Protokoll der Sitzung vom 13.12.2006

(Wortmeldung des Abgeordneten Holger As- trup [SPD] - Glocke der Präsidentin)

- Nein, Herr Kollege Astrup, wenn ich nachher noch Zeit habe, dann können wir uns darüber verständigen.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Verwaltungsstrukturreformgesetz behandelt die Folgen der Veränderung der Mindestgröße für Ämter und hauptamtlich geführte Gemeinden aus dem Ersten Verwaltungsstrukturreformgesetz. Es geht also um neue Verwaltungsstrukturen, während das Kommunalabgabengesetz und das Landeswassergesetz die grenzüberschreitende kommunale Zusammenarbeit betreffen, die auch bei den bestehenden Amts- und Gemeindestrukturen möglich ist. Nur weil beide Themen auch kommunale Themen sind, sind sie noch lange nicht unter dem Titel der Zielrichtung des Verwaltungsstrukturreformgesetzes einzuordnen.

Nur zur Erinnerung: Der Bundesverband der deutschen Entsorgungswirtschaft hat gerade gegen diese beiden Bestimmungen erhebliche - auch europarechtliche - Bedenken geltend gemacht. Sie kennen diese Stellungnahmen. Hierüber ist im Ausschuss inhaltlich in keinster Weise ausreichend diskutiert worden. Insgesamt wird das, was die Große Koalition hier von uns verlangt, einem geordneten parlamentarischen Verfahren nicht annähernd gerecht.

(Beifall bei der FDP)

Ferner hätten insbesondere die Änderungsanträge zur Frage der Besetzung der Amtsausschüsse intensiver geprüft werden müssen, als dies in der zur Verfügung stehenden Zeit möglich war. Es ist bekannt, beziehungsweise es ist uns bewusst, dass dieses Gesetz zum 1. Januar 2007 in Kraft treten sollte, weil sich genau zu diesem Zeitpunkt auch einige Ämter neu bilden, die dann wissen sollten, nach welchem Verfahren sie den Amtsausschuss zu besetzen haben. Es liegt allerdings nicht in der Schuld der Opposition, dass dieser Zeitdruck besteht, weil es immer öfter bis kurz vor Toresschluss bei CDU und SPD internen Abstimmungsbedarf gibt

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und weil die Opposition - wie in diesem Fall - erst wenige Stunden vor der zweiten Lesung im Parlament erfährt, wohin die Reise aus Sicht der Regierungsfraktionen überhaupt gehen soll.

Inhaltlich stellen die Änderungsanträge von CDU und SPD gegenüber dem Regierungsentwurf eine Verbesserung dar. So ist die Ausschussbesetzung, wie sie das Innenministerium vorgeschlagen hatte, komplett gescheitert. War im Ursprungsentwurf des Innenministeriums noch gewollt, dass die Mitglieder der Amtsausschüsse bestimmte Stimmenkontingente für ihre Gemeinde erhalten, was faktisch zu einem gebundenen Mandat im Amtsausschuss geführt hätte, so soll es nun zu einer Regelung kommen, die jeder Gemeinde eine bestimmte verringerte Anzahl an Vertretern mit jeweils nur einem Stimmrecht für den Amtsausschuss zusichert. Das bedeutet, dass jedes Mitglied frei und nach eigenem Gewissen über diese Stimme verfügen kann und sich im Zweifel nicht jede Entscheidung des Amtsausschusses von der Gemeindevertretung vorher absegnen lassen muss.

Dabei erkennen wir an, dass durch die neue Besetzung der Amtsausschüsse die Anzahl der Mitglieder im Amtsausschuss vor dem Hintergrund der anstehenden Ämterfusionen auch sinnvoll begrenzt wird. Ich nenne hier nur das Beispiel des neuen Amtes Pinnau, das aus der Fusion der Ämter Bönningstedt und Pinneberg-Land hervorgeht und dem ich mit meiner Gemeinde auch angehöre. Nach dem bestehenden Besetzungsverfahren würde der Amtsausschuss des Amtes Pinnau 39 Mitglieder umfassen. Nach dem ursprünglichen Vorschlag des Innenministers sind es 17 Mitglieder und nach dem nun von CDU und SPD beschlossenen Änderungsantrag sind es 26 Mitglieder. Damit wäre - wenn dies so Gesetz wird - meines Erachtens eine Handlungsfähigkeit des Amtsausschusses gegeben.

Wir lehnen weiterhin das Vorschlagsverfahren für die in den Amtsausschuss zu entsendenden Mitglieder nach D’Hondt inhaltlich ab. Das wird hier keinen wundern, weil das bereits heute gilt. Die eigentliche Änderung in Ihrem Antrag ist redaktionell.

Ein weiterer Änderungswunsch von CDU und SPD betrifft die Frage der hauptamtlich geführten Verwaltung bei amtsangehörigen und amtsfreien Gemeinden. Bisher ist es so, dass amtsangehörige Gemeinden, die nicht die Geschäfte des Amtes führen, oder amtsfreie Gemeinden, deren Verwaltungsgeschäfte von einer anderen Gemeinde oder von einem anderen Amt geführt werden, ehrenamtlich verwaltet werden müssen. Die oder der Vorsitzende der Gemeindevertretung ist für die Dauer der Wahl

zeit ehrenamtliche Bürgermeisterin oder ehrenamtlicher Bürgermeister. Bisher kann das Innenministerium Ausnahmen von der Verpflichtung zur hauptamtlichen Verwaltung zulassen. Das gilt nun auch für ehrenamtliche Verwaltungen. Ob dies dann auf Antrag der entsprechenden Gemeinde geschehen soll oder nur vom Gutdünken des Innenministers abhängig ist, bleibt dabei weiter offen. So verstehe ich zumindest die Intention des § 48 GemO in der neuen Fassung. Das ist im Änderungsantrag von CDU und SPD aber nicht weiter geregelt, sondern bleibt leider offen.

Darüber hinaus ist zu fragen, warum die Entscheidung zur Haupt- oder zur Ehrenamtlichkeit überhaupt im Innenministerium getroffen werden muss, nicht aber in den entsprechenden Gemeinden.

(Beifall bei der FDP)

Die müssen im Zweifel die Finanzmittel für eine Hauptamtlichkeit aufbringen. Auch hier hätte man möglicherweise noch nachbessern müssen. Vor dem geschilderten Zeitdruck war dies offensichtlich nicht möglich.

In ihrer Intention begrüße ich ausdrücklich die von CDU und SPD eingebrachte Übergangsregelung zur Neubildung der Amtsausschüsse. Es ist im Gegensatz zum Entwurf des Innenministers nun möglich, dass sich die durch Ämterfusionen neu zu bildenden Amtsausschüsse auch nach altem Recht bis zur nächsten Kommunalwahl bilden können, wenn die amtsamgehörigen Gemeinden dies beschließen oder dies in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag vereinbaren. Dieses Wahlrecht wollen wir den Ämtern lassen. Unser Wunsch wird nun umgesetzt. Das begrüßen wir.

Leider hatten wir aufgrund des bereits beschriebenen chaotischen Verfahrens nicht die Zeit, die letzten Fragen abschließend zu klären, was uns dazu veranlasst, diesem Gesetzentwurf heute unsere Zustimmung zu versagen. In letzter Zeit wird häufig darüber diskutiert, dass im Verlauf von Gesetzgebungsverfahren auch handwerkliche Fehler passieren. Wir sollten uns dieser Gefahr nicht aussetzen.

(Beifall bei der FDP)

Wir müssen mit unserer Stimmabgabe sicher sein, dass die Gesetze, die wir hier beschließen, nachher auch handhabbar sind. Es darf nicht sein, dass wir in einer der nächsten Sitzungen Korrekturen vornehmen müssen, weil Gesetze hier in aller Eile beschlossen wurden.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Günther Hildebrand)

Ich danke Herrn Abgeordneten Hildebrand. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich dem Fraktionsvorsitzenden Karl-Martin Hentschel das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bevor ich zu dem vorliegenden Gesetzentwurf komme, möchte ich einige Anmerkungen zum Koalitionsmanagement machen. Denn ich finde, es ist an der Zeit, einmal darüber zu reden.

In der letzten Woche hat die Große Koalition im Innen- und Rechtsausschuss bekannt gegeben, sie beabsichtige, vier Gesetzentwürfe in den Landtag einzubringen: das Landesverwaltungsgesetz, das Informationsfreiheitsgesetz, das Zweite Verwaltungsstrukturreformgesetz und das Verwaltungsmodernisierungsgesetz.

Danach gab es aufgrund eines Gutachtens, das der Wissenschaftliche Dienst im Auftrag der FDP erstellt hat, Verfassungsbedenken gegen das Landesverwaltungsgesetz, woraufhin der Innenminister so freundlich war - das muss man anerkennen -, selber eine völlig neue Fassung seines Gesetzentwurfs vorzulegen. Weil sich die Koalitionsfraktionen offensichtlich nicht einigen konnten, endete das damit, dass sie beschlossen haben, das Ganze zunächst einmal in den Januar zu verschieben.

Was im Hinblick auf das Informationsfreiheitsgesetz geschieht, kann ich nur aus Gerüchten schließen. Schon vor zwei Jahren hatte der damalige Umweltminister einen Entwurf eines Umweltinformationsgesetzes vorgelegt. Tatsächlich ist es so, dass sich die Fraktionen, obwohl bekannt ist, dass die Europäische Union ein Vertragsverletzungsverfahren wegen Nichtumsetzung der EU-Richtlinie eingeleitet hat, bis zuletzt nicht einigen konnten. Zum Schluss hörte ich, man habe jetzt beschlossen, das Informationsfreiheitsgesetz in der vorliegenden Fassung nicht weiterzuverfolgen. Man wolle jetzt selber ein neues Informationsfreiheitsgesetz vorlegen. Daraufhin habe ich einen Brief an den Innenund Rechtsausschuss geschrieben und darauf hingewiesen, dass es, so nett diese Idee sei, für dieses Gesetz überhaupt keine erste Lesung gegeben habe. Was in der Großen Koalition geschehen ist, kann ich nicht sagen. Ergebnis ist auf jeden Fall, dass auch dieses Gesetz auf den Januar vertagt worden ist.

Heute wurde uns nun das Ergebnis mitgeteilt, auch im Hinblick auf das Verwaltungsmodernisie

rungsgesetz habe man sich in den Fraktionen nicht einigen können, und nun habe man auch dieses Gesetz auf den Januar vertagt. Aber es gebe ein Problem, denn dieses Verwaltungsmodernisierungsgesetz beinhalte unter anderem eine Änderung des Kommunalabgabengesetzes und des Landeswasserrechts. Diese beiden Gesetze unterlägen der Androhung einer Klage der Europäischen Union, der Androhung eines Vertragsverletzungsverfahrens - so der Innenminister -, und es bestehe eine Verpflichtung. Der Minister teilte uns mit, das Land habe sich, um dieses Verfahren abzuwenden, gegenüber der Europäischen Union verpflichtet, diese beiden Gesetzesänderungen noch in diesem Jahr, bis zum 31. Dezember 2006, zu verabschieden. Also gab es ein Problem mit der Vertagung dieses Gesetzes.

Man entschied sich dann, dieses Gesetz zu vertagen, aber die Änderung des Landeswassergesetzes und die Änderung des Kommunalabgabenrechts, die in erster Lesung behandelt worden waren, in den ersten Teil des Verwaltungsmodernisierungsgesetzes aufzunehmen. Nun sind sie nicht mehr Bestandteil des ursprünglichen Gesetzes, sondern sie sind Bestandteil des jetzt zu beratenden Verwaltungsstrukturreformgesetzes Nummer zwei.

Das Problem ist nur, dass der Wissenschaftliche Dienst nicht sagen konnte, ob dieses Verfahren rechtskonform ist.

(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha!)

Wenn ein Teil eines Gesetzes in erster Lesung mit einem anderen Teil gelesen worden ist, in zweiter Lesung aber plötzlich in einem anderen Gesetz vorkommt, so ist das natürlich ein ungewöhnliches Verfahren, das möglicherweise echte Rechtsprobleme hervorruft. Auch das konnte im Innen- und Rechtsausschuss nicht geklärt werden. Aber egal wie und was - man hat beschlossen, das Gesetz heute zu verabschieden.

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Augen zu und durch! - Wolfgang Kubicki [FDP]: Die letzte Änderung kam um 11:02 Uhr heute Mor- gen!)

Nach dieser Vorgeschichte und nach diesem Zirkus, der, wenn man im Innen- und Rechtsausschuss genau hinhörte, selbst den Innenminister fassungslos gestimmt hat - er gab dies durch einige Zwischenbemerkungen zu erkennen -, wurde dann ein Gesetz verabschiedet, bei dem ich allerdings große Zweifel habe, dass es einen Sinn macht.

Insoweit möchte ich noch auf einen Punkt eingehen. Ich will nicht die gesamte Diskussion wieder

holen, aber die zentrale Frage lautet für mich: Was erwarten wir in Zukunft von den Ämtern?

Nehmen wir uns als Beispiel das Amt Südtondern mit 39.000 Einwohnern. In diesem Amt gibt es sehr viel Tourismus. Es hat sicherlich wirtschaftspolitische Aufgaben in der Region. Irgendjemand muss in dieser Region Wirtschaftspolitik betreiben. Bisher waren das überwiegend die Zentralorte.

Ich kann auch ein anderes Amt nehmen, das mir näher liegt: die Probstei. Auch dort gibt es sehr viel Tourismus. In den letzten Jahren haben wir in Schönberg eine aktive Gewerbepolitik gehabt. Diese hat aber der Bürgermeister des Zentralortes gemacht. Sie ist nicht vom Amt gemacht worden. Das Amt kann es auch gar nicht, und - das ist für unsere heutige Diskussion viel spannender - das Amt darf es überhaupt nicht.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: So ist es!)

Denn jede wirtschaftspolitische Entscheidung, die das Amt trifft, muss es mit 20 Gemeinderäten abstimmen, weil es nämlich nur Schreibstube der Gemeinden ist. Es hat nicht das Recht, selber als kommunale Einheit tätig zu werden. Das Amt darf auch keine Tourismuspolitik machen, es sei denn, es hat sich mit 20 Gemeinderäten abgestimmt.

In diesem Zusammenhang kann ich auch die Zeitung aus dem Kreis Segeberg erwähnen. In einem Artikel ist über die Diskussion im Amt Leezen über die neue Schulstruktur berichtet worden. Darf denn ein Amt eine Diskussion über die Schulstruktur führen? Nein, das darf es nicht, wurde uns heute im Innen- und Rechtsausschuss gesagt, denn wenn es das täte, wäre es nicht mehr Schreibstube. Eine Schreibstube darf nicht über die Schulstruktur diskutieren. Wenn es das täte, wäre es eine kommunale Einheit, eine kommunale Gliederung. In einer kommunale Gliederung, in einer kommunalen Einheit - das wissen wir seit 1999, seit dem Gutachten von Schliesky, jetzt Abteilungsleiter im Finanzministerium -, muss direkt gewählt werden. Diese muss einen direkt gewählten Gemeinderat haben, sie muss einen direkt gewählten Bürgermeister haben.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordneter Hentschel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Astrup?

Ja, wegen der grünen Krawatte erhält jetzt Herr Astrup das Fragerecht.

Vielen Dank, Herr Kollege Hentschel. Im Übrigen lege ich der Ordnung halber Wert darauf, dass auch noch ein wenig blau darin ist.

- Ich nehme das zur Kenntnis!

Meine Frage: Können Sie sich vorstellen, dass all das, was Sie hier geschildert haben, wie in vielen Teilen des Landes, dadurch geregelt wird, dass man Aufgaben sehr einvernehmlich auf das von Ihnen beschriebene Amt überträgt?

- Genau dieses Problem ist damals in dem Gutachten von Schliesky ausführlich diskutiert worden. Herr Schliesky kam seinerzeit zu der Auffassung: Wenn einzelne Aufgaben auf das Amt übertragen werden, dann ist das zulässig. Wenn aber mehrere Aufgaben übertragen werden, dann ist die Legitimationskette gebrochen, und es ist verfassungsrechtlich nicht mehr zulässig.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)