Protokoll der Sitzung vom 27.05.2005

Vielen Dank, Herr Präsident! Gestatten Sie mir nur zwei kurze Feststellungen. Herr Minister, ich stelle fest, dass in Ihrer Rede zwei unterschiedliche Positionen vertreten worden sind. Die erste heißt im Klar

(Anne Lütkes)

text, eigentlich müsste man dem Antrag der FDP zustimmen. Das ist eine indirekte Empfehlung der Landesregierung an dieses Parlament. Zum Schluss sagen Sie doch noch: In gewisser Weise ist die Bundesrepublik doch gehalten, die Antidiskriminierungsrichtlinien der EU umzusetzen. Diesen Widerspruch müssten Sie erläutern.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das steht bei uns auch drin: Eins zu eins umsetzen!)

Meine Damen und Herren, der Herr Minister hat eben sehr deutlich gesagt, dass er im Grunde kein neues Gesetz befürwortet. Ich bitte ihn nachdrücklich, dies zu erläutern; denn es ist eine widersprüchliche Rede.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Herr Minister, Sie haben es verstanden. Ich wäre dankbar, wenn Sie es noch ergänzten.

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Döring das Wort.

Ich habe deutlich erklärt, Frau Lütkes: Hätte man diese ganze Diskussion nicht gehabt, wären wir damit längst im Bundesgesetzblatt. Das heißt, die Richtlinie ist umzusetzen. Es ist europäisches Recht. Sie ist eins zu eins umzusetzen. Der vorliegende Gesetzentwurf geht darüber hinaus. Aus diesem Grunde empfehle ich die Anrufung des Vermittlungsausschusses.

(Beifall bei SPD, CDU und FDP)

Zu einem weiteren Beitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich nunmehr der Frau Abgeordneten Monika Heinold von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Erklärung des Ministers entspricht dem FDP-Antrag. Ich bitte die Fraktionen von CDU und SPD zu erklären, warum sie einen eigenen Antrag vorlegen, wenn die große Koalition dem Antrag der FDP zustimmt.

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Dafür haben wir Verständnis!)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Damit treten wir in die Abstimmung ein.

Herr Abgeordneter Dr. Garg, habe ich es richtig verstanden, dass Sie alternative Abstimmung gefordert haben?

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Ja!)

Widerspricht jemand? -

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Wir widersprechen!)

Damit ist alternative Abstimmung nicht möglich und wir kommen zur Abstimmung in der Sache, es sei denn, es würde von irgendjemandem Ausschussüberweisung beantragt. - Das ist nicht der Fall.

Ich rufe zunächst den Antrag Drucksache 16/77 auf. Wer diesem Antrag der FDP-Fraktion zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag mit den Stimmen der Fraktionen von CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW gegen die Stimmen der Fraktion der FDP abgelehnt.

Ich komme damit zum Antrag Drucksache 16/93. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist dieser Antrag mit den Stimmen der Fraktionen der CDU, der SPD und der Abgeordneten des SSW gegen die Stimmen der Fraktionen von FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN angenommen.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 26:

Vermittlung von Ausbildungsplätzen an Kinder von ALG-II-Empfängern

Antrag der Abgeordneten des SSW Drucksache 16/83

Antrag der Fraktionen von CDU und SPD Drucksache 16/91

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das sehe ich nicht. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat für die Abgeordneten des SSW der Herr Abgeordnete Lars Harms. - Bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der SSW hat sich bei Hartz IV von Anfang an insbesondere gegen die finanziellen Folgen für die Betroffenen, zum Beispiel auch die älteren Arbeitslosen, gewandt. Es kann nicht angehen, dass beispielsweise Menschen, die über 30 Jahre in die Arbeitslo

(Lars Harms)

senkasse einzahlen, schon nach sehr kurzer Zeit zu Arbeitslosengeld-II-Empfängern degradiert werden.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug [FDP])

Angesichts des kommenden Bundestagswahlkampfes scheint ja nun Bewegung in die Sache gekommen zu sein. Sogar die CDU fordert jetzt Änderungen an diesem Teil von Hartz IV. Man kann nur hoffen, dass es sich nicht nur um Wahlkampfversprechungen handelt, sondern dass es da nach der Bundestagswahl wirklich zu Änderungen kommt.

Es gibt allerdings noch viele andere Bereiche dieser Reform, die dringend geändert werden müssen; denn die größte Arbeitsmarktreform in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland entwickelt sich nicht nur zunehmend zu einer finanziellen Katastrophe für Bund und Kommunen, sondern erscheint bisher auch in dem entscheidenden Kernbereich, nämlich der Vermittlung von Arbeitslosen, voller Fehler und Ungereimtheiten.

Ein aus Sicht des SSW besonders schlimmer Fall ist die Ungleichbehandlung der Kinder von Arbeitslosengeld-II-Empfängern bei der Vermittlung von Ausbildungsplätzen. Denn eine Folge der Hartz-IVGesetzgebung ist, dass die Bundesagentur für Arbeit in den vom Gesetz über die Bedarfsgemeinschaften umfassten Kreisen und Städten zurzeit keinerlei Vermittlungsanstrengungen für Jugendliche unternimmt, deren Eltern Arbeitslosengeld II beziehen. Das liegt daran, dass die Zuständigkeit laut Gesetz bei den Arbeitsgemeinschaften oder optierenden Kreisen liegt. Während Jugendliche also überlicherweise von der Arbeitsagentur in Ausbildungsplätze vermittelt werden, bekommen Minderjährige aus ALG-II-Haushalten diese Unterstützung nur bei den Arbeitsgemeinschaften oder den optierenden Kreisen. Die Arbeitsagenturen verweigern diesen Jugendlichen die Vermittlungsleistung und können sich dabei auf Hartz IV berufen. Nun muss die fachliche Expertise für diesen Bereich auch in den Arbeitsgemeinschaften und bei den optierenden Kreisen vorgehalten werden. Das ist kaum möglich und führt zu Problemen und zur Ungleichbehandlung bei den Betroffenen und sollte eigentlich gerade nicht Ziel einer fortschrittlichen Gesetzgebung sein.

(Beifall beim SSW)

Die Landesregierung muss sich deshalb dafür einsetzen, dass diese Ungleichbehandlung der Kinder von Arbeitslosengeld-II-Empfängern so schnell wie möglich gestoppt wird. Es darf nicht vom Status der Eltern abhängen, welche Unterstützung Jugendliche bei der Ausbildungsplatzsuche bekommen. Aber leider ist

dieses bei Hartz IV die Realität. Es kann nicht wahr sein, dass die Schulabgänger sich in zwei Reihen aufstellen müssen, je nachdem, ob die Eltern ALG-II beziehen oder nicht. Die Landesregierung muss sich dafür einsetzen, dass dieser Webfehler in Hartz IV so schnell wie möglich beseitigt wird und die Beratung und Vermittlung aller Jugendlichen wieder aus einer Hand erfolgt.

Darüber hinaus besteht das zusätzliche Problem, dass für die Eingliederung der Jugendlichen in Ausbildung und Arbeitsmarkt sehr unterschiedliche Finanzmittel vorhanden sind, je nachdem, ob ihre Eltern länger als ein Jahr arbeitslos sind oder nicht. Aufgrund der ständig wachsenden Zahl von ALG-II-Empfängern steht für die Förderung nach dem Sozialgesetzbuch II wesentlich weniger Geld pro Kopf zur Verfügung als nach dem Sozialgesetzbuch III. In der Praxis kann für die berufliche Integration von Minderjährigen aus ALG-II-Haushalten im Durchschnitt weniger als die Hälfe dessen eingesetzt werden, was für andere Jugendliche pro Kopf zur Verfügung steht. Die rotgrüne Bundesregierung kann nicht ernsthaft wollen, dass es vom sozialrechtlichen Status des Elternhauses abhängt, wie viel Hilfe ein Jugendlicher bekommen kann. Da dieser Missstand aber offensichtlich noch niemandem in Berlin aufgefallen ist, muss unsere Landesregierung hier Nachhilfeunterricht erteilen. Diese Ungerechtigkeit auf Kosten der jungen Menschen muss so schnell wie möglich beseitigt werden. Ich habe vernommen, dass sich der Wirtschaftsminister der Sache schon angenommen hat, und würde mich freuen, wenn wir heute erfahren könnten, wie schnell und auf welche Art und Weise dieser Missstand geändert werden kann.

(Beifall bei SSW und FDP)

Vielen Dank. - Für die Fraktion der CDU erteile ich dem Herrn Abgeordneten Torsten Geerdts das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Bei der praktischen Umsetzung der Hartz-Reform kommt es immer wieder zu konkreten Problemen. Offen gesagt, mir wäre es lieber, die Bundesagentur für Arbeit würde sich stärker um ihre Hauptaufgabe, die Vermittlung von Arbeitssuchenden, kümmern, statt sich ein viel zu teures Outfit zu verpassen.

(Beifall bei CDU, SPD, FDP und SSW)

Ich möchte aber auch die Gelegenheit nutzen, um im Namen der CDU-Landtagsfraktion der Landesregierung für ihre Initiative zu danken, Aufgaben der Bun

(Torsten Geerdts)

desagentur für Arbeit so weit wie möglich auf die regionale Ebene herunterzubrechen. Ich weiß, warum der Kollege Garg jetzt schmunzelt. Das kann ich auch nachvollziehen. Aber es ist besser, wenn man etwas, was richtig ist, mit zeitlicher Verzögerung macht, als wenn man es ganz beiseite schiebt.

(Beifall bei CDU und FDP)

Die Arbeitsmarktreformen werden nur dann gelingen, wenn mehr Aufgaben von den Mitarbeitern wahrgenommen werden, die vor Ort sind und einen konkreten Bezug zur Wirtschaft, zu den Verwaltungen und zur Politik haben. Mit der Verabschiedung der HartzGesetze ist die Arbeit also überhaupt nicht erledigt. Es ist unsere Aufgabe, ihre Wirksamkeit immer wieder zu hinterfragen.

Nachdem die Bundesagentur vor einiger Zeit erklärt hat, für ältere Arbeitslose im Osten nichts tun zu können, ist sie nun offenbar auch nicht ausreichend imstande, den unter 25-Jährigen ein Angebot für Arbeit, Ausbildung oder Arbeitsgelegenheit zu machen. Aber genau das verlangt das Gesetz, und zwar nicht irgendwann, sondern jetzt. Das neue Ausbildungsjahr beginnt am 1. August 2005.

Ziel von Hartz IV war nicht allein die Leistungskürzung, sondern vor allem eine bessere und intensivere Betreuung der arbeitslosen Menschen. „Fördern und fordern“ hat die Bundesregierung dieses Konzept genannt. Das Fördern - ich meine, darüber muss man ernsthaft reden - darf jetzt nicht unter die Räder kommen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Aus diesem Grunde danken wir auch dem Kollegen Lars Harms für den von ihm eingebrachten Antrag. Wir sind uns in der Zielrichtung, Schulabgängerinnen und Schulabgänger erfolgreich in ein Ausbildungsverhältnis zu vermitteln, natürlich völlig einig.