Drittens Demokratie. Herr Austermann, mit diesem Gesetz schleifen Sie nicht nur die Autonomie, Sie schleifen auch die Rechte des Parlaments. Seit dem Kaiserreich gilt auch in Deutschland: Das Budgetrecht ist das Königsrecht des Parlaments. Deswegen hatten wir mit der Einführung von mehrjährigen Budgets und mit Zielvereinbarungen in den § 15 a des alten Gesetzes die Festlegung von Zielvereinbarungen eng an das Parlament gekoppelt. Evaluation, die Festlegung der Eckpunkte der Zielvereinbarung und die Verabschiedung mehrjähriger Budgets mussten in enger Abstimmung aufgrund von Beschlüssen des Parlaments erfolgen.
Das war damals mühsam durchgekämpft gegen das Ministerium. Indem Sie diesen Paragrafen verstümmeln, schaffen Sie eine Situation, in der das Ministerium Zielvereinbarungen verhandelt und dann das Parlament nur noch über die Finanzzuschüsse entscheiden darf. Das heißt, wir sollen über fertige Zielvereinbarungen reden, obwohl praktisch alles festgelegt ist.
Was Sie damit verlangen, Herr Minister, ist ein Blankoscheck über weit mehr als 1 Milliarde € das sind fünf Jahre Hochschuletat -, den das Parlament hier ausstellen soll. Dann ist der Landtag bei jeder inhaltlichen Gestaltung der Hochschulpolitik außen vor.
Meine Damen und Herren, dieses Gesetz ist erstens unnötig, zweitens ideologisch, drittens elitär und viertens undemokratisch.
Der Protest aller Hochschulen des Landes gegen dieses Gesetz ist nicht böse gemeint, sondern er ist gerechtfertigt und notwendig. Ich kann nur hoffen, dass der eine oder andere Abgeordnete der großen Koalition dieses Gesetz sehr kritisch hinterfragt und noch einmal genau ansieht. Ich wünsche mir eine lebhafte Debatte im Bildungsausschuss.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Hentschel und erteile für den SSW der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu den Herausforderungen, vor denen unsere Hochschulen stehen, ist schon vieles gesagt worden. In diesen Zusammenhang passt die Tatsache, dass wir in Deutschland immer noch zu wenige Hochschulabsolventen haben, dass die Wirtschaft vor dem Hintergrund der zunehmenden Globalisierung verstärkt qualifizierte und hoch ausgebildete Arbeitskräfte braucht, um international wettbewerbsfähig zu sein. Dieser Mangel an qualifizierten Arbeitskräften droht ein riesiges Problem zu werden - das wissen wir -, obwohl die Zahl der Studienbewerberinnen und Studienbewerber in den nächsten Jahren ansteigen wird. Wir haben dieses Problem immer noch nicht im Griff.
Wir müssen erkennen, dass wir ganz einfach mehr Ressourcen in Wissenschaft und Forschung und in unsere Hochschulen stecken müssen. Das sind die Rahmenbedingungen. Auch der sogenannte Bologna-Prozess mit seiner Umstellung auf Bachelorund Master-Studiengänge stellt große Anforderungen an die Hochschulen, denn sie müssen nicht nur die zweistufige Studienstruktur einführen, sondern gleichzeitig die Qualität der Lehre sichern.
Alles dies müssen sie mit sehr knappen öffentlichen Mitteln bewältigen, denn schon die ErichsenKommission stellte fest, dass die schleswig-holsteinischen Hochschulen unterfinanziert sind. Deshalb geht es in der Tat darum, wie für die Hochschulen des Landes die Strukturen optimiert und die Rahmenbedingungen insgesamt verbessert werden können. Die Landesregierung hat bisher immer betont, dass es dabei auch um mehr Eigenständigkeit und den Abbau von Bürokratie gehen muss, wenn die Hochschullandschaft gestärkt werden soll. Die Frage ist jedoch, was der vorliegende Gesetzentwurf wirklich zur Weiterentwicklung der Hochschullandschaft in Schleswig-Holstein beiträgt, soll heißen - ich sage es ganz deutlich -, nach Meinung des SSW muss man bei diesem Gesetzentwurf schon mit der Lupe nach positiven Impulsen für die Hochschulentwicklung des Landes suchen.
Dazu noch ein paar Anmerkungen. Der Entwurf sieht vor, dass sich die Landespolitik zukünftig aus allen Detailfragen zurückzieht und die Hochschulen selbst Personalentscheidungen treffen, Prüfungs
ordnungen genehmigen und die strategische Ausrichtung bestimmen. Daran ist vorerst nichts Verwerfliches, das hört sich erst einmal alles gut an. Problematisch wird es aber, wenn es ans Eingemachte geht, denn umgesetzt werden soll dies von einem neuen Management, von drei Leitungsgremien.
Neben Präsidium und Senat soll künftig ein mit umfassenden Kompetenzen, Überwachungs- und Kontrollrechten ausgestatteter Hochschulrat über alle wichtigen Angelegenheiten der Hochschulen entscheiden. Für die drei Universitäten in Kiel, Lübeck und Flensburg wird darüber hinaus ein Universitätsrat eingesetzt - wir hörten es bereits, ich sage es aber noch einmal, damit man sich das wirklich auf der Zunge zergehen lassen kann -, der über Lehrangebote, Forschungsschwerpunkte und Fragen der Profilbildung entscheiden und dies alles landesweit koordinieren und sich daneben noch mit der Verteilung der Finanz- und Sachmittel oder der Personalausstattung beschäftigen soll. Geplant ist außerdem eine Ausschreibung des Präsidentenamtes, damit sich auch hier externe Bewerber zur Wahl stellen können.
Die neue Präsidialverfassung gehört aus Sicht des SSW im Moment zu den kleineren Übeln, die mit dem Entwurf eines neuen Hochschulgesetzes auf uns zukommen. Dennoch freuen wir uns nicht unbedingt über diese neue Konstruktion, wobei es hoffentlich mehr als weiße Salbe sein wird, dass ein neuer Präsident oder eine neue Präsidentin weiterhin von den Mitgliedern der Hochschule gewählt werden soll.
Eindeutig zu kritisieren ist aber, dass der Senat nicht mehr drittelparitätisch besetzt sein soll. Denn wir bleiben dabei, dass eine Hochschule davon lebt, dass alle an ihr Beteiligten die Möglichkeit haben müssen, sich gleichberechtigt einzubringen. Wir teilen auch die Sorge des AStA Kiel, dass ein Hochschulrat dazu missbraucht werden könnte, der Wirtschaft mehr Einfluss auf die Gestaltung der Hochschulpolitik zu verschaffen, als es aus gesellschaftspolitischer Sicht wünschenswert wäre. Es kann also nicht sein, dass Staat und Gesellschaft aus den Hochschulen aus- und die Wirtschaft einzieht. Dazu werden insgesamt die Mitbestimmungsrechte der Studierenden beschnitten und die Handlungsmöglichkeiten der Frauenbeauftragten stark eingeschränkt.
Völlig unverständlich ist für uns in diesem Zusammenhang, dass die Landesregierung einerseits die Universitätsleitung stärken will, andererseits dem Kanzler oder der Kanzlerin die Möglichkeit einräumt, gegen Entscheidungen des Präsidiums ein
suspensives Veto einlegen zu können und Entscheidungen an den Hochschulrat zu delegieren. Da hat wohl die eine Hand nicht gewusst, was die andere Hand tat.
Die Kompetenzabgabe der Universitäten an den Universitätsrat sieht der SSW - ich sage es diplomatisch - mehr als kritisch, zumal er entgegen ursprünglicher Aussagen des Wissenschaftsministers nun auch nicht mal mehr so zusammengesetzt sein soll, dass alle Hochschulen gleichermaßen oder gleichberechtigt zu Wort kommen können, denn nach Protesten der CAU bekommt die Kieler Universität die Hälfte der Sitze. Da kann es niemanden verwundern, dass die Universitäten in Lübeck und Flensburg diesen Vorschlag mit großem Misstrauen aufgenommen haben. Sogar die CAU hat jetzt einen Kompromissvorschlag vorgelegt, in dem die Kompetenzen des Universitätsrates wieder beschnitten werden sollen. Ansonsten befürchtet man zu Recht den Aufbau von Doppelstrukturen und hat die Sorge, dass in die einzelnen Hochschulen hineinregiert wird.
Das Gleiche gilt für den geplanten Medizinausschuss, der meines Erachtens vor allem dem Zweck dient, die Medizinischen Fakultäten in ihren Kompetenzen zu beschneiden und sie wie die Kliniken von den Universitäten abzutrennen. Ein weiteres Problem ist, dass der Universitätsrat eine Geschäftstelle bekommen soll, die jährlich - so ist mir gesagt worden - zwischen 500.000 und 1 Million € kosten wird, finanziert aus dem Budget der Hochschulen. Wer dabei noch von einer Stärkung der Hochschulautonomie spricht, tut dies fahrlässig und wider besseres Wissen.
Zusammenfassend führt der jetzt vorliegende Vorschlag für einen Universitätsrat nicht nur zu mehr Bürokratie, er kostet auch viel Geld, Geld, das den Hochschulen zur Bewältigung von dringenden Aufgaben fehlen wird. Will man unbedingt einen Universitätsrat, dann kann es sich nur um einen echten Wissenschaftsrat handeln. Wir könnten uns natürlich - das haben wir auch schon in früheren Reden gesagt - einen Wissenschaftsrat, zusammengesetzt aus international anerkannten Wissenschaftlern, vorstellen, aber nach dem Vorbild des nationalen Wissenschaftsrates, der ja durch die Föderalismusreform stark an Einfluss verlieren wird. Man könnte sich vorstellen, dass solch ein beratendes Gremium der Weiterentwicklung der Hochschullandschaft in Schleswig-Holstein neue Impulse geben könnte. Dies könnte man sogar mit viel Ehre und mit wenig Geld bewältigen. Eingebunden werden sollten da
bei unserer Meinung nach nicht nur die Universitäten, sondern auch die Fachhochschulen des Landes. Aus Sicht des SSW macht die strikte Trennung von Universität und Fachhochschule mit Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen künftig keinen Sinn.
Zur Zentralisierung der Entscheidungsbefugnisse durch den Universitätsrat gehört dann auch, dass das Wissenschaftsministerium die globalen Zuschüsse an die Universitäten in Frage stellt. Der Kollege Hentschel hat bereits das Problem der parlamentarischen Kontrolle angesprochen. Im Gegensatz zum alten Hochschulgesetz, das von einer Budgetierung ausgeht, wird in § 8 eine Rolle rückwärts deutlich. Dies wird in der Ausschussberatung kritisch zu hinterfragen sein.
Für uns ist es wichtig, dass es auch künftig eine starke Hochschullandschaft in Schleswig-Holstein geben wird. Das sehen wir mit dem neuen Hochschulgesetz nicht. Ich sehe keinen Widerspruch zwischen Regionalpolitik und Wissenschaftspolitik. Das eine bedingt das andere. Wenn man verinnerlicht, dass man in einer Wissensgesellschaft lebt, dann muss sich diese Wissensgesellschaft auch auf der lokalen Ebene widerspiegeln und dort umgesetzt werden.
Eines der heikelsten Themen aller Hochschulreformen wird im vorliegenden Gesetzestext kaum berührt, nämlich die Studiengebühren. Der SSW ist weiterhin gegen die Einführung von Studiengebühren.
Bildung muss weiterhin ein kostenloses Gut bleiben, um die soziale Gerechtigkeit zu wahren und um den Wirtschaftsstandort Schleswig-Holstein zu stärken.
Ich fasse zusammen: Dieser Entwurf für ein neues Hochschulgesetz wird den Anforderungen nach einem modernen Bildungssystem, das allen Menschen gleichermaßen offensteht, nicht gerecht.
Wir brauchen stattdessen ein Hochschulgesetz, das für ein ebenso kreatives wie effektives Lehrangebot sowie für die Qualität einer unabhängigen und engagierten Forschung sorgt. Wir brauchen eine Verschlankung des gesamten Verwaltungsapparats, mehr Hochschulautonomie und mehr Eigenverant
wortlichkeit aller beteiligten Gruppen sowie eine höhere Flexibilität in Personalfragen. Dieses muss umgesetzt werden, und zwar so, dass wir flache Strukturen an den Hochschulen haben, und so, dass Demokratie gelebt wird und nicht im Fremdwörterbuch nachzuschlagen ist. Nur so werden wir letztlich unsere Hochschulen voranbringen und sie für die Zukunft fit machen.
Ich danke der Frau Abgeordneten Spoorendonk. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.
Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf Drucksache 16/1007 dem Bildungsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Für den ersten Antragsteller hat der Herr Abgeordnete Lars Harms, SSW, das Wort. - Bitte schön.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In den letzten Jahren mussten wir machtlos zusehen, wie die Strompreise immer wieder erhöht wurden. Obwohl der Strom zu über 30 % aus abgeschriebenen Kernkraftwerken und zu rund 40 % aus Kohlekraftwerken, die heimische Braunkohle oder gar subventionierte Steinkohle nutzen, kommt, wird immer wieder behauptet, der Weltmarkt zwinge die Unternehmen zu saftigen Preiserhöhungen. Heraus kommen dabei Milliardengewinne, die eigentlich nur darauf beruhen, dass der Kunde keine Wahl hat.
Wir können feststellen, dass die so genannte Liberalisierung des Strommarktes gescheitert ist und der Kunde draufzahlen muss. Nun hat man versucht, dem Treiben der Stromkonzerne Herr zu werden, indem man eine Preisaufsicht für Tarifkunden und eine für Stromgroßhandelspreise eingerichtet hat. Auf Bundes- und Landesebene sollen
das Kartellamt, die Bundesnetzagentur und die Bundesländer die vier Großkonzerne kontrollieren. Dass es nicht funktioniert, konnten wir vor kurzem sehen. Während in anderen Bundesländern der Preis für Strom geringfügig sinken wird, weil die Behörden festgestellt haben, dass die Leitungsgebühren zu hoch sind, hat der Landeswirtschaftsminister Schiffbruch erlitten. Bei uns werden die Preise nicht sinken, weil sich Herr Austermann mit der Begründung zufriedengibt, dass angeblich alle Preissenkungen, die erst kürzlich anderenorts durchgesetzt wurden, schon immer in den e.onDurchleitungspreisen enthalten waren. Einen Beweis dafür haben die Kunden aber nicht, zahlen dürfen sie aber Dank dieser Landesregierung trotzdem.