schnitt 1 % des BID, des Bruttoinlandproduktes, Deutschland nur 0,4 %. Das ist ein Befund, der sicherlich noch einmal aufgegriffen werden muss, wenn wir in den nächsten Monaten, im nächsten Jahr, die Auswertung der finanzpolitischen Ströme im Bereich der Familienpolitik bundesweit diskutieren. Denn es kann nicht nur darum gehen, dass es zu einer Neustrukturierung innerhalb des Systems kommt, wir müssen in den Blick nehmen, dass wir, wenn wir wirklich umsteuern und die Entwicklung positiv beeinflussen wollen, uns dann mit den anderen OECD-Ländern vergleichen müssen, zum Teil auch mit Ländern, die nicht diese Wirtschaftskraft wie Deutschland haben.
Ein vierter Befund: Stichwort Gerechtigkeit und Chancengleichheit! Dieser Bericht führt uns vor Augen, dass Kinder natürlich eine verlässliche familiäre Situation brauchen, dass Kinder aber auch eine verlässliche Lebensumwelt außerhalb der Familie brauchen. Nehmen Sie das Bild der Zwiebel: das Kind mittendrin, die Familie drumherum und weitere verlässliche Systeme im Umfeld dieses Kindes. Oder nehmen Sie auch den theoretischen Ansatz, den diese Studie aufgreift, den sozialökonomischen Ansatz von Uri Bronfenbrenner - der ist übrigens schon so alt, dass ich mich schon während meines Studiums mit diesem System von Mikroebene und Makrosystem auseinandergesetzt habe. Das ist ein ganz interessanter, spannender Ansatz, der deutlich macht, dass die verlässliche Entwicklung von Kindern nicht allein von Familien zu gewährleisten ist, sondern dass sie die Entlastung und Unterstützung der Umwelt brauchen und dass wir dieses System insbesondere auch vor dem Hintergrund vernachlässigter und benachteiligter Kinder in den Blick nehmen müssen. Denn diese Kinder bekommen in der Familie nicht das mit, was sie brauchen, um den Anschluss an die anderen Kinder zu halten. Vor diesem Hintergrund müssen wir die Infrastruktur als ein ganz wichtiges Element der Kinder- und Jugendpolitik in den Blick nehmen, aber eine Infrastruktur, die nicht neben oder gegen Familie aufgebaut wird, sondern eine Infrastruktur, die gemeinsam mit Familie lebt, die von der Familie akzeptiert wird und Teil der Lebensrealität von Kindern und Familien wird.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es gibt ein beachtliches Zitat in dieser UNICEF-Studie, das wir uns alle vergegenwärtigen sollten. Ich zitiere:
„und die Hoffnung haben können, dass sie ihre Zukunft auch selbst gestalten können, können sie die Chancen, die ihnen geboten werden, und die Fähigkeiten, die in ihnen stecken, auch so entwickeln, dass sie als Erwachsene eigenständig und selbstständig ihr Leben entwickeln können.“
Das ist es, um was es geht, dass Kinder die Chance haben, und zwar jedes einzelne Kind, sich zu einer eigenständigen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu entwickeln.
Ich wünsche mir, dass diese UNICEF-Studie für die Kinder- und Jugendpolitik das wird, was die PISAStudie für die Bildungspolitik gewesen ist. Denn wir brauchen einen dynamischen Schub in der Entwicklung der Kinder- und Jugendpolitik, damit sich wirklich alles zum Besten wendet. Deshalb hat das Thema der frühkindlichen Bildung zurzeit aus gutem Grund eine solche Bedeutung. Ich bin ganz sicher, dass wir dieses Thema in den nächsten Monaten hier im Landtag weiter miteinander diskutieren werden, und das ist gut so.
Ich erteile Frau Abgeordneter Frauke Tengler das Wort. Die restliche Redezeit beträgt 3 Minuten und 20 Sekunden.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Heinold, Sie wissen, dass ich Sie und Ihr Engagement schätze. Die Betroffenheitsnummer jedoch, die Sie hier eben abgeliefert haben, passt nicht zu Ihnen. Das Bild der hungrigen Kinder, die den Kindergarten verlassen, finde ich einfach unlauter. Wenn Sie als finanzpolitische Sprecherin auch noch sagen, die Mahlzeiten der Kinder könnten von den Trägern aufgrund der Mehrwertsteuererhöhung nicht finanziert werden, dann kratzen Sie an Ihrer eigenen Glaubwürdigkeit. Durch diese Aussage hat sich die Betroffenheitsnummer mit den hungrigen Kindern als politische Blase erwiesen.
Zur Familienpolitik gehören auch Dienstleistungen, gehört vor allem aber Ehrlichkeit. Ich bitte Sie, nicht die Kommunen zu diskriminieren. Stünden Sie den Kommunen näher, wüssten Sie, welche An
strengungen vor Ort unternommen werden, Kinder und Jugendliche gerade an sie betreffenden Projekten zu beteiligen.
Die Studie sagt sehr deutlich, dass wir in Deutschland - die Ministerin hat es eben auch angesprochen - erhebliche Familientransferleistungen haben. Aber - dies sagt die Studie auch - wir müssen an Konzepten arbeiten, um dieses Geld effizienter auszugeben.
Eine Aussage dieser Studie - Anke Spoorendonk wies darauf hin - ist für mich ganz besonders alarmierend, nämlich, dass 60 % der Jugendlichen nicht mit ihren Eltern reden. Wenn sie dies nicht gelernt, nicht getan haben, werden sie mit den Kindern, die sie selbst eventuell einmal bekommen, auch nicht reden. Da ist unsere Gesellschaft gefragt, dafür können wir keine Gesetze, keine Verordnungen erlassen. Da müssen wir mit Appellen arbeiten, da müssen wir die Gesellschaft wachrütteln. Es sind nicht immer die anderen; es sind wir alle. Dazu sollte dieser Landtag beitragen, und zwar nicht nur mit Diskussionen und Debatten hier in diesem Haus.
Im Rahmen der vereinbarten Redezeit, der Kurzbeiträge nicht zulässt, erteile ich der Frau Abgeordneten Monika Heinold für zwei Minuten und 40 Sekunden das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Tengler, ich finde es nicht schlimm, wenn Betroffenheit beim Thema Kinderarmut eine Rolle spielt, ich denke, dass uns dieses Thema betroffen machen muss.
Ich will Ihnen Folgendes schildern: In Neumünster wird gerade eine Armenspeisung für Kinder aufgebaut, deren Eltern das Mittagessen nicht bezahlen können. Gehen Sie in die Kindertagesstätten, gehen Sie zu den Trägern! Die werden Ihnen berichten, dass Kinder von der Essensteilnahme abgemeldet werden, weil ihre Eltern das Essen nicht bezahlen können, manchmal auch nicht bezahlen wollen. Solche Abmeldungen sind jedenfalls Tatsache.
Schauen Sie doch einmal, wie unsere skandinavischen Nachbarn das Problem lösen, und geben Sie Ihre Bastion Ehegattensplitting endlich auf!
Sagen Sie endlich Nein zur Förderung der Ehe! Setzen Sie die über 20 Milliarden € frei, die - zumindest teilweise - in die Infrastruktur gehen können! Davon können Sie in Kindertagesstätten, in Schulen kostenlose gesunde, warme Mahlzeiten für alle Kinder anbieten. Das ist eine Schwerpunktsetzung, Frau Tengler. Sie sagen: 20 Milliarden € für die Förderung der Ehe! Ich sage: Geld in die Infrastruktur! Kostenlose warme, gesunde Mahlzeiten für alle Kinder!
Ich sage Ihnen außerdem, was die Folge sein wird: Meine These ist, dass sich Kinder in Deutschland, in unserer Gesellschaft wieder angenommen und nicht mehr ausgestoßen fühlen.
Eines der zentralen Probleme der UNICEF-Studie ist, dass 30 % unserer Jugendlichen damit rechnen, später keine qualifizierte Arbeit zu finden. Dies zeigt doch, mit welchen Ängsten unsere Kinder und Jugendlichen aufwachsen. Das ist keine Situation, die wir schönreden könnten. Da hilft es auch nicht noch einmal zu den Finanzen - wenn Ministerpräsident Carstensen zur Kinderbetreuung sagte - Zitat -: „Geld ausgeben kann man nur, wenn etwas in der Kasse ist.“ Richtig, Herr Ministerpräsident. Aber was ist denn mit den Fahnen, die jetzt gehisst und durch Extraschulden finanziert werden sollen? Was ist denn mit dem Wirtschaftspreis des Wirtschaftsministers, den er gerade erfunden hat? Was ist denn mit den Straßen? Ich erinnere an den Fehmarnbelt. Da geht es um Milliardenbeträge und was ist mit der neuen Großzügigkeit der Landesregierung bei neuen Förderprodukten?
Ich sage Ihnen: Eine Gesellschaft, die lieber Kurpromenaden als Schulkantinen baut, muss sich nicht wundern, wenn sich Kinder nicht in ihr aufgehoben fühlen. Deshalb sage ich: Ja, man kann an dieser Stelle gern etwas Betroffenheit zeigen.
Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. - Eine Aktuelle Stunde ist keine Stunde, in der wir uns alle lieben müssen, sondern sie muss genutzt werden, um die Probleme unserer Gesellschaft auf den Tisch zu bringen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Aktuelle Stunde beendet. Ich rufe Tagesordnungspunkt 5 auf:
b) Zweite Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zum Schutz der Natur - Landesnaturschutzgesetz - und zur Änderung anderer Vorschriften
Ich erteile zunächst dem Berichterstatter des Umwelt- und Agrarausschusses, Herrn Abgeordneten Klaus Klinckhamer, das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Landtag hat dem Umwelt- und Agrarausschuss den Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN über die oder den Landesbeauftragten für Naturschutz, Drucksache 16/709, am 4. Mai 2006 und den Gesetzentwurf der Landesregierung zum Schutz der Natur und zur Änderung anderer Vorschriften, Drucksache 16/1004, am 13. Oktober 2007 zur Beratung überwiesen. Dieser Gesetzentwurf verfolgt unter anderem die Ziele, neue Ansätze im Bereich des Umwelt- und Naturschutzes zu schaffen, für Deregulierung zu sorgen und bundes- und europarechtliche Regelungen umzusetzen.
Der Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist in fünf Sitzungen, der Gesetzentwurf der Landesregierung in drei Sitzungen, beraten worden
Der Ausschuss hat eine zweitägige Anhörung durchgeführt, in der er Vertreterinnen und Vertretern von 18 Verbänden und Organisationen Gelegenheit gegeben hat, eine Stellungnahme zu den vorliegenden Gesetzentwürfen abzugeben. Zum damaligen Zeitpunkt war im Übrigen noch ein von der Fraktion der FDP eingebrachter Gesetzentwurf Grundlage der Beratung. Dieser wurde von den An
tragstellern zurückgezogen; daher ist er heute nicht Gegenstand der Beschlussempfehlung. In die Beratung des Ausschusses flossen außerdem weitere schriftlich vorliegende Stellungnahmen ein.
Im Mittelpunkt der Beratungen stand der Gesetzentwurf der Landesregierung, auf den ich mich in meiner Berichterstattung im Folgenden konzentriere.
Nach Auswertung der Anhörung sind von SSW, der FDP sowie den Regierungsfraktionen - CDU und SPD - umfangreiche Änderungsanträge gestellt worden, die der Ausschuss in seiner letzten Sitzung am 14. Februar ausführlich diskutiert hat. Ich will hier nur einige beispielhaft nennen. Der Ausschuss beschäftigte sich unter anderem mit der Neuformulierung der Eigentumsverpflichtung in § 1 Abs. 2, Küstenschutzmaßnahmen, dem Landesbeauftragten sowie dem Kreisbeauftragten für Naturschutz, dem Waldanteil an der Landesfläche, dem Schutz von Nistplätzen, dem Vertragsnaturschutz, dem Biotopverbund und dem Befahren des Strandes.
Nachdem der Ausschuss die von SSW und FDP gestellten Änderungsanträge abgelehnt und die der Koalition angenommen hatte, hat er die Geschäftsführerin des Ausschusses beauftragt, bei der Beschlussempfehlung an den Landtag offensichtliche Unrichtigkeiten zu beseitigen und Folgeänderungen zu berücksichtigen.