Protokoll der Sitzung vom 22.02.2007

Gerade Leute, die sehr aufs Geld schauen müssen, werden zukünftig durch eine sogenannte kleine Kopfpauschale, die sehr schnell zu einer größeren werden kann, überproportional zur Kasse gebeten.

Zweitens. Die Gesundheitsreform sollte deutliche Entlastungen im Bereich der Lohnnebenkosten bringen. Das war vor allen Dingen ein Anliegen der CDU und hinsichtlich der Zielrichtung teilt meine Fraktion dieses Anliegen. Allerdings wurde auch hier nicht konsequent gehandelt. Vielmehr wurde stattdessen unter dem Stichwort Gesundheitsfonds ein Moloch geschaffen, der sehr viel mehr Bürokratie mit sich bringen wird, der keine Transparenz erlaubt und der insbesondere keine nachhaltige Entwicklung im Sinne der Senkung der Lohnnebenkosten erwirkt. Die einzige Senkung der Lohnnebenkosten wird auf Kosten der Patientinnen und Patienten, der Lohnabhängigen, stattfinden und so hatten wir uns die Senkung von Lohnnebenkosten nicht vorgestellt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Nun hat die Gesundheitsministerin in der Debatte, die wir seit vielen Wochen führen, immer wieder die vielen kleinen Verbesserungen erwähnt - diese sind zum Teil gar nicht so klein -, die sie sowohl für den Gesundheitsstandort Schleswig-Holstein als auch für das Gesetzgebungsverfahren insgesamt mit

bundesweiter Wirkung vorangebracht hat. Denn sie war am Verhandlungsprozess intensiv beteiligt.

Frau Dr. Trauernicht, das ist so ein bisschen ein Huckepack-Gesetz. Dinge, die sowieso sinnvoll sind und die man ohne diese große Murksreform hätte viel leichter machen können, haben Sie da hineingeschleust. Es ist eine - das muss ich zugeben - mir nicht unbekannte weibliche Strategie: Wenn sich große Elefanten streiten, dann geht man als Mücke mit und dann kann man ihnen einen kleinen Floh ins Ohr setzen und der wird dann erledigt.

(Heiterkeit bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Dr. Heiner Garg [FDP]: Bei den Elefanten herrscht Patriarchat!)

Letztendlich ist es aber so,

(Ministerin Dr. Gitta Trauernicht: Das ist ja Sexismus pur!)

dass eine Debatte um die inhaltlichen Verbesserungen, die Sie eingebracht haben, an der Grundfehlstruktur nichts ändert.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Insofern habe ich bewusst die Verhältnismäßigkeit dieser Tiere gewählt. Denn meiner Meinung nach täuscht das, was Sie hier eingebracht haben, darüber hinweg, dass der Zug in die falsche Richtung fährt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Deswegen sind wir dagegen. Und mit dieser Meinung stehen wir auch nicht allein da. Insbesondere schleswig-holsteinische Bundestagsabgeordnete haben ihre Zustimmung zum Gesetz verweigert und daraus keinen Hehl gemacht. Insgesamt haben übrigens 79 Bundestagsabgeordnete aus den Reihen der Koalitionsfraktionen dagegen gestimmt.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Darunter viele Sozialdemokraten!)

Insbesondere der gesundheitspolitische Fachmann der SPD, Wodarg, hat Standing bewiesen und gegen Anfeindungen in seiner eigenen Fraktion die Reform deutlich kritisiert.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Lothar Hay [SPD]: Hat er mitge- stimmt? - Dr. Heiner Garg [FDP]: Als Mücke!)

- Sie wissen ja, wie das so mit Abstimmungen ist, und da haben Sie Ihre eigene Kultur. Ich kann nicht beurteilen, was passiert, wenn jemand offensichtlich dagegen stimmt, aber er hat in dieser öffentlich

(Angelika Birk)

zugespitzten Situation keinen Hehl daraus gemacht, was er von dieser Reform hält. Was er letztendlich bei der Abstimmung macht, muss er mit seinem Gewissen ausmachen. Auf jeden Fall wussten wir: Die Stimme von Wodarg ist keine Stimme für die Reform.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Obwohl die Chancen auf Veränderungen nach den bisherigen Entscheidungen akut in den nächsten Tagen im Bund gleich null sind, finden wir es wichtig, hier deutlich zu machen, dass es nach wie vor Umkehrungsbedarf gibt. Es gibt den Bedarf nach einer völlig neuen Debatte, wie die Gesundheitsreform ausgerichtet werden soll, und dies kommt insbesondere im ersten Absatz des FDP-Antrages zum Ausdruck. Deshalb stellen wir ihn zur Abstimmung. Wir möchten auch dem Landtag von Schleswig-Holstein die Gelegenheit geben, nach der gesamten Reform ein inhaltliches Votum abzugeben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Für den SSW hat nun Herr Abgeordneter Lars Harms das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Natürlich hat auch der SSW großes Verständnis für unseren geschätzten Kollegen Heiner Garg, der es jetzt zum vierten Mal in Folge geschafft hat, das Thema Gesundheitsreform auf die Tagesordnung des Landtages zu setzen, und zwar mit unterschiedlichen Akzenten.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Er ist eben er- folgreich!)

Wir respektieren diese Leistung und erwarten für die nächste Landtagstagung im März, dass wir von Ihnen, lieber Herr Kollege Heiner Garg, einen Antrag namens „GKV- Nachbesserungsgesetz“ bekommen.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Das können wir zu- sammen machen!)

- Das können wir gern machen. Und vielleicht können wir den Murks, der am 1. April in Kraft tritt, ein bisschen zum Guten wenden.

Spaß beiseite. - So können wir uns natürlich aus parlamentarischer Sicht nicht verhalten. Wir können uns nicht in den nächsten Monaten immer wie

der mit einer Gesundheitsreform beschäftigen, die bereits beschlossen ist.

(Beifall bei der CDU)

Es macht auch wenig Sinn, heute einen Antrag zu beschließen, der begrüßt, dass der Wirtschaftsminister vor einigen Wochen im Wirtschaftsausschuss des Deutschen Bundesrates beantragt hat, den Vermittlungsausschuss zum GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz anzurufen. Denn - jetzt kommt die Begründung - derselbe Minister hat wenige Tage später im Kabinett der Gesundheitsreform zugestimmt und damit genau das Gegenteil von dem getan, was er beantragt hat.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Dann muss er das begründen!)

Das ist natürlich ein populistisches und unseriöses Verhalten des Wirtschaftsministers,

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und FDP)

das aber politisch leider völlig folgenlos geblieben ist. Herr Austermann ist ja bekannt für seine Alleingänge und deren Folgenlosigkeit.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ob es nun darum geht, den G8-Gipfel nach Schleswig-Holstein zu holen, oder um die Ablehnung der Gesundheitsreform: Herr Austermann springt immer als Tiger los und bleibt als Bettvorleger liegen. Aber das ist eher ein Problem des Ministerpräsidenten und seines Ministers als des Landtages.

Dennoch bleibt der SSW inhaltlich bei seiner Kritik an dieser Gesundheitsreform. Sie ist weder wirtschaftlich effizient noch sozial gerecht noch zukunftsweisend und sie bringt auch die Gesundheitspolitik unseres Landes nicht weiter.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Im Gegenteil: Mit der Einführung des Gesundheitsfonds 2009 schaffen wir eine zusätzliche Bürokratie im Gesundheitswesen, obwohl gerade diese Landesregierung Bürokratie abbauen will.

Dass vier von elf Fachgesundheitspolitikern der SPD, mehrere Ministerpräsidenten und alle wichtigen Fachverbände sowie Krankenkassen dieses Gesetz entschieden ablehnen, belegt wohl eindrucksvoll, dass Bundesregierung und Bundesrat ein massives Problem haben und mit Sicherheit etwas falsch gemacht haben.

Wir lehnen insbesondere den Sanierungsbeitrag der Krankenhäuser ab. Das schädigt definitiv den Gesundheitsstandort Schleswig-Holstein. Diese Kritik

(Angelika Birk)

hat der SSW gemeinsam mit der FDP und den Grünen schon unzählige Male hier im Landtag geäußert und dabei bleiben wir auch heute und in nächster Zukunft. Daher ist es aus unserer Sicht sehr enttäuschend, dass die Landesregierung der Gesundheitsreform trotz großer Bauchschmerzen am Ende zugestimmt hat.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weder Herr Austermann noch Landtagspräsident Kayenburg konnten ihren Einfluss dabei geltend machen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Unglaublich!)

Das ist für unser Land bedauerlich, aber letztlich muss man irgendwann einsehen, dass die Mehrheit anders entschieden hat, und die parlamentarischen Verfahren respektieren.

Erst nach der nächsten Bundestagswahl wird es wieder eine realistische Chance geben, den beschlossenen Gesundheitsmurks grundlegend zu ändern.