Liebe Kollegin Schümann, ich teile die Aussage, dass es gut ist, dass man daran denkt, im Bereich Palliativmedizin, im Bereich geriatrische Versorgung in Zukunft etwas zu tun. Dann muss man aber so ehrlich sein und gleichzeitig auch die Finanzierung dieser zusätzlichen Leistungen sichern. Genau das ist nicht passiert. Trotz zusätzlicher Beiträge, die erhoben werden, trotz der Beitragssteigerung sind all die additiv hinzugekommenen Leistungen noch nicht einmal finanziell abgesichert. Meine Damen und Herren, das ist eine Frechheit. Es ist eine Frechheit denjenigen gegenüber, die auf solche Leistungen hoffen, zu erklären oder weismachen zu wollen, es verbessert sich etwas, obwohl man genau weiß, dass die Finanzierung genau dafür noch nicht gewährleistet ist.
Das ist der Hintergrund. Ich weiß, dass Sie das weder mir noch dem Kollegen Kubicki noch dem Kollegen Harms oder der Kollegin Heinold glauben wollen. Wenn Sie es uns nicht glauben, dann glauben Sie Ihren eigenen Politikern, Friedrich Merz, Herrn Lauterbach, Herrn Rix oder wie sie auch alle heißen
Dann glauben Sie es Ihren eigenen Leuten und nehmen Ihre Verantwortung in dem Fall wirklich wahr und sorgen dafür, dass Ihre Landesregierung, die Sie mittragen, diesen Gesetzentwurf im Bundesrat ablehnt. Es geht nicht um die Gesichtswahrung einer Kanzlerin,
es geht um 82 Millionen potenzieller Patientinnen und Patienten. An die müssen Sie als Erstes denken und an die müssen Sie als Zweites und als Drittes denken. Irgendwann kann die Union dann meinetwegen auch an Angela Merkel denken und noch einmal von vorn anfangen, eine richtige Reform gern auch mit den Sozialdemokraten in dieser Legislaturperiode - auf die Beine zu bringen.
Aber das, was hier ausschließlich um des Kompromisses willen, damit Sie 500 Seiten Papier neu bedrucken können, vorgelegt wurde, das darf keine Zustimmung - jedenfalls nicht im Bundesrat - finden, vor allen Dingen nicht mit den Stimmen Schleswig-Holsteins.
Für die Landesregierung erteile ich der Ministerin für Soziales, Gesundheit, Familie, Jugend und Senioren, Frau Dr. Gitta Trauernicht, das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Einmischen und mitmischen, Kompromisse aushandeln das ist der Kern politischen Handelns. Das gilt jedenfalls für die verantwortliche Regierungspolitik, für die Opposition mag das anders sein. Das gilt natürlich auch für die Gesundheitsreform. Dass man dazu einen langen Atem braucht, das ist keine Frage. Ich kann Ihnen versichern, diesen langen Atem hat die schleswig-holsteinische Landesregierung, wenn es um die Gesundheitspolitik und um die Interessen der Bevölkerung unseres Landes geht.
Es war in der Tat gut so, dass ich als Landesministerin die Gelegenheit hatte, dicht dran an diesem Geschehen zu sein. Denn nur dadurch war es möglich, in bestimmte Themen den nötigen Drive hineinzubekommen. Das gilt zum Beispiel für die Steuerfinanzierung, das gilt für das Thema der Budgetabsenkung der Krankenhäuser und das gilt auch für andere Themen. Das werde ich im Verlauf dieses Beitrages noch deutlich machen.
Zunächst einmal: Die Landesregierung hat ganz klar erklärt, sie wird ihre Zustimmung davon abhängig machen, dass sie nach der Gesundheitsreform nicht schlechter dasteht als zuvor. Wenn denn richtig war, was Fachleute vor einigen Monaten hinsichtlich der Finanzströme in die Debatte gebracht haben, dann kann ich einen ersten Erfolg vermelden. Das Gutachten von Rürup hat nach bisherigen Erkenntnissen zur Folge, dass wir mit einer schwarzen beziehungsweise einer roten Null rechnen können. Das ist eine eindeutige Sachlage.
Ich sage Ihnen aber auch ganz klar, meine sehr geehrten Damen und Herren: Wir müssen weiter achtsam sein. Denn die Südländer, allen voran Bayern, hören nicht auf, den Versuch zu unternehmen, sich aus der Verantwortung des Solidarsystems zu stehlen. Sie verlangen noch heute, dass sie ihre Ärzte besser bezahlen können, und sie arbeiten darauf hin, dass es speziell für die Bürgerinnen und Bürger in Bayern keine Zusatzbeiträge geben soll. Das heißt, sie haben ihren länderspezifischen Egoismus immer noch nicht zurückgestellt, deshalb gilt es an dieser Stelle, den Kopf nicht in den Sand zu
stecken, sondern weiterzukämpfen und aufzupassen, dass das nicht passiert. Wir befinden uns noch im Gesetzgebungsverfahren.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe hartnäckig das Thema der Budgetabsenkung für unsere Krankenhäuser problematisiert. Die Gesundheitspolitiker des Bundestages wollen, so jedenfalls ist die Absicht, die Belastung auf 250 Millionen € senken. Sie erinnern sich, wir sprachen schon einmal über 750 Millionen € insgesamt. Ich denke, dass es gut war, dass wir von SchleswigHolstein aus dieses Thema so hartnäckig vertreten haben, denn in der Tat macht es einen bemerkenswerten Unterschied, ob man mit 500 Millionen €, 750 Millionen € oder 250 Millionen € dabei ist. Um es deutlich zu machen: 250 Millionen € würden, wenn es denn so beschlossen würde, für SchleswigHolstein 8 Millionen € bedeuten - nicht 80 Millionen €, wie Herr Garg immer in die Diskussion bringt -, bei einem Gesamtbudget von 1,6 Milliarden €.
Wir haben dieses Thema vorangetrieben und wir haben für weitere Verhandlungen zur gerechten Finanzierung unserer Krankenhäuser den Fuß in der Tür. Wir werden auf der Sonderkonferenz zu dieser Thematik unsere Interessen noch weiter durchsetzen können. Auch der Widerstand gegen die dreiprozentige Kürzung der Rettungsdienstkosten, auf die vermutlich verzichtet wird, ist von uns mit besonderer Verve vertreten worden. Auch das würden und werden die Menschen im Land spüren, denn wenn es zu dieser Kürzung gekommen wäre, dann wären sie mit großer Wahrscheinlichkeit selbst zur Kasse gebeten worden und das wollten wir verhindern.
Ein anderes Thema war die langfristige Finanzierung. Hier haben wir deutlich gemacht, dass Nachhaltigkeit nur dadurch gesichert werden kann, dass die Steuerfinanzierung verbindlich gemacht wird. Wir sind das einzige Land, das einen solchen Antrag im Bundesratsverfahren auf den Weg gebracht hat, und nicht zur Freude aller haben wir dieses Thema ständig aufrechterhalten. Es gibt Bewegung in unsere Richtung. In der Tat kann ich eine neuere Information zur Kenntnis geben, denn heute Mittag war Staatssekretär Schröder aus dem Bundesgesundheitsministerium in Schleswig-Holstein und hat uns über die letzten Entwicklungen informiert. Nach den vorliegenden Informationen wird es einen Gesetzentwurf geben, in dem die Steuerfinanzierung, und zwar die Aufstockung um jährlich 1,5 Milliarden € bis zu einer Gesamthöhe von 14 Milliarden €, enthalten ist. Wenn das so weit
käme, dann würden wir mit unseren Forderungen ein ganzes Stück vorwärtsgekommen sein. Das wäre wirklich ein Erfolg und dafür hat sich das Kämpfen gelohnt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie haben es schon deutlich gemacht, nicht zu vernachlässigen ist die Tatsache, dass mit diesem Gesetz die Versorgungsstruktur verbessert werden soll. Die integrierte Versorgung, die Palliativmedizin, die MutterKind-Kuren - all dies haben wir ausführlich debattiert. Es gibt eine weitere Neuerung, die ich sehr spannend finde. Der Anspruch auf geriatrische Rehabilitation ist erweitert worden um den gesetzlichen Anspruch auf Rehabilitation insgesamt. Das bedeutet für unser Gesundheitsland Schleswig-Holstein auch einiges. Denn auch hier geht es um Arbeitsplätze und die Versorgung der Menschen.
Die jüngst vereinbarte Versicherungspflicht ist ein Meilenstein, der noch unterschätzt wird. Ich denke, dass wir in einem Land leben wollen, in dem jeder Mensch gesetzlich krankenversichert ist oder privat, mir wäre es lieber, alle würden in ein Gesamtsystem einzahlen. Auf jeden Fall ist die Versicherung jedes Menschen ein Meilenstein für einen verlässlichen Sozialstaat. Keinen zurücklassen, jeden mitnehmen, das ist das Prinzip moderner Sozialpolitik.
Der von der Bundesregierung jüngst als Durchbruch bezeichnete Sachstand - von mir übrigens als Kompromiss des Kompromisses bezeichnet; das hat Herrn Garg offensichtlich gut gefallen - ist natürlich kein Anlass zum Jubeln. Es handelt sich um einen äußerst komplexen Kompromiss mit Vorund Nachteilen für die beiden politischen Verhandlungspartner. Nichtsdestotrotz, wir haben mit dieser Gesetzesgrundlage einen Schritt nach vorn geschafft, die Versorgungsstrukturen zu verbessern, die Finanzierung in den Blick zu nehmen und darüber hinaus die Organisationsstrukturen insgesamt zu verändern, um handlungsfähiger zu sein. Handlungsfähigkeit war ebenfalls ein Stichwort, das ich in den Verhandlungen mit Verve vertreten habe. Ich will die Handlungsfähigkeit auf Landesebene. Hier gibt es neue Entwicklungen mit Blick auf die Aufrechterhaltung regionaler Strukturen beim VdAK oder auch der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holsteins. Hier ging es darum, dass die Handlungsfähigkeit der Akteure in unserem Land jedenfalls weitgehend erhalten bleibt.
Position ein. Man lässt die Menschen im Land allein. Die sind existenziell auf eine funktionierende Gesundheitsversorgung angewiesen. Wir können uns keine Fundamentalopposition leisten. Wir übernehmen Regierungsverantwortung. Wir werden diese Verantwortung wahrnehmen. Wir machen unseren Einfluss gelten, und zwar bis zum letzten Atemzug.
Wir werden auf der Basis des Gesetzentwurfs, der mit vielen Änderungen, die jetzt noch im Gespräch sind, voraussichtlich am 2. Februar vom Bundestag verabschiedet wird, unsere Position für den zweiten Durchgang im Bundesratsverfahren am 16. Februar festlegen. Wir werden dies auf der Basis dieses Gesetzentwurfs in der notwendigen Solidität tun. Darauf können Sie sich verlassen.
Ich gehe davon aus, dass in der Sache abgestimmt werden soll. - Dann bitte ich um das Handzeichen, wer dem Antrag Drucksache 16/1183 seine Zustimmung geben will. - Gegenprobe! - Enthaltungen? Damit ist dieser Antrag mit den Stimmen von CDU und SPD gegen die Stimmen von FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW abgelehnt.
Meine Damen und Herren, es ist vereinbart worden, dass wir heute keinen weiteren Tagesordnungspunkt aufrufen. Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend. Wir sehen uns morgen früh um 10 Uhr.
Herausgegeben vom Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landtags - Stenographischer Dienst und Ausschussdienst