schöpfen unsere Begabungspotenziale nicht aus. Wenn Sie diesen Effekt noch verstärken wollen - und das tun Sie -, dann schaden Sie dem Land. Sparen Sie bei Großprojekten, sparen Sie bei Subventionen für die Landwirtschaft, aber sparen Sie bitte nicht bei der Bildung!
Ich komme zu der Gleichstellungspolitik, einem Punkt, der eher am Rande auftaucht, aber es ist ein interessanter Punkt, wenn man einmal die Denkweise dahinter sieht. Aus Ihrem Umgang mit der Gleichstellung, kann ich nur einen Schluss ziehen, Herr Minister: Sie halten das für überflüssig. Jetzt soll es erst ab 2.500 Hochschulmitgliedern statt bisher ab 1.000 eine hauptamtliche Gleichstellungsbeauftragte geben. Die Rechte dieser Beauftragten sollen nicht mehr im Gesetz verankert werden, insbesondere das Vetorecht steht nicht mehr drin, auch nicht das wichtige Recht der Weisungsfreiheit. Das ist eine Rolle rückwärts in Schleswig-Holstein.
Herr Austermann, ich glaube nicht, dass die Gleichstellungspolitik überflüssig ist. Sicherlich ist einiges erreicht worden. Heute ist es nicht mehr nötig, Mädchen in die höhere Schule oder in die Universität zu locken. Aber warum haben Frauen immer noch so schlechte Chancen bei den Professorenstellen? Hier liegt die Christian-Albrechts-Universität immer noch mit ihren 11 % weit hinten und Schleswig-Holstein als Bundesland ist Schlusslicht in Deutschland. Wenn das so ist, dann geht es hier sowohl um Gerechtigkeit, aber nicht nur um Gerechtigkeit. Wenn eine Hochschule ihren besten Absolventinnen keine ausreichenden Chancen gibt, dann ist das nicht nur ein Problem der Gerechtig
Fazit: Was die CDU hier veranstaltet unter stillschweigender Duldung ihres roten Koalitionspartners, ist nicht sachlich begründet, sondern ist Ideologie.