In allen skandinavischen Staaten haben die großen Reformen damit begonnen, den Schulen mehr Freiheit zu geben und sie von staatlicher Gängelung und Bürokratie zu befreien. Schulen brauchen mehr Luft zum Atmen!
Das ist der Grund dafür, warum wir ins Zentrum unserer Änderungsvorschläge das Modell von der eigenverantwortlichen Schule gestellt haben. Gerade wenn es um neue Unterrichtsformen, Stundentafeln, erzieherische Konzepte geht, dann kann das nicht von oben den Lehrerinnen und Lehrern aufoktroyiert werden. Sie erwarten von den Lehrerinnen und Lehrern Engagement. Aber Sie ersticken sie mit Erlassen und Vorschriften und treiben viele engagierte Lehrerinnen und Lehrer in die innere Resignation. So geht es nicht!
Ich finde es bedauerlich, dass Sie wieder unsere Anträge zu den freien Schulen abgelehnt haben. Ich finde, gerade die freien Schulen machen vor, wie Schule sein kann. Sie sind ein Stachel im Schulsystem. Sie haben viele Möglichkeiten gezeigt, die jetzt von den staatlichen Schulen nachgeahmt werden sollen. Ausgerechnet diese Schulen werden wesentlich schlechter behandelt als die öffentlichen Schulen.
Wir haben lediglich versucht, das ein wenig anzupassen. Die FDP hat das ja auch geschildert. Dass das alles radikal abgelehnt worden ist, finde ich nicht in Ordnung. Dadurch werden ausgerechnet diese engagierten Lehrerinnen und Lehrer bestraft.
Meine Damen und Herren, die Koalition hat beschlossen, alle Haupt- und Realschulen zu Regionalschulen umzuwandeln, wenn die Gemeinde keine Gemeinschaftsschule einführt. Immerhin! Es ist schön, dass nun auch die CDU-Spitze erkannt hat, dass die Hauptschule nicht mehr akzeptiert wird. Das ist ein Fortschritt. Aber die Regionalschule, die Sie jetzt einführen wollen, wird von niemandem gewollt, weder von den Lehrerinnen und Lehrern noch von den Schülerinnen und Schülern und von den Eltern. Wir haben von Anfang an davor gewarnt, dass diese Regionalschulen in wenigen Jahren zu neuen Restschulen werden.
So mancher Realschullehrer, der noch im Wahlkampf brav für die CDU Wahlkampf gemacht hat immerhin hat der Realschullehrerverband, was ja ungewöhnlich war, zu Ihrer Wahl aufgerufen - fühlt sich jetzt verraten und überlegt, ob es nicht doch besser ist, wenn seine Schule Gemeinschaftsschule wird.
Landesweit lese ich in den Zeitungen, dass sich immer mehr Schulen, immer mehr Elternverbände, immer mehr Lehrer dafür aussprechen, Gemeinschaftsschulen einzuführen. Auch CDU-Bürgermeister kommen langsam zur Einsicht. Ich begrüße das. Ich fordere die CDU auf: Drücken Sie nicht aus ideologischen Gründen gegen den Elternwillen vor Ort Regionalschulen durch! Respektieren Sie den Elternwillen!
Damit bin ich beim Thema Schulträger. Auch dabei hat sich diese Koalition nicht getraut, eine klare Regelung ins Gesetz zu schreiben. Ursprünglich hatten Sie vor, dass Schulträger aller allgemeinbildenden Schulen in Zukunft immer die selbstständigen Gemeinden oder die Ämter sind. Das wäre eine sinnvolle Regelung gewesen; denn dort sitzen die demokratisch gewählt Vertreterinnen und Vertreter, und nicht in irgendwelchen Schulträgergremien. Und vor allem: Dann könnten wir endlich in den Gemeinden und Ämtern eine einheitliche Schulentwicklungsplanung vor Ort bekommen, die alle Schulen erfasst. Das wäre sinnvoll. Ich bedauere deshalb, dass auch hier die Koalition bei einem faulen Kompromiss gelandet ist, der nichts wirklich löst. Ich finde das falsch und ich hoffe, dass das in vielen Ämtern vor Ort anders geregelt wird.
Meine Damen und Herren, wenn man über dieses Gesetz spricht, dann muss man auch über die Rahmenbedingungen reden. Wer mit Lehrerinnen und Lehrern in diesem Land redet, der weiß: Die Situation an den Schulen ist schwierig. Viele Lehrerinnen und Lehrer haben den Eindruck, dass sie ständig neue Regelungen übergestülpt bekommen. Viele fühlen sich alleingelassen.
Und dann belasten Sie die Eltern auch noch mit den Kosten für die Schülerbeförderung, sodass der Schulbesuch wieder zur Geldfrage wird. Das ist uralte CDU-Ideologie, und die Sozis machen brav mit. So motiviert man niemanden, so lähmt man das Engagement.
Es ist nicht eine Sache des Geldes, meine Damen und Herren. Wir haben mit unserem Masterplan Bildung Vorschläge gemacht, wie die Reform fi
nanziert werden kann. Der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, hat jetzt vorgerechnet, dass Sitzenbleiben, ineffiziente Klassen- und Kursgrößen und teure Nachqualifizierungen bundesweit jedes Jahr 7,1 Milliarden € zusätzlich kosten. Das ist die Ineffizienz unserer Systems.
Schulen brauchen die Unterstützung durch Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter und Schulassistentinnen und Schulassistenten, damit die innere Differenzierung kein Schlagwort bleibt. Schulen brauchen jetzt ganz viel Lehrerweiterbildung. Und Lehrerweiterbildung ist kein Add-on, Frau Ministerin!
Wenn wir Ernst machen wollen mit neuen Unterrichtsformen, dann sind umfangreiche und gute Angebote für die Lehrerweiterbildung die zentrale Aufgabe.
Von nichts hängen die zukünftigen Chancen unseres Landes und unserer Kinder mehr ab als von unserem Bildungssystem. Das aber braucht Vertrauen in die Akteurinnen und Akteure in der Schule und es braucht die Verlagerung von Kompetenzen nach unten.
Alle erfolgreichen Reformschulen haben damit begonnen, die Lehrpläne beiseitezulegen. Sie haben den zerhackenden Stundenrhythmus abgeschafft. Sie haben Ideen gesammelt, andere Schulen besucht, Neues ausprobiert, die Jugendzentren in die Schule verlagert, den Unterricht von Schülern durch Schüler eingeführt und vieles mehr. Wer sich die zahlreichen Interviews mit Lehrerinnen und Lehrern an Reformschulen in den Filmen von Reinhard Kahl ansieht, der hört immer wieder eine interessante Sache: Ja, es war anstrengend, etwas zu ändern an unserer Schule. Aber es hat sich gelohnt. Heute verbringe ich mehr Zeit in der Schule, aber es ist viel weniger Stress und es macht viel mehr Freude. Nie mehr möchte ich unterrichten wie früher, als ich noch ein Einzelgänger war und als sich Lehrer, Schüler und Eltern gegenseitig bekämpft haben.
Nein, meine Damen und Herren, wir werden diesem Gesetz nicht zustimmen. Und das nicht aus Prinzip. Wir haben uns konstruktiv mit Ihren Vorschlägen auseinandergesetzt. Oft genug sind es gerade vor Ort die Grünen, die die Notwendigkeit der Reform in den Schulen vehement verteidigen und für eine andere Schule werben. Und ich sage Ihnen angesichts der Proteste derjenigen, die nichts verän
dern wollen und mit einem Volksentscheid drohen: Fangen Sie doch endlich an, offensiv für die gemeinsame Schule zu werben.
Das gilt auch für die SPD. Hören Sie auf, sich immer nur mit demografischen Argumenten zu entschuldigen! Sagen Sie den Menschen: Wir brauchen eine Schulreform. Es geht um mehr Gerechtigkeit, es geht um mehr Chancengleichheit, es geht um die Chancen unseres ganzen Landes in der Zukunft. Dann, wenn Sie so auftreten und wenn Sie so für die neue Schule werben, werden Sie auch die Menschen von den Reformen begeistern.
Dann geben Sie den Menschen auch die Rahmenbedingungen, die sie brauchen. Was soll ich den Lehrerinnen und Lehrern vor Ort sagen, wenn sie aufgefordert werden, eine neue Schule zu machen, aber die Rahmenbedingungen nicht stimmen? Was soll ich sagen, wenn sie vom Ministerium immer wieder mit kleinteiligen Anweisungen und bürokratischen Vorschriften überzogen werden, aber die nötige Weiterbildung nicht angeboten wird?
Sie machen eine Oberstufenreform, die schädlich ist. Sie stärken einseitig die Gymnasien, anstelle Schulen mit schwächeren Schülern zu stärken.
Sie haben es nicht geschafft, die Schulträgerschaft sinnvoll zu regeln. Anstatt den Schulen mehr Freiheit zu geben, produzieren Sie mehr Bürokratie und lähmen die Schulentwicklung. Dieses Gesetz ist in weiten Teilen überholungsbedürftig, bevor es verabschiedet wird. Deshalb werden wir dagegen stimmen.
Ich danke Herrn Abgeordneten Hentschel. - Das Wort für den SSW im Landtag hat die Vorsitzende, Frau Abgeordnete Spoorendonk.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Aus Erfahrung wissen wir: Vor der Schuldebatte ist nach der Schuldebatte. Ich denke, daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern, zumal die Bildungspolitik natürlich zu den Kernaufgaben des Landtages gehört. Doch mit der Verabschiedung des neu
en Schulgesetzes geben wir als Parlament erst einmal das Heft der Entscheidung wieder aus der Hand. Dabei gibt es aus Sicht des SSW genug, was noch geklärt werden müsste. Aber die Koalitionspartner haben - genau wie beim Hochschulgesetz aufs Tempo gedrückt, um diese kontroversen Gesetze endlich unter Dach und Fach zu bringen. Politisch ist dies vielleicht sogar ein kluger Schachzug, aber ob es handwerklich richtig war, lasse ich einmal dahingestellt sein.
Mit der heutigen zweiten Lesung des neuen Schulgesetzes geht ein langer politischer Prozess erst einmal zu Ende, ein Prozess, der schon fast ein Jahr vor der Landtagswahl 2005 begann. Die harten politischen Auseinandersetzungen um zukunftsweisende Schulreformen haben Politik, Eltern, Lehrer und nicht zuletzt auch Schülerinnen und Schüler jahrelang in Atem gehalten. Das vorliegende Ergebnis ist allerdings zweischneidig und lässt aus Sicht des SSW am Ende immer noch offen, wohin denn die Reise der zukünftigen Schulpolitik in Schleswig-Holstein ganz genau gehen soll.
Ohne Zweifel wird das neue Gesetz die Schullandschaft in Schleswig-Holstein nachhaltig verändern. Mit der Einführung der Gemeinschaftsschule kommen wir endlich einen Schritt voran - hin zur ungeteilten Schule. Genau das will der SSW schon seit Jahrzehnten. Das will ich auch gar nicht kleinreden. Wenn man bedenkt, wie die ungeteilte Schule noch im Landtagswahlkampf geradezu verteufelt und der Untergang des bildungspolitischen Abendlandes heraufbeschworen wurde, dann stellen wir fest, dass sich insbesondere die CDU in dieser Frage stark bewegt hat. Das erkennen wir auch an.
Dennoch trägt das Schulgesetz die Handschrift zweier Koalitionspartner, die sich auf der Basis grundverschiedener Positionen auf einen gemeinsamen Nenner einigen mussten. Das ist ihnen beileibe nicht immer gut gelungen. Die Einführung der Regionalschule ist aus unserer Sicht das beste Beispiel dafür, dass ein politischer Kompromiss nun wirklich nicht immer zum Wohl der Betroffenen ist.
Bei der Novellierung des Schulgesetzes ging es Sie wissen es - um vier zentrale Bereiche: um Schulentwicklungsplanung, Schulträgerschaft und Schullastenausgleich, um die berufliche Bildung und die Regionalen Berufsbildungszentren, um die gymnasialen Oberstufe und das neue G-8-System sowie um Gemeinschaftsschulen und Regionalschulen. Es wäre jetzt natürlich interessant, im Detail nachzugucken, wie es mit diesen vier Bereichen nach der parlamentarischen Beratung und den Anhörungen im Bildungsausschuss aussieht. Einige
Beispiele dafür sind schon angebracht. Auch in Zukunft werden die Gemeinden und nicht die Ämter, wie es mal angedacht war, die Schulträger sein. Das wäre sinnvoll gewesen. Denn hier bleibt das Problem, dass die Schulentwicklung nicht losgelöst von anderen Verwaltungsstrukturen gesehen werden kann. Das soll heißen: Die zukünftige Schulentwicklungsplanung wird regional betrachtet sehr schwierig werden, je nachdem, ob sich die Gemeinden und Städte für Regional- oder Gemeinschaftsschulen entscheiden.
Hier ist unser Kritikpunkt, dass es seitens der Landesregierung mindestens eine Vorgabe hätte geben müssen, wie die verschiedenen Schularten vor Ort miteinander verzahnt werden können.
Ein weiteres Problem ist wie immer die Frage der Finanzen. Der zukunftsfähige Ansatz eines Schullastenausgleichsfonds wurde leider wieder eingesammelt, und die kommunalen Landesverbände haben zu Recht auf die ungeklärten Folgekosten für die Gemeinden hingewiesen, zum Beispiel, wenn sie bei der Einführung von Regionalschulen neu bauen müssen. In diesem Zusammenhang - auch das will ich ausdrücklich hervorheben - begrüßt der SSW, dass künftig bei der Berechnung des Gastschulbeitrages auch die Schulinvestitionen einbezogen werden. Angesichts des großen Investitionsstaus bei den Schulen im Land erscheint uns dies nur gerecht.
Die Elternbeteiligung von 30 % bei der Schülerbeförderung lehnen wir allerdings weiterhin klar ab. Man kann es drehen und wenden, wie man will: Hier ist die Landesregierung den Kommunen auf Kosten der Familien im ländlichen Raum entgegengekommen. Das hat nichts mit zukunftsweisender Schulpolitik zu tun.
Die Verankerung der Regionalen Berufsbildungsbildungszentren im Schulgesetz und die damit verbundene Weiterentwicklung der beruflichen Bildung in Schleswig-Holstein ist aus unserer Sicht eines der positiven Elemente im neuen Schulgesetz. Dazu habe ich in früheren Schuldebatten schon vieles gesagt. Das werde ich jetzt nicht weiter vertiefen.