Protokoll der Sitzung vom 22.02.2007

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit dem Jahre 2002 läuft in Deutschland ein Modellversuch mit der kontrollierten Heroinvergabe an Schwerstabhängige. In sieben Großstädten wird gegenwärtig an rund 300 Heroinkonsumenten synthetisches Heroin, sogenanntes Diamorphin, verabreicht. Die Klienten müssen es unter Aufsicht einnehmen.

(Unruhe)

Momentan ist es ein bisschen zu laut!

Sie werden regelmäßig auf den Konsum anderer, illegaler Drogen getestet sowie ärztlich und psychosozial betreut.

Dieses Angebot richtet sich nur an Personen, die durch einen jahrelangen Missbrauch gezeichnet sind und mit herkömmlichen Behandlungsangeboten wie der Entzugstherapie oder der Methadonvergabe nicht behandelt werden können.

Deutschland ist bei Weitem nicht das erste europäische Land, in dem Diamorphin für die Behandlung von Heroinabhängigen eingesetzt wird. In Großbritannien, den Niederlanden und der Schweiz hat man bereits gute Erfahrungen damit gemacht. In allen Ländern konnte festgestellt werden, dass sich der Gesundheitszustand, der psychische Zustand, die Wohnsituation und die soziale Lage der Betroffenen signifikant verbesserten. Außerdem konnten das Risikoverhalten und die Beschaffungskriminalität deutlich reduziert werden. Mehr als jeder Vierte im deutschen Projekt ist sogar in der Lage, einer geregelten Arbeit nachzugehen. Den Betroffenen geht es also deutlich besser, auch wenn sie nicht sofort drogenfrei werden.

Auch die Gesellschaft hat handfeste Vorteile. Das Gesundheitswesen, die Polizei, die Justiz und der Justizvollzug werden entlastet. Wie stark dieser Effekt sein kann, lässt sich schon daran erkennen, dass Kriminologen zufolge jedes dritte Eigentumsdelikt in Städten den Drogen zuzuordnen ist. Ein Großteil der Probleme, die wir mit Drogenabhängigkeit verbinden, ist der kriminellen Umgebung und nicht der Substanz Heroin zu verdanken.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Drogentod, HIV, Hepatitis-Infektionen, Obdachlosigkeit, Beschaffungskriminalität und Beschaffungsprostitution - all dies sind Folgen, die durch die Heroinvergabe vermieden werden können. Es gibt also gute Gründe für ein heroingestütztes Behandlungsangebot. Die Modellversuchsphase ist aber seit 2006 abgeschlossen, und demnächst entfällt die Rechtsgrundlage für die Vergabe von Diamorphin wieder.

Es geht hier nicht um eine Liberalisierung oder gar um eine Freigabe, sondern nur um eine streng begrenzte Verabreichung unter streng kontrollierten Bedingungen. Trotzdem gibt es in der CDU-Bundestagsfraktion erhebliche Widerstände dagegen, die Heroinvergabe fortzusetzen. Es bestehen Vorbehalte gegen eine Behandlung, die die Drogenfreiheit nicht als einziges Ziel verfolgt. Eine solche Haltung geht aber an der Lebenswirklichkeit vorbei. Wir müssen erkennen, dass es Schwerstabhängige gibt, bei denen Abstinenztherapien oder Methadon nicht wirken. Mit der Heroinvergabe haben wir eine Möglichkeit, das Leben dieser Betroffenen zu stabilisieren und ihnen längerfristig einen Weg aus der Abhängigkeit oder in ein geregeltes Leben zu ebnen. Es gibt wissenschaftliche Erkenntnisse dahingehend, dass Abhängige ohne Therapie von der Droge wegkommen können. Dafür müssen sie aber erst einmal gesundheitlich überleben und sozial existieren können. Genau dies erreichen wir mit der Heroinvergabe.

In der vergangenen Woche hat sich der Vorsitzende der CDU-Bundestagsfraktion von Roland Koch und Ole von Beust überreden lassen, zumindest die heutigen Teilnehmer der Projekte nicht wieder in die Hände krimineller Dealer zu entlassen. Diese Einsicht Volker Kauders ist ein löblicher Fortschritt, aber sie ist nicht genug. Die kontrollierte Heroinvergabe ist erfolgreich und muss für mehr Betroffene als für die heutigen Projektteilnehmer zur Verfügung stehen. Deshalb muss Diamorphin - wie heute schon Methadon - als Medikament zur Behandlung von Heroinabhängigen zugelassen werden. Der Bund darf diesen Weg nicht aus alltagsfernen ideologischen Gründen wieder verbauen. Deshalb muss

(Präsident Martin Kayenburg)

sich Schleswig-Holstein im Bundesrat dafür einsetzen, dass die kontrollierte Heroinvergabe in Deutschland fortgesetzt werden kann.

Schleswig-Holstein hat nicht am Modellversuch teilgenommen, weil unsere Drogenszenen glücklicherweise nicht so hart sind wie in Hamburg, Hannover, Frankfurt oder München. Wir sollten aber unsere Nachbarn unterstützen, die sich auf Bundesebene für eine rechtliche Absicherung engagieren. Dies ist umso mehr unsere Pflicht, als in der Hamburger Drogenszene auch Landeskinder aus Schleswig-Holstein verelenden. Letztlich können Änderungen der Drogenszene oder neue Erkenntnisse dazu führen, dass auch wir zukünftig über neue Wege in der Behandlung von Schwerstabhängigen nachdenken müssen. Es wäre fatal, wenn dieses wirkungsvolle Instrument von vornherein ausgeschlossen wäre. Deshalb bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei SSW, FDP und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion hat Frau Abgeordnete Frauke Tengler das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegen vom SSW, Sie haben den Antrag zur Fortsetzung der kontrollierten Heroinvergabe in Deutschland gestellt, als die Beendigung des Modellversuchs zum Juni 2007 in Aussicht stand. Wie Sie wissen, ist diese Gefahr inzwischen gebannt. Sie ist unter anderem durch den vehementen Einsatz der Ministerpräsidenten Koch und von Beust gebannt, in deren Bundesländern sich Städte befinden, die an dem Modellversuch teilnehmen. Das Modellprojekt wurde im Februar 2002 begonnen und umfasste zu diesem Zeitpunkt 1.032 Heroinabhängige in sieben Städten.

Viele standen dem Experiment sehr kritisch gegenüber. Auch aus den CDU-Fraktionen gab es kritische Stimmen. Die CDU Schleswig-Holstein hat sich in ihrem Wahlprogramm 2005 allerdings für die Abgabe von Heroin als Medikament für die Behandlung von Schwerstabhängigen ausgesprochen.

(Beifall bei CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW - Zuruf des Abgeordneten Günter Neugebauer [SPD])

- Herr Neugebauer, wir haben uns 2005 dafür ausgesprochen! - Dies geschieht im Modellprojekt nach klaren Kriterien, die folgende Ziele verfolgen:

Verbesserung des Gesundheitszustandes, Verringerung des Konsums illegaler Drogen, Abkehr von der Drogenszene, Verbesserung der sozialen Situation und Rückgang der Beschaffungskriminalität. Zurzeit befinden sich noch circa 300 Personen in dem Modellprojekt. Die das Modellprojekt begleitende Studie bescheinigt der heroingestützten Behandlung im Vergleich zur methadongestützten Behandlung eine größere Wirksamkeit. Ich sage es noch einmal deutlich: Lars Harm, das Projekt läuft weiter. Es wird sogar erwogen, weitere Schwerstabhängige aufzunehmen.

Allerdings gehört auch in diesen Zusammenhang, dass die heroingestützte Behandlung mit 18.000 € pro Jahr und Patient circa dreimal so teuer ist wie die Methadonbehandlung mit circa 6.000 € pro Jahr und Patient. Die CDU-Fraktion erkennt vor den Hintergründen, dass Schwerstabhängige durch die heroingestützte Behandlung nicht mehr auf der Straße leben müssen, dass sie keine Beschaffungskriminalität mehr begehen müssen, dass sie größtenteils wieder eine eigene Wohnung haben und dass ihnen letztlich damit das Überleben gesichert wird, die Notwendigkeit der Fortführung des Modellprojekts.

Wir lehnen allerdings die Zulassung des synthetisch hergestellten Heroins Diamorphin als Medikament ab. Ebenso lehnen wir auch ein bundesweites Netz an Drogenambulanzen ab. Vielmehr haben wir uns aus unserer Sicht mit den Ergebnissen der UNICEF-Studie im Hinblick auf das Risikoverhalten deutscher Jugendlicher zu beschäftigen. Das ist gestern zum Beispiel nicht zur Sprache gekommen. Hier liegt Deutschland vor Großbritannien auf dem vorletzten Platz. Hauptgrund ist das Rauchen. In keinem anderen Land rauchen so viele junge Menschen. Dies zeigt ein Vergleich mit 29 Industriestaaten, einschließlich Russland. Beim Alkoholkonsum geben 16 % der Jugendlichen zwischen 11 und 15 Jahren zu, zweimal oder öfter betrunken gewesen zu sein. In Frankreich und Italien sind es unter 10 %. Die Bereitschaft, Cannabis zu konsumieren, steigt kontinuierlich.

Für mich heißt das weiterhin, Präventionsmaßnahmen zu entwickeln, einzusetzen und auf ihre Wirksamkeit und Rechtsverbindlichkeit hin zu überprüfen. Die heroingestützte Behandlung von Schwerstabhängigen ist vielleicht nicht der Königsweg. Im Moment ist er als ein Akt der Mitmenschlichkeit aber der einzig gangbare Weg. Um über die Methode und über die Studienergebnisse sprechen zu können, stimmen wir einer Überweisung an den Sozialausschuss zu.

(Lars Harms)

(Beifall bei der CDU und des Abgeordneten Günter Neugebauer [SPD])

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Peter Eichstädt das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Drogenpolitik des Landes SchleswigHolstein orientiert sich an vier Säulen. Gerade nach dem, was Frau Tengler eben über das Rauchen gesagt hat, betone ich, dass diese vier Säulen gleichberechtigt nebeneinander stehen. Die erste Säule Prävention - beinhaltet, dass Suchtprobleme frühzeitig erkannt und angesprochen werden sollen. Die zweite Säule - Therapie - ist das rechtzeitige Angebot qualifizierter Hilfe für Suchtgefährdete und Suchtkranke. Die dritte Säule - Sanktion - ist die Einschränkung des Angebots an Suchtmitteln und die konsequente Bekämpfung kriminellen Drogenhandels. Die vierte Säule - das Gewähren von Überlebenshilfen - bedeutet, denjenigen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen, die unheilbar sind.

Der Antrag des SSW betrifft die vierte Säule. Es geht um Menschen, die schwerst heroinabhängig sind und bei denen eine Therapie, die zu einem drogenfreien Leben führen könnte, in der Regel nicht mehr in Aussicht steht. Die für diese Personengruppe zur Verfügung stehenden Hilfen sind zum einen die Methadonbehandlung und zum anderen die im Antrag des SSW angesprochene kontrollierte Versorgung mit Diamorphin. Zur Erprobung und Evaluierung der heroingestützten Behandlung Schwerstabhängiger ist in sieben Städten vom Bundesministerium für Gesundheit ein Modellprojekt durchgeführt worden. Dabei wurde die regelmäßige Versorgung unter wissenschaftlicher Begleitung an 443 solcher Patienten erprobt. Die bisher vorliegenden Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Heroinbehandlung eine erfolgreiche Therapie schwerstabhängiger Heroinkonsumenten darstellen kann.

Schleswig-Holstein war an dieser Studie nicht beteiligt. Sie fand in Hamburg, Hannover, Karlsruhe, Frankfurt, Bonn, Köln und München statt. Die betroffenen Personen, von denen jetzt nur noch etwa 230 am Programm teilnehmen, wünschen eine Fortsetzung dieser Behandlungsmethode über das Modellprojekt hinaus, das am 30. Juni 2007 endet. So war der Stand zum Zeitpunkt des ersten SSW-Antrages. Inzwischen steht fest, dass das Projekt verlängert wird. Wir haben das gehört. Insofern ist für

uns heute kein dringender Handlungsbedarf mehr gegeben.

Die Erfolge des Projekts sind nach der Studie erkennbar. Für den betroffenen Personenkreis war eine deutliche Verbesserung der somatischen Gesundheit festzustellen. Diese reichte bis hin zu einer vor der Behandlung nie geahnten körperlichen und psychischen Fähigkeit zur Teilnahme am gesellschaftlichen Leben und bis hin zur Ausübung beruflicher Tätigkeiten. Es kam zu einer Absenkung der Beschaffungskriminalitätsrate. Der befürchtete Nachteil, dass sich um diese Programme herum eine neue Drogenszene bilden könnte, ist nicht eingetreten. Natürlich ist die Verabreichung von Diamorphin an Schwerstabhängige immer nur das letzte Mittel und die zweite Wahl der Hilfe.

Die von mir erwähnten drei Säulen sind vorrangig zu betrachten. Die hier diskutierte Behandlungsmethode kann immer nur die letzte humane Hilfe zum Überleben für einen Personenkreis sein, bei dem es im wahrsten Sinne des Wortes um Leben und Tod geht.

Die Zustimmung beziehungsweise Ablehnung zur Fortsetzung dieses Programms ging quer durch die Länder und - das muss man ehrlicherweise auch sagen - durch die Parteien. So haben sich zum Beispiel der Bürgermeister von Hamburg und die Ministerpräsidenten von Niedersachsen und Hessen vehement dafür ausgesprochen, dieses Programm weiter auszuführen. Auf Bundesebene und vor allen Dingen in der CDU-Fraktion gab es bisher erheblichen Widerstand, dieses Programm weiterzuführen. Zumindest für den bisherigen Personenkreis wird das Programm nun aber fortgesetzt.

Für ein regelmäßiges und flächendeckendes Angebot - und darauf zielt der SSW-Antrag ab - wäre die Änderung des Betäubungsmittelgesetzes und des Arzneimittelgesetzes erforderlich. Wir sind nicht der Auffassung, dass unsere Landesregierung zum jetzigen Zeitpunkt im Bundesrat eine solche Initiative - wie vom SSW gefordert - ergreifen sollte.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Ich möchte das begründen. Schleswig-Holstein ist nicht am Projekt beteiligt, mit guten Gründen. Denn ob diese Art der Versorgung auch für SchleswigHolstein geeignet ist, erscheint zumindest diskussionswürdig. So ist der Personenkreis in unserem Land so überschaubar, dass sich die Frage stellt, ob ein solches Programm bei uns überhaupt zu organisieren wäre. Nach Schätzung unserer Landesstelle Sucht Schleswig-Holstein (LSSH) handelt es sich dabei um circa 300 Schwerstabhängige im gesam

(Frauke Tengler)

ten Flächenland Schleswig-Holstein, von denen erfahrungsgemäß - nach den Erfahrungen im Bund höchstens 100 in der Anfangsphase an einem solchen Angebot teilnehmen würden.

Es müsste also eine Infrastruktur aufgebaut werden, die die Verabreichung des Heroins in sicherer und angemessener Umgebung gewährleistet. Dazu gehört ein 24-Stunden-Schichtdienst mit Fachkräften in unserem Bundesland. Diese Faktenlage führt dazu, dass wir Schleswig-Holstein für weniger geeignet halten, eine solche Initiative zu ergreifen, als solche Länder, die bereits am Projekt teilnehmen und einen ausgewiesenen Bedarf haben.

Wenn eine solche Initiative auf Bundesratsebene entsteht, werden wir uns positionieren und uns vermutlich auch nicht verweigern, nachdem wir uns ausführlich mit dem Programm und seinen Wirkungen beschäftigt haben. Deshalb schlagen wir heute und ich bitte Sie, unserem Vorschlag zuzustimmen - die Überweisung in den Fachausschuss vor. Dort werden wir uns damit beschäftigen und werden dann, wenn eine Initiative von anderen Ländern ergriffen wird, uns auch positiv daran beteiligen.

(Beifall bei SPD und CDU)

Für die Fraktion der FDP hat Herr Abgeordneter Dr. Heiner Garg das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wenn die Heroinabgabe in den derzeit bestehenden Modellprojekten fortgeführt werden soll, ist die grundsätzliche Frage nicht geklärt, warum dieses Projekt lediglich auf die rund 300 Schwerstabhängigen beschränkt bleibt, die die Chance hatten, daran teilnehmen zu dürfen. Der Antrag des SSW bietet die Gelegenheit, darüber zu debattieren, wie Politik ein Hilfsangebot für diejenigen Schwerstabhängigen schaffen kann, die durch Ersatzstoffe wie Methadon bisher nicht erreicht werden konnten.

Das ist die konsequente Fortsetzung unserer gemeinsamen Initiative aus der letzten Legislaturperiode, neue Wege in der Drogenpolitik beschreiten zu wollen, lieber Peter Eichstädt. Auch wenn es damals für das Land Schleswig-Holstein aus vielfältigen, insbesondere rechtlichen Gründen nicht möglich war, dem als Arzneimittelversuch konzipierten Projekt nachträglich beizutreten, ist die grundsätzliche Frage, ob und wie dieses Modellprojekt ausgeweitet werden soll, nie wirklich beantwortet worden.

(Beifall bei FDP, SSW und der Abgeordne- ten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Es geht nicht darum, dass der Staat durch die Vergabe von Drogen als Dealer auftritt. Es geht nicht darum, irgendjemand den Einstieg in eine harte Droge zu erleichtern und den Drogenkonsum staatlicherseits zu fördern. Es geht derzeit darum, ob Schwerstabhängige, die unter strenger Aufsicht synthetisches Heroin, also Diamorphin, erhalten, nach jahrelanger Drogenkarriere mit Krankheit und Beschaffungskriminalität wieder in halbwegs geordnete Lebensabläufe zurückgeführt werden können. Es geht auch um die Frage, ob eine begrenzte Gruppe Schwerstabhängiger künftig Heroin als Medikament erhalten und der Staat dies unterstützen darf. Sollte Diamorphin als Medikament zugelassen werden, wird von der Bundesdrogenbeauftragten mit bundesweit 1.500 Schwerstabhängigen gerechnet, die damit behandelt werden könnten. Bei rund 120.000 bekannten Opiatabhängigen kann man deshalb nicht davon sprechen, dass der Staat hier Dämme brechen würde.

Ist es sinnvoll, die kontrollierte Abgabe von Heroin als Ergänzung zum bisherigen Drogenhilfesystem zu etablieren, anstatt die abhängigen Menschen immer weiter zu kriminalisieren? - Die Ergebnisse der jetzt auslaufenden Heroinstudie zeigen, dass die Behandlung mit Diamorphin für eine begrenzte Gruppe Schwerstabhängiger der Methadon-Substitution deutlich überlegen und somit sinnvoll ist. Die Kriminalität nahm ab, die Betroffenen hatten auf einmal die Chance, wieder im Alltag Fuß zu fassen. Es ging für sie nicht mehr nur darum, wo sie den nächsten Schuss herbekommen. Die Gefahr des Beikonsums anderer Drogen nahm signifikant ab. Viele der Abhängigen konnten im Rahmen des Projektes sogar „herausdosiert“ werden, in dem sie kontinuierlich immer weniger Heroin erhielten. Für sie zeigte sich erstmals nach langen Jahren wieder die Chance, ohne Drogen auszukommen.

Ich möchte an der Stelle gern einräumen, dass das selbstverständlich nicht für alle gilt und vermutlich und bedauerlicherweise auch nie für alle gelten wird.

Das Ergebnis der Studie ist, dass eine bessere soziale Entwicklung der heroingestützten Patienten gleichzeitig auch noch geringere volkswirtschaftliche Kosten zur Folge hat. Insofern relativieren sich die Kostenbetrachtungen, die derzeit isoliert zwischen Methadon als Substitution und Diamorphin angestellt werden.

(Peter Eichstädt)