Protokoll der Sitzung vom 22.02.2007

Der vorgelegte Gesetzentwurf wirft einige grundsätzliche Fragen auf. - Liebe Sandra Redmann, ich dachte, du wolltest etwas Nettes sagen. Stattdessen hast du etwas Böses über meinen Fraktionsvorsitzenden gesagt.

(Heiterkeit)

- Darunter muss man dann leiden. - Lieber Kollege Matthiessen, ich glaube, der von Ihnen vorgelegte Gesetzentwurf wirft grundsätzliche Fragen auf, die wir in den Beratungen sachlich - möglicherweise auch mit Herrn Ehlers - behandeln können.

(Sandra Redmann)

Erstens dokumentieren wir mit der Einführung eines Verbandsklagerechts, dass die Überprüfung von tierschutzrechtlichen Bestimmungen und die Rechtsgüterabwägung im Gesetzesvollzug möglicherweise noch zu nachlässig erfolgt. Anstatt sich auf das Engagement von Tierschutzvereinen zu verlassen, die dann entsprechende Klage erheben sollen, sind bereits jetzt Amtstierärzte und Landesaufsichtsbehörden gefordert, entsprechenden Hinweisen aus der Bevölkerung über Missstände nachzugehen und diese bei festgestelltem Verstoß abzustellen.

Die Gefahr könnte bestehen, dass das Verbandsklagerecht damit zum Feigenblatt verkommt. Genau dieser Zustand würde dem eigentlichen Ziel einer solchen Klage, nämlich der Verbesserung der Zustände, nicht gerecht werden.

(Beifall des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Zweitens führt die Einführung eines Verbandsklagerechts zu den immer wieder prognostizierten Folgen, dass Forschung und Lehre in Schleswig-Holstein künftig durch Tierschutzvereine blockiert werden könnten. Das ist eine aus meiner Sicht ganz zentrale Frage. Immerhin erhält das Verbandsklagerecht gegenüber dem herkömmlichen Klagerecht im Verwaltungsrecht eine neue Zielrichtung. Der Kläger muss nicht mehr in seinen eigenen Rechten verletzt sein, sondern erhält die Möglichkeit einer Interessenklage. Dadurch könnten bereits erteilte Genehmigungen durch Tierschutzverbände blockiert werden, sodass sich Forschungsvorhaben bereits im Vorfeld verzögern und verteuern, wenn diesen Verbänden Gelegenheit zur Einsicht- und zur Stellungnahme gegeben wird. Viel schwerwiegender ist aber, dass durch frühzeitige Informationen über Forschungsvorhaben und die Möglichkeit der Einsichtnahme in entsprechende Unterlagen innovative Ideen der Forscher beeinträchtigt werden könnten, die international in Konkurrenz mit anderen Gruppen stehen.

(Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Unglaublich!)

- Liebe Frau Birk, das ist nicht unglaublich, sondern das sind Fragen, die wir im Wege der Ausschussberatung klären müssen. Daran ist überhaupt nichts unglaublich. Bei aller Sympathie für Ihren Antrag werde ich mir das Recht herausnehmen dürfen, hier auch kritische Anmerkungen zu machen, damit wir hinterher zu einem ordentlichen Gesetz kommen.

(Beifall bei der FDP)

Im Gegensatz zu den beratenden Ethikkommissionen, in denen Tierschutzverbände Sitz und Stimme haben, und den Tierschutzbeauftragten in den Laboren unterliegen Tierschutzverbände nämlich gerade nicht einer Geheimhaltungspflicht. Etwas mehr Sachkunde würde an dieser Stelle auch nicht schaden.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Sehr gut!)

Drittens. Sind die Klagerechte für Tierschutzverbände wirklich mit denen anerkannter Naturschutzverbände vergleichbar? Immerhin können Umweltkonflikte auch ohne Verbandsbeteiligung anhängig werden, da sich immer Grundstückseigentümer, Nachbarn oder unmittelbar Betroffene zu Wehr setzen können. Ein Naturschutzverband ist hier Kläger unter vielen Klägern. Im Tierschutzrecht soll aber gerade eine Kontrolllücke geschlossen werden, sollen also Prozesse geführt werden, die bisher noch nicht geführt werden konnten. Deshalb ist ein Vergleich zwischen den beiden Verbandsklagerechten nur bedingt möglich, denn auf Erfahrungen aus dem Ausland kann dabei nicht ohne weiteres zurückgegriffen werden, da die prozessualen Voraussetzungen regelmäßig nicht vergleichbar sind.

Der Gesetzentwurf - sage ich noch einmal in aller Deutlichkeit - sollte bei aller Sympathie dafür, den Tieren eine Stimme zu verleihen und das Tierschutzgesetz - im Übrigen auch die grundgesetzliche Verankerung des Tierschutzes - nicht zum Papiertiger werden zu lassen, in den beteiligten Ausschüssen sachlich beraten werden, ohne dass man sich solche Randbemerkungen gefallen lassen muss.

(Beifall bei FDP und SPD)

Für die Gruppe des SSW erteile ich Herrn Abgeordneten Lars Harms das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit der Staatszielbestimmung Artikel 20 a Grundgesetz, dem Tierschutzgesetz und einer Reihe von anderen Regelungen für den Umgang mit oder die Haltung von Tieren haben wir bereits rechtliche Grundlagen, die die Frage zulassen: Warum brauchen wir jetzt auch noch ein Verbandsklagerecht für Tiere? Die Antwort ist klar. Diese Gesetze und Regelungen reichen nicht aus, um den Tieren den Schutz zukommen zu lassen, der ihnen als Mitgeschöpfen zusteht. So hat bei

(Dr. Heiner Garg)

spielsweise der Tierschutz im Grundgesetz einen appellierenden Charakter, der von der Politik bei der Gesetzgebung und von den Verwaltungsbehörden und Gerichten bei der Anwendung und Auslegung des geltenden Rechts zu beachten ist. Dies ist ein erreichter Fortschritt, reicht aber nicht aus. Ebenso werden Tiere durch das Tierschutzgesetz um ihrer selbst Willen geschützt, jedoch werden ihnen keine rechtlichen Vertreter zugestanden.

„Dem Tier eine Stimme geben.“ - Eine bessere Überschrift hätten die Grünen für ihre Pressemitteilung zum vorliegenden Gesetzentwurf nicht finden können. Unsere Rechtsordnung sieht vor: Wer selbst nicht klagen kann, erhält einen gesetzlichen Vertreter. Dieses Recht haben Tiere bisher nicht. Dies soll mit dem vorliegenden Gesetzentwurf geändert werden, und das ist gut so. Ein Klagerecht für Tierschutzverbände entspricht somit dem grundsätzlichen Klagerecht von Einzelpersonen. Analog zum Naturschutzgesetz soll ein Verbandsklagerecht für Tierschutzverbände geschaffen werden, die die Interessen von Tieren vertreten. Darum muss es gehen. Wir müssen die Staatszielbestimmung Tierschutz mit Leben erfüllen, und dazu gehört das Verbandsklagerecht.

Durch das Verbandsklagerecht wird sichergestellt, dass Entscheidungen auch dann von unabhängigen Gerichten überprüft werden können, wenn tierschutzrechtliche Bestimmungen verletzt wurden. Mit dem Verbandsklagerecht werden somit nicht nur die Sichtweisen von Tierhaltern und Nutzern gewahrt, sondern auch die der Tierschutzverbände.

Die damalige rot-grüne Landesregierung hat seinerzeit eine bundesrechtliche Regelung zum Verbandsklagerecht angestrebt. Diese Bestrebung hat auch der SSW damals unterstützt. Hierfür fand sich leider keine politische Mehrheit. Daher ist es eine logische Konsequenz, dass Schleswig-Holstein jetzt ein landeseigenes Gesetz auf den Weg bringt, das die Gruppe der Klageberechtigten genau definiert.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nur so können wir jenen ihre Befürchtung nehmen, die annehmen, aufgrund des Verbandsklagerechts entstünde eine Prozessflut durch Tierschutzverbände. Ich glaube, dieses Märchen können wir vergessen. Die Erfahrungen im Zusammenhang mit dem Klagerecht von Naturschutzverbänden belegen bereits, dass diese damit durchaus verantwortungsvoll umgehen. In diesem Sinne begrüßen wir die Klarheit, in der der vorliegende Gesetzentwurf gefasst ist.

Unter § 1 wird ganz deutlich, in welchen Verfahren es zu einer Mitwirkung von Vereinen kommen soll. Dies halten wir für sinnvoll, um Missverständnissen zu Klagemöglichkeiten vorzubeugen.

Die unter § 2 aufgeführten Kriterien für die Anerkennung von Vereinen sind ebenfalls zu begrüßen. Damit wird die Anerkennungswürdigkeit der infrage kommenden Vereine geregelt. Offen ist für uns nur die Frage, was unter Ziffer 4 mit dem Begriff „Mitgliederkreis“ gemeint ist. Man könnte den Passus so verstehen, dass bestimmte Gruppen von vornherein ausgeschlossen sein sollen, selbst wenn sie sich für den Tierschutz einsetzen. Aber das können wir gerne noch im Ausschuss klären.

Alles in allem ist der Gesetzentwurf aber jetzt schon eine sehr gute Grundlage für ein neues Gesetz, das die Tiere mehr schützt als bisher, und dies wäre gut für Schleswig-Holstein.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Für die Landesregierung erteile ich dem Herrn Minister für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume, Dr. Christian von Boetticher, das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal, so denke ich, begrüßen wir alle, dass der Tierschutz in Deutschland - zu Recht - einen sehr hohen Stellenwert hat. Wir haben ihn alle eingefordert. Wir haben im Übrigen eine breite Mehrheit im Bundestag für die Verankerung des Staatszieles Tierschutz bekommen. Wenn Sie sich die heutigen Haltungsbedingungen, auch aufgrund europäischer Verordnungen, anschauen, so ergibt sich, dass sich zum Glück im Laufe der letzten Jahrzehnte eine ganze Menge verbessert hat.

Darum, Herr Hentschel, finde ich das Beispiel, das Sie genannt haben, ein Stück weit perfide. Ich beziehe das auf den Hinweis: Der Veterinär war nicht erreichbar. Ich kann Ihnen sagen, dass die Veterinäre in Schleswig-Holstein für den Tierschutz sehr sensibilisiert und sehr wohl erreichbar sind, auch auf Klagen von Tierschutzverbänden hin. Dies sind übrigens dieselben Veterinäre, die Sie auch gehabt haben. Ihnen das Armutszeugnis auszustellen, Sie wären nicht erreichbar, entspricht schlicht nicht der Realität.

(Lars Harms)

Nun zu dem, was Sie immer wieder zur Landwirtschaft, zur Tierhygiene oder zur Tiergesundheit sagen! Schauen Sie sich die Bedingungen an, die heutzutage aufgrund europäischer Vorschriften herrschen! Ihre Vorstellung entspricht manches Mal 100-jährigen Kinderbüchern und den Vorstellungen, wie man sie vielleicht damals von der Bäuerei gehabt hat. Die Anbindestellen von damals sind jedenfalls längst Vergangenheit. Machen Sie sich also kundig, dann werden Sie auch einen anderen Eindruck bekommen.

Wenn Sie den praktischen Tierschutz stärken wollen, so haben Sie in der Tat einen Verbündeten in mir. Aber in diesem Fall geht es zunächst einmal um Verbandsrechte. Im Jahre 2004 gab es den Vorstoß im Bundesrat. Hierauf ist verwiesen worden. In der damaligen Aussprache im Bundesrat hat dieser Vorschlag nicht einen einzigen Fürsprecher gefunden. Seitdem versuchen es die Grünen über die Landesparlamente. Er ist bereits in mehrere Landesparlamente eingebracht worden. Dazu gehörte zum Beispiel auch das Abgeordnetenhaus von Berlin. Dort gibt es einen rot-roten Senat und auch dort ist er im Übrigen abgelehnt worden.

Das liegt zunächst einmal daran - dies wurde vorhin schon gesagt -, dass der Tierschutz vom Bund abschließend im Tierschutzgesetz geregelt worden ist. Dort hat man auf das Verbandsklagerecht verzichtet. Es ist natürlich wenig sinnvoll, dies nun als Insellösung in einzelnen Landesgesetzen verankern zu wollen. Darum gibt es und gab es im Übrigen auch in der letzten Wahlperiode in Schleswig-Holstein nur eine Zuständigkeitsverordnung, die die Zuständigkeitsverteilung zwischen Landesund Kommunalbehörden regelt, aber eben keinen eigenen Vorschlag hier in diesem Parlament. Ich glaube, auch der letzten Landesregierung war bewusst, dass genau diese Insellösung eines einzelnen Bundeslandes bei einer abschließenden Gesetzgebung beziehungsweise bei konkurrierender Gesetzgebung, die aber durch ein eigenes Gesetz zum Abschluss gebracht worden ist, keinen Sinn macht.

Nun schauen wir uns den Vorschlag einmal ganz konkret an. Alle baurechtlichen Genehmigungsverfahren und die Erteilung von Haltungsgenehmigungen sollen der Mitwirkung von Tierschutzvereinen obliegen. Diese würden als eine Supra-Prüfungsinstanz für alle Genehmigungsverfahren fungieren.

Wir müssen aber auch sehen, welche Beteiligung heute schon möglich ist. Dies haben Sie hier völlig verschwiegen. Seit vielen Jahren gibt es einen sehr gut funktionierenden Tierschutzbeirat. Hierauf können Sie ein Stück weit stolz sein. Sie waren an des

sen Einrichtung beteiligt. Der Tierschutzbeirat ist in Schleswig-Holstein für alle Grundsatzangelegenheiten zuständig. Er ist beispielsweise zuständig für die Erteilung aller Genehmigungen für Tierversuche an der Universität. Überall sitzt der aktive Tierschutz mit dabei, ist eingebunden.

Wir haben - auch das wird von Ihnen häufig vergessen, so auch in der gestrigen Naturschutzdebatte über die strategische Umweltprüfung eine ganz neue Ebene bekommen, die alle Pläne und Projekte auch hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf den Tierschutz untersucht, einen ganz neuen Standard des Abprüfens von Tierrechten auf der gesetzlichen Ebene. Davon war in Ihren Reden bislang leider nichts zu finden.

Aus dem Gesetzentwurf ergibt sich, dass die anerkannten Verbände in allen Genehmigungs-, Erlaubnis- und Anzeigeverfahren nach dem Tierschutzgesetz Rechtsbehelfe einlegen können. Da fragt man sich eigentlich, warum das Tierschutzgesetz des Bundes in seiner geltenden Fassung vorsieht, dass über Tierversuchsanträge grundsätzlich innerhalb einer Frist von zwei Monaten zu entscheiden ist. Das ist nicht möglich, wenn ich über eine Verbandsklage in jedem Einzelfall die Möglichkeit habe, in ein Klageverfahren zu gehen. Dies würde genau diesen Paragrafen des Bundestierschutzgesetzes völlig ad absurdum führen. Darum weiß ich nicht, ob uns an dieser Stelle mit einem Verbandsklagerecht wirklich geholfen ist.

Wenn es um den Tierschutz geht, den wir im Augenblick in vielen Haltungsverordnungen in Europa verankern, so haben alle Tierschutzverbände - das wissen Sie, weil wir uns hierüber regelmäßig austauschen - einen Verbündeten in mir dafür, dass wir ein sehr hohes Tierschutzniveau bekommen, und zwar nicht nur auf einer Insel Schleswig-Holstein oder auf einer Insel Deutschland, sondern dafür, dass wir im gesamten europäischen Rechtsraum sehr hohe Tierschutzstandards bekommen. Diesbezüglich finden mich alle an ihrer Seite. Aber für ein Klagerecht auf schleswig-holsteinischer Ebene gibt es, so denke ich, keinen Bedarf.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf Drucksache 16/1224 dem Umweltund Agrarausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen.

(Minister für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume Dr. Christian von Boetticher)

Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 24 auf:

Fortsetzung der kontrollierten Heroinvergabe in Deutschland

Antrag der Abgeordneten des SSW Drucksache 16/1228 (neu)

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Lars Harms.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit dem Jahre 2002 läuft in Deutschland ein Modellversuch mit der kontrollierten Heroinvergabe an Schwerstabhängige. In sieben Großstädten wird gegenwärtig an rund 300 Heroinkonsumenten synthetisches Heroin, sogenanntes Diamorphin, verabreicht. Die Klienten müssen es unter Aufsicht einnehmen.