Protokoll der Sitzung vom 25.01.2007

Nehmen Sie Ihren Parteifreund Töpfer ernst! Dieser sagte nämlich neulich, Umweltschutz sei kein Arbeitsplatzkiller, sondern der Arbeitsplatzknüller des 21. Jahrhunderts.

Last but not least - das wollen wir nicht vergessen brauchen wir eine engagierte Familien- und Frauenpolitik, damit nicht die Hälfte unserer geistigen Ressourcen auf dem Weg in die Zukunft ins Abseits gestellt wird.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb möchte ich enden mit einem Zitat von Dr. Heike Grimm vom Max-Planck-Institut zur Erforschung von Wirtschaftssystemen an der Universität in Erfurt. Es stammt aus einem Impulsreferat, das sie vor zwei Jahren auf dem Kongress „fore/ sight - Strategien für die Gesellschaft von morgen“ in München gehalten hat. Ich finde, es lohnt sich manchmal auch, ein Impulsreferat zu zitieren, das in München gehalten worden ist.

„Der Hase, von Natur her ein qualifizierter Sprinter, lässt vom Start weg den Igel weit hinter sich; trotzdem ist der Igel schon am Ziel, als der Hase ankommt. Der Igel arbeitet mit einem Trick. Er setzt seine Frau als Doppelgänger ein…“

(Heiterkeit - Wolfgang Kubicki [FDP]: Das Märchen geht anders! - Heiterkeit)

- Sie kennen das Märchen wahrscheinlich nicht. Aber das macht nichts.

„Obwohl im Wettbewerb an sich ohne Chance, verlässt der Igel das Feld als Sieger. Moral: Es kommt nicht darauf an, was man in den Knien, sondern was man auf dem Kasten hat.“

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP] - Heiterkeit)

- Kommen Sie zur Ruhe, Herr Kubicki! Ich weiß, dass Sie so etwas erheitert. Aber gestatten Sie mir nun meinen Schlusssatz.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das ist aber ty- pisch Grüne: Kein fairer Wettbewerb, son- dern betrügen! - Heiterkeit und vereinzelter Beifall bei der CDU)

- Deshalb habe ich es ja nicht selber gesagt, sondern das Ergebnis einer wissenschaftlichen Analyse der Universität Erfurt zitiert. Dagegen zu argumentieren, dürfte für Sie problematisch sein.

Ich möchte ergänzen: Wenn Mann und Frau ihre Kräfte bündeln -

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Rammeln statt gammeln! - Heiterkeit)

- Frau Präsidentin, nun müssen Sie doch einmal zur Glocke greifen.

(Glocke der Präsidentin)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte lassen Sie doch den Fraktionsvorsitzenden von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN seinen Schlusssatz - mit Ihrer Aufmerksamkeit - formulieren!

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Größer könnte sie gar nicht sein!)

Ich möchte zum Schluss sagen: Wenn Mann und Frau ihre Kräfte bündeln, dann kann sogar der langsame schleswig-holsteinische Igel den schnellen Münchner Hasen schlagen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke dem Fraktionsvorsitzenden Karl-Martin Hentschel und erteile für den SSW im SchleswigHolsteinischen Landtag Herrn Abgeordneten Lars Harms das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das neue Zukunftsprogramm SchleswigHolstein mit seinen vier Säulen ist auch inhaltlich das Nachfolge- und Anschlussprogramm des Landesprogramms ziel, das einst von der rot-grünen

(Karl-Martin Hentschel)

Landesregierung unter Heide Simonis ins Leben gerufen wurde. Durch die Bündelung der EU-Programme EFRE und ESF, gekoppelt mit GA-Mitteln des Bundes und eigenen Landesmitteln, hat Schleswig-Holstein auch in der Förderperiode 2007 bis 2013 wieder ein vielfältig einsetzbares milliardenschweres Investitionsprogramm, um die wirtschaftliche Entwicklung in unserem Land voranzubringen. Das begrüßt natürlich auch der SSW.

Wir können uns darüber freuen, dass es uns allen gemeinsam gelungen ist, die europäische Ebene davon zu überzeugen, dass die strukturschwachen Regionen in den alten EU-Ländern trotz der Osterweiterung weiterhin mit Mitteln aus Brüssel gefördert werden sollten. Vor dem Hintergrund, dass viele der neuen EU-Länder weitaus größere soziale und regionale Probleme haben als wir in SchleswigHolstein, ist die Fortsetzung der EU-Regional- und -Sozialförderung auf sehr hohem Niveau kein Selbstgänger gewesen. Die parteiübergreifende Einigkeit und die Unterstützung des Landtages für dieses Ziel haben es ermöglicht, dass die verschiedenen Landesregierungen in den letzten Jahren gemeinsam mit anderen betroffenen Bundesländern erfolgreiche Verhandlungen in Brüssel führen konnten.

Die Neugestaltung der Programme des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung und des Europäischen Sozialfonds basiert auf der Umsetzung der sogenannten Lissabon-Strategie, die das Ziel hat, dass die Europäische Union bis zum Jahre 2010 zur wirtschaftlich stärksten Region der Erde werden soll. Deshalb sind die verschiedenen Förderprogramme weitaus stärker als die vorherige EU-Regionalförderung auf Innovation und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen sowie auf Ausund Weiterbildung der Arbeitnehmer und der Arbeitslosen ausgerichtet. Innerhalb dieser EU-Vorgaben ist es nun die Aufgabe der Landesregierung, die entsprechenden Landesprogramme kreativ und zielgerichtet zu gestalten und umzusetzen.

Dabei hat - ich will das nicht verhehlen - die Neuausrichtung der Regionalförderung mit dem Zukunftsprogramm Wirtschaft im letzten Jahr zu einiger Unruhe in den strukturschwachen Regionen, insbesondere im nördlichen Landesteil und an der Westküste, geführt. Denn mit dem neuen Programm wird das Fördergebiet jetzt auf das ganze Land ausgeweitet werden. Im alten Regionalprogramm 2000 war die Förderkulisse noch ausdrücklich auf den nördlichen Landesteil, die Westküste, Ostholstein und einige Teile der kreisfreien Städte konzentriert. Das Motto der Landesregierung laute

te damals: Was dem Hamburger Rand nützt, ist gut für ganz Schleswig-Holstein.

Dieses Motto überzeugte uns im Norden des Landes nicht. Der SSW registriert aber mit Genugtuung, dass der Wirtschaftsminister jetzt im Zukunftsprogramm Wirtschaft ausdrücklich mit einer Doppelstrategie arbeiten will. So sollen zwar die innovativen Projekte im Sinne der Lissabon-Strategie im gesamten Land am jeweils dafür am besten geeigneten Standort gefördert werden, aber gleichzeitig hält die Landesregierung daran fest, dass die Wirtschaftsförderung auch für die strukturschwächeren Regionen fortgeführt wird.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Die Landesregierung hat damit die Kritik, die nicht nur vom SSW, sondern auch von der IHK Flensburg geäußert wurde, ernst genommen und das Förderprogramm daran ausgerichtet. Das begrüßen wir als SSW ausdrücklich.

(Beifall beim SSW)

Diese Doppeltstrategie wird dadurch erleichtert, dass das Volumen des Zukunftsprogramms Wirtschaft mit seinen insgesamt 720 Millionen € im Förderzeitraum über 100 Millionen € mehr Fördermittel beinhaltet als noch das alte Programm. Insgesamt rechnet die Landesregierung mit einem Gesamtinvestitionsvolumen von 2 Milliarden €, das allein von diesem Teilprogramm ausgelöst werden kann. Diese Investitionen müssen dazu genutzt werden Schleswig-Holstein am Ende der Förderperiode für den verstärkten internationalen Wettbewerb im Zeitalter der Globalisierung fit gemacht zu haben.

Damit diese Investitionen sinnvoll in Unternehmen und neue Arbeitsplätze in Schleswig-Holstein investiert werden können, ist es aus Sicht des SSW entscheidend, dass die Landesregierung die gute Arbeit der Vorgängerregierung in der Wirtschaftspolitik weiterführt. Der damalige Wirtschaftsminister Rohwer hatte mit seiner Clusterstrategie eine zukunftsweisende Perspektive für alle Regionen Schleswig-Holsteins erarbeitet. Es geht jetzt darum, dass die Landesregierung diese Clusterstrategie an die neuen Anforderungen der EU anpasst und konsequent vor Ort umsetzt.

Für den nördlichen Landesteil und die Westküste heißt dies zum Beispiel, dass das Cluster Windenergie an der Westküste mit dem Fachhochschulstandort Flensburg weiterhin gezielt gefördert wird. Hier hätte man aber auch schon in der Vergangenheit - Stichwort Offshore-Hafen Husum - reichlich Gelegenheit gehabt, in Kontinuität zur alten Regierung eine zukunftsgerichtete Entwicklung in der

(Lars Harms)

Region zu fördern. Diese Chance ist vertan worden und da gibt es - auch für die Westküste - noch etwas gutzumachen.

Aber auch die Cluster Tourismus und Landwirtschaft im ganzen nördlichen Landesteil und das Cluster Gesundheitsmanagement in Flensburg verdienen die Aufmerksamkeit der Landesregierung. Selbstverständlich müssen die verantwortlichen Unternehmer und Politiker vor Ort die Initiativen, Strategien und konkreten Projekte selbst entwickeln und zur Investitionsreife bringen. Aber die Landesregierung muss deutlich sagen, welche Strategien sie für die jeweiligen Regionen hat, damit diese zielgerichtet planen können.

Es ist keine Frage, dass hier alle gesellschaftlichen Gruppen in der Pflicht sind, gemeinsam die Region vorzubringen. Aber wenn es vernünftige Projekte im Sinne der Clusterstrategie für den Norden gibt, dann erwarten wir auch Unterstützung von der Landesregierung.

So kann es nicht angehen, dass der Wirtschaftsminister öffentlich sagt, dass die Region - wie im Falle des geplanten Paralympischen Zentrums in Kappeln - nicht in der Lage sei, mehrere touristische Großprojekte zu meistern. Aber - wie so oft - ist Herr Austermann in diesem Fall mit vereinten Kräften der Opposition und regionalen Landtagsabgeordneten, die nicht nur der Opposition angehören, zur Vernunft gebracht worden. Und nun hoffen wir, dass noch etwas geht. Die Vorarbeit der kommunalen Ebene war hier jedenfalls hervorragend und verdient die Unterstützung des Landes.

(Beifall bei SSW und FDP)

Es geht also bei der Umsetzung des Zukunftsprogramms Wirtschaft darum, dass alle Regionen die gleichen Chancen bekommen, von den EU-Mitteln zu profitieren, und dass man unvoreingenommen die Ideen prüft. Interessant ist dabei, dass die Landesregierung angedacht hat, die vier Förderregionen nach den damals vorgeschlagenen Verwaltungsregionen einzurichten. Im nördlichen Landesteil setzt sich der regionale Beirat aus Vertretern der Kreise Nordfriesland, Schleswig-Flensburg sowie der Stadt Flensburg zusammen. Eine solche lose Kooperation wie in diesem wichtigen Feld können wir durchaus befürworten und wir würden uns wünschen, wenn die Landesregierung mehr auf freiwillige kommunale Kooperation in allen Bereichen setzen würde, als hier eine Kreisreform vorzuschreiben oder die Kommunen in Ämterzusammenschlüsse zu treiben, von denen niemand weiß, wofür diese überhaupt gut sein sollen.

Der SSW wird in den nächsten Jahren sehr genau darauf achten, dass die Landesregierung die Vorschläge und Empfehlungen der regionalen Beiräte beachtet, damit der nördliche Landesteil und die strukturschwachen Regionen des Landes bei den Investitionen des Zukunftsprogramms Wirtschaft angemessen berücksichtigt werden. Wir sind davon überzeugt, dass es auch in diesen Regionen genügend Projekte und Ideen gibt, die dazu führen, dass man Fördermittel aus den drei vorgesehenen Schwerpunkten bekommen kann. Das gilt nicht nur für den Schwerpunkt „Ausgleich von Unterschieden zwischen den Regionen und Ausbau spezifischer Entwicklungspotenziale“, sondern auch für die Schwerpunkte ,,Innovation und wissensbasierte Wirtschaft" und „Gründungsförderung und Förderung der betrieblichen Wirtschaft und Beschäftigung“.

Gerade in den beiden letzten Bereichen wird es einen harten Wettbewerb um die Fördermittel der EU geben und dabei ist uns noch nicht klar, welche Rolle der angedachte Innovationsbeirat im Verhältnis zu den regionalen Beiräten spielen soll. Hier dürfen die regionalen Beiräte nicht untergebuttert werden. Wir brauchen also einen transparenten und nachvollziehbaren Entscheidungsprozess, der allen Projekten aus den Regionen eine faire Chance bietet. Letztlich wird die Entscheidung für die Förderung des Zukunftsprogramms Wirtschaft aber im Wirtschaftsministerium getroffen und in diesem Zusammenhang können sie sicher sein, dass die Opposition ihre Kontrollfunktion gegenüber der Landesregierung ausfüllen wird. Wir werden die Landesregierung also nicht an den aufgestellten Programmen an sich messen, sondern sehr genau darauf achten, dass die Umsetzung der Programme in Projekte und Initiativen gerecht und sinnvoll vor sich geht.

(Beifall der Abgeordneten Anke Spooren- donk [SSW])

Auch das neue Arbeitsmarktprogramm Zukunftsprogramm Arbeit baut auf das Vorgängerprogramm „Arbeit für Schleswig-Holstein“ auf. Allerdings wird dieses neue Programm im Sinne der EU-Vorgaben einige andere Prioritäten setzen. Die 216 Millionen € für das Programm kommen überwiegend aus dem am längsten bestehenden Strukturfonds der EU: dem Europäischen Sozialfonds.

Schon seit vielen Jahren bekommt Schleswig-Holstein Mittel aus dem ESF, um die Arbeitslosigkeit in Schleswig-Holstein zu bekämpfen. Angesichts der immer noch viel zu hohen Sockelarbeitslosigkeit, die im Grunde heute noch auf dem Niveau der 80er-Jahre liegt, muss man sich allerdings schon

(Lars Harms)

fragen, wie erfolgreich der Einsatz der Mittel für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen in der Vergangenheit in ganz Deutschland war. Damit ist nicht gemeint, dass die Investitionen des Europäischen Sozialfonds umsonst waren. Nur ist es wichtig, dass man bei öffentlichen Fördermaßnahmen immer wieder kritisch die Ergebnisse überprüft und dann entsprechend handelt. Arbeitsminister Döring hat konsequenterweise eine stärkere Steuerung des neuen Programms angekündigt und dies begrüßen und unterstützen wir.

Das Zukunftsprogramm Arbeit wird in Zukunft statt sechs Themenfelder nur noch drei Handlungsfelder bekommen und sich dabei auf arbeitsmarktpolitische Zielsetzungen konzentrieren, die den größtmöglichen Beitrag zu Wachstum und Beschäftigung in Schleswig-Holstein leisten. Das neue Arbeitsmarktprogramm wird sich zwar weiterhin um die Integration und Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen in den ersten Arbeitsmarkt kümmern, aber in Zukunft wird der Abbau der Jugendarbeitslosigkeit ein weiterer Schwerpunkt sein. Das begrüßt der SSW.

(Beifall beim SSW)