Auffällig ist eine gewisse traditionelle Rollenverteilung im Kabinett. Während - das muss man deutlich konzedieren - Frau Trauernicht als zuständige Ministerin für Familienpolitik und auch Frau ErdsiekRave, als Bildungsministerin verantwortlich für die Kindertagesstätten, sich deutlich bemühen, die Kommunen mit ins Boot zu holen, um positiv für die Familien zu wirken, konterkarieren andere Ressorts, vielleicht nicht zufällig durch Männer angeführt, diese Bemühungen.
Erstens. Das Finanzministerium, der Finanzminister, nimmt den Kommunen nicht nur Geld. Gemeinsam mit dem Innenminister erlaubt er im Gegenzug ausdrücklich, die pädagogischen Standards in den Kindertagesstätten zu senken. Es werden dazu sogar Modellversuche gemacht.
Kommunen für die Jugendhilfe, bisher eindeutig der Jugendhilfe gewidmet, landet nunmehr im allgemeinen kommunalen Finanzausgleich. Das heißt, zukünftig können Kommunen dieses Geld für alles Mögliche ausgeben. So wird der Trend unterstützt, bei der Jugendhilfe zu sparen. Es wäre einen Extrabericht wert, wo dies überall geschieht. Dieses lässt sich belegen. Der Abbau von professioneller Infrastruktur für Kinder und Familien in Not kann aber nicht durch die im Familienbericht beschriebenen ehrenamtlichen Maßnahmen wie Schutzengel und Ähnlichem aufgefangen werden. Es ist also nur eine Frage der Zeit, wann wieder ein Fall von Kindervernachlässigung publik wird, der uns dann alle bewegt.
Ich möchte nicht das Engagement im Städte- und Wohnungsbau leugnen, aber auch hier wissen wir, dass dies auf kommunaler Ebene durch Wohnungsverkäufe konterkariert wird. Das kann ich nicht der Landesregierung anlasten, ich will es nur an dieser Stelle erwähnen.
Familienfeindlich zeigt sich auch das Engagement von Herrn Austermann, der hier in der Vergangenheit für Furore gesorgt hat. Er will Studiengebühren einführen. Das wird vielen Studierenden das Studium erschweren und vor allem aber ihre Familien belasten. Das Studium in Teilzeit ist nach wie vor eine schwierige Geburt. Ich bin gespannt, ob es diesmal geschafft wird, es als Regelfall durchzusetzen. Es ist auch nach wie vor nicht alltäglich, dass Teilzeit-Professuren zugelassen werden.
Ganz besonders geärgert hat mich aber das Engagement von Herrn Austermann als Wirtschaftminister - das ist mein dritter Punkt. Es werden die lang bewährten Kurse für Berufseinsteigerinnen gestrichen, ein vergleichsweise kleiner Betrag, der sich aber in den letzten Jahren ausgezahlt hat. Die Maßnahmen waren immer erfolgreich. Hier werden also Mütter, die die Vereinbarkeit von Beruf und Familie wollen, bestraft.
Als Wissenschaftsminister schwächt Herr Austermann auch die Frauenbeauftragten an den Hochschulen; gerade diese haben sich in den letzten Jahren für die Familienfreundlichkeit der Hochschulen nachhaltig eingesetzt. Da wundert es auch nicht, wenn im gleichen Zuge das Thema Kindertagesstättenplätze an Hochschulen ein Dauerbrenner ist.
Kommen wir zum Innenminister. Ich hatte ihn bisher nur im Zusammenhang mit den Finanzen der Jugendhilfe erwähnt und bei den Kitas. Nun geht es aber auch um die Migrationssozialberatungsstellen. Wir müssen uns bewusst sein, dass gerade die
se Beratungsstellen - wir werden heute noch darüber reden - ein ganz wichtiger Baustein für die Familien in der Migrations- und Flüchtlingssituation sind. Die Menschen, die dort gearbeitet haben, waren langjährige vertrauensvolle Ansprechpartner. Ihnen ist gekündigt worden. Ein wichtiger strategischer Baustein für die Integration von Migrationsfamilien fehlt jetzt. Das ist ein familienfeindlicher Akt.
Das Thema Gleichstellungsbeauftragte haben wir hier öfter diskutiert. Ich möchte es nur der Vollständigkeit halber noch nennen, dass das Innenministerium zugelassen hat, dass die Gleichstellungsbeauftragten nur noch in großen Kommunen eine Pflichtaufgabe sind. Wir haben nun eine Reihe von Kündigungen zu beobachten. Meines Wissens waren die Kolleginnen vor Ort gerade dabei, die Umsetzung der Bundeskampagne „Bündnis für Familien“ zu betreiben und wurden sozusagen mitten in dieser familienfreundlichen Tätigkeit abberufen.
Noch etwas im Feld des Innenministers: Eine lückenhafte Berichterstattung zu den Kindertagesstätten wurde hier schon von den Vorrednern genannt. Ich muss sagen, das ist fast schon ein Fall für die Kommunalaufsicht. Wir hatten das schon bei der letzten Berichterstattung zu diesem Thema kritisiert. Im Bericht wird auf den Seiten 51 ff. zugegeben, dass man wenig für die Plätze für unter Dreijährige sagen kann, auch über die Gebührenentwicklung sehr wenig sagen kann und nur Durchschnittswerte angibt. Das wird entschuldigt, aber man kann es nicht mit Zeitnot entschuldigen. Es wird darauf hingewiesen, dass die Berichterstattung der Kommunen hier in großen zeitlichen Abständen erfolgt und nicht aktuell ist. Bei einem so wichtigen Thema, das auch ein Bundespolitikum geworden ist, brauchen wir ordentliche Fakten.
Ich komme nun zur Landesregierung als Arbeitgeber. Ich bin inzwischen bei meinem neunten Punkt angelangt. Herr Schlie als Staatssekretär hat nun ausgerechnet ein Dokument für entbehrlich gehalten, das die Gleichstellung in der Personalentwicklung der Landesregierung angeht. Wir erfahren hier im Bericht, dass wir etwa 30 % Teilzeitstellen in den Ministerien und nachgeordneten Behörden haben. Die Erfahrung ist, dass 50 % der Frauen Teilzeit arbeiten, nur 10 % der Männer. Wenn wir aber genau hinsehen, wer aus familienpolitischen oder Familiengründen Teilzeit arbeitet, dann kommen wir auf ganze 15 Männer, 15 an der
Zahl in allen Ministerien. Da zeigt sich, dass es noch nicht weit her ist, auch im Bereich der Landesregierung, was Väterurlaub und dergleichen betrifft. In Zukunft werden wir solche Zahlen aber gar nicht mehr nachlesen können. Wir werden gar nicht wissen, ob die Arbeitgeberfunktion der Landesregierung vorbildlich erfüllt wird, denn dieser Bericht wird zukünftig gestrichen. Das ist ein großartiges Ergebnis der schlieschen Entbürokratisierungskampagne.
Nun kann man an dieser Stelle nicht darüber schweigen, dass natürlich auch die jüngsten Personalbeschlüsse der Landesregierung in der Summe vielen Familien weniger Geld bringen. Das ist uns bewusst. Wir haben trotzdem diese Personalkosteneinsparung schweren Herzens mitgetragen, um einen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung zu erbringen. Allerdings halten wir die allgemeine Heraufsetzung der Arbeitszeit für falsch. Tatsächlich wäre es familienfreundlicher gewesen, nicht nur als Ausnahme, nicht nur als individuelles Recht, sondern mit den Personalräten allen flexible Arbeitsgestaltung anzubieten und dies auszugestalten. Dies wäre etwas Mutiges gewesen, etwas Wegweisendes, aber leider Fehlanzeige.
Diese Beispiele sollen zeigen, der Slogan Familienfreundlichkeit als Querschnittsaufgabe ist in diesem Zusammenhang eine bloße Leerformel. Ich muss an dieser Stelle sagen, Frau Trauernicht, ich schätze Ihren Kampfgeist in vielen Bereichen, wenn es um das Thema Pflege geht. An dieser Stelle zur Familienpolitik wird zumindest in der Öffentlichkeit - ich weiß ja nicht, was hinter verschlossenen Türen passiert - ein Kampfgeist der Familienministerin und auch der Bildungsministerin gegen diese Eingriffe in die Ressorts nicht sichtbar.
Da passt es vielleicht, dass uns genau zu dieser Debatte ein Antrag der Koalitionsfraktionen auf den Tisch geflattert ist. Er bezieht sich zwar auf das Thema Kindertagesstätten. Aber es heißt in der letzten Zeile:
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vorab ein Lob an die Fragesteller von der CDU: Der vorliegende Bericht zur Familienpolitik ist durch die breit angelegten Fragen ein hervorragendes und aktuelles Nachschlagewerk über alle Maßnahmen der Landesregierung bezüglich der Förderung von Familien geworden.
Ob es sich um Wohneigentum oder um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf handelt, alle Programme und Maßnahmen werden in diesem Kompendium dargestellt. Allerdings halte ich den betrieblichen Bereich für etwas unterrepräsentiert. Gerade die betriebliche Wirklichkeit ist es doch, die die Entscheidungen zugunsten oder auch zuungunsten einer Familie besonders stark beeinflusst.
Zugleich zeigen bereits die Fragen, dass eine solide und nachhaltige Familienpolitik eine anspruchsvolle Querschnittsaufgabe ist, die viele Bereiche betrifft. Angesichts dieser Mammutaufgabe sind Koordinierungsschwierigkeiten und Reibungsverluste durch Doppelstrukturen sehr wahrscheinlich. Umso besser, dass sozusagen die aktuelle Fassung der Familienpolitik auf dem Tisch liegt. Jetzt können wir an die weitere Optimierung der Strukturen gehen, weil viele Fakten bekannt sind.
Es geht aber auch um Grundsätzliches. So wird allein die Familienförderung von fünf unterschiedlichen Stellen ausgezahlt. Wann eine allein zuständige Familienkasse eingerichtet würde, die alle diese Leistungen zusammenfasst und damit den Familien eine einfachere und transparentere Struktur anbietet, ist leider noch völlig unklar. Die Landesregierung vertraut hier auf entsprechende Initiativen der Bundesregierung. Die ist allerdings, wie wir beim Elterngeld sehen, nicht gerade mit Hochdruck dabei, die finanzielle Familienförderung institutionell zu straffen. Eltern werden immer noch häufig als Bittsteller gesehen. Wer einen Antrag auf Erziehungsgeld oder auf eine andere Leistung schon einmal in der Hand hatte, den wird es nicht wundern, dass die Antragszahlen rückläufig sind. Das derzeitige Antragsverfahren ist nicht der optimale Weg, weil die Verfahren kompliziert und nicht per se ge
Leider zitiert die Sozialministerin an vielen Stellen Zahlen aus bereits bekannten Drucksachen. Der SSW hätte sich an manchen Stellen eine weitere Konkretisierung gewünscht. Ich wiederhole noch einmal, was ich schon vor einigen Wochen an dieser Stelle eingefordert habe. Die Nennung von Adressen von Beratungsstellen lässt allenfalls Rückschlüsse auf eine angemessene regionale Verteilung zu. Erst Angaben über Aufgabenprofil, Nachfragezahlen und Mitarbeiterzahlen machen eine Bewertung der Strukturen möglich. Erst dann kann man daraus ableiten, wie viel Geld man diesen Strukturen zur Verfügung stellt.
Ich möchte hier als Beispiel die Frage 18 nach den lokalen Bündnissen der Familien nennen. Die Sozialministerin antwortet zwar auf die Frage, wo es welche gibt, schweigt aber zu den konkreten Angeboten, obwohl die Fragesteller ausdrücklich nachgefragt haben. Die Antwort ist nicht gekommen.
Ziele kann man viele formulieren. Was steckt aber an konkreten Angeboten dahinter? - So weiß ich jetzt, dass sich in Flensburg das Bündnis für Familie den Wirtschaftsstandort stark machen will. Welche Akteure dabei sind und was sie genau planen, weiß ich allerdings nicht. Das Gleiche gilt für Kiel, Neumünster, Schwarzenbek und so weiter. Hier hätte ich mehr Informationen erhofft.
Überrascht war ich wirklich darüber, wie dünn die statistische Grundlage in manchen Politikbereichen ist. Der SSW will keineswegs einer Datensammelwut das Wort reden; denn der bürokratische Aufwand in manchen sozialen Institutionen ist bereits jetzt zu hoch. Aber bei vielen Fragen muss der Mikrozensus aus dem Jahr 2002 herangezogen werden. Aktuelleres Material liegt nicht vor. Bei einigen Fragen muss diese Quelle sogar passen. So weiß niemand, wie viele Väter Elternzeit in Schleswig-Holstein in Anspruch nehmen. Das finde ich bedauerlich. Allerdings habe ich - das gebe ich ehrlich zu - auch kein Patentrezept dafür, wie man das ändern kann.
Noch eine Bemerkung zur Statistik! Warum liegen Ende 2006 noch keine Daten für das Jahr 2005 zu den Bedarfsgemeinschaften vor? Ich dachte, dass die Zusammenarbeit der Statistischen Landesämter Schleswig-Holsteins und Hamburgs alles beschleunigen sollte. Wann dürfen wir die Zahlen erwarten? Wir sollten die Zahlen eigentlich so schnell wie möglich haben, damit wir daraus Konsequenzen ziehen können. Veraltetes statistisches Material
taugt eigentlich nur fürs Bücherregal. Eigentlich ist das dann eine Verschwendung von Landesmitteln.
Politik, lieber Kollege Neugebauer, hat Grenzen; das wissen wir alle. Sie kann und sollte nicht in Familien und private Entscheidungen hineinregieren. Der Bericht zeigt es deutlich. Politik sollte Entscheidungsräume öffnen. Wie diese dann genutzt werden, unterliegt der Freiheit des Einzelnen. Ohne eine vernünftige Kinderbetreuung mit Öffnungszeiten, die sich an Zeiten in Betrieben orientieren, kommt eine Berufstätigkeit für Eltern gar nicht infrage. Der Umkehrschluss lautet aber nicht, dass automatisch alle Erwachsenen berufstätig sein müssen, solange ein breit gefächertes Unterstützungsangebot vorhanden ist.
Die Kinderbetreuungsangebote in Schleswig-Holstein haben sich in den letzten Jahren auf beeindruckende Weise verbessert. Hinter den Zahlen steht ein enormes Wachstum, was noch vor einigen Jahren als illusorisch galt. Auch der Ausbau der Ganztagsschulen ist beeindruckend. Ich möchte aber noch einmal betonen, dass bei alledem das Wohl des Kindes im Vordergrund steht. Die pädagogische Förderung von Kindern ist vorrangig. Auch wenn die CDU-Fraktion das Wort „Geburtenrate“ in Anführungszeichen verwendet, möchte ich davor warnen, Familienpolitik allein unter demografischen Aspekten zu betreiben.
Die Vorbemerkung der Fragesteller, in der die Bedeutung einer guten Familienpolitik für funktionierende Rentenkassen angesprochen wird, zeigt in die falsche Richtung. Nicht die Familie ist für die Gesellschaft beziehungsweise die Sozialkassen da, sondern die Gesellschaft und auch die Sozialkassen müssen die Entscheidung für Familie unterstützen. Dabei spielt es keine Rolle, wie diese Familie aussieht.
Der Wandel der Familie in den letzten Jahrzehnten hat eine Vielzahl unterschiedlicher Familienformen hervorgebracht. Davon sind Familien mit nur einem erziehenden Elternteil nur eine Form. Aber nur danach fragt die CDU. Es gibt Mehrgenerationenfamilien, Familien mit homosexuellen Eltern und Patchworkfamilien. Alle diese Familien haben ihre Kompetenzen, aber auch ihre Defizite und Probleme. Gern hätte ich mehr über die aktuellen Unterstützungsangebote für diese Familien gewusst.