Protokoll der Sitzung vom 21.02.2007

(Detlef Matthiessen)

den Naturschutz zu begründen, ist schlicht weggefallen - um nur ein Beispiel von vielen zu nennen.

Wir sehen das bestehende, mit grüner Hand geschriebene Gesetz nach wie vor als sehr gelungen an, befinden uns da offenbar auch in Übereinstimmung mit dem Sprecher der SPD-Fraktion für Naturschutz und wollen deshalb keine Änderungsanträge stellen, um den schwarz-roten Murks zu reparieren. Wir sehen keinen Novellierungsbedarf. Wir lehnen die Ausschussempfehlung ab.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich danke Herrn Abgeordneten Matthiessen. Auf der Besuchertribüne begrüßen wir eine weitere ehemalige Kollegin: Renate Gröpel. - Seien Sie uns herzlich willkommen!

(Beifall)

Das Wort für den SSW im Landtag hat nun Herr Abgeordneter Lars Harms.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir beraten heute einen grandiosen Rückschritt in der Naturschutzpolitik.

(Zurufe von der CDU: Oh, oh!)

Alles das, was in den vergangenen 15 Jahren die erfolgreiche Naturschutzpolitik in unserem Land geprägt hat, wird heute ersatzlos gestrichen. Ich sage dies deshalb so deutlich, weil Teile der heutigen Landesregierung und der sie tragenden Fraktionen in der Vergangenheit für eine andere Politik standen. Da hilft es auch nicht, auf Fraktionszwang zu verweisen und darauf hinzuweisen, dass der jeweils andere Koalitionspartner der Böse sei. Letztendlich werden auch die Abgeordneten der SPD für den großen politischen Sieg der CDU stimmen und ihre eigene Naturschutzpolitik der vergangenen Jahre sang- und klanglos zu den Akten legen.

Wir sind wieder zurück in den 60er- und 70er-Jahren, wo sich die Umwelt sämtlichen menschlichen Nutzungsinteressen unterzuordnen hatte. Dies ist in der heutigen Zeit des Klimawandels und des regelmäßigen Aussterbens von Arten das schlimmste Signal, das von diesem Hohen Hause ausgehen kann.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mit unserem Antrag, den wir im Ausschuss sehr rechtzeitig eingebracht haben, und der heutigen

nochmaligen Vorlage unseres Änderungsantrages wollen wir deutlich machen, dass es auch einen anderen politischen Weg gibt. Dieser Weg ist nach unserer Auffassung der bessere, weil er die Natur schützt und nicht ausnutzt.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir sind der Meinung, dass die Naturschutzpolitik der letzten 15 bis 20 Jahre, die auch vom SSW mitgetragen wurde, eine gute Politik für unser Land war. Deshalb wollen wir diesen erfolgreichen Weg weitergehen und sehen wirklich mit Grausen, dass hier ein Paradigmenwechsel gegen den Naturschutz erfolgt.

Ganz deutlich wird dieser Paradigmenwechsel im neuen § 1 Abs. 2. Hiernach soll der Natur- und Landschaftsschutz nicht nur die Ziele des Naturschutzes, sondern ausdrücklich auch den besonderen Wert des privaten Eigentums berücksichtigen. Hierdurch wird der Wert des privaten Eigentums besonders hervorgehoben, um die Eigentumsinteressen mit denen des Naturschutzes gleichzustellen. Dass Eigentum auch zum Naturschutz und zum pfleglichen Umgang mit der Natur verpflichtet, wird nun ad absurdum geführt. Dafür bedient man sich einer „gesetzgeberischen Vermutung“, wie es der Agrarminister im Umweltausschuss ausdrückte. Denn worin der besondere Wert des Privateigentums besteht, weiß keiner so recht, jedenfalls nicht in Bezug auf den Naturschutz. Diese Vorschrift wird auslegbar sein und sie wird zu Streitigkeiten führen und in extremer Anwendung, den Rückbau von Naturschutz zur Folge haben. In der heutigen Zeit ist dies ein verheerendes Signal.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Unser Gesetzentwurf ist da eindeutiger. Wir wollen diesen Passus ersatzlos streichen und auch in § 2 den Hinweis, dass man nur noch „nach seinen Möglichkeiten“ die Ziele und Grundsätze des Naturschutzes beachten soll, ändern. Wenn man nur nach seinen Möglichkeiten zum Naturschutz verpflichtet wird, werden viele natürlich sagen, dass es ihnen unmöglich ist. Es wird auch hier Streitigkeiten und Klageverfahren geben. Das Ergebnis wird auch hier ein Weniger an Naturschutz sein.

Gleiches gilt für § 4. Zwar ist man unseren Vorschlägen im Ausschuss etwas entgegengekommen, indem die öffentliche Hand nun doch noch in besonderer Weise den Naturschutz berücksichtigen soll. Aber die Verpflichtung, ökologisch besonders wertvolle Flächen der öffentlichen Hand auch in vorbildlicher Weise für den Naturschutz zu nutzen,

(Detlef Matthiessen)

ist nicht aufgenommen worden. In Bezug auf die eigenen Flächen will das Land eben nicht ein besonderes Vorbild sein - der Waldverkauf lässt grüßen. Ich bin der Meinung, dass ökologisch wertvolle öffentliche Flächen die Flächen der Bürgerinnen und Bürger sind und dass diese deshalb auch in vorbildlicher Weise für den Naturschutz genutzt werden müssen. Dafür zahlt man seine Steuern. Deshalb ist dieser Passus mehr als angebracht.

Dies gilt auch für das, was wir in § 10 und § 25 vorgeschlagen haben. Es ist einfach nicht hinnehmbar, dass Küstenschutzmaßnahmen und Küstenschutzanlagen als Eingriff in die Natur angesehen werden, für die dann ein teurer Ausgleich gezahlt werden muss. Für uns ist der Küstenschutz die Grundvoraussetzung, dass sich hinter den Deichen überhaupt die Natur entwickeln kann. Ohne den Küstenschutz gäbe es manches umstrittene Vogelschutzgebiet nicht, weil dort dann nur Wasser wäre. Auch das muss sich im Landesnaturschutzgesetz widerspiegeln, zumal das Bundesnaturschutzgesetz hier eindeutig auch besondere Regelungen zulässt. Wir sehen uns hierbei im Übrigen in völliger Übereinstimmung mit der Basis der CDU und der SPD an der Westküste. Auch für Ihre Basis, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und SPD, ist es nicht einzusehen, dass Sie die völlige Umstrukturierung des Landesnaturschutzgesetzes nicht dafür nutzen, dem Küstenschutz den gleichen Status einzuräumen wie zum Beispiel der Landwirtschaft.

(Beifall der Abgeordneten Anke Spooren- donk [SSW])

In diesem Zusammenhang ist es ebenso nicht hinnehmbar, dass weiterhin die gleichen Vorlandarbeiten in Dithmarschen uneingeschränkt möglich sind und in Nordfriesland diese nur eingeschränkt durchgeführt werden können, weil das Gesetz es so vorsieht. Hier muss man nach unserer Auffassung gleiches Recht für alle gelten lassen. Das heißt, dass notwendige Vorlandarbeiten und die Beweidung von Deichvorländereien sowohl in Dithmarschen als auch in Nordfriesland uneingeschränkt möglich sein müssen Auch hier ist unsere Haltung in Übereinstimmung mit Ihrer Basis, liebe Kolleginnen und Kollegen der Großen Koalition.

Kommen wir aber noch einmal zu § 10 zurück. Wir schlagen vor, die bisherige Positivliste, die definiert, was ein Eingriff in die Natur in jedem Fall ist, weiter im Gesetz zu behalten. Diese Liste hat in der Vergangenheit zu einer gesteigerten Rechtssicherheit geführt und auch die Praxis erleichtert. Jetzt wird es ohne diese Liste wieder zu Rechtsstreitigkeiten kommen, obwohl dies nicht notwendig wäre. Ein Gesetz lebt davon, dass es einfach umzusetzen

ist. Diese einfache und auch preiswerte unbürokratische Umsetzung des Gesetzes wird mit der Streichung der Liste erschwert. Zwar werden die Tatbestände, die als Eingriff definiert wurden, auch in Zukunft einen Eingriff darstellen, aber es wird vielerorts zumindest versucht werden, diese Einschränkungen zu umgehen. Das führt zu Planungsverzögerungen, Unsicherheiten, Mehrkosten und möglicherweise einer Klagewut - all das, was die Landesregierung eigentlich abschaffen wollte. Hier haben Sie, meine Damen und Herren, ein klassisches Eigentor geschossen.

Auch in der Frage, wie der Ausgleich von Eingriffen zu erfolgen hat, besteht ein großer Unterschied zwischen dem zukünftigen Gesetz und dem, was wir hier vorschlagen. Wir wollen, dass die Bewertungsverfahren, wie der Ausgleich oder der Ersatz ermittelt wird, im Vorwege festgelegt wird und dass die Maßnahmen nach Abschluss evaluiert werden. Wir sind der Meinung, dass das der sauberste Weg ist, um Streitigkeiten im Vorwege abzuwenden. Dass dieses von staatlichen Stellen ohne entsprechendes Bewertungsraster durchgeführt werden soll, wird mit Sicherheit zu Konflikten führen, die man gemäß unserem Vorschlag vermeiden könnte. Auch dies würde der Entbürokratisierung und Verwaltungsvereinfachung dienen.

Noch viel wichtiger ist allerdings, was wir in § 12 Abs. 3 vorschlagen. Nach unserer Auffassung muss es in Zukunft ausdrücklich möglich sein, Ersatzmaßnahmen auch als Maßnahmen des Naturschutzes in Schutzgebieten durchzuführen. Damit geht man zwar vom Prinzip der Ortsnähe der Ersatzleistungen ab, aber man schafft damit eine Grundlage, dass hier wirklich auch Geld für Maßnahmen in Schutzgebiete fließen kann. Es sollte sich auf das Wesentliche konzentriert werden und das sind die Schutzgebiete. Diese gilt es zu entwickeln und für die Menschen Anreize zu schaffen, Maßnahmen zum Schutz der Natur durchzuführen. Die bisherigen Finanzmittel reichten in der Vergangenheit bei Weitem nicht aus und deshalb wird auch eine Prüfung, ob Vertragsnaturschutz möglich ist, nicht den gewünschten Erfolg haben.

Natürlich wird man feststellen, dass Vertragsnaturschutz möglich ist, aber man wird das Geld hierfür nicht haben. Was bleibt, ist dann ein Schutzgebiet mit rechtlichen Regelungen und einer unzureichenden Mittelausstattung und es wird weiterhin unzufriedene Menschen geben. Das ist das Ergebnis Ihrer Politik.

Eine recht merkwürdige Argumentation hörten wir im Ausschuss auch zu § 29, der sich mit Natura2000-Gebieten beschäftigt. Wir schlagen vor, dass

(Lars Harms)

man eine in den Richtlinien zu Natura 2000 enthaltene Verpflichtung zum regelmäßigen Monitoring mit in das Gesetz aufnimmt. Dies wäre der Vollzug einer europagesetzlich vorgeschriebenen Maßnahme - sozusagen eine Eins-zu-eins-Umsetzung.

Das Ministerium sagte hierzu im Ausschuss, dass dies nicht notwendig sei, weil es ja schon europagesetzlich geregelt sei. Mit dieser Begründung bräuchte man nicht einen einzigen Paragrafen zu Natura 2000 in das Gesetz aufnehmen. Richtig ist aber, dass man in den einzelstaatlichen Normen selbstverständlich die europarechtlichen Normen umzusetzen hat, jedenfalls dann, wenn es sich um europäische Richtlinien handelt.

Während man also hier an Europa vorbeiregieren will, hat man bei der Einschränkung von Maßnahmen nicht so viele Hemmungen. Schmerzfrei, wie der Landwirtschaftsminister ist, werden hier Restriktionen für das Grünland eingebaut, mit der Begründung, dass dies ja europäische Rechtssprechung sei. Die kann sich zwar ändern, aber trotzdem werden hier Nägel mit Köpfen gemacht und die Betroffenen vor vollendete Tatsachen gestellt. Das hat nichts mit Eins-zu-eins-Umsetzung zu tun, sondern ist Übererfüllung im negativen Sinne. Auch hier wird es unnötigen Streit geben, der eigentlich vermieden werden sollte, da sonst dem Naturschutz nur geschadet wird.

Nun haben Sie schon mehrfach gehört, dass ich befürchte, dass dieses neue Gesetz eher mehr Konflikte schafft, als dass es sie verhindert. Da wäre es dann doch zumindest sinnvoll, dass Sie unseren Vorschlägen folgen und die Naturschutzbeauftragten auf Landes- und Kreisebene durch das Parlament beziehungsweise die gewählte Vertretung wählen lassen würden. Das würde diese Stellen im Zweifelsfall formell unabhängiger gegenüber der Verwaltung werden lassen. Aber selbst diesen Schritt gehen Sie nicht. Und so werden diese Beauftragten trotz aller ehrenwerter und guter Arbeit eben nur eingeschränkt unabhängig wirken können. Aber vielleicht ist das ja auch das Ziel der Übung.

Für uns ist es inzwischen klar: Der Naturschutz in Schleswig-Holstein befindet sich unter dieser Regierung auf dem Rückzug. Zuerst wurde per Verordnung die Jagd ausgeweitet und dann der KnickErlass geknickt, was sogar dazu führt, dass sich der Kreis Nordfriesland genötigt sah, sich mit einer Pressemitteilung an die Öffentlichkeit zu wenden, damit die Knicks nicht unsachgemäß abgeholzt werden.

Danach beginnen Sie mit der Verscherbelung des Landeswaldes, dessen Ende nicht abzusehen ist,

weil Sie ja jetzt gerade in diesem Gesetz deutlich machen, dass das öffentliche Eigentum nicht mehr dem Naturschutz gegenüber so verpflichtet sein soll wie bisher. Damit legen Sie die Axt an die größte Naturschutzmaßnahme des Landes, nämlich den Landeswald.

Und durch dieses rabenschwarze Gesetz geben Sie dem Naturschutz jetzt den Rest. Sie können dies noch verhindern. Deshalb bitte ich Sie und insbesondere die Kolleginnen und Kollegen von der SPD um Zustimmung zu unserem Änderungsvorschlag.

(Beifall beim SSW)

Ich danke Herrn Abgeordneten Lars Harms. - Für die Landesregierung hat nun der Minister für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume, Herr Christian von Boetticher, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vor vier Monaten hat die Landesregierung den Entwurf für ein neues Landesnaturschutzgesetz eingebracht. Es gab dabei sechs Grundpfeiler. Ich will diese noch einmal nennen: Stärkung der Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger durch Förderung kooperativer vertraglicher Lösungen statt einem rein verordneten Naturschutz von oben; Stärkung der Entscheidungsbefugnisse der örtlichen Behörden durch Reduzierung von gesetzlichen Detailvorgaben; Beschleunigung und Vereinfachung von Verfahren vor allem im Bereich der Eingriffsregelungen durch Genehmigungsfristen und Genehmigungsfiktionen; Abbau von Planungsebenen durch Streichung der Ebenen Grünordnungsplanung und Landschaftsrahmenplanung und dadurch Vermeidung von Doppelarbeit im Zusammenhang mit der Einführung der strategischen Umweltplanung; zügige Umsetzung europäischen Naturschutzrechts durch Installierung eines gesetzlichen Schutzes zunächst für europäische Vogelschutzgebiete sowie Bestätigung bewährter Strukturen vor allem des ehrenamtlichen Naturschutzes.

Meine Damen und Herren, es freut mich zunächst, dass die ganz große Mehrheit des Hauses und auch große Teile der Opposition, wie ich eben vernommen habe, mit ihren Änderungsanträgen deutlich machen, dass sie diese Eckpfeiler des Gesetzes unterstützen und nicht infrage stellen. Dies ist ein Stück weit auch Leistung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter meines Hauses. Uns liegt also heute ein

(Lars Harms)

Gesetzentwurf mit Änderungsanträgen vor, der genau diese Ziele deckt, die wir eingebracht haben.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich möchte ein paar Ergänzungen vornehmen und die Änderungsanträge kommentieren.

Zunächst gehe ich auf die Änderungen hinsichtlich der Ziele und Grundsätze in § 1 ein. In dem Fall bringt es nichts, meine Herren von der Opposition, dass Sie Gutachten falsch zitieren, dass Sie etwas aus dem Zusammenhang reißen, dass Sie Sachen weglassen oder gar verdrehen. Die im Antrag umformulierte sogenannte Eigentumsklausel bringt noch deutlicher als bisher die Regelungsabsicht der Vorschriften zum Ausdruck und hören Sie einmal zu; ich versuche, es noch einmal zu erklären: Sie will dem privaten Eigentümer und der privaten Eigentümerin weder Privilegien einräumen noch ihnen zusätzliche rechtliche Pflichten auferlegen. Diese Klausel will die Naturschutzbehörden vielmehr dazu anhalten, bei Ermessensentscheidungen auch zu berücksichtigen, dass die Motivation der Eigentümerin und des Eigentümers, ihr Eigentum im Sinne der Ziele des Naturschutzes zu nutzen, in dem Maße wachsen wird, in welchem Naturschutz kooperativ statt immer nur durch Anordnungen von oben erreicht wird.

Dass der Staat die Pflicht hat, immer abzuwägen und einen Eingriff in Rechte der Bürgerinnen und Bürger so milde wie möglich vorzunehmen, das sollte allgemein anerkanntes Rechtsprinzip unseres Staates sein, zumindest unserer Verfassung.

Noch einmal, Herr Prof. Ewer hat mehrere Vorschläge gemacht, einmal, ob man es in § 3 behandeln kann, aber er hat das alternativ gestellt. Das haben Sie eben verschwiegen. Wenn Sie zitieren, sollten Sie wirklich alles zitieren, Herr Matthiessen.