Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 18. Tagung des Schleswig-Holsteinischen Landtages. Das Haus ist ordnungsgemäß einberufen und beschlussfähig. Erkrankt ist Frau Abgeordnete Sandra Redmann. Ich wünsche der Kollegin von dieser Stelle aus gute Besserung.
Beurlaubt ist Herr Abgeordneter Jens Magnussen; wegen auswärtiger Verpflichtungen ist Herr Ministerpräsident Peter Harry Carstensen beurlaubt.
Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen eine Aufstellung der im Ältestenrat vereinbarten Redezeiten übermittelt. Der Ältestenrat hat sich verständigt, die Tagesordnung in der ausgedruckten Reihenfolge mit folgenden Maßgaben zu behandeln. Zu den Tagesordnungspunkten 6, 13, 15, 18, 21, 23, 27 und 29 ist eine Aussprache nicht geplant. Von der Tagesordnung abgesetzt werden sollen die Tagesordnungspunkte 9 und 28. Die Fraktionen haben sich weiter darauf verständigt, die Tagesordnungspunkte 2 b und 8 von der Tagesordnung abzusetzen.
Der Umwelt- und Agrarausschuss hat mit Drucksache 16/1143 eine Beschlussempfehlung zum Thema „Ernährungs- und Lebensmittelforschung in Kiel stärken“ vorgelegt. Ich schlage Ihnen vor, diese Angelegenheit als Punkt 28 a in die Tagesordnung einzureihen und den Punkten ohne Aussprache hinzuzufügen. - Ich höre keinen Widerspruch, dann werden wir so verfahren.
Anträge zur Aktuellen Stunde oder zur Fragestunde liegen nicht vor. Wann die einzelnen Tagesordnungspunkte voraussichtlich aufgerufen werden, ergibt sich aus der Ihnen vorliegenden Übersicht über die Reihenfolge der Beratungen in der 18. Tagung.
Wir werden heute und morgen unter Einschluss einer zweistündigen Mittagspause jeweils längstens bis 18 Uhr tagen. Freitag ist ein Ende der Sitzung gegen 12:30 Uhr zu erwarten; eine Mittagspause ist daher am Freitag nicht vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch, dann werden wir so verfahren.
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache und erteile dem Vorsitzenden der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Herrn Abgeordneten KarlMartin Hentschel, das Wort.
Einen wunderschönen guten Morgen, meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Im Ältestenrat tauchte die Frage auf, ob dieser Tagesordnungspunkt es verdient hat, zur Primetime um 10 Uhr morgens behandelt zu werden oder aktuelle Diskussionen über Ladenschluss, Autobahnbau oder Gesundheitswesen wichtiger sind.
- Die Reaktion habe ich mir gedacht. - Gestatten Sie mir, dass ich diese Frage schlicht beantworte: Ein Abschmelzen von Grönland - es ist realistisch, dass das noch Ende dieses Jahrhunderts passieren könnte, wenn wir so weitermachen - hebt den Meeresspiegel um 7 m. Dann ist die Nordseeküste bei Rendsburg. Ein Abschmelzen der Antarktis hebt den Meeresspiegel um 80 m. Dann liegt die Nordseeküste bei Hannover.
(Wolfgang Kubicki [FDP]: Dann habe ich unmittelbaren Strandzugang! Das ist gar nicht so schlecht! - Weitere Zurufe)
Dazu muss es nicht kommen, aber wenn es dazu kommt, wenn wir nicht bereit sind, den Tatsachen ins Auge zu blicken, und weiter so blöde Bemerkungen machen wie der Oppositionsführer,
dann können wir den Autobahnbau in der norddeutschen Tiefebene einstellen und dann sollten wir den Tiefseehafen statt in Wilhelmshaven lieber gleich in Hannover bauen.
Meine Damen und Herren, 30 Jahre wurden die Prognosen über den Klimawandel bestritten, belächelt oder bekämpft. Ganze wissenschaftliche Institute wurden von der Mineralölindustrie und der Autoindustrie finanziert, um das Gegenteil zu beweisen. Heute wissen wir - bis auf wenige Ignoranten -: Der Klimawandel hat begonnen. Tagtäglich bekommen wir Meldungen vom Abschmelzen des arktischen Eises, der Erwärmung der Nordsee, der Verschiebung der Vegetationszonen. Stürme, Über
schwemmungen und Dürreperioden beunruhigen nicht nur die Menschen, sie beunruhigen mittlerweile auch die Versicherungswirtschaft.
Die neueste Studie 30 Jahre nach „Grenzen des Wachstums“ sagt voraus: Wenn es nicht zu gravierenden Veränderungen kommt, dann wird es in diesem Jahrhundert zu einem Zusammenbruch der Weltwirtschaft kommen, weil die Folgekosten für die Energie, die Schutzmaßnahmen und die Bekämpfung von Klimaschäden schlicht nicht mehr zu finanzieren sind.
Meine Damen und Herren, können wir die Klimaveränderung verhindern? - Die Antwort ist nein. Bis Mitte des Jahrhunderts ist die Entwicklung vorprogrammiert, weil das Klima träge reagiert. Aber wir können die Veränderungen verlangsamen und schließlich stoppen. Wir haben Möglichkeiten, das Schlimmste zu verhindern.
Die nächste Frage - das ist die Frage, die Sie sich wahrscheinlich am meisten stellen - lautet: Ist es nicht viel zu teuer, wenn wir vollständig auf regenerative Energien umsteigen, wenn wir nur noch Nullenergiehäuser bauen und Zero-Emission-Cars fahren?
Die Antwort darauf gibt uns der im Auftrag der britischen Regierung im Oktober dieses Jahres veröffentliche Klimabericht des ehemaligen WeltbankChefökonomen, Sir Nicholas Stern. Er rechnet uns vor: Die drohenden Schäden durch den Klimawandel werden 5 bis 20 % der Weltwirtschaft kosten. Doch es gibt auch eine gute Nachricht: Der Nutzen einer aktiven Klimapolitik übersteigt die Kosten des Nichtstuns um ein Vielfaches. Klimapolitik kann der Wachstumsmarkt dieses Jahrhunderts werden.
Wirksamer Klimaschutz ist eine Erfolgsstrategie. Er kann zu Tausenden, Millionen von Arbeitsplätzen führen, er kann zu Wirtschaftswachstum führen, wenn diese Politik konsequent und energisch in Angriff genommen wird.
Klimaschutz ist eine Erfolgsstrategie; Ökonomie und Ökologie arbeiten Hand in Hand. Das ist kein einsames grünes Credo; plötzlich haben wir viele Verbündete.
gen: Erstens müssen wir alles tun, um den Ausstoß von Treibhausgasen zu verhindern. Zweitens müssen wir uns trotzdem auf den bereits stattfindenden Klimawechsel einstellen. Das sind Aufgaben, denen wir uns auch in Schleswig-Holstein konkret, und zwar tagtäglich, jetzt, stellen müssen.
Deshalb stellen wir den vorliegenden Antrag. Aufgabe Nummer eins verlangt von uns, die Erderwärmung unter der kritischen Grenze von 2 °C zu halten. Das bedeutet, dass der Ausstoß von Treibhausgasemissionen - CO2, Methan und Distickoxid - bis 2020 um 25 % und bis 2050 um 80 % zu mindern ist. Das sind auch die offiziellen Ziele der Bundesregierung, des Kyoto-Protokolls und so weiter. Nur, diese Ziele werden lediglich in Sonntagsreden hochgehalten; in der Realität werden sie noch nicht umgesetzt.
Ich möchte ein konkretes Beispiel nennen, das für Schleswig-Holstein direkt vor der Tür steht. In Schleswig-Holstein gibt es aktuell Planungen für drei neue Kohlekraftwerke: in Brunsbüttel ein 800-Megawatt-Kraftwerk von Electrabel, zwei 800-Megawatt-Blöcke von Süd-West und ein 1.100-Megawatt-Kraftwerk auf dem Kieler Ostufer von E.ON. Diese Kraftwerke werden noch in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts laufen, wenn sie gebaut werden, und werden dann immer noch CO2 produzieren.
Wer die Klimapolitik ernst meint und wer sich tatsächlich darauf einstellen will, dass wir die Klimakatastrophe vermeiden, der kann jetzt nicht neue Kohlekraftwerke in Schleswig-Holstein bauen.
Ein solches Kohlekraftwerk hat eine Laufzeit von 50 Jahren. Entweder wir nehmen die Sache ernst oder wir verabschieden uns -
- Wir brauchen auch keine Kernenergie. Wir können einen Boom in der Weltwirtschaft verursachen. Die Kernenergie wird das Problem nicht lösen, Herr Kubicki.
Selbst wenn wir in den nächsten 30 Jahren 1.000 Kernkraftwerke bauen, wird dies nur 10 % des Problems betreffen. Das Problem ist über Kern
energie nicht zu lösen, sondern nur durch einen konsequenten Umstieg auf regenerative Energien und durch einen konsequenten Einstieg in Energiespartechnologien, was den allergrößten Teil bringt.