Protokoll der Sitzung vom 24.01.2007

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke Herrn Abgeordneten Weber. - Das Wort für die FDP-Fraktion hat Herr Abgeordneter Dr. Ekkehard Klug.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der 16. November letzten Jahres war ein bemerkenswerter Tag. Noch nie zuvor hat ein Wissenschafts

(Jürgen Weber)

minister in Schleswig-Holstein für seinen Hochschulgesetzentwurf in der Landtagsanhörung im Bildungsausschuss eine so umfassende Abfuhr bekommen wie an diesem Tag.

(Beifall der Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP] und Angelika Birk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])

Auf 27 Seiten Protokoll der Sitzung kann man das in aller Pracht und Schönheit nachlesen. Nur die diversen Organisationen, über die Herr Professor Dr. Driftmann präsidiert, bilden noch eine Insel des leidlichen Wohlwollens für Herrn Austermann. Aber auch das ist nicht ganz ohne Abstriche: Die Industrie- und Handelskammer Schleswig-Holstein schreibt:

„Weiterhin bedauern wir sehr, dass die Möglichkeiten einer Stiftungshochschule im Gesetz nicht berücksichtigt wurden, wie es zum Beispiel in Niedersachsen erfolgt ist.“

Die FDP-Fraktion wollte dem gern abhelfen und hat in ihren Änderungsanträgen entsprechende Regelungen für Stiftungshochschulen vorgesehen. Es kann wirklich keiner sagen, wir hätten keine konstruktiven Alternativen vorgelegt und keine inhaltlichen Änderungen vorgeschlagen. Das haben wir vielmehr sogar dort getan, wo Herr Austermann für uns unerklärlicherweise sogar unter den driftmanschen Fortschrittmaßstäben durchgeschlüpft ist.

In anderer Hinsicht sehen wir bei dem, was uns die Große Koalition hier vorlegt, gegenüber dem bisherigen Hochschulgesetz allerdings keinerlei Fortschritt, sondern eher das Gegenteil. Wann auch immer man auf Menschen aus den Hochschulen trifft Studenten, Mitarbeiter, Professoren -, hört man den Satz, die Hochschulpolitik der CDU sei schlimmer als die der SPD, als diese noch für Wissenschaftspolitik und Hochschulen verantwortlich war. Ich bin immer versucht zu sagen, das sei ein Kunststück, aber das wäre für diese Landesregierung dann doch zu viel des Lobes.

Eine Politik, die Hochschulen mit neuen Strukturen und Gremien beglückt, die allen dort Tätigen offenkundig durch die Bank zuwider sind, kann man nicht anders bezeichnen als eine verfehlte Politik. Wer glaubt, aus solchen aufoktroyierten Regelungen könne Positives erwachsen, wird sich noch wundern. Die neuen Gremien der Hochschulen sind bis September 2008 einzurichten. Die Umgestaltung wird also just in eine Zeit fallen, in der die Hochschulen eigentlich als Verhandlungspartner gegenüber dem Land für die ab 2009 fälligen neuen Zielvereinbarungen gefordert sind. Zumindest einigen Mitgliedern des Hohen Hauses dürfte ja be

kannt sein, dass die derzeitigen, auf fünf Jahre abgeschlossenen Zielvereinbarungen mit dem Jahr 2008 auslaufen.

Vielleicht kommt es dem Ministerium ganz gelegen, dass die Verhandlungs- und Entscheidungsphase für die neuen Zielvereinbarungen mit einem kompletten Umbruch in den Leitungen und in den Gremien der Hochschulen zeitlich zusammenfällt. Vielleicht verhandelt das Ministerium ganz gern mit Hochschulen, die sich in einer solchen Lage befinden. Die alten Rektorate - soweit sie noch amtieren - wären dann quasi in einer Lame-Duck-Position, der hochschulinterne Wahlkampf um die Ämter in den diversen neuen Gremien liefe eventuell noch auf Hochtouren oder die neuen Gremien und Strukturen sind gerade eben frisch installiert worden. Das hieße, ihre Mitglieder befänden sich gerade noch in der Einarbeitungsphase, also in den Kinderschuhen. Auch das ist in der Tat eine ideale Voraussetzung, um für die jeweilige Hochschule für fünf Jahre neue Zielvereinbarungen auszuhandeln, selbstverständlich mit kompetenter Beratung durch die dann auch neu installierten Hochschulräte, deren Mitglieder ihre Tätigkeit auch gerade erst begonnen haben, sodass man sich freuen kann, wenn diese schon wissen, wie der Name der Hochschule lautet, für die sie tätig werden sollen.

Herr Austermann, herzlichen Glückwunsch, dass Sie den schleswig-holsteinischen Hochschulen und sich selbst ein so schönes neues Hochschulgesetz beschert haben!

Ich komme noch zu einem zweiten Beispiel und ich wundere mich, dass die Koalitionsfraktionen noch nicht einmal in diesem Punkt die Kraft gehabt haben, Änderungen gegenüber der Regierungsvorlage vorzusehen. Nach § 63 Abs. 1 sollen Professoren in Zukunft grundsätzlich zunächst einmal auf Zeit, nämlich auf zwei Jahre, berufen werden. Diese neue Regelung wird die potenziellen Bewerber bei vielen vakanten Professorenstellen natürlich ungeheuer faszinieren und Schleswig-Holstein zu einem Magneten für hoch qualifizierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler machen, insbesondre, wenn nach § 62 Abs. 2 vorgeschrieben wird, dass bei Ausschreibungen von Professorenstellen Art und Umfang der angebotenen Stellen ausdrücklich mit zu nennen sind. Da werden sich hoch qualifizierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nachhaltig für den Hochschulstandort in anderen Bundesländern interessieren, aber weniger für so attraktive Stellen wie im Land Schleswig-Holstein.

Sie werden mit diesem Gesetz überhaupt nur über die Runden kommen - jedenfalls bei der Anwerbung eines qualifizierten Hochschullehrerperso

(Dr. Ekkehard Klug)

nals -, wenn Sie die im Gesetz vorgesehenen diversen Ausnahmemöglichkeiten in Zukunft zum Regelfall machen und dies ausdrücklich bei Ausschreibungen andeuten, dass es diese Ausnahmemöglichkeiten gibt. Tolles Gesetz.

Meine Damen und Herren, mein ceterum censeo zum Thema Hochschulräte. Mein junger Kollege aus Ratzeburg, Herr Herbst, und Herr Weber haben einen kleinen historischen Exkurs vorgenommen, sind dabei aber nicht auf das Naheliegende gestoßen, dass nämlich Sowjet schlicht und ergreifend das russische Wort für Rat ist.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Man darf nicht zu viel erwarten!)

Wenn Sie sich auf der Internetseite der Vereinten Nationen in New York einmal umsehen, finden Sie dort den Weltsicherheitsrat als Sowjet besopassnossti oder die Menschenrechtskommission der UNO als sowjet po prawam tscheloweka. Herr Kollege Herbst, wenn Sie, Einwände gegen die Verwendung dieses Begriffs haben, müssten Sie sich schon an Khofi Annan oder dessen Nachfolger wenden, um Ihr Votum allgemein durchzusetzen.

Meine Damen und Herren, die Konstruktion eines gemeinsamen Universitätsrats für die drei schleswig-holsteinischen Universitäten bleibt eine politische Missgeburt. Kein anderes Bundesland leistet sich eine derart komplizierte Gremienstruktur wie Schleswig-Holstein, wobei bei den beiden Universitäten mit Medizinischen Fakultäten auch noch der Medizinausschuss dazukommt, der die Komplexität weiter steigert.

Hochschulräte - das ist richtig - gibt es in diversen Bundesländern, aber was ihre Kompetenzen angeht - da wissen Sie auch -, ist die Situation kunterbunt. Schauen Sie sich dazu die Übersicht an, die in der Zeitschrift „Forschung und Lehre“ kürzlich veröffentlicht worden ist. Da gibt es eine ganze Reihe von Ländern, in denen die Räte entweder nur Beratungsfunktionen haben, oder wo - wie in Niedersachsen - in allen entsprechenden Spalten steht: „keine Zuständigkeit“ oder „keine Stellungnahme“.

(Zuruf)

Es ist in der Tat ein buntes Bild, aber man muss nicht unbedingt das nachmachen und mit dem gemeinsamen Universitätsrat eine Dimension noch weitertreiben, was anderswo auch verkehrt läuft.

Meine Damen und Herren, die fünfköpfigen Hochschulräte beziehungsweise der neunköpfige Universitätsrat sollen ehrenamtlich tätig sein. Ehrenamtlichkeit und Umfang der ihnen zugeordneten Aufgaben sind schlicht und ergreifend unvereinbar.

Dass ehrenamtliche Räte nebenbei wesentliche Beschlusskompetenzen sachgerecht wahrnehmen können, ist schlechterdings nicht vorstellbar. Insoweit wird es - wenn es überhaupt so funktioniert - eher zu einer im Stillen laufenden Einflussnahme der Apparate, der zuarbeitenden Geschäftsstellen und der Apparatschiks im Hintergrund kommen. Das ist eine falsche Entwicklung. Die Verantwortung ist nicht klar zuzuordnen. Auf diese Probleme habe ich schon in der ersten Lesung hingewiesen. Dabei will ich es belassen.

Ich will einen weiteren Punkt erwähnen und wundere mich, dass es die beiden Koalitionsfraktionen nicht wenigstens in diesem Punkt geschafft haben, die Vorlage des Ministeriums abzuändern. Nach dem Gesetzentwurf sollen die Kanzler der Hochschulen bei Meinungsverschiedenheiten im Hochschulpräsidium den Hochschulrat beziehungsweise den gemeinsamen Universitätsrat zur Letztentscheidung anrufen können. Falls diese Klausel jemals mit Erfolg angewandt werden sollte, würden die auf solche Weise ausgebooteten Präsidenten der Hochschulen jede Autorität verlieren. Damit würde man sie automatisch de facto zu Hampelmännern machen.

(Beifall bei der FDP)

Dass ein solche Konstruktion so etwas wie eine handlungsfähige, auch mit Autorität ausgestattete Hochschulleitung ermöglicht, können Sie, Herr Minister, wirklich niemandem erzählen, und auch die Kolleginnen und Kollegen aus den Regierungsfraktionen können das niemandem weismachen.

Alles in allem muss ich leider sagen: Das wird das schlechteste Hochschulgesetz sein, das dieses Land je hatte. Ich habe mir in den ersten 13 Jahren meiner Zugehörigkeit zum Schleswig-Holsteinischen Landtag nicht vorstellen können, dass ich einmal dem Wirken einer sozialdemokratischen Wissenschaftsministerin nachtrauern würde. Aber, ich muss sagen: Herr Austermann, Sie haben uns gezeigt, dass man dieses in der Tat noch unterbieten kann.

(Beifall bei FDP und SSW)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Klug.

Die Bildungsexperten haben mich darauf hingewiesen, dass auf der Besuchertribüne auch Mitglieder des Studierendenausschusses der CAU Kiel anwesend sind. - Auch Sie sind uns selbstverständlich herzlich willkommen!

(Beifall)

(Dr. Ekkehard Klug)

Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat nun die Frau Abgeordnete Angelika Birk das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Hochschulgesetz entmündigt die Hochschulen und es entmündigt auch uns, den Landtag. Statt mehr Autonomie gibt es mehr Bürokratie und diese wird die Hochschulen auf ihren Weg zu mehr Exzellenz behindern. Leidtragende sind die Studierenden insbesondere der zukünftigen Generationen, wenn sie in zahlenmäßig starken Jahrgängen auf die Hochschulen zukommen.

Der Wissenschaftsminister gängelt den wissenschaftlichen Nachwuchs. Sie, Herr Austermann, haben alle Hochschulen gegen sich und die Landesregierung aufgebracht. So schaden Sie auch der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes.

Wir haben als einzige Fraktion sehr früh einen Änderungsantrag vorgelegt, der die Hochschulen zukunftsfähig macht, weil er Probleme löst. Er greift wesentliche Forderungen der Landesrektorenkonferenz, der ASten, der Frauenbeauftragten und der Fachhochschule Kiel auf.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Austermann, manchmal habe ich den Eindruck, Sie haben die Aufgabe, die sich mit dem Amt, das Sie innehaben, verbindet, immer noch nicht begriffen. Die Hochschulen stehen vor riesigen Herausforderungen. Sie brauchen politische Unterstützung, nicht politischen Gegenwind.

Was haben wir vor uns? Starke Jahrgänge von Studierenden, eine völlige Neuordnung des Studiums nach Verabredung des europäischen Bologna-Prozesses ist mitten im Gange. Wir brauchen nach wie vor flächendeckend eine didaktische Verbesserung und Internationalisierung der Lehre an allen unseren Hochschulen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dazu braucht es Evaluation, allerdings nicht mehr Fliegenbeinezählen, sondern neue Verabredungen, auch Freiraum für Experimente und Fortbildung in diesem Bereich. Auch ist die Neuorientierung der Lehrerbildung dringend notwendig. Die Schuldebatte von vorhin haben Sie alle noch im Ohr. Nach wie vor besteht ein großer Nachholbedarf bei der Beteiligung von Frauen an der Wissenschaft. Schließlich besteht die große Herausforderung, sich auf dem jeweiligen Gebiet im internationalen Wettbewerb als exzellente Hochschule zu profilieren. Jede Hochschule ist hier gefordert, und auch

hierfür braucht sie Rückenwind und keine bürokratischen Fesseln.

Was sind die Antworten der Großen Koalition nach der Gesetzesvorlage? - Vor wenigen Monaten wurde durch die Landesregierung die Anzahl der neuen Studierenden in unserem Land noch bagatellisiert und Studiengebühren wurden als Allheilmittel gegen den Ansturm junger Leute auf Schleswig-Holstein beschworen. Wir brauchen aber diesen Ansturm, hier und in allen anderen Bundesländern. In Deutschland studieren immer noch zu wenige. Alle Studierenden haben das Recht auf gute Lernbedingungen.

Bei den Studiengebühren haben Sie sich immerhin durchgesetzt. Glückwunsch, Herr Weber. Diese gibt es zunächst nicht. Ich hoffe, das „zunächst“ dauert sehr lange.

Positiv zu erwähnen ist - dies wurde bereits gesagt -, dass der Antrag von SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN aufgegriffen wurde, sodass Berufserfahrene und Fachschulabsolventen einen leichteren Zugang zu den Hochschulen erhalten, dass sich also sekundärer und tertierer Sektor vernetzen. An dieser Baustelle müssen wir weiterarbeiten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das einzige Rezept, das die Große Koalition in letzter Minute ins Gesetz schreibt, um den hohen Zahlen der Studierenden gerecht zu werden, ist eine Ausdehnung von Honorarlehrverträgen bei Pflichtlehrveranstaltungen, also die billigste Form der Mangelverwaltung. Ich kann den Studierenden nur raten: Schauen Sie sich die Rahmenbedingungen an der Musikhochschule zu Lübeck an. Über die Hälfte der Pflichtveranstaltungen wird dort von Honorarkräften durchgeführt. Auch Prüfungen werden von ihnen abgenommen, die Prüfungsordnung gemacht. Diese Leute sind seit 15 Jahren nicht höher honoriert worden. Sie werden jedes halbe Jahr neu eingestellt und dann wieder entlassen. Dass die Musikhochschule dennoch ausgezeichnete Ausbildung leistet, ist nur der Selbstausbeutung dieser Leute zu verdanken. So stellen wir uns jedenfalls die Wissenschaftler der Zukunft nicht vor.