Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Bundesverfassungsgericht hat in seinen Urteilen zum niedersächsischen Polizeirecht und zum Luftsicherheitsgesetz vor allem eins gefordert: Klare rechtliche Regelungen dahin gehend, was erlaubt ist und was nicht. Was will der Gesetzgeber und was will er nicht? Angesichts des Nebels, der teilweise verbreitet worden ist, und vor dem Hintergrund einer außerordentlich schrill vorgetragenen Kritik möchte ich für etwas Klarheit sorgen. Was will das Parlament den Polizistinnen und Polizisten zur Gefahrenabwehr erlauben? Wir passen das Polizei- und Ordnungsrecht unseres Landes an den technischen Fortschritt und an die veränderten Bedrohungslagen an.
Anders als 1992 sind die Grenzkontrollen verschwunden. Wir haben eine einheitliche europäische Währung und die Internetkriminalität ist Alltag. Außerdem ermöglichen wir im Handyzeitalter die gefahrenabwehrrechtliche Telefonüberwachung als Ergänzung zur bereits erlaubten Wohnraumüberwachung. Genau wie im Koalitionsvertrag angekündigt, führen wir probeweise für zwei Jahre ein Autokennzeichenscanning ein und erweitern moderat die Befugnisse der Ordnungsbehörden. Alle anderen Änderungen schaffen dort gesetzliche Klarheit, wo das Bundesverfassungsgericht die rechtlichen Anforderungen präzisiert hat oder wo wir vorher mit Hilfskonstruktionen gearbeitet haben.
So sollen künftig das Aufenthaltsverbot und die gezielte und lagebildabhängige Kontrolle auf eine saubere gesetzliche Grundlage gestellt werden, womit wir übrigens einen ausdrücklichen Wunsch der Gewerkschaft der Polizei aufgreifen. Verschärft werden in dem Zusammenhang lediglich die gesetzlichen Hürden der präventiven Wohnraumüberwachung.
Im Endeffekt erhalten die Polizistinnen und Polizisten ein praxistaugliches Polizeirecht, die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes und unsere Landespolizei bekommen ein modernes - und ich betone: ein liberales - Polizeirecht. Es ermöglicht einen wirksamen Schutz der Bürgerinnen und Bürgern vor traditionellen und neueren Formen von Kriminalität und es hält die Balance zum wichtigen Schutz der Bürgerrechte.
Dazu ziehen sich drei rote Fäden durch dieses Gesetz. Erstens. Die Arbeit der Polizei ist offen, sie ist nachprüfbar und sie ist einklagbar. Entweder muss man von vornherein zeigen, was gemacht wird, oder - wo dies polizeitaktisch unklug wäre - nachträglich informieren. Der Vorwurf, hier sei Missbrauch möglich, trägt nicht. Johannes Rau hat dazu einmal zu Recht gesagt: Der mögliche Missbrauch einer Sache darf ihren Gebrauch nicht hindern. Fehlverhalten und Missbrauch lassen sich nie gänzlich ausschließen. Die Qualität unseres Rechtsstaates zeichnet sich aber gerade dadurch aus, dass Missbrauch aufgedeckt wird und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Auch wenn es niemand offen sagt, gilt dennoch: Die Unterstellung des Missbrauchs als Regel ist eine Beleidigung unserer exzellent ausgebildeten und als Bürgerpolizei hoch angesehenen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten.
Zweitens. Je schwerer der Eingriff, desto höher die Hürden. Eingriffsintensive Maßnahmen stehen unter Richtervorbehalt. Unvermeidliche Sofortentscheidungen können zwar getroffen werden,
Und auch hier gilt, Fehlverhalten hat Konsequenzen. Die polemische und überzogene Kritik gerade aus Richterkreisen ist vor diesem Hintergrund mehr als fragwürdig.
Drittens. Opferschutz und Datenschutz wurden und werden sorgfältig gegeneinander abgewogen. Hierbei geht es um die Abwägung zwischen den Grundrechten möglicher Opfer, deren Leben, Leib oder Freiheit bedroht wird, und denen des Störers, wie zum Beispiel dessen höchstpersönlichen Intimbereich. Informationelle Selbstbestimmung ist ein hohes Gut und ich achte die Verantwortung des Datenschutzbeauftragten. Die Bürgerinnen und Bürger erwarten aber auch vom Staat, dass er sie und ihre Kinder wirksam vor Alltagskriminalität, vor Kindesmissbrauch oder Entführungen und - soweit in einer freiheitlichen Gesellschaft möglich - auch vor Terrorbedrohung schützt. Es gilt für mich unumstößlich, dass wir nicht die Freiheit beseitigen wollen und dürfen, die wir zu schützen haben. Das sollten Sie übrigens zur Kenntnis nehmen, auch wenn es nicht zu Ihren vorbereiteten Reden beziehungsweise Angriffsklischees passt. Das sage ich gerade in Ihre Richtung, liebe Frau Kollegin Spoorendonk, nachdem ich Ihre sehr grobe Presseerklärung nach der Pressekonferenz mit dem Herrn Oppositionsführer und seiner Gattin gelesen habe.
So lehne ich zum Beispiel heimliche Onlinedurchsuchungen ab - und in dem Kontext hat sich übrigens der Kollege Döring geäußert, liebe Frau Kollegin Spoorendonk - und ähnlichen Gesetzesaktio
nismus auch. Umfangreiche Berichtspflichten gegenüber dem Landtag und die nach wie vor vorgesehene Befristung des Kennzeichenscannings auf zwei Jahre sorgen überdies für eine zusätzliche Möglichkeit, die Wirksamkeit der Maßnahme auf der Grundlage einer vernünftigen Faktenbasis zu überprüfen.
Die Opfer von Kriminalität sind ganz normale Bürger. Es sind eher die Schwächeren in der Gesellschaft, es sind seltener die mit Dienstwagen und mit privatem Sicherheitsdienst. Datenschutz ist wichtig, aber er darf nicht einer effektiven Gefahrenabwehr und der vorbeugenden Bekämpfung von Kriminalität entgegenstehen. Das gehört auch zur Verantwortung des Innenministers, zu der ich mich nachdrücklich bekenne. Ich bekenne mich auch dazu, dass die Politik - jedenfalls die Volksparteien, was die Grundlagen ihrer Politik angeht - sich nicht dem Willen der überwiegenden Zahl der Bevölkerung entziehen soll. Wer auf diesem Gebiet versagt, handelt sich schnell - ich sage das durchaus selbstkritisch - wie in Hamburg 19,4 % Schill ein. Aber bei aller Selbstkritik, verehrter Herr Kollege Klug, es waren nicht Sozialdemokraten, die mit dem Herrn auf der Regierungsbank gesessen haben. Das möchte ich hier auch deutlich sagen.
Ich möchte auf eine Ausschussempfehlung besonders hinweisen, um zu zeigen, dass die hier vom Herrn Oppositionsführer vorgetragene Deutung eine mit juristischer Spitzfindigkeit theoretisch mögliche, in der realen Welt aber eher unmögliche Deutung ist. Bei Schleierfahndungsmaßnahmen im Grenzgebiet darf die Polizei zur Verhütung erheblicher grenzüberschreitender Kriminalität die Identität der angehaltenen und in Augenschein genommenen Person nur feststellen, wenn bei der Kontrolle Anhaltspunkte darauf hindeuten - zum Beispiel wenn sich ein Stapel Pässe im Auto befindet;
das sind die vom Gesetz geforderten Tatsachen -, dass die überprüfte Person mit zu verhindernder Kriminalität in Verbindung steht.
Hier soll für die Landespolizei das gelten, was auch für die Bundespolizei gilt, Herr Oppositionsführer, falls Sie das schon einmal gehört haben sollten. Willkürlich und flächendeckend kann und darf von niemandem der Personalausweis verlangt werden. Gerade hier ist aber mit den Straftaten Drogenhan
del, Sprengstofftransporte, Menschenhandel und Menschenschmuggel eine zunehmende Gefahr entstanden, der erfahrungsgemäß vor allen Dingen im Grenzbereich entgegengewirkt werden muss.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das normale parlamentarische Verfahren in all seinen Facetten hat wertvolle Änderungen gebracht. Die jetzt diskutierte Ausschussempfehlung basiert im Wesentlichen auf dem Änderungsantrag der Regierungsfraktionen. Diese wiederum bestätigen die Formulierungsvorschläge, die ich Anfang Dezember letzten Jahres den Fraktionen unterbreitet habe. Damit habe ich sowohl Details der Expertenanhörung als auch Anregungen und Kritik des Wissenschaftlichen Dienstes aufgegriffen. Das ist ein völlig normaler Vorgang. Ich stehe nicht an zu sagen, dass bestimmte Normen verbessert worden sind. Mein Dank gilt den konstruktiven Kritikern, mein Dank gilt aber auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern meines Hauses, die eine gute Arbeit geleistet haben und die zu Unrecht an den Pranger gestellt worden sind.
Doch bleiben wir auf dem Teppich. Auf Hinweis des Wissenschaftlichen Dienstes wurden nur zwei Formulierungen des Entwurfes konkretisiert beziehungsweise verändert, die eine mögliche - ich betone: mögliche - Gefahr für die vom Verfassungsminister ausdrücklich und selbstverständlich gewünschte Verfassungsfestigkeit hätten darstellen können. Erstens. Die Polizei muss bei einer in Eilkompetenz angeordneten heimlichen Datenerhebung statt innerhalb von drei Tagen nunmehr unverzüglich eine richterliche Entscheidung nachholen. Zweitens. Das Aufenthaltsverbot wird sicherheitshalber mit dem Kriminalvorbehalt des Artikel 11 Grundgesetz formuliert. Das heißt, das Verbot darf nur ausgesprochen werden, um strafbaren Handlungen vorzubeugen.
Alle anderen Änderungsvorschläge mögen politisch unterschiedlich bewertet werden, sie sind verfassungsrechtlich aber nicht geboten. Sie dienen einer noch größeren Normenklarheit, einer noch besseren Bestimmtheit des Gesetzes und kommen darüber hinaus Zweiflern entgegen, die es gerade im juristischen Bereich stets gibt.
Entgegen den gepflegten Vorurteilen bin ich durchaus konzessionsbereit, wenn es der Praxistauglichkeit nicht schadet und dazu dient, die eine Zweiflerin oder den einen Zweifler noch zu überzeugen. Leider gelingt uns das aber nicht bei Berufszweiflern, denn die würden ja ihr Markenzeichen verlieren.
Und weil die drei Oppositionsparteien ja doch so heftig kritisiert haben, muss ich Ihnen eines ehrlich sagen; wofür ich überhaupt kein Verständnis habe, ist folgender Vorgang: Wenn Ihnen der Innenminister im Innen- und Rechtsausschuss in der abschließenden Beratung ausdrücklich anbietet, alle Kritikpunkte ausführlich zu erläutern und dazu Stellung zu nehmen, und dies dann von den Kritikern ausgeschlagen wird,
befremdet mich eine solche Arbeitsweise. Es wird doch immer wieder gesagt, in Parlamentsausschüssen fände die Sacharbeit statt. Dies erweckt zumindest den Verdacht, dass man sich von Fakten oder Argumenten nicht die Vorurteile zerstören lassen will. Seriosität ist ein hohes Gut in der parlamentarischen Demokratie, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Lassen Sie mich also in aller Klarheit feststellen: Nein, Schleswig-Holstein wird kein orwellscher Überwachungsstaat, sondern garantiert einen wirksamen und dennoch maßvollen Schutz der Bürgerinnen und Bürger. Nein, es gab an dem Entwurf kaum substanzielle Änderungen. 95 % sind nicht verändert worden. Und nein, das Gesetz ist nicht offensichtlich verfassungswidrig. Wir haben uns streng an den Urteilen des Bundesverfassungsgerichts und seinen Begründungen zu entsprechenden Regelungen im Polizeirecht anderer Länder orientiert.
Ich möchte noch zwei konkrete Vorwürfe widerlegen. Frau Präsidentin, ich werde mit der Zeit nicht ganz auskommen können, weil ich mich mit dem auseinandersetzen möchte, was hier vorgetragen worden ist.
Erstens wird behauptet, Teile des Entwurfs überschritten die Gesetzgebungskompetenz des Landes. So sei der automatische Abgleich vorbeifahrender Fahrzeuge mit dem Fahndungsbestand nicht von der Normgebungskompetenz des Landes erfasst, weil auch auf Strafverfolgung gerichtete Fahndungsdaten zur Abfrage gelangten. Dies ist eine ungerechtfertigte Unterstellung contra legem und damit wider besseres Wissen. § 162 des Landesverwaltungsgesetzes beschränkt alle nachfolgenden Vorschriften klar und unmissverständlich auf Gefahrenabwehr. Darunter fällt auch das Kennzeichenscanning. Hier geht es übrigens um die Erfassung von Kennzeichen, Frau Kollegin Spoorendonk, die im Regelfall in Sekundenbruchteilen wieder gelöscht werden. Das ersetzt das polizeiliche Auge und ist ein effektiver Umgang mit unseren knappen Ressourcen, wozu ich auch verpflichtet
bin. Es ist gerade kein neues Ausforschungsinstrument, wie behauptet wird. Und im Gegensatz zur Politik, wo Wiederholungen manchmal helfen, reicht im Gesetz eine einmalige Klarstellung vor der Klammer.
Zweitens wird behauptet, die präventive Telefonüberwachung verstoße zwar nicht gegen die Verfassung, wohl aber gegen ein potenzielles Bundesgesetz, wie ein Referentenentwurf aus dem Bundesjustizministerium zeige. Jenseits der mangelnden Regelungskompetenz des Bundes für Gefahrenabwehr - die übrigens alleinige Ländersache ist - sollten gerade Parteien ohne Regierungsverantwortung bemüht sein, Gesetzentwürfe, die noch nicht einmal das Parlament erreicht haben, nicht zu überhöhen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Schleswig-Holstein hat zwar schöne Inseln, ist aber keine. Alle Länder müssen unabhängig von der jeweiligen Regierungsmehrheit auf die Herausforderungen moderner Kriminalität reagieren. Dementsprechend trägt gerade die FDP in einigen Regierungen viel weiter gehende Änderungen mit und auch die Grünen haben die Befugnisse des Staates bei der Verbrechensprävention erweitert.
Herr Kollege Hentschel, eines möchte ich Ihnen schon sagen: Wenn es in 15 Ländern die Möglichkeit zur Rasterfahndung gibt und in einem 16. nicht und es einmal eine gäbe, dann wäre das für die Menschen, die sich dem entziehen wollen, geradezu eine Aufforderung, sich hier niederzulassen. Es kann nicht allen Ernstes Ihre Meinung sein, dass man das in einem föderalen Land wie Deutschland so handhaben könnte.
Die schwarz-gelben Koalitionen in Niedersachsen und Baden-Württemberg - Herr Kollege Kubicki sind wahrlich keine rühmlichen Beispiele für bürgerrechtsfreundliches Polizeirecht. Aber die haben natürlich keinen Kubicki. Und das, was Sie über Herrn Kafka und den „Prozess“ gesagt haben - ich habe unter anderem Literaturwissenschaft studiert -, hätten Sie genauer nachlesen sollen. Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich. Sie haben noch nicht einmal bei der freundlichen Erwähnung meiner Doktorarbeit darauf hingewiesen, dass die Passage, die Sie zitiert haben, ihrerseits ein Zitat war, das ich, jedenfalls in wesentlichen Teilen, übernommen hatte.
Mit der SPD als Koalitionspartner und mit mir als Innenminister - das will ich ganz deutlich sagen wird es weder Vorbeugehaft aufgrund diffuser Vor
verurteilungen noch Regelungen für den gezielten Todesschuss noch elektronische Fußfesseln für Hassprediger noch rechtliche Sonderregelungen für Extremsituationen oder Bundeswehreinsätze im Innern geben. Das sage ich übrigens auch an die Adresse des Kollegen Dr. Wadephul, der die Verfassung nun wirklich nicht vor dem Innenminister zu schützen braucht.
Die SPD-Fraktion hat verhindert, dass die Forderung nach lockeren Regelungen zur Telekommunikationsüberwachung in das Gesetz hineingekommen ist. Dafür bedanke ich mich ausdrücklich. Ich kann das aus rechtspolitischen und verfassungspolitischen Gründen nur begrüßen. Ich bekenne mich zu den hier vorgenommenen Änderungen. Wir haben aber die Pflicht, für eine möglichst große Sicherheit aller zu sorgen, ohne dabei die Bürgerrechte aus den Augen zu verlieren. Ich denke, dass uns das gelungen ist. Ich heiße aber weder Beckstein noch Schönbohm, auch nicht Schily oder Schünemann, meine Arbeit liegt in der Kontinuität meiner drei Amtsvorgänger. Hans-Peter Bull, mit dem ich vorgestern telefoniert habe, wurde 1992 bei der Verabschiedung des Landesverwaltungsgesetzes - lesen Sie einmal die Protokolle nach - mit ähnlichen Vorwürfen bedacht wie ich heute. In den nachfolgenden Jahren galt das Gesetz als ein Musterbeispiel bürgerfreundlichen Polizeirechts. Kritik an der Sache ist gut, leidenschaftliche Debatte um die richtige Politik auch, Diffamierungen und Vorurteile disqualifizieren allerdings eher den Urheber als den Adressaten.
Ich glaube an die Vernunftbegabtheit, die Erinnerungsfähigkeit und den Weitblick der Menschen. Lassen Sie sich also keinen Sand aus Strande in die Augen streuen, sondern setzen Sie stattdessen diese Tradition fort und stimmen Sie dem Gesetz zu!