Protokoll der Sitzung vom 30.11.2006

Ich danke für den Bericht, Herr Minister, und hoffe, dass wir noch zu weiteren Erfolgen kommen werden, wenn die Bilanz am Ende des Jahres gezogen wird.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Matthiessen. Das Wort für den SSW im Landtag hat deren Vorsitzende, Frau Abgeordnete Anke Spoorendonk.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es stimmt ja: Das Bündnis für Ausbildung in Schleswig-Holstein arbeitet seit Jahren recht erfolgreich. In gemeinsamer Anstrengung von Land, Unternehmen, Arbeitsagentur und Gewerkschaften ist es auch in diesem Jahr wieder gelungen, die Zahl der Ausbildungsverträge zu erhöhen. Bis zum Stichtag, dem 31. August 2006, sind in SchleswigHolstein mit 14.000 Ausbildungsverträgen 4 % mehr als im Vorjahr abgeschlossen worden. Das ist auch im Bundesvergleich eine Spitzenleistung.

Dennoch hat auch der DGB recht, wenn er sagt, dass es immer mehr junge Menschen gibt, die ohne Ausbildung dastehen. Konkret dreht es sich für Schleswig-Holstein um über 1.000 Bewerberinnen und Bewerber, wobei die Dunkelziffer derjenigen, die sich nicht offiziell angemeldet haben, sicherlich noch viel höher liegt. Diese Diskrepanz zwischen Anstieg der Ausbildungsverträge bei gleichzeitigem Anstieg der Jugendlichen ohne Ausbildung ist durch die geburtenstarken Jahrgänge zu erklären, mit denen wir es heute und noch einige Jahre länger zu tun haben werden.

Nun geht es natürlich darum, die überschüssigen Bewerberinnen und Bewerber so gut wie möglich unterzubringen. Deshalb müssen alle gesellschaftlichen Kräfte gemeinsam die Nachvermittlungsaktion des Bündnisses für Arbeit unterstützen. Ich bin sicher, dass wir auch in diesem Jahr durch die Nachvermittlung vielen dieser Jugendlichen zu einem Ausbildungsvertrag verhelfen können. Allerdings zeigt die Erfahrung auch, dass nicht alle Jugendlichen von dieser Nachvermittlungsaktion profitieren werden.

Für den nördlichen Landesteil möchte ich den Verantwortlichen vor Ort empfehlen, sich auch noch einmal Richtung Dänemark zu orientieren. Der SSW-Arbeitskreis „Regionalpolitik“ hat vor eini

(Detlef Matthiessen)

gen Tagen ein Gespräch mit dem Ausbildungsverantwortlichen von Danfoss in Nordborg geführt. Er erzählte uns, dass seine Unternehmensgruppe händeringend nach Auszubildenden sucht. Dabei ist man gern bereit, auch deutsche Auszubildende anzunehmen. Natürlich ist die dänische Sprache eine Voraussetzung, die man allerdings auch nachträglich lernen kann - ist mir gesagt worden -,

(Beifall des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

und Danfoss bietet auch entsprechende Kurse an.

Ein anderes Problem scheint in dieser Hinsicht die Entfernung von 60 bis 70 km von der Grenze zu sein. Für viele Jugendliche und deren Eltern ist dieser Abstand von zu Hause zu groß. Das ist mir so gesagt worden. Auch hier hat Danfoss eine Lösung parat, denn das Unternehmen hat ein Lehrlingswohnheim, in dem man während der Ausbildungszeit wohnen kann. Ich füge dieses konkrete Beispiel hinzu, denn ich denke, dass das für junge Menschen in der Grenzregion eine echte Chance bietet.

(Beifall beim SSW und des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Ich denke, das Wirtschaftsministerium sollte diese Idee vielleicht auch noch einmal aufgreifen.

Allerdings - auch das muss gesagt werden - kann Dänemark nicht die Ausbildungsprobleme der schleswig-holsteinischen Jugendlichen lösen. So sehr wir aktuell die Nachvermittlungsaktion begrüßen, so müssen wir doch auch kritisieren, dass das duale Ausbildungssystem weiterhin zu unflexibel ist, um alle jungen Menschen, die eine Ausbildung wollen, auch aufzufangen.

(Beifall beim SSW und vereinzelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das haben wir gestern bereits bei der Erneuerung des Berufsausbildungsgesetzes diskutiert. Wir bleiben bei unserer Meinung: Wir sollten auch in Schleswig-Holstein daran arbeiten, die Spielräume des Berufsbildungsgesetzes zu nutzen, um eine vollzeitschulische Ausbildung für diejenigen anbieten zu können, die keine Ausbildung begonnen oder die eine Ausbildung abgebrochen haben.

(Beifall beim SSW und des Abgeordneten Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ohne dieses Auffangsystem werden wir auch weiterhin viel zu viele Jugendliche verlieren, bevor sie überhaupt ins Berufsleben eingestiegen sind.

Ich fasse also zusammen: Auch aus Sicht des SSW ist das Bündnis für Ausbildung ein Erfolg. Wir müssen uns aber verstärkt darüber Gedanken machen, wie wir dieses alles verstetigen können. Im Grunde kann es nicht angehen, dass wir Jahr für Jahr Aufrufe machen müssen, dass wir Jahr für Jahr nachvermitteln müssen. Wir müssen uns überlegen, wie wir diese Quadratur des Kreises hinbekommen, also die Wirtschaft insgesamt dazu zu motivieren, mehr Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen, Jugendliche, die gern vermittelt werden möchten, dann auch für einen Ausbildungsplatz fit zu machen und diejenigen, die noch nachqualifiziert werden müssen, auch aufzufangen. Das ist eine Aufgabe und erst wenn es uns gelingt, diese Aufgabe zu bewältigen, denke ich, ist die Zukunftsfähigkeit unseres Berufsbildungssystems gewährleistet.

(Beifall beim SSW sowie vereinzelt bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke Frau Abgeordneter Spoorendonk. - Das Wort zu einem Kurzbeitrag hat Herr Abgeordneter Karl-Martin Hentschel.

Liebe Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Frage, ob das Glas halb voll oder halb leer ist, kann man immer stellen. Wenn ich sage, dass das Bündnis für Ausbildung erfolgreich gewesen ist, müsste man daraus schließen, dass das Bündnis für Ausbildung in seiner Laufzeit von 1997 bis heute dafür gesorgt hat, dass es mehr Ausbildungsplätze gibt, richtig? - Tatsächlich ist es so, dass wir 1997 in Schleswig-Holstein 21.000 Ausbildungsplätze neu vergeben haben. Diese Zahl ist aber Jahr für Jahr zurückgegangen. Dieses Jahr haben wir noch 14.666 Ausbildungsplätze. Das heißt: In der Zeit des Bündnisses für Ausbildung ist ein Drittel aller Ausbildungsplätze in Schleswig-Holstein verloren gegangen. In diesem Jahr haben wir zum ersten Mal in den acht Jahren einen Zuwachs um etwa 350 Ausbildungsplätze, das ist richtig.

(Zurufe)

Wir haben aber in diesem Jahr auch eine stark anwachsende Konjunktur und selbst in diesem Jahr konnte der Anstieg der Zahl der Ausbildungsplätze nicht mit dem entsprechenden Wachstum der Konjunktur Schritt halten. Es herrscht also weiterhin die Situation, dass der Anteil der Ausbildungsplätze zurückgeht. Das ist das Problem, das wir haben. Wir haben mittlerweile nach Auskunft

(Anke Spoorendonk)

des DGB eine Bugwelle von 18.000 jugendlichen Auszubildenden in Maßnahmen, die also nicht versorgt sind. Man kann über die Zahl streiten, aber dass die Zahl sehr hoch ist und dass wir mittlerweile mehr Jugendliche in Maßnahmen als neu zu vergebende Ausbildungsplätze haben, dürfte unbestritten sein.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

In dieser Situation zu sagen, wir haben einen großen Erfolg gehabt, bedeutet, dass man den Tausenden von Jugendlichen, die keinen Ausbildungsplatz bekommen haben, jetzt praktisch persönlich die Schuld zuschiebt und sagt, sie seien alle unfähig.

(Zurufe)

Ich glaube, dass wir - egal, welche Statistik man verwendet - über 10.000 Jugendliche haben, die nicht versorgt sind, zeigt, wir haben ein riesengroßes Problem mit der Ausbildung unserer Jugend. Wenn wir diese Jugendlichen nicht in Ausbildung vermitteln bekommen, wird das Auswirkungen für die nächsten Jahre haben. Diesem Problem müssen wir uns stellen. wir dürfen uns nicht feiern lassen und so tun, als sei die Welt in Ordnung.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag hat Herr Abgeordneter Bernd Schröder.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Alle Redner - gestern und heute - haben hier zum Ausdruck gebracht, dass wir eine Verantwortung für diejenigen jungen Menschen haben, die bisher nicht in Ausbildung und Qualifizierung gekommen sind - aus den verschiedensten, auch hier genannten Gründen. Es ist gesagt worden, dass wir die große Verantwortung haben, Wege und Möglichkeiten zu finden, diese jungen Menschen in Ausbildung oder Qualifizierung zu bringen und ihnen eine Zukunftsperspektive aufzuzeigen. Darüber wollen wir im Ausschuss reden. Wir wollen uns darüber verständigen, welches die beste Möglichkeit ist, das zu erreichen.

Herr Kollege Hentschel, was Sie gesagt haben, muss aber doch ein Schlag ins Gesicht derjenigen in Schleswig-Holstein sein, die sich im Bündnis für Ausbildung in den vergangenen Jahren - auch

in diesem Jahr - in hervorragender Weise eingebracht haben.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe auch geworben! Ich bin auch zu Betrieben gegangen!)

- Herr Hentschel, man muss sehr vorsichtig sein mit seiner Wortwahl, weil das auch von dieser Stelle besondere Bedeutung hat. Wir haben Appelle an die Unternehmen gerichtet. Dass auch Sie, ebenso wie viele andere, das gemacht haben, nehme ich Ihnen gern ab und das weiß ich auch. Wir haben es mit den verschiedensten Maßnahmen und Anstrengungen auch in diesem Jahr wieder geschafft, einen Großteil der Jugendlichen zu vermitteln - mit dem Ergebnis eines Spitzenplatzes im bundesweiten Vergleich.

Wir haben es mit den verschiedensten Maßnahmen und Anstrengungen geschafft, einen Großteil der Jugendlichen auch in diesem Jahr wieder zu vermitteln - mit einem Spitzenplatz bundesweit. Dann ist es bei allen Problemen, die wir noch lösen müssen und denen wir uns stellen müssen, nicht in Ordnung, sich hinzustellen und zu sagen: Das Bündnis für Ausbildung ist gescheitert.

(Beifall bei SPD, CDU, FDP und SSW)

Ich möchte einmal wissen, wenn es diese Anstrengungen des Bündnisses und der Beteiligten in diesem Land nicht gegeben hätte, wo wir stünden. Wir stünden nicht an der Spitze einer trotzdem schwierigen Situation. Wir hätten auf dem Ausbildungsmarkt eine katastrophale Lage. Wir stünden auf dem letzten Platz. Wir wären unserer Verpflichtung, den jungen Menschen Perspektive und Zukunftschancen zu bieten, in grob fahrlässiger, in vorsätzlicher Weise nicht nachgekommen. Deshalb können wir nur auf diesem Weg weitergehen, die Anstrengungen fortsetzen, den nicht Vermittelten Wege aufzeigen. Wir sollten die Beteiligten im Bündnis durch solche Äußerungen nicht in eine missverständliche Situation und Lage bringen. Das haben sie nicht verdient.

(Beifall bei SPD, CDU und FDP)

Das Wort hat der Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr, Herr Dietrich Austermann.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich kann an den Beitrag des Kollegen Schröder anknüpfen. Das Gefährliche an der Argumentation,

(Karl-Martin Hentschel)

die aus Oppositionssicht heraus verständlich ist, ist, dass man alle diejenigen, die sich angestrengt haben, demotiviert. Man sagt nämlich: Dass ihr zusätzlich etwas getan habt, hat nichts gebracht; die Lage ist sowieso schlecht.

Ich will Ihnen einmal sagen, warum Ihre Zahlen nicht stimmen, Herr Hentschel. Die Zahl ist für sich genommen dann richtig, wenn ich nur diejenigen betrachte, die sich eine Lehrstelle über die Arbeitsagentur gesucht haben.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Versuchen Sie einmal, eine Statistik zu führen, die nicht nur die Ausbildungsverträge enthält, die über die Arbeitsagentur vermittelt worden sind, sondern auch diejenigen, die mit den Betrieben direkt geschlossen worden sind!

Ich nenne Ihnen einmal die Zahlen. Wir haben in diesem Jahr grob 20.000, im letzten Jahr 20.000 und im vorletzten Jahr 20.000 gehabt. Bei drei Jahren sind das 60.000. Wir haben 786.000 Beschäftigte in Schleswig-Holstein. Wir haben also eine entsprechende Quote.

Wir haben etwa 33.000 Schulabgänger. Etwa ein Drittel geht ins Studium, etwa zwei Drittel gehen in die Lehre. Das heißt, wir decken nominal das ab, was nicht ins Studium geht. Deswegen kann sich die Lücke gar nicht ergeben.