Protokoll der Sitzung vom 13.10.2006

(Vereinzelter Beifall)

Der Konferenzbeschluss, auf künftigen Sitzungen des Ständigen Ausschusses der Ostseeparlamentarierkonferenz auch das Thema Energie auf die Tagesordnung zu setzen, hat mich ganz besonders gefreut, da dieses Thema die Zukunft in besonderer Weise prägen wird. Der Kollege Dr. Klug hat mir mit seinen Ausführungen zur Sensibilität dieses Ostseegaspipelineprojekts vieles vorweggenommen. Ich kann mich diesbezüglich nur Ihren Ausführungen anschließen.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Ich glaube, es kommt im Wesentlichen darauf an, dass wir diesen Partnerländern, die sich jetzt ein

wenig abgeschnitten fühlen, auch mit schleswigholsteinischer Technik Alternativen anbieten, und zwar sowohl was Effizienztechnologie als auch was alternative Energietechnik anbelangt. Das ist gut für unsere Wirtschaft. Ich glaube, dorthin muss die Reise in die Zukunft auch gehen. Besonders wichtig ist heute in meinen Augen der Resolutionsbeschluss, dass sich die Beteiligten am Ständigen Ausschuss, dem Standing Comittee, an der Diskussion über das Grünbuch beteiligen sollen und dass eine Arbeitsgruppe zur Meerespolitik avisiert ist, um die weitere Entwicklung im Anschluss an das Grünbuchverfahren zu verfolgen. Dieser Vorschlag meines Kollegen Karl-Martin Hentschel wird von der gesamten Fraktion besonders begrüßt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich halte dies für besonders wichtig, weil das Grünbuch eine neue Phase der Meerespolitik einläutet. Wir haben uns damit gestern bereits unter dem Thema Meerespolitik in der Ostsee befasst. Hier geht es um Umweltschutz und über Hafenpolitik und Fischerei bis hin zum Tourismus. All dies wird berücksichtigt und einbezogen. Im Grünbuch selber sind allerdings noch erhebliche Defizite zu sehen. So sehr wir den Ansatz im Ganzen begrüßen, so hoffen wir doch, dass diese Defizite durch den Prozess, der von der Ostseeparlamentarierkonferenz angestoßen wurde, beseitigt werden können. Das Grünbuch wird noch bis Juli 2007 ausführlich diskutiert. Ich begrüße es daher sehr, dass wir uns in diese Diskussion einmischen.

Die Ostseeparlamentarierkonferenz 2006 hat einmal mehr gezeigt, dass sie durch die enge Zusammenarbeit zwischen nationalen und regionalen Parlamenten, die Einleitung und das Vorantreiben politischer Aktivitäten in den Regionen und den Austausch von Meinungen, Informationen und Erfahrungen eine herausragende Rolle bei der Stärkung der gemeinsamen Identität des Ostseeraumes hat. Ich darf meine Ausführungen darauf beschränken. Ich hatte noch sehr viel über Fischereipolitik aufgeschrieben, aber wir hatten die Debatte gestern schon. Diese wollen wir in den Fachausschüssen des Parlaments vertiefen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Ich danke Herrn Abgeordneten Matthiessen. - Für den SSW im Landtag hat dessen Vorsitzende, Frau Abgeordnete Anke Spoorendonk, das Wort.

(Dr. Ekkehard Klug)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ohne diesen Tagesordnungspunkt überstrapazieren zu wollen, möchte ich hervorheben, dass er mehr ist als die bloße Kenntnisnahme einer Resolution, verabschiedet auf einer Konferenz, die irgendwann einmal stattgefunden hat. Es wird nämlich erst ein Schuh daraus, wenn wir alle miteinander begreifen, dass wir damit auch die Verpflichtung eingehen, im Sinne der Resolution dort tätig zu werden, wo wir als Parlamentarier das Zepter in der Hand haben, also hier im Schleswig-Holsteinischen Landtag.

(Beifall des Abgeordneten Manfred Ritzek [CDU])

Dieser Ansatz ist nicht neu. Es ist aber längst überfällig, dass wir ihn auch umsetzen. Dahinter stecken Diskussionen auf den Ostseeparlamentarierkonferenzen der letzten Jahre, die allesamt darauf hinausliefen, die Parlamentarische Dimension in der Ostseezusammenarbeit zu stärken. Der Durchbruch kam im letzten Jahr in Vilnius, wo sich die BSPC eine neue Geschäftsordnung gab. Zu den Zielen der Ostseeparlamentarierkonferenz gehört vor diesem Hintergrund

,,die Initiierung und Begleitung politischer Maßnahmen in der Ostseeregion, wodurch diese Maßnahmen eine stärkere demokratische Legitimation und eine parlamentarische Billigung erfahren.“

Genau das ist der Grund dafür, dass wir uns heute mit der Resolution beschäftigen. Was sind nun die Konsequenzen dieser neuen Geschäftsordnung für den Schleswig-Holsteinischen Landtag? - Zumindest führt sie dazu, dass der Blick dafür geschärft wird, wie die Ostseeparlamentarierkonferenz in die Arbeit der Parlamente einzubetten ist. Auch hier im Landtag ist dies vielleicht eher ein Politikbereich für Feinschmecker gewesen, und zwar trotz der Tatsache, dass wir uns parteiübergreifend dahin gehend einig sind, dass die Ostseekooperation für unser Land von hoher Priorität ist. Für den SSW sage ich daher: Gerade vor dem Hintergrund der öffentlichen Haushaltslage ist es wichtig, dass wir uns zur Ostseezusammenarbeit als Kernaufgabe unseres Parlaments bekennen. Dies umso mehr, weil wir über die Ostseeparlamentarierkonferenz direkt betroffen sind. Auch ich möchte Ole Stadvad zitieren:

„Wir müssen zu Hause in unseren Parlamenten damit beginnen, konkrete politische Initiativen für unsere Regierungen zu formulieren.“

Mit einer festen Delegation für die Ostseeparlamentarierkonferenz und die Koordination der Arbeit im Europaausschuss befinden wir uns - so denke ich auf einem guten Weg. Wir sollten daher vereinbaren, dass der Landtagspräsident uns nach den Sitzungen des Erweiterten Ständigen Ausschusses im Europaausschuss über die laufende Arbeit berichtet.

In diesem Zusammenhang muss ich aber auch einen Stoßseufzer loswerden: Es wäre wünschenswert gewesen, wenn zumindest eine der Vizepräsidentinnen die schleswig-holsteinische Delegation nach Reykjavik begleitet hätte. Es kann ja vorkommen, dass der Präsident nicht an der Konferenz teilnehmen kann. Ich habe es aber bedauert, dass in Reykjavik der Präsident der Hamburgischen Bürgerschaft für Schleswig-Holstein zum Thema Meerespolitik redete. Das hätten wir anders organisieren können, wenn wir uns darüber unterhalten hätten.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nun noch ein paar Bemerkungen zu den Inhalten der vorliegenden Resolution! Dabei sollten wir uns aus Sicht des SSW in erster Linie mit dem befassen, was im nächsten Jahr in Berlin auf der Tagesordnung steht, nämlich das europäische Grünbuch für eine integrierte Meerespolitik, Arbeitsmarktsprobleme und Fragen der sozialen Wohlfahrt. Dass Schleswig-Holstein in Sachen Meerespolitik viel zu bieten hat, das wissen wir. Das haben wir gestern noch einmal gehört. Als Brücke zwischen Skandinavien und dem europäischen Kontinent hat Schleswig-Holstein aber auch etwas zu bieten, wenn es um Fragen des Arbeitsmarktes oder um die Weiterentwicklung des Sozialstaats geht. Ich stelle also in den Raum, dass wir in Schleswig-Holstein einen schärferen Blick dafür haben, was wir in diesen Bereichen wirklich von einander lernen können. Das gilt auch für den ersten Punkt der Resolution zum Aufbau einer zivilen und demokratischen Gesellschaft. Ich nenne hier das Thema Minderheitenpolitik, das auch der Kollege Fischer vorhin schon ansprach.

Die Aufgabenlage ist also klar. Das soll heißen: Wir als Parlament sind nun gefragt, wie wir uns nächstes Jahr in Berlin und überhaupt einbringen wollen. Einen Punkt sollten wir in diesem Zusammenhang im Europaausschuss vertiefen. Damit meine ich die Frage, wie wir als regionales Parlament über die Bundesebene oder zusammen mit der Bundesebene Einfluss auf das Arbeitsprogramm des Ostseerates ausüben können. Ich teile die Auffassung der Kollegen Klug und Fischer dahin gehend, dass die Ostseekooperation in Berlin immer noch unter ferner liefen vorhanden ist und dass der

Ostseerat immer noch losgelöst von dieser Parlamentarischen Dimension agiert. Wenn ich Parlamentarische Dimension sage, dann tue ich dies, weil wir als regionales Parlament meiner Meinung nach außen vor wären. Sonst würde alles über die Berliner Ebene laufen. Daher ist es wichtig, dass wir daran festhalten. Wir haben hier vor Ort im Parlament Hausaufgaben zu machen. Wir haben auch die Hausaufgabe, Vorbereitungen für das Berliner Parlament zu leisten. Insgesamt haben wir die Aufgabe, den Ostseerat enger an das anzubinden, was in den Parlamenten läuft. Die Ostseeparlamentarierkonferenz im nächsten Jahr in Berlin ist also auch für uns in Schleswig-Holstein eine Chance. Ich denke, wir sind uns dahin gehend einig, dass diese Chance auch genutzt werden soll.

(Beifall bei SSW, FDP und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich danke der Frau Abgeordneten Spoorendonk. Die Landesregierung hat keine Redezeit angemeldet. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Ich schlage vor, die Bekanntmachung des Landtagspräsidenten zur 15. Ostseeparlamentarierkonferenz in Reykjavik, die Herr Kollege Ritzek vorgetragen hat, zur Kenntnis zu nehmen. Weitere Anträge wurden nicht gestellt. Ich denke, der Tagesordnungspunkt ist damit erledigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 36 auf:

Früher wahrnehmen - schneller handeln - besser kooperieren - zum Wohle unserer Kinder

Bericht der Landesregierung Drucksache 16/830

Ich erteile der Ministerin für Soziales, Gesundheit, Familie, Jugend und Senioren, Frau Dr. Gitta Trauernicht, das Wort.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

- Wo ist sie denn?

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Frau Präsidentin! Nach meiner Wahrnehmung hat sie das Haus verlassen! - Zurufe: Das macht Herr Döring!)

Da wir überall zu hören sind, sage ich: Es wäre nett und durchaus erforderlich, dass die Ministerin, die ich eben noch gesehen habe, erscheint.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Nach meiner Wahrnehmung hat sie das Haus verlassen, Frau Präsidentin! Sie kam mir, mit einer Ta- sche bewaffnet, entgegen! - Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir können auch ohne Bericht in die Debatte einsteigen!)

- Nein.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Herr Minister Döring ist ja anwesend! - Dr. Heiner Garg [FDP]: Er verweist auf die Vorlage!)

Ich bitte nochmals Frau Ministerin Gitta Trauernicht ins Parlament. Tagesordnungspunkt 36 ist fristgerecht aufgerufen. Der Ministerin steht ein Rederecht zu.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Aber uns auch!)

Sie sollte es wahrnehmen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Vielleicht sollten wir zitieren, Frau Präsidentin!)

- Die Geste des Umweltministers ist eindeutig. Ich denke, ehe wir die Zeit verschenken, sollte das Parlament, wie eben angeregt, die Aussprache eröffnen. Ich gehe davon aus, dass die Fachleute den Bericht gelesen haben. Sollte die Ministerin vor dem Ende der Debatte hier eintreffen, wird sie zum Schluss das Wort erhalten.

Nunmehr erteile ich der Abgeordneten Heike Franzen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich fände es schon angemessen, wenn die Ministerin der Debatte lauschte.

(Beifall)

Meine Damen und Herren, immer wieder hören und lesen wir erschreckende Pressemeldungen über misshandelte, vernachlässigte oder gequälte Kinder, wie aktuell in dem Fall in Bremen. Fassungslos stehen wir vor unglaublichen Taten von Vätern, Müttern oder anderen Familienangehörigen. Jede dieser Taten ist eine Tat zu viel.

Ich frage mich immer wieder, welche Notsituation in einer Familie herrschen muss, dass Kinder Derartiges erleiden müssen.

Wir haben uns in den letzten Monaten zu Recht intensiv mit dem Thema beschäftigt, wie wir Kindern helfen können und wie wir vor allen Dingen den Familien frühzeitig helfen können, damit Misshandlungen und Vernachlässigungen gar nicht erst vorkommen. Ebenso wollen wir gesundheitlichen Schäden und Entwicklungsstörungen von Kindern frühzeitig vorbeugen.

(Anke Spoorendonk)

Ist eine verbindliche Vorsorgeuntersuchung zwischen dem 21. und dem 24. Lebensmonat vielleicht die Lösung des Problems? Hat man damit die Möglichkeit, früher als bei der Einschulungsuntersuchung alle Kinder zu untersuchen und eventuelle Anzeichen von gesundheitlichen Schädigungen, Entwicklungsverzögerungen, Misshandlungen oder Vernachlässigungen zu erkennen? Ist dass überhaupt machbar? Stehen der Aufwand, der damit verbunden ist, die Effektivität auf der einen Seite und der Eingriff in die Elternrechte auf der anderen Seite in einem vernünftigen Verhältnis zueinander? Welche Maßnahmen werden bereits getroffen und was können wir verbessern? Hier sind wir alle gemeinsam gefordert, nach den besten Lösungen zu suchen, und diese Lösungen müssen vielschichtig sein.

Insbesondere der Anhörung konnten wir entnehmen, dass Eltern, die ihre Kinder vernachlässigen oder misshandeln, oftmals auch Strategien entwickeln, damit dies nicht auffällt. Der Arztbesuch wird beispielsweise so lange hinausgezögert, bis der blaue Fleck weg ist. So ist auch die Effektivität der verbindlichen Vorsorgeuntersuchung für Zweijährige von den Fachleuten angezweifelt worden.