Protokoll der Sitzung vom 25.01.2007

(Beifall beim SSW)

Denn gerade im diesem Bereich haben wir in Deutschland eine überdurchschnittlich hohe Arbeitslosigkeit, die dringend reduziert werden muss, damit unsere Jugendlichen - jenseits von Ein-EuroJobs - eine wirkliche berufliche Perspektive bekommen.

Der letzte Schwerpunkt des Programms, nämlich die Unterstützung der Beschäftigungsentwicklung als arbeitsmarktpolitische Priorität, sollte aus Sicht des SSW unbedingt genutzt werden, um die Weiterbildung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und der Arbeitslosen zielgerichtet weiterzuentwickeln. Denn es ist ja gerade ein wesentlicher Bestandteil der Lissabon-Strategie, dass wir das Ziel des lebenslangen Lernens und die damit verbundene selbstverständliche Aus- und Weiterbildung unserer Beschäftigten umsetzen müssen. Wenn wir international konkurrenzfähig bleiben wollen, müssen wir das Humankapital der Unternehmen, das unsere beste Ressource ist, pflegen und hegen. Ansonsten wird unsere Wirtschaft den Anschluss im weltweiten Wettbewerb verlieren.

Hier gibt es in Deutschland - und in Schleswig-Holstein - weiterhin einen großen Nachholbedarf sowohl hinsichtlich der Weiterbildung in den Betrieben als auch der Qualifizierung der arbeitslosen Menschen. Wir haben zwar viele Angebote, aber es gibt keine Koordination oder kaum Abstimmung zwischen den vielen öffentlichen und privaten Wei

terbildungsangeboten. Dazu fehlt ebenfalls oft ein Austausch zwischen den Weiterbildungsanbietern und der Wirtschaft, welche Qualifikationen denn in Zukunft benötigt werden.

Der SSW fordert, dass die Mittel aus dem Zukunftsprogramm Arbeit dazu beitragen sollen die Herausforderungen, die sich aus dem Ziel des lebenslangen Lernens ergeben, zu meistern.

Es gilt daher, dementsprechende Initiativen und Projekte zielgerichtet zu fördern. Das heißt für uns, dass wir auch die Wirtschaft motivieren müssen, in Ausbildung zu investieren. Denn diese Motivation ist bei uns im Vergleich zu Dänemark eher gering ausgeprägt. Und wir müssen stärker auch Ausbildungsmöglichkeiten außerhalb des dualen Systems anbieten, damit wir möglichst vielen Menschen eine qualifizierte Ausbildung bieten können.

Auch die dritte große Säule des Zukunftsprogramms, nämlich das Zukunftsprogramm Ländlicher Raum, hat mit dem Programm Zukunft auf dem Lande, ZAL, einen prominenten Vorgänger. Dabei ist es auch in diesem Bereich sehr erfreulich, dass das Fördervolumen mit insgesamt circa 460 Millionen € - die Hälfte davon sind EU-Mittel bis 2013 in etwa dieselbe Höhe erreicht wie das ZAL-Programm in den Jahren 2000 bis 2006.

Dabei gab es auch bei der Ausgestaltung des Zukunftsprogramms Ländlicher Raum im Vorfeld eine Auseinandersetzung um die Verteilung der Mittel. Gemeinsam mit dem Schleswig-Holsteinischen Gemeindetag hat auch hier der SSW mit seiner Kritik erreicht, dass die Landesregierung ihre Schwerpunktsetzung nochmals überdacht hat. So ist der Anteil der geplanten Investitionen in die Dorferneuerung nach den Protesten wieder erhöht worden und es ist schön, dass die Landesregierung - genau wie ihre Vorgängerregierung - damit den Interessen des ländlichen Raumes weiterhin Rechnung tragen will. Denn es muss ein wichtiger Schwerpunkt der Landespolitik bleiben, dass die Landesregierung genau wie ihre Vorgängerregierung - damit den Interessen des ländlichen Raumes weiterhin Rechnung trägt, gleichwertige Lebensbedingungen für die Bürgerinnen und Bürger im ländlichen Raum sicherzustellen. Auch für das Zukunftsprogramm Ländlicher Raum gilt, dass wir die Fördermittel für gezielte Investitionen in die wirtschaftliche Entwicklung auf dem Land nutzen müssen. Auch die Förderung der Umsetzung der EU-rechtlichen Vorgaben der Natura 2000 und der Wasserrahmenrichtlinie tragen zur Stärkung des ländlichen Raumes bei und schaffen Einkommen und Beschäftigung. Das darf man bei den Diskussionen zu diesen Themen niemals vergessen.

(Lars Harms)

Das gilt natürlich ebenfalls für die Förderung der regenerativen Energien und Biomasse oder Bioenergie. Diese Schwerpunktsetzung des Programms ist eine Chance für die Menschen auf dem Lande, neue Erwerbs- und Einnahmequellen zu schaffen. Aus Sicht des SSW sollte die Landesregierung gerade diesen Schwerpunkt besonders ernst nehmen. Nicht zuletzt die Studie des britischen Ökonomen Sir Nicholas Stern, die eindringlich vor den wirtschaftlichen Folgen der globalen Erwärmung warnt, zeigt, dass erneuerbare Energien und Biomasse dabei sind, Zukunftsenergien zu werden, wenn wir den Klimawandel in den Griff bekommen wollen. Schleswig-Holstein sollte die Chance ergreifen, diesen Zukunftsmarkt gezielt fördern und hier weiter eine Vorreiterposition erhalten.

Wenn wir es hier schaffen, weiterhin besser zu sein als andere und diesen Vorsprung womöglich auszubauen, können wir die Grundlage für einen wirtschaftlichen Erfolg schaffen, um den uns andere Bundesländer in Zukunft beneiden werden, so wie wir heute die Bayern und Baden-Württemberger beneiden. Deshalb muss hier in die Wissenschaft und Umsetzung der wissenschaftlichen Erkenntnisse investiert und eine langfristige Strategie erstellt werden, wie gerade die erneuerbaren Energien und die Biomassenutzung vorangebracht werden können. Dies ist eine reale Zukunftsperspektive, gerade auch für den Norden unseres Landes und für den gesamten ländlichen Raum.

Zu guter Letzt möchte ich auch das Zukunftsprogramm Fischerei nicht unerwähnt lassen. Im Programmzeitraum bekommt Schleswig-Holstein 16 Millionen € aus dem Europäischen Fischereifonds. Diese Mittel sind für die heimischen Fischer sehr wichtig, denn die traditionsreiche Fischerei in Schleswig-Holstein muss auch in Zukunft überlebensfähig sein. Sie gehört zu unserer Kultur dazu.

Natürlich hat die Landesregierung diese Regierungserklärung zur Werbung in eigener Sache benutzt. Das ist völlig legitim und war auch nie anders. Aber aus unserer Sicht gibt es keinen Grund, das Zukunftsprogramm Schleswig-Holstein ausschließlich nur im Regierungsinteresse zu sehen. Denn dieses Programm mit seinen vier Säulen ist ein ganz wichtiger Baustein, damit wir SchleswigHolstein zukunftsfähig machen, und daran haben Regierung und Opposition ein gemeinsames Interesse.

Für den SSW kann ich daher der Landesregierung versprechen, dass wir die Umsetzung des Zukunftsprogramms wie gewohnt kritisch und konstruktiv begleiten werden und uns keineswegs in einer Oppositionsecke verstecken möchten, sondern wir

wollen genauso wie Sie gestalten und sind da an Ihrer Seite.

(Beifall beim SSW)

Ich danke Herrn Abgeordneten Lars Harms. Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Dann ist dieser Tagesordnungspunkt erledigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 15 auf:

Sitz des Landesverfassungsgerichts

Antrag der Fraktionen von FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW Drucksache 16/1182 (neu)

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Für den Antragsteller erteile ich dem Abgeordneten und Fraktionsvorsitzenden der FDP, Herrn Wolfgang Kubicki, das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine über Jahre andauernde Debatte haben wir im Herbst letzten Jahres in einmütiger Weise beendet. Schleswig-Holstein wird ein eigenes Landesverfassungsgericht bekommen. Damit sind wir das letzte Bundesland, das sich so entschieden hat. Das ist zwar spät, aber besser als nie.

Herr Minister, für mich und meine Fraktion war eines immer klar: Der Sitz dieses höchsten Gerichtes unseres Landes muss die Stadt sein, in der wir bereits heute unsere Obergerichte weitgehend versammelt haben: das Oberlandesgericht, das Oberverwaltungsgericht, das Landessozialgericht. Diese Stadt heißt Schleswig, die übrigens im Herzen unseres Landes liegt.

(Beifall bei FDP und SSW)

Das Landesverfassungsgericht sollte außerhalb des Regierungssitzes in Kiel sein, weil es gute Tradition ist, dass Legislative, Exekutive und Judikative, was Verfassungsrechtsprechung angeht, getrennt beheimatet sein sollen. Diese Voraussetzung erfüllt Schleswig nachhaltig.

Die in Schleswig vorhandene Kompetenz gerade wegen der dort vorhandenen Nähe zum Oberverwaltungsgericht prädestiniert die Stadt geradezu dazu, Sitz des neuen Landesverfassungsgerichts zu werden. Wie die kundigen Juristen unter Ihnen wissen - von denen wir ja einige im Hause haben -, besteht zwischen dem Verwaltungsrecht und dem

(Lars Harms)

Verfassungsrecht eine gewisse Nähe. Insofern wäre es unsinnig, den Sitz des neuen Verfassungsgerichts abseits des Sitzes des OVG anzusiedeln. In Schleswig - das sagte ich bereits - kommen noch das einfache Verwaltungsgericht und das Landessozialgericht hinzu. Schleswig hat die besten fachlichen Voraussetzungen als Sitz für das neue Landesverfassungsgericht. Das ist eigentlich auch jedem hier im Haus klar.

(Widerspruch des Abgeordneten Frank Sau- ter [CDU])

- Kollege Sauter, ich komme gleich dazu. Das liegt möglicherweise an der begrenzten Lübecker Sicht.

Andere Länder machen es übrigens auch so. So haben die Länder Bayern, Nordrhein-Westfalen, Bremen, Rheinland-Pfalz, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern - von den Stadtstaaten will ich gar nicht reden; da ist das eh so - den Sitz der Verfassungsgerichtsbarkeit am Standort des jeweiligen Obergerichtes.

Eigentlich wäre es unnötig gewesen, den heutigen Antrag zu stellen, wenn da nicht der Regionalproporz wäre, den es in der Politik und auch in diesem Parlament nun einmal gibt, Herr Kollege Sauter. Denn eine andere sachlich zutreffende Erklärung dafür, dass Lübeck oder eine andere Stadt der bessere Standort sein sollte, gibt es nicht. Anscheinend ist man in der Großen Koalition, zumindest was die Fraktionsvorsitzenden angeht - über die Äußerung des Kollegen Hay habe ich mich in besonderer Weise gewundert -, anderer Auffassung. So konnte man in der Pressemitteilung des Kollegen Wadephul vom 16. Januar 2007 lesen, dass Lübeck Sitz des Verfassungsgerichts werden solle. Erstaunlich ist, dass Kollege Wadephul in seiner Argumentation auf die große Geschichte Lübecks als Gerichtsstandort abstellt, zu Zeiten des Lübschen Rechts. Eine sehr traditionelle Sichtweise. Ich konnte mir bei diesem geballten historischen Bewusstsein, das der Vorsitzende der CDU-Fraktion an den Tag gelegt hat, die Frage nicht verkneifen, mit welcher Berechtigung er eigentlich den Kreis Dithmarschen abschaffen will. Die haben doch eine noch längere Geschichte als das Bundesland Schleswig-Holstein!

(Beifall bei der FDP)

Für meine Fraktion gehen fachliche Argumente vor. Auch wenn Lübeck als Sitz eines Landgerichts schon heute ein wichtiger Gerichtsstandort ist, spricht die fachliche Sicht eindeutig für Schleswig als Standort der Obergerichte, des Landessozialgerichts und der Verwaltungsgerichtsbarkeit, und weniger für Lübeck,

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

zumal der Präsident des künftigen Landesverfassungsgerichts auch vom Präsidenten eines Obergerichts gestellt werden könnte. Auch das ist übrigens ein Modell, das es in fast allen anderen Bundesländern gibt.

Letztlich ist die Entscheidung über den Sitz des Gerichts auch eine Prestigefrage und hierum geht es den Vorsitzenden der großen Fraktionen wohl im Wesentlichen. Im Behördenschacher von CDU und SPD um öffentliche Einrichtungen ist wohl Lübeck an der Reihe. Ich denke aber, dass die Stadt und die Region Schleswig, die in den letzten Jahren von einem Abzug öffentlicher Einrichtungen von Bund oder Land in nicht unerheblicher Form betroffen waren, eine Aufwertung durch die Ansiedlung des Landesverfassungsgerichts verdient haben.

Ich sage noch einmal: Meine Umfrage in anderen Ländern hat ergeben, dass die Geschäftsstelle eines Oberverwaltungsgerichts problemlos die Geschäftsstelle des Verfassungsgerichts mit übernehmen kann, was bei einem Landgericht wegen der komplex anderen Materie durchaus schwieriger ist.

(Beifall bei FDP und SSW)

Wir befinden uns - das will ich ausdrücklich sagen, Kollege Sauter, damit es da keine Missverständnisse gibt - auf einer Linie mit dem SSW, den Grünen und dem CDU-Kreisverband Schleswig-Flensburg, der am 9. Januar 2007 durch seinen Vorsitzenden, den Kollegen Callsen, den ich hier ausdrücklich unterstützen möchte, verlauten ließ, dass Schleswig der richtige Standort für das Landesverfassungsgericht ist. Er hat recht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte deshalb um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich danke Herrn Abgeordneten Kubicki. - Das Wort für die CDU-Fraktion hat nun Herr Abgeordneter Thomas Stritzl.

(Zurufe)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Hentschel, ich würde gern Klarheit schaffen, ich habe nur den Eindruck, dass das eher die Frage des Oppositionsführers ist, der eben ange

(Wolfgang Kubicki)

droht hat, welch große Koalition er in der Sache anführt. Mir ist nicht ganz klar, ob die Gemeinsamkeit über das Anliegen hinaus wirklich trägt. Aber ich schätze seine Gestaltungskraft.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der heute vorliegende Antrag der FDP und auch des SSW ist eine politisch legitime Aktion infolge des Beschlusses der Großen Koalition, ein Landesverfassungsgericht einzuführen. Der Oppositionsführer hat entsprechend gewürdigt, dass die Verfassung mittlerweile geändert worden ist. Jetzt treten wir in die parlamentarische Behandlung über die Bestimmung des Sitzes des Verfassungsgerichts ein, wobei man ehrlicherweise sagen muss, dass es nicht das erste Mal ist. Sie haben bereits den Kollegen Dr. Wadephul erwähnt. Es ist bekannt, dass Kollege Dr. Wadephul im letzten Jahr, als die Kooperation der Obergerichte aus Schleswig-Holstein und Hamburg noch greifbar schien, öffentlich darüber nachgedacht hat, dass dann Lübeck als Sitz eines möglichen gemeinsamen Verfassungsgerichts mit Hamburg in Betracht kommen könnte, und hierfür seine Sympathie zum Ausdruck gebracht hat.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Nun ist die Geschichte anders gelaufen. Wir haben gesagt, wenn Hamburg sich gegen die Kooperation der Obergerichte sperrt, dann werden wir auch nicht als erstes die Verfassungsgerichte miteinander in Verbindung bringen. Das wäre das falsche Signal.