Protokoll der Sitzung vom 30.11.2006

Ich danke der Frau Abgeordneten Spoorendonk. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit schließe ich die Beratung. Weil kein Antrag gestellt wurde, stelle ich fest, dass dieser Tagesordnungspunkt erledigt ist.

(Anke Spoorendonk)

Ich rufe nun Tagesordnungspunkt 31 auf:

Landanschluss für Schiffe - externe Stromversorgung in Häfen

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/1086

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Herrn Abgeordneten Detlef Matthiessen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Um von dem Thema, das wir gerade behandelt haben, überzuleiten, will ich einige Zahlen zu China nennen. China hat ihre CO2-Emission von 2,8 Milliarden Tonnen im Jahre 2001 auf 5,3 Milliarden Tonnen im Jahre 2005 gesteigert und es wird prognostiziert, dass es im Jahre 2008 die USA eventuell überholt haben wird. Damit erleben wir einmal die andere Sicht auf die Klimaschutz- und Energietechnik.

Bei den Schiffen spielt das allerdings auch eine gewaltige Rolle. Das Thema lautet: Schiffe an die Steckdose! Das ist ein auf erste Sicht ungewöhnliches Thema, auf zweite Sicht ist dies aber durchaus ernst zu nehmen.

In Kiel machen die großen Fährschiffe und Kreuzfahrtschiffe in der Innenförde fest und liegen so direkt in der Innenstadt. Diese Schiffe hautnah zu erleben, ist eine große Attraktion für Touristen und Innenstadtgäste. Allerdings sind mit der Stromerzeugung durch die bordeigenen Dieselmotoren schwarze Abgasfahnen und hohen Schadstoffmengen verbunden. Dies wiederum stören Attraktivität von Innenstadt und Innenförde erheblich.

Die Einrichtung von Landstromanschlüssen kann zu einer Win-win-Situation führen. Schadstofffrachten unterbleiben, die Häfen sind sauber, die jeweiligen Stadtwerke haben einen zusätzlichen Stromabsatz, und die Fährschiffe senken gleichzeitig ihre Energiekosten. Erfahrungen dazu liegen aus Göteborg, Zeebrügge und Los Angeles vor. Insbesondere in Los Angeles hat man diesbezüglich eine breit entwickelte Praxis.

Nun zur Wirtschaftlichkeit! Legt man die gegenwärtigen Strompreise der Stadtwerke Lübeck von 13 ct/kwh zugrunde, so kostet die Produktion von Strom über einen Hilfsdiesel an Bord eines Schiffes 18 ct/kwh.

Der Schadstoffausstoß während der Liegezeiten in den Häfen ist nicht nur ein Lübecker und Kieler Problem, sondern ein Problem aller Häfen europaund weltweit. Mit anderen Worten: Man kann darüber einen gewaltigen Gewinn für den Klimaschutz weltweit erzielen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Wir wollen durch schnelles Handeln unsere Häfen im Wettbewerb anderen voranstellen. In Lübeck ist es bereits in Angriff genommen worden, hafenliegende Schiffe mit Landstrom zu versorgen. Im Rahmen eines EU-Projekts haben sich die Stadtwerke Lübeck und allen voran Herr Ralf Giercke in ganz herausragender Weise engagiert. Ausgangspunkt war die Verschlechterung der Luftverhältnisse in Travemünde durch die Zunahmen des Schiffsverkehrs. Diesem Lübecker Ortsteil drohte der Heilbadstatus verloren zu gehen, und dies zu Recht, wenn man sich die Auswirkungen der Dieselmotoren in diesem Heilbad und die Wirkung auf die Besucher und Besucherinnen vor Augen führt.

In einem Forschungsvorhaben zur Umsetzung der Agenda 21 in den deutschen Seehäfen, zum Beispiel in Lübeck-Travemünde, finanziert vom Bundesumweltministerium, wurden die Emissionssituation und Reduktionspotenziale durch den Landanschluss für Schiffe analysiert. Die Ergebnisse dieser Studie führten in einer Reihe von Ostseehäfen zu verstärkten Aktivitäten, Landanschlüsse vorzuhalten. In Lübeck wird an der Einrichtung eines ersten Anschlusses gearbeitet. Unser Europaminister Uwe Döring hat eine Landesförderung in Aussicht gestellt.

Am 30. September 2005 kam es in Turku zur Unterzeichnung eines Memorandum of Understanding von Seehäfen und maritimer Politik durch 18 Ostseehäfen. Weitere Häfen werden darin aufgefordert, sich dem Memorandum anzuschließen. Kerngedanke dieser von der EU finanzierten Kooperation ist die Entwicklung einer gemeinsamen Strategie zur Reduktion von Emissionen im Hafenwasser.

Die Emissionen auf See und in den Häfen müssen verringert werden. Schiffe sind Hauptverursacher giftiger Emissionen wie Schwefel- und Stickoxiden.

Als ich vor etwa einem Jahr anfing, mich mit diesem Thema zu beschäftigen, dachte ich: Nun gut, das ist ein Energiethema von vielen. Wir müssen aber zur Kenntnis nehmen, dass der Schiffsverkehr in Europa zu 90 % Beiträge zu den Schwefelemissionen leistet. Diese Zahl hat mich dann doch umgehauen.

(Vizepräsidentin Frauke Tengler)

Um Ihnen noch eine andere Sicht auf die Dimension zu geben: Mit diesen Schiffen fahren kleine Kraftwerke durch die Gegend. Die Anschlussleistung, wollten wir denn die Schiffe im Lübecker Hafen versorgen, würde die Hälfte des Anschlusswertes der Stadt Lübeck ausmachen. Das ist also kein Spielkram, von dem wir hier reden. Wenn wir das umsetzen können, ist das andererseits aber auch aus Sicht der Stadtwerke und aus Sicht der Hafenwirtschaft in Schleswig-Holstein kein Spielkram, sondern dort winkt tatsächlich ein Geschäft, bei dem wir in Konkurrenz zu den Ölscheichs und zum Import harter Energieträger treten. Insoweit können wir einerseits mit Strom Geld machen und anderseits die Umwelt erheblich entlasten.

Die Grünen fordern mit ihrem Landtagsantrag eine Bundesratsinitiative zur Förderung dieser Landstromanschlüsse. Daneben sollte die Landesregierung den Prozess zentral unterstützen und koordinierend begleiten. Die Schifffahrt, die schleswig-holsteinische Hafenwirtschaft und nicht zuletzt die Umwelt werden davon profitieren.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Jürgen Weber [SPD])

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Matthiessen. Für die CDU-Fraktion hat nun der Herr Abgeordnete Manfred Ritzek das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Landstromversorgung von Schiffen, die in Häfen liegen, ist ein Projekt innerhalb der integrierten europäischen Meerespolitik. Unser Land - das wissen wir - hat bereits eine hohe internationale Anerkennung in der gesamten europäischen integrierten Meerespolitik erreicht. Das verdanken wir zum einen unserem Europaminister, Herrn Döring,

(Beifall bei CDU, SPD und FDP)

der, wie wir wissen, im September die ungemein erfolgreiche maritime Konferenz hier in Kiel durchführte. Mit dem „Berliner Aufruf“ der maritimen Konferenz in Berlin, veranstaltet von unserem Umweltminister, Dr. Christian von Boetticher, in diesem Monat, haben andererseits internationale Experten gefordert, die Meere wirklich zu schützen und eine starke, rechtsverbindliche EU-Meerespolitik zu schaffen.

Diese Initiativen sind international und national hoch anerkannt. Die Forderungen, bezogen auf die

Verringerung von Emissionen in Meere und Luft, sind also in Berlin längst angekommen. Wir brauchen keine Bundesratsinitiative, um die Bundesregierung zu bitten, die Handlungsempfehlungen der Europäischen Union vom 8. Mai 2006 umzusetzen. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN kommen hier zu spät.

Was wir fortsetzen müssen, ist, die hohe Kompetenz unseres Landes in der maritimen Politik weiter zu stärken und konkret umzusetzen. Das können wir in entscheidendem Maße auch bei der Landstromversorgung für Schiffe, die in Häfen angelegt haben. Hier hat Schleswig-Holstein mit dem Kompetenzzentrum Lübeck bereits eine führende Position eingenommen.

(Beifall bei der SPD und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Die Hansestadt Lübeck hat unter Leitung der Stadtwerke soeben ein Forschungs- und Entwicklungsprojekt zum Landstromanschluss für Schiffe abgeschlossen. Dieses Projekt, mit dem im Jahre 2002 begonnen wurde, wurde im Rahmen eines INTERREG-III-Programms mit 1,3 Millionen € gefördert. Damit hat Lübeck die Empfehlungen des Grünbuches zur integrierten Meerespolitik, aber auch die Empfehlungen der Kommission zur Landstromversorgung genau erfüllt.

Welche Bedeutung die Landstromversorgung für die Reduzierung des Schadstoffausstoßes hat, sei hier kurz dargestellt, und zwar bezogen auf Fährund Kreuzfahrtschiffe, wie sie vornehmlich in Lübeck untersucht worden sind. Ich beziehe mich hierbei auf die Lübecker Region. Der durchschnittliche Stromverbrauch der Stadt Lübeck pro Stunde beträgt etwa 100 MW. Ein Fährschiff je Größe verbraucht etwa 2 bis 3 MW pro Stunde. Bei etwa 35 Fähr- und Passagierschiffen pro Tag in Lübeck entspricht der Strombedarf der Schiffe etwa dem Strombedarf der gesamten Stadt Lübeck. Hoch schwefelhaltige Kraftstoffe und ungefilterte Emissionen aus laufenden Schiffsmotoren verpesten in unverantwortlichem Maße die Hafenstädte. Von den jährlich 420 t Schwefeldioxid in Travemünde zum Beispiel schleudern die Fähr- und Passagierschiffe allein 390 t in die Luft. Gelbliche Schwaden aus den Schornsteinen der Fährschiffe mögen Motive für Hobbyfotografen sein. Die Stickoxidemissionen sind jedoch schädlicher Dünger für Meere, die dazu beitragen, die Eutrophierung zu beschleunigen.

(Beifall bei der CDU)

Die Stadtwerke haben bei dem Pilotprojekt für die landseitige Schiffsversorgung mit elektrischem

(Detlef Matthiessen)

Strom wirtschaftliche und technische Rahmenbedingungen untersucht. Deutsche und viele internationale Häfen haben sich an dem Projekt beteiligt. Hamburg, aber auch die anderen Häfen haben die technische Kompetenz und die Führerschaft von Lübeck bei diesem Projekt anerkannt. Der Germanische Lloyd ist der technologische Partner bei dem Projekt betreffend der zu entwickelnden und dann zu zertifizierenden Schiffstechnik. Die IMO, die Internationale Schifffahrtsorganisation, ist in das Projekt einbezogen, wobei es das Ziel ist, die MARPOL-Richtlinien, also die Richtlinien des Internationalen Übereinkommens zur Vermeidung der Meeresverschmutzung durch Schiffe, zu harmonisieren.

Diese Kompetenzführerschaft von Lübeck und unserem Land gilt es zu sichern und national und international in Forschungs- und Entwicklungsprojekte umzusetzen. Technische Maßnahmen sind fortzuentwickeln und neue ergänzende Bereiche sind hinzuzufügen.

Der Europaminister, der Wissenschaftsminister und der Umweltminister müssen die Kompetenz der Hansestadt Lübeck nutzen, um wissenschaftliche und technologisch wirkungsvolle Projekte des Seeverkehrs im Rahmen der international erarbeiteten und gewonnenen Erkenntnisse fortzusetzen. Die Experten der Stadtwerke Lübeck sollten bei der Ostseeparlamentarierkonferenz im Mai nächsten Jahres in Berlin die Bedeutung des Gesamtprojektes vorstellen und unumkehrbare internationale Impulse geben.

(Beifall im ganzen Haus)

Zum Schluss möchte ich den Wissenschaftsminister noch bitten, mit Unterstützung des Europaministers die Initiative zum Aufbau eines eigenen Studienfaches „Integrierte Meerespolitik“ mit Masterabschluss zu ergreifen oder zumindest eine solche Möglichkeit zu überprüfen, wie ich es schon im Oktober in meiner Rede im Landtag vorgeschlagen habe. Das heutige Thema gehört auch dazu. Nutzen wir die Kompetenzen unseres Landes! Ergreifen wir das Steuerrad und fahren wir mit voller Kraft voraus, um das Ziel CAFE zu erreichen, das heißt Clean Air for Europe.

(Beifall im ganzen Haus)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Ritzek.

Bevor ich in der Rednerliste weitergehe, möchte ich auf der Besuchertribüne sehr herzlich die Hausfrauen-Union aus Brunsbüttel und Mitglieder der Jun

gen Union aus Rendsburg-Eckernförde begrüßen. Seien Sie uns herzlich willkommen!

(Beifall)

Für die SPD-Fraktion hat nun der Herr Abgeordnete Hans Müller aus Lübeck das Wort.

Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Nach dem Vortrag von Manfred Ritzek bin ich fast geneigt zu sagen: Danach kann keine Steigerung mehr kommen.

(Beifall bei CDU und SSW)

Ich werde das hier ausgesprochene Lob an die Hansestadt weitergeben. Allerdings verdient weniger die Hansestadt das Lob, sondern eher verdienen es die Stadtwerke Lübeck. Wir nehmen dieses Lob natürlich gerne für die gesamte Stadt Lübeck mit, aber der Ordnung halber wollte ich die Anmerkung von eben doch machen.

Seit 2004 existiert das EU-Projekt mit dem Namen „New Hanse“. Woher der Name kommt, ist unschwer zu erkennen. Es ist ein Projekt, das aus Mitteln des INTERREG-Programms, also aus Mitteln der Europäischen Union gefördert wird. Das Ziel des Projekts „New Hanse“ ist schon genannt worden. Das Ziel ist die Reduzierung der Umweltbelastungen, die aus Schiffsdieselmotoren stammen. Auch zu der Reduzierung der Schadstoffemissionen ist schon einiges gesagt worden. Hinzu kommt die Reduzierung von Lärm, der damit verbunden ist, und auch der Vibrationen, welche durch diese Motoren ausgelöst werden. Man muss wissen, dass diese Schiffe mit Schweröl fahren. Dieses Schweröl muss erhitzt werden, bevor es überhaupt verbrannt werden kann. Die Schiffsdiesel laufen elf Stunden lang. Das ist keine Besonderheit für die Lübecker oder die Kieler Häfen. Das ist vielmehr weltweit so. Wenn man sich vorstellt, welchen Output diese Schiffe haben, so ist das schon besorgniserregend. Ich will in diesem Zusammenhang zwei Zahlen nennen. Etwa 50 % der Schiffe bewegen sich in Küstennähe. In Lübeck als größtem Ostseehafen und größtem Fährhafen Europas finden 12.000 Ankünfte und 12.000 Abfahrten pro Jahr statt. Wer die Zufahrt von der Ostsee zum Hafen kennt, kann sich vorstellen, was dort alles an Schadstoffen herausgepustet wird. Die schon genannte Untersuchung hat bewiesen, dass das See- und Heilbad Travemünde doch sehr mit diesen Stoffen belastet ist und dass es höchste Zeit ist, diesbezüglich eine Änderung herbeizuführen. Deswegen gibt es das Projekt „New Hanse“, an dem eine ganze Reihe von Städten und Ländern beteiligt ist. Ich nenne neben Deutschland

(Manfred Ritzek)