Protokoll der Sitzung vom 13.12.2006

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Landesregierung war sich in diesen Punkten einig, das ist sehr erfreulich. Sie war sich auch in der Einschätzung einig, dass die geplante Konsolidierung von 1 Milliarde € im Bereich der Arzneimittel von der Pharmaindustrie zu erbringen ist. Die Einsparung bei unseren Krankenhäusern und Rettungsdiensten lehnen wir jedoch ab. Mehr Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen ist grundsätzlich möglich, unter anderem mit der integrierten Versorgung, mit der elektronischen Gesundheitskarte und vor allem mit Prävention von Geburt an.

(Ministerin Dr. Gitta Trauernicht)

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie sehen, die Landesregierung vertritt die Interessen des Landes im ersten Durchgang des Bundesratsverfahrens und genau das ist unsere Aufgabe. Bis zum zweiten Durchgang wird es mit Sicherheit etliche Änderungen des Gesetzentwurfs geben. Für den zweiten Durchgang im Bundesrat werden wir uns entsprechend offensiv positionieren und dann unsere Entscheidungen zu treffen haben.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke der Frau Ministerin. Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Dann schließe ich die Debatte.

Es ist Abstimmung in der Sache beantragt worden. Es ist beantragt worden, über den Antrag 16/1129 abzustimmen. Wer dem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! Enthaltungen? - Dann ist der Antrag mit den Stimmen der Fraktionen von CDU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen von FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Gruppe des SSW im Landtag abgelehnt worden.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 19 auf:

Bericht über die finanziellen Auswirkungen der Schulstrukturreform für Land und Kommunen

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/1137

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Da mit diesem Antrag ein Bericht in diesem Plenum erbeten wird, bitte ich das Plenum zunächst um die Abstimmung über die Berichterstattung. Wer im Landtag den Bericht der Ministerin jetzt hören will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das ist so gewollt. Dann darf ich Sie, Frau Ministerin Ute Erdsiek-Rave, um den Bericht bitten.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das neue Schulgesetz hat finanzielle Konsequenzen. Verpflichtende Sprachförderung kostet Geld, Ganztagsschulen kosten bei Investitionen und im Betrieb Geld, die Verkürzung der gymnasialen Schulzeit kostet Geld, zentrale Prüfungen kosten Geld, mehr

Fortbildung für die Vorbereitung der neuen Schulstrukturen kostet Geld und so weiter, ich könnte noch mehr nennen. All dies ist im kommenden Haushalt und in der mittelfristigen Finanzplanung mit 150 Millionen € bis 2010 berücksichtigt und dabei sind zusätzliche Investitionen für den Schulbau insbesondere für Ganztagsschulen noch nicht einmal berücksichtigt. Ich bin darüber sehr froh. Das zeigt, dass wir es mit der Priorität Bildung wirklich ernst meinen.

(Beifall bei SPD und CDU)

Nun kommen Sie, Herr Dr. Klug, und behaupten, die Kosten für die neuen Schulstrukturen gingen „in die Millionen“. Das wussten Sie auch schon, bevor Sie überhaupt Fragen gestellt haben. Andere meinen in der derzeitigen Debatte übrigens, die neuen Schulformen seien ein Sparmodell. Ich sage Ihnen: Beides ist falsch. Anscheinend ist es so, dass Sie nun Munition in Ihrem Kampf gegen den, wie Sie es nennen, Erosionsprozess des gegliederten Schulwesens oder noch besser die Kannibalisierung des verbleibenden gegliederten Systems sammeln wollen - warum eigentlich nicht gleich gegen den Untergang des Abendlandes, Herr Dr. Klug? Sie werden nicht ernsthaft erwarten, dass ich in fünf Minuten und zum jetzigen Zeitpunkt Ihre Fragen anders als auch nur kursorisch beantworten kann. Ich bitte um Verständnis. Ich bin natürlich gern bereit, Sie im Bildungsausschuss nach Verabschiedung des Schulgesetzes und nach Verabschiedung der entsprechenden Schulartordnung zu informieren.

Vorweg will ich eines betonen, damit die Debatte im richtigen Fahrwasser bleibt. Es muss in den nächsten Jahren in Schleswig-Holstein in jedem Fall Veränderungen in der Schullandschaft geben, vor allem aus demografischen Gründen. Sie wären notwendig und unumgänglich auch ohne eine Änderung des Schulgesetzes.

(Beifall bei SPD, CDU und SSW)

Die Planungen für die Lehrerversorgung der laufenden Legislaturperiode stehen fest. Wir bleiben bei der Zusage: 700 neue Stellen in dieser Legislaturperiode. Die neuen Schulformen Regionalschule und Gemeinschaftsschule werden mit diesen vorgesehenen Ressourcen auch steuerbar sein, ebenso wie die verbleibenden Schulformen. Bei dieser Aussage muss natürlich berücksichtigt werden: Der Prozess, über den wir reden, beginnt in den nächsten Jahren. Die gesetzliche Umwandlung zu Regionalschulen erfolgt im Schuljahr 2010/2011. Sie wächst von diesem Schuljahr an von unten auf. Das heißt, der Prozess des Zusammenwachsens findet in seiner Breite in den darauffolgenden Jahren statt.

(Ministerin Dr. Gitta Trauernicht)

Dies sind zugleich die Jahre, in denen die Schülerzahlen weiter deutlich zurückgehen.

Nun muss ich etwas sagen, was dem Finanzminister vielleicht nicht so gefällt. Ich plädiere aus Sicht der Bildung mit Nachdruck dafür, dass diese Entwicklung nicht etwa dazu genutzt wird, Lehrerstellen abzubauen, sondern dazu, die Qualität weiter zu verbessern.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und vereinzelt bei der CDU)

Durch die Veränderungen der Schulstruktur entsteht kein ungedeckter Mehrbedarf. Im Gegenteil, das Zusammenwachsen von Schulen und Schularten lässt eine bessere Nutzung der Ressourcen zu. Dies bedeutet einen Gewinn für die Unterrichtsversorgung und für die Unterrichtsqualität. Es ist eine schleswig-holsteinische Binsenweisheit, Herr Rechnungshofpräsident, die nicht zuletzt Sie uns immer wieder aufgezeigt haben: Zu kleine Systeme gehen zulasten der Unterrichtsversorgung, gehen zulasten der Qualität, gehen zulasten der Fachlehrerversorgung.

Um es an den Zahlen festzumachen: Die gegenwärtige Situation vor allem bei den Hauptschulen und bei den Realschulen verlangt Veränderungen. Fast die Hälfte aller Hauptschulen beziehungsweise Hauptschulteile, nämlich 117 von 240, erreichen schon heute nicht mehr die erforderliche Mindestgröße. Für die Realschulen gilt: Von heute 163 Realschulen sind zum aktuellen Zeitpunkt drei Schulen sowieso schon zu klein, weitere 24 wären zu klein, wären sie nicht bereits im Verbund mit einer Hauptschule, und in gut zehn Jahren würde jede dritte Realschule ausgehend von der heutigen Zahl für ein qualitätsvolles pädagogisches, das heißt auch gefächertes und breites Angebot zu klein sein, wenn wir nicht die beschlossenen Maßnahmen ergreifen würden. Es muss also etwas geschehen.

Zweitens. Die Umwandlung zu Regionalschulen und Gemeinschaftsschulen findet nicht als Bau auf der grünen Wiese statt, vielmehr gehen sie aus bestehenden Schulen hervor. Sie entstehen dort, wo Gebäude, Unterrichtsräume, Sporthallen, Fachräume schon vorhanden sind. Übrigens gibt es schon eine Reihe von guten Beispielen. Wir haben bereits verbundene Systeme: 42 Realschulen mit Grundund Hauptschulteil, eine mit Grundschulteil. Diese Schulen haben den Zusammenschluss zum Teil sogar mit gemeinsamer Orientierungsstufe sehr gut bewältigt.

Sie könnten durchaus zu Schrittmachern der anstehenden Entwicklung werden.

(Beifall bei SPD und CDU)

Für die Umwandlung zu Regional- und Gemeinschaftsschulen gilt: Die vorhandenen Schulgebäude müssen so weit wie möglich natürlich auch weiterhin genutzt werden. Natürlich wird an einzelnen Schulen - das kann man nicht ausschließen - auch baulicher Veränderungsbedarf entstehen. Wo und in welcher Größenordnung, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt wirklich verlässlich noch nicht sagen. Schulbau bleibt eine kommunale Aufgabe. Das Land lässt die Schulträger dabei natürlich nicht allein. Ich habe vorhin schon auf die zusätzlichen Millionen hingewiesen. Das sind 15 Millionen € für den Ausbau weiterer Ganztagsschulen, 17 Millionen € aus dem Schleswig-Holstein-Fonds. Damit lässt sich wirklich etwas machen. Das Schulbauprogramm wird zwar auslaufen, aber die Mittel werden über die Schlüsselzuweisungen für Schulbauzwecke weiter zur Verfügung gestellt. Schließlich werden die Schulträger auch dadurch unterstützt, dass die Schulkostenbeiträge künftig einen Investitionskostenanteil enthalten.

Schulentwicklungsplanung! Die Bildung von neuen Schulverbänden fällt in die Zuständigkeit der Kommunen.

Bestandsaufnahme, Schlussfolgerungen aus dem Schulgesetz! Die Entwicklungen werden für jede einzelne Schule von Schulträgern und Kreisen, und zwar zusammen mit dem Land, erarbeitet werden in bewährter Zusammenarbeit.

Wichtig ist - das ist mein Appell an die Kommunen -, dass sie diese Gestaltungschance und den Gestaltungsauftrag aus dem neuen Schulgesetz annehmen, und zwar frühzeitig, um ein leistungsfähiges und wirtschaftliches Schulangebot in SchleswigHolstein in der Fläche und überall zu erhalten. Das ist unser gemeinsames Ziel.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke der Frau Ministerin für ihren Bericht. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden mit dem Zeitbudget der Fraktionen ähnlich großzügig umgehen wie mit dem der Ministerin.

Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Herrn Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Landesrechnungshof hat in seiner Stellungnahme zur Schulgesetznovelle im Hinblick auf die finanzi

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave)

ellen Auswirkungen der geplanten Schulstrukturreformen erklärt:

„Die Kosten der Neugestaltung sind weitgehend nicht belegt.“

Es heißt dann weiter:

„Zu den finanziellen Auswirkungen wesentlicher Änderungen wie der Einrichtung von Gemeinschaftsschulen und der Umwandlung der Haupt- und Realschulen in Regionalschulen oder dem Abschaffen des ‚Sitzenbleibens’ liegen keine Aussagen vor, obwohl nach § 7 Abs. 2 LHO für alle finanzwirksamen Maßnahmen angemessene Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen durchzuführen sind.“

Alles im entsprechenden Umdruck nachzulesen.

Eine Klärung der finanziellen Auswirkungen auf das Land und kommunale Schulträger ist jedoch unerlässlich, denn mit der von der Landesregierung geplanten Änderung der Schulstrukturen soll ein viel größeres Rad gedreht werden als etwa in den 90er-Jahren, als eine relativ begrenzte Anzahl von Gesamtschulen neu entstanden sind. Damals - in der 12. Wahlperiode - veranlasste die - wie gesagt überschaubare Zahl von Gesamtschulneugründungen die damalige CDU-Landtagsfraktion, einen entsprechenden Berichtsantrag der Kollegen Bendixen und Stich einzubringen. Es hieß dazu im Pressedienst der CDU vom 25. April 1991:

„Bendixen verwies darauf, dass die Landesregierung bisher jede Finanzierungsdebatte schamhaft vermieden habe.“

In dieser Beziehung hat sich bis heute - wie wir sehen - nicht sehr viel geändert,

(Beifall bei der FDP)

abgesehen davon, dass die CDU einen Rollenwechsel vollzogen hat und jetzt auch nicht besonders interessiert daran ist, die finanzielle Konsequenzen der von ihr mit eingeleiteten Entwicklung abzuschätzen.

Dabei böte die demografische Entwicklung, vor der wir stehen - da gebe ich Frau Erdsiek-Rave durchaus recht - die große Chance, im Sinn von höherer bildungsökonomischer Effizienz beispielsweise auch durch Konzentration der Standorte die Unterrichtsversorgung an den verbleibenden Schulen zu verbessern und beispielsweise - was wir dringend nötig hätten - mehr gebundene Ganztagsschulen, also echte Ganztagsangebote, einzurichten.

Solche möglichen Effizienzgewinne werden nach meiner Einschätzung durch die geplanten Schulstrukturreformen eher erschwert, weil die Schaffung der neuen Strukturen Geld absorbieren wird, Geld, das für die genannten inhaltlichen Qualitätsverbesserungen fehlen wird. Wie gesagt: Das, was Sie vorhaben, wird man zum Nulltarif nicht verwirklichen können.

Im Ausschuss ist vonseiten des Finanzministeriums gesagt worden, es gebe keine zusätzlichen Mittel dafür. Kollege Kubicki hat in der Finanzausschusssitzung ausdrücklich nachgefragt.

Ich will jetzt auf ein paar Einzelpunkte eingehen, die ich im Fragenkatalog angesprochen habe.