Protokoll der Sitzung vom 14.12.2006

Wir haben ein Finanzierungskonzept vorgelegt. Stimmen Sie unseren Haushaltsanträgen zu! Dann können wir nächsten Sommer beginnen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zweitens wollen wir den Kitas 10 Millionen € zweckgebunden geben, um den Bildungsauftrag der Kindertagesstätten verbindlich umzusetzen. Frau Ministerin, es ist eine völlige Illusion, wenn Sie glauben, man könne das größte Manko unseres Systems durch einen schlichten Erlass beseitigen, ohne einen Pfennig dazuzuzahlen.

(Zuruf von Ministerin Ute Erdsiek-Rave)

Drittens wollen wir das kostengünstige Konzept, das meine Kollegin Heinold vorgeschlagen hat, umsetzen und die verbindliche Vorsorgeuntersuchung für Zweijährige einführen. Nach allem, was wir in den letzten Jahren erlebt haben, muss sichergestellt sein, dass sich zumindest einmal vor dem Kindergarten jemand die Kinder anschaut.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Bildungsbereich stellen wir keine großen Personalforderungen, sondern wir konzentrieren uns mit unserer vierten Forderung auf die Stärkung der Lehrerbildung. Die Große Koalition will das gesamte Schulsystem umbauen. Alle Lehrerinnen und Lehrer im Land fragen mich auf jeder Veranstaltung: Wie soll das eigentlich gehen? Wie soll ich unterschiedliche Kinder zusammen unterrichten? Ich glaube ja, dass es möglich ist. Ich weiß, dass es gute Schulen gibt. Aber wir sind dafür wir nicht ausgebildet. - Das wird mir immer gesagt. Es heißt: Wir sind dafür nicht ausgebildet; wir haben das nicht gelernt.

Wir haben daraus die Konsequenz gezogen. Einen ganz großen Schwerpunkt müssen wir auf die Lehrerbildung legen.

Die Ministerin hat pro Lehrer 10 € im Jahr - 10 €! für die Lehrerbildung in den Haushalt eingestellt. Frau Erdsiek-Rave, ist das ein Irrtum oder ist das ein Witz? - Wir wollen diesen Betrag auf 3 Millionen € jährlich anheben.

(Karl-Martin Hentschel)

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Pro Lehrer?)

Wer wie diese Koalition Milliarden für eine Brücke nach Dänemark ausgeben will - Lothar Hay hat das noch einmal thematisiert -, aber nicht bereit ist, davon ein Hundertstel für die notwendigen Aufgaben für die Zukunft unserer Kinder einzusetzen, der hat jeden Sinn für die Relationen verloren.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Lars Harms [SSW] Meine Damen und Herren, es gibt aber auch kleine- re Positionen im Haushalt, die einen den Kopf schütteln lassen. Als Beispiel dafür nenne ich die Mittel für die Entwicklungsarbeit, also für die Vernetzung der aufopferungsvollen ehrenamtlichen Arbeit in Kirchengruppen, Dritte-Welt-Läden, Schulen und Jugendzentren. Die Finanzierung die- ser Arbeit durch die Länder basiert auf vier Be- schlüssen der Ministerpräsidentenkonferenz. Den Großteil der Finanzierung trägt in Schleswig-Hol- stein sowieso die Nordelbische Kirche. Das Land beteiligt sich mit 50.000 € und zwei halben Stellen, also etwa einem Hunderttausendstel des Landese- tats. Diese Mittel wurden nun komplett gestrichen. Es war aber kein Problem, für die Anti-Terror-Da- tei des Innenministers kurzerhand zehn neue Stellen zu bewilligen, obwohl die Polizei bereits 1.500 Be- amtinnen und Beamte in der Verwaltung hat. Aus dem Koalitionsausschuss hört man, die Streichung der Mittel für die Entwicklungsarbeit sei ein per- sönliches Anliegen des christlichen Ministerpräsi- denten gewesen, weil er diese Leute nicht leiden kann. Das sei nicht verhandelbar gewesen. Deutli- cher kann man nicht dokumentieren, wes Geistes Kind diese Regierung ist. Ein zweites Beispiel: Frau Merkel lädt in Berlin zum Integrationsgipfel ein. Endlich hat die Union begriffen, dass wir ein Einwanderungsland sind und dass die Ausgrenzung der Flüchtlinge und Einwan- derer letztlich uns selber schadet. Das war an einem Sonntag. Im Alltag in Schleswig-Holstein sieht es anders aus. Da wird die Struktur der Migrationssozialbe- ratung gerade in den Zentren, in denen die größte Nachfrage besteht, systematisch zerstört. Angeblich hat man ein neues Konzept; in Wirklichkeit sollen 900.000 € eingespart werden. Angeblich wollen wir doch alle, dass sich diese Menschen integrieren, dass sie Deutsch lernen, eine Ausbildung machen, hier arbeiten, sich vielleicht selbstständig machen und zum Wohle des Landes beitragen. So wird es in Sonntagsreden dargestellt. Aber heute ist Donners- tag und da ist die Welt eine andere. Herr Minister, so saniert man keinen Haushalt. So schadet man der Zukunft des Landes. (Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Wir haben nicht nur einen Alternativhaushalt vorgelegt, sondern auch eine strategische Resolution, die wir zur Abstimmung stellen, denn wir brauchen ein Gesamtkonzept.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Wie früher die CDU!)

Dazu gehören erstens ein realistischer Plan zur Sanierung der Haushalte und zweitens eine Strategie, die die Finanzierung der wichtigsten Zukunftsaufgaben sicherstellt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Unser Plan zur Sanierung der Haushalte hat vier Standbeine. Dies sind ganz einfache Standbeine. Erstens sollte es eine umfassende Verwaltungsreform von Land, Kreisen und Gemeinden geben. Sie soll nach unseren Berechnungen 140 Millionen € bringen.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: 500 Millionen €!)

Zweitens fordern wir eine Budgetierung der Personalkosten aller Ministerien. Welcher Beamte würde schon erklären, seine Arbeit könnte reduziert werden. Die Haushalte müssen budgetiert werden. Unter der letzten Koalition ist das übrigens getan worden.

(Lothar Hay [SPD]: Mit Ausnahmen, Herr Kollege, wie Sie sicherlich wissen!)

- Es gab auch Ausnahmen. Das ist klar. Der Bildungshaushalt ist immer ausgenommen worden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Haushalte müssen also budgetiert werden. Ich bin im Übrigen wirklich der Auffassung, dass die Steigerung der Tarife bis zu 1,5 % jährlich selbst erwirtschaftet werden sollte. Davon soll noch der Bildungshaushalt ausgenommen werden. Es kann nicht sein, dass wir in diesem Zusammenhang weiterhin 90 % der Stellen des Landes, wie gerade aus der Antwort auf die Kleine Anfrage von Frau Heinold zu entnehmen ist, zum Tabu erklären. Das geht überhaupt nicht. So können wir die notwendigen Mittel einfach nicht erwirtschaften. Das weiß der Finanzminister Wiegard am besten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Drittens. Wir müssen alle Sach- und Verwaltungskosten einfrieren, bis der Haushalt saniert ist. Es ist ein Unding, dass dieser Haushalt wieder Steigerun

(Karl-Martin Hentschel)

gen von Zigmillionen bei den Sach- und Verwaltungskosten aufweist. Das kann gerade in der Situation, in der sich das Land befindet, nicht sein.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Viertens brauchen wir einen konsequenten Abbau der Subventionen. Darüber waren sich alle immer einig. Diese Landesregierung hat die Subventionen gegenüber der Landesregierung von Rot-Grün in einem Umfang gesteigert, der unglaublich ist. Ein solcher Kostensparplan ist erstens realistisch und zweitens machbar. Er entspricht weitgehend den Forderungen des Landesrechnungshofes vom 5. Dezember an den Landtag.

Ich komme jetzt auf die Finanzierung der Zukunftsaufgaben zu sprechen. Als Erstes benötigen wir ein Gesamtkonzept zur Finanzierung des Wichtigsten - das ist der Bildungssektor. In den kommenden Jahren stehen uns grundlegende Veränderungen bevor: die flächendeckende Einrichtung von Kinderkrippen, die Umsetzung des Bildungsauftrages in den Kindertagesstätten, der Umbau des gesamten öffentlichen Schulsystems und der Ausbau der Hochschulen, um unsere Studentenzahlen endlich auf internationales Niveau zu bringen. Wir brauche dafür ein Gesamtkonzept. Solange wir dieses nicht haben, können wir alle tollen Reden und Presseerklärungen sozusagen in der Pfeife rauchen. Die Menschen im Land, die Erzieherinnen, die Lehrer und die Professoren, haben einen Anspruch darauf, Fakten und Zahlen vorgelegt zu bekommen.

Die zweite Zukunftsaufgabe ist die radikale Konzentration aller Fördermittel des Landes auf die strategischen Cluster in Forschung und Innovation. In einem Hochpreisland wie Deutschland werden wir in der Wissensgesellschaft des 21. Jahrhunderts unseren Lebensstandard nur dann halten können, wenn wir alle Kräfte auf Wissen, neue Technologien und Innovationen konzentrieren.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Längst lebt auch Schleswig-Holstein nicht mehr nur von der Landwirtschaft und den Werften. Längst lebt auch dieses Land von Tausenden von kleinen, mittleren und auch einigen größeren Firmen, die in den Zukunftsclustern Medizintechnik, Meerestechnik, Kommunikationstechnik und vor allem im Bereich der erneuerbaren Energien neue Produkte auf den Markt gebracht haben, die Dienstleistungen anbieten, Wertschöpfung in unser Land bringen und Arbeitsplätze schaffen. Der frühere Chefökonom der Weltbank, Nicholas Stern, hat gerade vorgerechnet, dass die Bewältigung der Klimaveränderung nicht nur die größte Herausforderung dieses

Jahrhunderts, sondern auch die größte Chance für Industrien und neue Arbeitsplätze ist.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wer heute noch glaubt, er könne im Land herumfahren und bei den Bürgermeistern Geschenke verteilen, verspielt leichtsinnig die Zukunft dieses Landes.

Als Drittes brauchen wir eine nachhaltige Umwelt- und Landwirtschaftspolitik, und zwar nicht nur deshalb, weil die Grünen für den Schutz der Umwelt eintreten, sondern auch deshalb, weil dies einer der wichtigsten Posten ist, bei dem Gelder umgeschichtet werden können. Machen Sie sich klar, dass zwei Drittel aller Subventionen in Schleswig-Holstein immer noch ohne wesentliche Auflagen als Direktsubventionen in die Landwirtschaft fließen! Wir müssen mit einer Agrar- und Umweltpolitik Schluss machen, die allein vom Bauernverband bestimmt wird. Wir müssen damit Schluss machen, Unsinniges zu fördern und anschließend teuer zu korrigieren. Die Europäische Union hat für ein solches Umsteuern die Voraussetzungen geschaffen. Die Regierung von Tony Blair in Großbritannien hat als Erste die Zeichen der Zeit erkannt und beginnt umzusteuern.

Diese Landesregierung muss aufhören, sich an alte Strukturen zu klammern.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Ein Ministerpräsident, der immer noch von den 50er-Jahren des vorigen Jahrhunderts träumt, kann dieses Land nicht in die Zukunft führen.

Neulich waren Herr Wengler, Herr Höppner, Herr Klug und ich in Oldenburg in einem Gymnasium eingeladen. Wir wurden gefragt, wie wir zu den Gehaltskürzungen für die Lehrerinnen und Lehrer ständen. Herr Wengler erläuterte, wie hoch die Verschuldung ist, und sagte, dass Rot-Grün daran schuld ist.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das fand keiner besonders gut.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Es ist trotzdem rich- tig!)

Es gab also keinen Beifall. Herr Höppner erläuterte, dass auch er keine Alternative sehe. Das fand auch keiner gut. Herr Klug sagte, er halte die Kürzungen für falsch; die FDP würde die Steuermehreinnahmen lieber den Beamten geben. Das fanden alle gut.

(Heiterkeit)

(Karl-Martin Hentschel)

Ich hätte sicherlich unter sehr viel Beifall das Gleiche sagen können wie Herr Klug. Angesichts von 20 % Neuverschuldung finde ich es aber unredlich, auf die populistische Trommel zu hauen. Ich bin nicht damit einverstanden, dass die Regierung die nötigen Verwaltungsreformen um Jahre verschiebt. Ich bin nicht damit einverstanden, dass die Sanierung des Landeshaushalts auf Kosten der Kommunen geht, die das Geld wieder bei Kindertagesstätten, Schulen und Eltern einsparen müssen. Ich kann mich aber nicht hinstellen und sagen, die Kürzung des Weihnachtsgeldes sei falsch. Als ich dies in Oldenburg sagte, herrschte tiefes Schweigen im Saal. Eine Schülerin fing dann aber an zu klatschen und danach klatschten viele, auch viele Lehrerinnen und Lehrer. Ich finde, so etwas macht Mut.

Wir werden heute für die Kürzungen im Beamtenbereich stimmen. Bei der namentlichen Abstimmung über die Kürzungen bei den Kommunen werden wir aber gegen die Kürzungen stimmen, weil wir die Kürzungen in dieser Höhe nicht für vertretbar halten.

Ich habe mir in den Jahren unserer Regierung natürlich auch gewünscht, dass ein CDU-Abgeordneter den Mut gehabt hätte zu sagen, es sei falsch, den Menschen ununterbrochen das Blaue vom Himmel zu versprechen. Die rot-grüne Sparpolitik ist im Grunde richtig.