Die Fraktionen von CDU und SPD wollten sich mit dem vorliegenden Bericht einen Überblick über die bisherigen Aktivitäten verschaffen. Ich glaube, man kann zu Recht sagen, dass wir ein reichhaltiges Angebot an Bildungs- und Hilfsmaßnahmen vorweisen können, vom flächendeckenden Wellcome-Service der Familienbildungsstätten, von einem Hilfs- und Unterstützungsangebot für Familien mit Neugeborenen über Konzepte von Elternschulen, die es inzwischen in fast allen Kreisen und Städten in Schleswig-Holstein gibt, bis hin zur beispielhaften Präventionsarbeit des Deutschen Kinderschutzbundes durch sein Kurskonzept „Starke Eltern - starke Kinder“, um nur einige Maßnahmen zu nennen.
Dennoch gibt es noch viel zu tun. Noch stärker als bisher müssen wir Familien erreichen, die in besonderer Weise auf Hilfen angewiesen sind. Der Kinder- und Jugend-Aktionsplan bietet in seinen Handlungsfeldern „Frühe Hilfen für Familien“ und „Gesund aufwachsen“ konkrete Maßnahmen wie „Optikids“ und „Schutzengel“, die bereits in der Modellphase in das Regelangebot integriert werden sollen. Auch das „Bündnis für Familie“ hat sich örtlich der Hilfe von Kindern und Familien angenommen. So wird zum Beispiel im Kreis Schleswig-Flensburg den Müttern von Neugeborenen ein Scheckheft mit zahlreichen Hilfsangeboten rund um das Baby überreicht.
Die Maßnahmen der Politik, der Kassen und der Kinder- und Jugendärzte haben in den letzten Jahren auf diesem Gebiet durchaus Erfolge aufzuweisen. Seit 1991 hat es zahlreiche gemeinsame Aktivitäten der Politik und der Kassen gegeben. So ist die Inanspruchnahme von Früherkennungsuntersuchungen von 84 % im Jahre 1999 auf 89,2 % im Jahre 2004 gestiegen, wie man den statistischen Erhebungen der Einschulungsuntersuchungen entnehmen kann.
Schleswig-Holstein hat gemeinsam mit Hamburg, Berlin, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen eine Bundesratsentschließung für eine höhere Verbindlichkeit von Früherkennungsuntersuchungen im Sinne des Kindeswohles eingebracht. Was uns in Schleswig-Holstein immer noch fehlt, ist die Vorlage eines Handlungskonzepts, das wir uns schon für August erhofft hatten, Frau Ministerin. Das ist uns viel wichtiger als die von Ihnen heute in der Presse geforderte Verfassungsänderung. Was wir nämlich nicht im Gesetz und auch nicht mit einer Änderung der Landesverfassung verordnen können, ist Zivilcourage in der Gesellschaft. Solange Nachbarn, Bekannte, Freunde und auch Behörden wegschauen, werden auch wir immer wieder zu spät kommen.
Lassen Sie mich zum Schluss eine persönliche Anmerkung machen. Ich möchte darauf verweisen, dass wir am Mittwoch darüber diskutiert haben, den Schutz von Kindern in die Landesverfassung aufzunehmen. Am Mittwochnachmittag wurde dann von den Parteien, die das gefordert hatten, eine Schulart als „Restschule“ bezeichnet. Aufgrund dessen, was uns mit dem Bericht vorliegt und was wir in unserer Gesellschaft feststellen müssen, bitte ich darum, im Zusammenhang mit Kindern nicht von Resten zu sprechen.
Ich danke der Abgeordneten Franzen. - Für die SPD-Fraktion hat die Frau Abgeordnete Siegrid Tenor-Alschausky das Wort.
nungspunktes eigentlich schon für die letzte Plenartagung vorgesehen war, werde ich mich in meinem heutigen Redebeitrag überwiegend auf die Vorarbeiten unserer gemeinsamen Kollegin Jutta Schümann beziehen.
In Schleswig-Holstein wachsen circa 530.000 Kinder und Jugendliche heran. Im überwiegenden Teil geht es in ihren Familien gut und sie haben, je nach persönlicher Voraussetzung, gute Perspektiven für die Zukunft. Auch Kinder, die unter ungünstigen psychosozialen Bedingungen und vielfältigen Belastungen aufwachsen, entwickeln nicht unbedingt eine seelische und gesundheitliche Störung.
Dennoch zeigt sich, dass insbesondere Kleinkinder in benachteiligten und Problemfamilien ein höheres Risiko haben, psychisch und/oder physisch zu erkranken. Deshalb brauchen Familien frühzeitig Unterstützung in ihrer Erziehungsarbeit. Frühe Hilfen für Familien sind sowohl für Kinder als auch für ihre Eltern von elementarer Bedeutung. Risiken in der Entwicklung von Kindern müssen so früh wie möglich erkannt werden, um Schädigungen vorzubeugen. Sie müssen im frühen Kindesalter, im Prinzip schon während der Schwangerschaft, einsetzen.
Eine besondere Verantwortung, gerade benachteiligte Familien zu erreichen, tragen die Gesundheitsund die Jugendhilfe. Voraussetzung für die Einleitung von Hilfen ist aber das rechtzeitige Erkennen von Risiken. Zu einer ganzheitlichen Sicherung des Kindeswohls ist daher eine enge und verbindliche Verzahnung von Jugend- und Gesundheitshilfe in gemeinsamer Verantwortung zu entwickeln.
Wir haben mit unserem Berichtsantrag abgefragt, inwieweit unterschiedliche Maßnahmen und Möglichkeiten entwickelt werden können oder bereits bestehen, um der Vernachlässigung von Kindern und Jugendlichen entgegenzuwirken. Dem nun vorliegenden Bericht - dafür mein Dank an Sie, Frau Ministerin, und an Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter - können wir entnehmen, dass es bereits viele unterschiedliche Initiativen, Projekte und Maßnahmen zum Erhalt des Kindeswohls und auch zur Unterstützung von Eltern gibt.
Zu Beginn der Debatte wurde auf die Lektüre dieses Berichts hingewiesen und es wurde angemerkt ich weiß nicht mehr, wer es sagte -, die Fachleute hätten ihn bestimmt gelesen. Davon ist auszugehen. Dieser Bericht verdient es aber auch, von Nichtfachleuten gelesen zu werden.
Sie weisen insbesondere daraufhin, dass wir in Schleswig-Holstein ein Frühwarnsystem aufbauen müssen. Zu Beginn der Debatte zu diesem Thema bei der Formulierung des Berichtsantrages war es noch der Fall Jessica aus Hamburg, der die Öffentlichkeit und auch uns bewegte. Frau Franzen hat es schon angesprochen: Nun sind wir mit einem dramatischen Fall konfrontiert, der in Bremen passiert ist.
Nur mit einem guten Frühwarnsystem lassen sich die drei entscheidenden Leitprinzipien in diesem Zusammenhang realisieren, nämlich erstens früher wahrnehmen, zweitens schneller handeln und drittens besser kooperieren. Es muss uns gelingen, soziale und gesundheitliche Fehlentwicklungen in Familien früher wahrzunehmen. Mit Unterstützung auch das zeigt der Bericht - vieler Experten, zum Beispiel Hebammen, Geburts- und Kinderkliniken, Kinderärzten, Gynäkologen. Es muss dann auch eine enge Zusammenarbeit zwischen der Gesundheits- und Jugendhilfe geben. Es sind bestimmte Indikatorensysteme zur Früherkennung von Problemlagen systematisch aufzubauen, die dann auch einheitlich genutzt werden, um Gefahrenquellen und Gefahrenpotenziale zu erkennen, zu bewerten und sie auch abzustellen.
Ebenso wichtig ist in diesem Zusammenhang die Möglichkeit, schnell handeln zu können. Experten zeigen immer wieder auf, wie klein durch die große Verletzlichkeit kleiner Kinder das Zeitfenster für die Planung und die Intervention von Hilfen ist. Deshalb muss es uns darum gehen, im Problemfall schnell handeln zu können. Schnelles Handeln erfordert eine gute Kooperation. Die Zusammenarbeit muss anschließend verbindlich und verlässlich sein.
Es ist zu begrüßen, dass gerade zu diesem Thema in Schleswig-Holstein das schon erwähnte Programm „Schutzengel für Schleswig-Holstein - Netzwerk sozialer und gesundheitlicher Hilfen für junge Familien“ auf den Weg gebracht worden ist, und das mit Beteiligung aller 15 Jugendämter der Kreise und kreisfreien Städte. Ich glaube, das ist ein guter Erfolg in diesem Bereich. Das bedeutet, dass dieses Programm seit diesem Sommer mit einem gemeinsamen Rahmenkonzept landesweit umgesetzt wird. Es ist ein richtiger und wichtiger Schritt und man kann den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und den Initiatoren dieser Projekte nur danken und hoffen, dass sie dieses Projekt erfolgreich intensiv vorantreiben.
Besonderer Bestandteil dieser Frühwarnsysteme ist auch der Einsatz von Fachkräften. Hier kommt den geschulten Hebammen beziehungsweise den Familienhebammen eine ganz besondere und wichtige
Bedeutung zu. Sie sind es, die nach der Geburt einen engen Kontakt zur Mutter, zum Kind und natürlich zum familiären Umfeld herstellen können. Sie sind diejenigen, die aufgrund ihrer beruflichen Möglichkeit gute Chancen haben, in die Familien hineinzugehen und gemeinsam mit den Familien Schwierigkeiten und Probleme aufarbeiten zu können.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht natürlich auch um den Aspekt von Früherkennungsuntersuchungen. Hier begrüßen wir die Teilnahme an einer Bundesratsinitiative für eine höhere Verbindlichkeit der Früherkennungsuntersuchungen im Sinn des Kindeswohls. Wir sind der Auffassung, dass dies nicht auf Landesebene geregelt werden kann, sondern nur in Abstimmung mit den anderen Bundesländern und dass es auf Bundesebene geregelt werden sollte.
Ich freue mich auf die uns bevorstehende Diskussion im Fachausschuss. Ich hoffe, dass wir gemeinsam daran arbeiten können, den Schutz der Kinder noch zu intensivieren.
Ich danke der Frau Abgeordneten Tenor-Alschausky. - Das Wort für die FDP-Fraktion hat nun der Herr Abgeordnete Dr. Heiner Garg.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Sehr geehrte Frau Ausschussvorsitzende, auch ich freue mich auf die Beratungen im Sozialausschuss. Ich denke auch, dass es der Bericht wert ist, dass wir uns intensiv damit befassen. Bevor ich mich aber inhaltlich damit in dieser Debatte befasse, möchte ich das aufgreifen, was die Kollegin Franzen angerissen hat. Ich finde, das kann hier so nicht stehen bleiben. Ich habe mich am Mittwoch für die FDP-Fraktion in der Debatte um die Änderung der Landesverfassung zu einem Dreiminutenbeitrag gemeldet, in dem ich die Koalitionsfraktionen, aber namentlich alle drei Minister der SPDFraktion, die über ein Mandat verfügen, also auch Abgeordnete in diesem Haus sind, gebeten und aufgefordert habe, der Aufnahme eines neuen Artikel 6 a, der den Schutz und die Rechte der Kinder und Jugendlichen fördern sollte, zuzustimmen, unabhängig davon, was vereinbart war. Alle drei Abgeordnete der SPD-Fraktion, alle drei Minister, haben von ihrem Recht Gebrauch gemacht, so zu stimmen, wie sie das für richtig hielten, sie haben
Dazu gehört auch die Sozialministerin Gitta Trauernicht. Sie hat am Mittwoch die Aufnahme des Schutzes der Kinder in die Landesverfassung abgelehnt und lässt sich heute gegenüber den „Lübecker Nachrichten“ mit den Worten zitieren:
„Der Schutz von Kindern ist eine besondere Aufgabe des Staates und sollte deshalb Ausdruck in der Landesverfassung finden.“
Wie wahr, wie wahr, Frau Ministerin! Ich finde das skandalös, was Sie sich hier leisten. Das ist schlichtweg unverschämt und skandalös.
Sie werden überall erklären müssen, warum Sie sich so mit zweigespaltener Zunge verhalten. Ich finde das unmöglich und das ist kein politisches Vorbild. Das will ich ganz deutlich sagen.
Kleine Menschen brauchen starke große Menschen, die sich für sie starkmachen und mutig sind. Sie waren am Mittwoch alles andere als mutig.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, gesundheitliche Störungen, Fehlentwicklungen, Vernachlässigung und Misshandlungen von Kindern sollen nicht nur frühzeitig erkannt werden, sondern wir müssen alles daransetzen, dass sie von vornherein verhindert werden können. Der von der Landesregierung vorgelegte Bericht zeigt, dass es hierzu in SchleswigHolstein eine ganze Fülle von Hilfsangeboten gibt. Die Anforderungen an gesundheitliche und soziale Frühwarnsysteme werden im Bericht benannt und mit ihren drei Leitprinzipien definiert: früher wahrnehmen, schneller handeln, besser kooperieren. Leider macht der Bericht aber auch deutlich, dass die breite Umsetzung dieser Leitlinien in der Praxis noch zu oft an der örtlichen Gegebenheit scheitert. So wurde das Ziel erkannt, bei der Umsetzung hakt es dann aber oftmals daran, dass zu viele Beteiligte nebeneinander herarbeiten, anstatt in einer klaren Kooperationsstruktur eingebunden zu sein.
Der tragische Fall des kleinen Kevin aus Bremen ist nur ein Beispiel, woran deutlich wird, was passieren kann, wenn die Vernetzung untereinander nicht stimmt und wenn die Leitlinien, die sich die Parlamente, die wir uns geben, nicht in die Tat umgesetzt werden können. Es können beispielsweise erst durch ein koordiniertes Zusammenspiel von Kin
der- und Jugendhilfe, Gesundheitsdiensten, Hebammen und Medizinern die betroffenen Kinder auch im Säuglings- und Kleinkindalter erreicht werden, aber erst dann, wenn dieses Zusammenspiel klappt. Das bedeutet, je besser die Kooperation, desto früher und schneller kann gehandelt werden. Deshalb dürfen diese drei Handlungsfelder nicht nebeneinanderstehen, sie müssen eng miteinander verzahnt werden.
Natürlich ist in diesem Zusammenhang auch die Einbindung vorhandener Strukturen notwendig. Das ist aber nur dann möglich, wenn es diese Strukturen an den sogenannten sozialen Brennpunkten überhaupt gibt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, angesichts der fortgeschrittenen Zeit will ich ein Projekt ganz besonders herausheben, das ich mir auch ansehen durfte - Anke Spoorendonk guckt -, das ist der „Schutzengel“ in Flensburg. Das ist ein vorbildliches Projekt, wie Frühwarnsysteme tatsächlich funktionieren können.
Ich spreche allen Beteiligten dort meinen herzlichen Dank für ihr Engagement aus. Vor allem appelliere ich an uns, dass wir dafür sorgen, dass solche Projekte nicht um ihren Fortbestand fürchten müssen. Da müssen wir die finanzielle Grundlage schaffen, dass diese engagierte Arbeit auch in Zukunft fortgesetzt werden kann. Ich freue mich trotz des Anfangs sehr auf die Ausschussberatung.