Wenn Kritik von Menschen kommt, die selber einmal in verantwortlicher Position im Bereich Jugend waren, gerade dann kann man diese Kritik sehr wenig ernst nehmen. Sie hätten Ihre persönlichen Bemühungen hier in den Mittelpunkt stellen können, das haben Sie nicht getan. Ich kann mir denken, warum.
Meine Damen und Herren, vielleicht geht es Ihnen genauso, wenn Sie Berichte zum Thema Jugendhilfe und überhaupt zu dieser Thematik lesen, es kommt einem immer so vor - mir jedenfalls -, dass dies etwas sehr Technokratisches ist, obwohl Jugendhilfe und die Arbeit mit Jugendlichen und jungen Menschen etwas sehr Konkretes sein sollte. Wahrscheinlich ist das zwangsläufig so, wenn es um Verwaltung geht, aber gerade auch deshalb möchte ich diesen Bericht loben und mich beim Ministerium dafür bedanken, dass es ein kurzer und knackiger Bericht ist,
Dass das etwas ganz Konkretes ist, haben wir oft genug gesehen. Manchmal reden wir über spektakuläre Dinge, wie zuletzt über das Thema Killerspiele, das jetzt auch das Thema auf der Titelseite der Landtagszeitung ist. Wir reden über allgemeine Dinge, dass wir mehr Medienkompetenz brauchen, mehr Sozialarbeit in der Schule, psychosoziale Arbeit, aber es muss auch konkret werden. Deshalb ist es gut, dass wir diesen Bericht haben und sehen, wo es ganz konkrete Beispiele gibt, von denen man lernen kann.
Die Ministerin hat gezeigt, dass Bildung natürlich ein ganz wichtiger Teil von Jugendarbeit insgesamt ist. Dabei geht es nicht so sehr darum, dass man beispielsweise jugendliche Gewalttäter klüger macht - das ist dem Opfer relativ egal -, sondern es geht darum, dass Demütigungserfahrungen vermieden werden und junge Menschen Zukunftschan
cen sehen. Wenn junge Menschen Zukunftschancen haben, ist das das wichtigste Ziel von Jugendarbeit. Das ist die allerwichtigste Jugendarbeit, die wir leisten können.
Auch von der Ministerin sind eine ganze Reihe von positiven Beispielen angesprochen worden. Sie finden sie alle in dem Bericht kurz und knackig aufgeführt. Ich kann ihn Ihnen nur empfehlen. Das Projekt PIT, Prävention im Team, ist ein Beispiel dafür. Da ist auch einmal ein Dank an die vielen Lehrerinnen und Lehrer und an die Polizeibeamtinnen und -beamten nötig, die sich daran beteiligen.
Zum Thema Gewaltprävention möchte ich gar nicht so viel sagen, vielleicht tun das nachfolgende Kolleginnen und Kollegen.
Ich sage Ihnen auch, warum ich wichtig finde, dass wir über die Verzahnung von Jugendhilfe und Schule reden. Sie ist wichtig, weil wir dort nämlich - das ist bisher nicht so deutlich geworden - alle Jugendlichen erreichen. Natürlich ist es gut und wichtig, sich mit sozial schwachen Jugendlichen und deren Problemen zu beschäftigen, die eine besondere Qualität haben. Aber wir müssen für alle Jugendlichen Jugendhilfearbeit leisten können, wo es notwendig ist. Und wir erreichen in der Schule eben alle Jugendlichen.
Wenn Sie sich an die spektakuläre Bluttat in Tessin in Mecklenburg-Vorpommern erinnern, die inzwischen wieder ein bisschen aus den Medien raus ist das dauert ja immer ein bis zwei Tage -, mindestens einer der Schüler ist auch in Schleswig-Holstein zur Schule gegangen: Das waren Jugendliche aus ganz normalen bürgerlichen Familien. Das zeigt, dass das Thema Gewalt nicht nur sozial Schwache betrifft, sondern alle. Deshalb ist diese Verzahnung sehr notwendig.
Wir haben Beispiele für eine positive Arbeit der Kommunen gehört. Man kann auch mit wenig Geld viel erreichen. Das Beispiel Bargteheide war ein sehr, sehr gutes Beispiel. Der Kollege Tobias Koch, in dessen Wahlkreis Bargteheide liegt, hat darauf hingewiesen, dass es dort eine absolute CDU-Mehrheit gibt, die diese positiven Entwicklungen in die Wege geleitet hat. Das ist an dieser Stelle auch ein Lob wert.
(Beifall der Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP] und Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Heiterkeit)
- Ich meine natürlich, dass man überhaupt dieses Thema aufgreift. Die Art und Weise, wie das umgesetzt wird, hat etwas mit Handwerkskunst zu tun. Das lernt man natürlich in gewissen Parteien auch eher als in kleineren Parteien, die kommunal nicht so verwurzelt sind.
Es ist sehr gut, dass auch die verschiedenen Regionen unterschiedliche Schwerpunkte setzen, in der Jungenarbeit, in der Mädchenarbeit, in der Suchtprävention oder in der Gewaltprävention. Da können die Regionen voneinander lernen. Das Rad muss nicht immer wieder neu erfunden werden. Deshalb auch noch einmal ein Lob an den Bericht dafür, dass darin auch regional gestaffelt wird. Auf die Idee muss man erst einmal kommen.
Viele andere Dinge könnte ich noch nennen, zum Beispiel die Serviceagentur „Ganztägig lernen“. Besonders wichtig ist mir dabei, dass dort aus verschiedenen Richtungen Arbeit geleistet wird, dass nicht nur Lehrer und Sozialpädagogen, sondern alle gemeinsam das Thema aufgreifen. Das ist gut.
Auch ein Lob an die Kinder- und Jugendstiftung beziehungsweise an die Bundesregierung, die diese Stiftung weiter finanziert. Ich glaube, das ist an dieser Stelle wichtig.
Natürlich ist es richtig, dass wir noch einen weiten Weg vor uns haben, dass wir, was diese Verzahnungsarbeit anbetrifft, noch am Anfang stehen. Aber es gibt gute, positive Beispiele. Von denen können wir alle lernen und sie zeigen, dass man auch in Zeiten knapper Kassen vernünftig Politik für und mit Jugendlichen machen kann.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben gestern das neue Schulgesetz verabschiedet, das die Einrichtung der vorschulischen und schulischen Bildung zur stärken Kooperation verpflichtet und die Förderung des einzelnen Kindes und des einzelnen Jugendlichen zum Grund
prinzip macht. Mein Kollege Herbst hat es eben schon angedeutet: Ich möchte mich hier auf einen Punkt konzentrieren und habe das Thema Gewaltprävention gewählt, um es an dem Bericht einmal deutlich zu machen.
Ob es uns gefällt oder nicht, viele Familien sind heute nicht in der Lage oder auch nicht bereit, ihre Kinder zu betreuen und zu erziehen. Wenn wir diese Kinder nicht von vornherein aufgeben wollen, folgt daraus, dass die Gesellschaft, der Staat und seine Einrichtungen diese Aufgaben übernehmen müssen. Im schlimmsten Fall kann das bedeuten, dass die Öffentlichkeit die Kinder vor ihren eigenen Eltern schützen muss. Denn Defizite in der Betreuung oder gar körperliche oder seelische Misshandlungen bis hin zu sexuellem Missbrauch fallen am ehesten dort auf, wo Kinder einen großen Teil des Tages verbringen, nämlich in der Schule.
Wir alle wollen, dass sie künftig mehr Zeit in der Schule verbringen, weil wir den Weg von der Halbtagsschule über die offene Ganztagsschule bis hin zur gebundenen Ganztagsschule für richtig halten. Es würde die Lehrerinnen und Lehrer jedoch überfordern, wenn wir ihnen zusätzlich zur Diagnose auch noch die gesamte Therapie aufdrücken wollten. Die muss von den Schulen und ihrem Umfeld, ganz besonders mit den verschiedenen Trägern und Formen der Jugendhilfe gemeinsam geleistet werden, und zwar - das ist mir besonders wichtig - als Partner mit gleichen Rechten und Pflichten.
Der Bericht der Landesregierung, für den ich mich bei beiden Ministerien ausdrücklich bedanke, legt einen seiner Schwerpunkte auf die Gewaltprävention. Das ist auch richtig so, weil zahlreiche Vorfälle in den letzten Jahren deutlich gemacht haben, wie schwerwiegend dieses Problem ist. Ich denke dabei an die monatelange Quälerei eines Schülers an einer Berufsschule in Hildesheim, wobei wir uns immer vor Augen halten müssen, dass diese spektakulären Fälle nur die Spitze des Eisbergs sind. Viele gewalttätige Schülerinnen und Schüler haben ihr Verhalten in der eigenen Familie erfahren, erlebt und erlernt. Die „Welt“ titelte vorgestern: „Wer Opfer von Gewalt werden will, sollte eine Familie gründen.“ Die Schule muss vermitteln, dass Faust ein Drama von Goethe ist und kein Mittel zur Lebensbewältigung. Schule und Jugendarbeit müssen sich sowohl mit den Tätern als auch mit den Opfern auseinandersetzen, denn die Folgen von Misshandlungen gehen weit über die unmittelbaren körperlichen Folgen hinaus.
Der Bericht gibt einen Überblick über zahlreiche Projekte in allen Teilen unseres Landes. Sowohl Frau Birk als auch Herr Herbst haben das eben dargestellt. Wir würdigen die gemeinsamen Anstrengungen der Schulen, der Träger der Jugendhilfe und der beteiligten Kommunen und Kreise. Aber ich muss dennoch darauf hinweisen - und da unterscheiden wir uns jetzt ein wenig -, dass noch nicht in allen Gemeinden erkannt worden ist, welche Bedeutung die Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe hat.
Ich appelliere deshalb auch an die Kommunalpolitikerinnen und die Kommunalpolitiker, dieses Problemfeld stärker in den Mittelpunkt zu rücken und es auf keinen Fall zum Steinbruch für Einsparungen zu machen. Wer hier an jungen Menschen spart, wird später für Erwachsene sehr viel mehr ausgeben müssen.
Ich zitiere hier einmal ganz ausdrücklich die Erfahrungen, die wir in den letzten Jahren in den Kreisen machen durften. Da ist man der Auffassung, wenn man Kooperation von Schule und Jugendhilfe hat, dass das unweigerlich bedeutet, dass man beispielsweise die offene Jugendarbeit nicht mehr braucht. Wer das macht, der begeht einen fatalen Fehler. Gerade hier müssen wir nach wie vor sehr viel investieren.
Das Land lässt es nicht bei Appellen bewenden, es stellt auch Geld und Stellen zur Verfügung, wie die gemeinsame Richtlinie der beteiligten Ministerien darlegt. Diese Kooperation reiht sich in einen bundesweiten und internationalen Prozess ein, ebenso wie unser Kinder- und Jugendaktionsplan nicht vom Nationalen Aktionsplan für ein kindgerechtes Deutschland und vom Europäischen Pakt für die Jugend zu trennen ist.
Die Bundesregierung hat 2005 den 12. Kinder- und Jugendbericht vorgelegt, dessen Forderung ein abgestimmtes System von Bildung, Betreuung und Erziehung ist. Der Bericht der Bundesregierung verlangt: „Mit dem Projekt Ganztagsschule muss somit auch der Anspruch einer umfassenden Reform der Schule sowie der Kinder- und Jugendhilfe verbunden sein.“
Liebe Kolleginnen und Kollegen, auf der Tribüne begrüße ich sehr herzlich Mitglieder des Ortsvereins Heikendorf, das Kollegium der Dörfergemeinschaftsschule Probsteierhagen und die Juso-Hochschulgruppe Kiel. - Seien Sie uns alle sehr herzlich willkommen!