Protokoll der Sitzung vom 22.02.2007

Erst nach der nächsten Bundestagswahl wird es wieder eine realistische Chance geben, den beschlossenen Gesundheitsmurks grundlegend zu ändern.

Obwohl wir inhaltlich mit vielen Punkten des FDPAntrages übereinstimmen, wird sich der SSW heute der Stimme enthalten, weil wir demokratisch gefällte Entscheidungen nicht in Zweifel ziehen wollen.

(Beifall beim SSW)

Ich danke Herrn Abgeordneten Lars Harms und erteile für einen Beitrag nach § 56 Abs. 4 unserer Geschäftsordnung Herrn Abgeordneten Kubicki das Wort.

Liebe Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe die Debatte mit hoher Aufmerksamkeit verfolgt und sie hat mich sehr bewegt. Einen wesentlichen Teil des Beitrages der Kollegin Birk habe ich nicht verstanden, aber ich werde gleich persönlich nachfragen.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Ich auch nicht!)

Der FDP-Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen, beschäftigt sich nicht mit dem Verhalten von Herrn Austermann und ich finde, man muss gelegentlich eine Lanze für den Wirtschaftsminister brechen, der überwiegend zu Unrecht angefeindet wird. Denn er meint es immer gut.

(Heiterkeit bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Er meint es immer gut. Darauf muss man Wert legen, wenn man feststellt, dass etwas nicht gut ist.

Wir wollen uns jetzt nicht mit der Frage beschäftigen, warum er sich einmal so und ein anderes Mal so verhält. Wir wollen uns vielmehr mit der Frage beschäftigen, sehr geehrte Frau Kollegin Sassen und sehr geehrte Frau Kollegin Schümann, ob die CDU die Auffassung teilt, die Herr Austermann geäußert hat.

(Beifall bei FDP und SSW)

Ich gehe davon aus, dass er diese Auffassung immer noch vertritt. Oder bekommen wir jetzt eine Erklärung, warum er sie vielleicht nicht mehr hat? Wir wollen wissen, ob seine Auffassung zutreffend ist oder nicht. Auf diese Frage erwarte ich schlicht und einfach eine Antwort.

(Beifall bei der FDP)

Aber Ihre Auffassung, Frau Sassen, sich hier hinzustellen und zu sagen: „Darüber reden wir nicht mehr“, macht mich betroffen, weil es meinen Kollegen Dr. Garg geradezu dazu verleitet, zur nächsten Landtagstagung einen Berichtsantrag zu stellen,

(Beifall bei der FDP)

was ich eigentlich vermeiden möchte.

Meine schlichte Frage lautet: Teilen Sie die Auffassung, die Herr Austermann geäußert hat, oder teilen Sie sie nicht? Mit der Beantwortung dieser Frage erschöpft sich das. Das war sozusagen der Impetus meines Beitrages. Ich wäre dankbar, wenn wir auf diese Frage hin eine Aufklärung erfahren würden.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort für die Landesregierung erteile ich Frau Ministerin Dr. Gitta Trauernicht.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Antrag wird dieses Hohe Haus im Sinnes eines gesundheitspolitischen Nachhutgefechts befasst. Die Landesregierung hat am 13. Februar 2007 einstimmig unser Votum für den Bundesrat formuliert und mit einem Entschließungsantrag und einem kritischen Monitum in Richtung Bundesregierung versehen. Wir haben hier mehrfach diskutiert, das Gesetz ist Ergebnis eines Kompromisses mit all seinen Vor- und Nachteilen. Aber wir haben in fast allen für Schleswig-Hol

(Lars Harms)

stein bedeutsamen Punkten etwas bewegen können. Deshalb, Herr Kubicki, entdecke ich an dieser Stelle zum ersten Mal eine Gemeinsamkeit mit Ihnen: Auch ich habe Frau Birk nicht verstanden. Frau Birk, der Spruch heißt: Man soll aus einer Mücke keinen Elefanten machen. Sie müssen da etwas durcheinander gekriegt haben oder das war hier gerade Sexismus pur.

(Heiterkeit und Beifall)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, waren weitere Verbesserungen durchsetzbar? Das ist die spannende Frage, die hier im Raum steht. Meine Position ist ganz eindeutig: Die Möglichkeit, den Vermittlungsausschuss anzurufen und dadurch weitere Verbesserungen zu erzielen, waren gleich null. Das haben die Erfahrungen des Kollegen Austermann gezeigt, denn sein wirtschaftspolitisch motivierter Vorstoß im Wirtschaftsausschuss hat nicht einmal im Wirtschaftsausschuss eine Mehrheit gefunden. Das heißt, dass es keinerlei Möglichkeit gab, die Diskussion über einen Vermittlungsausschuss noch einmal von vorne zu beginnen, ganz abgesehen davon, dass es völlig unsinnig ist. Denn was sollte ein förmliches Vermittlungsverfahren angesichts eines einjährigen Verhandlungsprozesses, in dem die Kanzlerin, die Ministerpräsidenten, die Spitzen der Fraktionen und Parteien bereits eingebunden waren? Wenn Sie wollen, war das eine ganz einzigartige Form eines Vermittlungsausschusses.

Das hat auch Minister Austermann nach gemeinsamer Beratung im Kabinett so gesehen. Insofern sind wir zu einer einvernehmlichen Einschätzung gekommen.

Eindeutigkeit ist der FDP offensichtlich fremd. Was wir geschafft haben zwischen CDU und SPD schaffen Sie innerhalb der FDP nicht. Während Sie, Herr Kubicki, den Antrag gestellt haben, dass wir alles ablehnen sollen, stellt Herr Garg den Antrag, dass wir mit Blick auf zwei Einzelpunkte versuchen sollten, den Vermittlungsausschuss anzurufen.

(Zuruf von der FDP)

- Ja, das ist ganz interessant. Schauen Sie Ihre eigenen Pressemitteilungen an, dann werden Sie sehen, dass Sie da nicht an einem Strang gezogen haben, wie Sie das öfter tun.

Ein kleiner Exkurs: Während Herr Garg meine Beteiligung an der zweitgrößten Gesundheitsmesse der Welt problematisiert, bittet Herr Kubicki im gleichen Atemzug die Landesregierung, ihr Engagement in den Arabischen Emiraten auszuweiten, um die wirtschaftspolitischen Möglichkeiten dort

zu nutzen. Soweit zu Ihrer Möglichkeit, gemeinsam an einem Strang zu ziehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Landesregierung hat sich stark gemacht für einen Entschließungsantrag, um deutlich zu machen, dass sie es sich bei ihrer Zustimmung zu dieser Gesundheitsreform nicht einfach gemacht hat. In diesem Entschließungsantrag sind insgesamt vierzehn Punkte formuliert. Ich möchte aus Zeitgründen hier nur einige Priorität orientierte nennen, die mir besonders wichtig waren. Das Thema Krankenhäuser: Der Entschließungsantrag formuliert, dass im Rahmen der weiteren Überlegungen zur Zukunft der Krankenhausversorgung zusätzliche Belastungen der Krankenhäuser zu vermeiden sind, die die Versorgung der Bevölkerung gefährden könnten, dass die Entwicklung der Krankenhausversorgung im Hinblick auf die Kostenbelastung der Krankenhäuser zu beobachten und zu analysieren ist und gegebenenfalls im Rahmen der geplanten Neuordnung und des ordnungspolitischen Rahmens ab 2009 gemeinsam mit den Ländern geeignete Schritte zur Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen und zugleich effizienten Versorgung auch in der Zukunft zu unternehmen sind. Außerdem hat das Land Schleswig-Holstein als einziges Land eine weitere Protokollerklärung abgegeben, wo sie ausdrücklich zum Ausdruck gebracht hat, dass sie beim Thema der Gleichstellung der Krankenhäuser am Ball bleiben wird und dieses Thema immer wieder auf die Tagesordnung bringt.

Es kommen weitere Thema hinzu, die zum Teil auch Gegenstand des Gesuches von Herrn Austermann gewesen sind: Der Entschließungsantrag erwartet, dass 18 Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung über die Erfahrungen der Spitzenverbände der Krankenkassen bei der Festsetzung der Erstattungshöchstbeträge und der Auswirkungen auf die pharmazeutischen Unternehmen berichtet wird.

Ich denke, Sie können den Entschließungsantrag selbst lesen. Ich möchte dies angesichts der Kürze der Debatte hier nicht ausführen. Ich möchte aber zum Abschluss sagen: Die Gesundheitsreform war eine schwierige Geburt. Das konnte nach Lage der Dinge auch nicht anders sein. Heute appelliere ich aber an alle, auch an unsere Partner im Land, die Möglichkeiten zu sehen, zu nutzen, die diese Reform bringt und bringen kann. In der Tat gibt es positive Elemente, denn es geht um nicht mehr und nicht weniger als um eine bezahlbare und gerechte Gesundheitsversorgung. Dafür zu streiten war für alle konstruktiv Beteiligten Anstrengend, hinsicht

(Ministerin Dr. Gitta Trauernicht)

lich der meisten Beteiligten auch aller Ehren wert. Ich möchte diesem Haus danken für eine ganz überwiegend sachliche Auseinandersetzung um eine nach wie vor von Emotionen und Leidenschaften geprägte Reform.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke der Frau Ministerin. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe damit die Beratung.

Es ist beantragt worden, über den Antrag in der Sache abzustimmen. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? Damit ist der Antrag Drucksache 16/1229 mit den Fraktionen der SPD und der CDU gegen die Stimmen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP bei Enthaltung der Abgeordneten des SSW abgelehnt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 8 auf:

Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zum Tierschutz-Verbandsklagerecht

Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/1224

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne damit die Grundsatzberatung und erteile dem Herrn Abgeordneten Detlef Matthiessen das Wort.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Was würden Sie tun, wenn Sie bei einem Spaziergang an einer Weide Folgendes sehen: Ein Pferd, das Ihnen schlecht gefüttert erscheint, das sich in seiner Schutzremise nicht rühren kann, weil ein Tor, das dort abgestellt war, umgefallen ist und halb liegend, halb stehend den Raum einnimmt. Dadurch kommt das Tier schlecht an die Tränke heran. Sie schütteln den Kopf und gehen weiter. Am nächsten Tag jedoch dasselbe Bild und Sie wollen etwas tun. Den Halter um Abhilfe bitten? Der erwidert, er kenne seine Tiere besser. Polizei anrufen? Die erwidert, dafür sei das Veterinäramt zuständig. Das Veterinäramt anrufen? Das erwidert, der Veterinär sei zur Zeit nicht erreichbar. Den örtlichen Tierschutz anrufen? Der erwidert, er würde sich gerne beim Veterinäramt bemühen, stünde dort aber auf der Querulantenliste. Strafanzeige erstatten? Funk

tioniert, wird von der Polizei aufgenommen. Nach Monaten teilen die Ordnungsbehörden mit, der Halter sei mit Bußgeld belegt.

Anfrage bei der Ordnungsbehörde, ob dem Halter eine Verbesserung in der Weidehaltung auferlegt worden sei: Sie erwidert, Straf- und Bußgeldverfahren richteten sich auf die Vergangenheit, die sei aber abgeschlossen. Anfrage beim Tierschutzverband, ob er wegen größerer Sachkenntnis klagen könne, ihm sollten auch keine Kosten entstehen: Der erwidert, gern, aber er sei nicht klagebefugt, da er weder vom Halter noch vom Veterinäramt in seinen Rechten verletzt sei. Er könne vor Gericht sein Rechtsschutzbegehren nicht begründen.

Diese Odyssee von Menschen für Tiere ist nicht frei erfunden, sie fußt auf gemachten Erfahrungen von Menschen und Tieren. Wie kommt es dazu? Der Halter hat das Recht zu handeln, aber kein Interesse. Das betroffene Tier hat Interesse, dass gehandelt wird, ist aber nicht rechtsfähig. Der Tierschutzverband ist rechtsfähig, aber rechtlich nicht betroffen. Diese Lücke soll durch das von uns beantragte Gesetz geschlossen werden. Sein Kern ist die Klagebefugnis anerkannter Tierschutzverbände ohne die Verletzung eigener Rechte geltend machen zu müssen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist der entscheidende Satz in unserem Gesetz. Vorbild ist das Verbandsklagerecht anerkannter Naturschutzverbände. Das gibt es für den Tierschutz nicht. Noch nicht, das steht aber seit fünf Jahren aufgrund breiter politischer Mehrheiten als Staatsziel im Grundgesetz. Seitdem haben wir die verdammte Pflicht, ihn zu verbessern. Hier bietet sich eine gute Gelegenheit dazu. Wir haben den Gesetzentwurf schlank gehalten und Schranken eingebaut.

Nach § 1 können nur anerkannte Tierschutzverbände beim Erlass von Rechts- und Verwaltungsvorschriften mitwirken, und dies auch nur begrenzt. Nach § 2 sind hohe Anforderungen bezüglich der Anerkennung von Tierschutzverbänden zu erfüllen. Nach § 3 können Tierschutzverbände nur in näher bestimmten Verfahren Rechtsbehelfe einlegen. Hier sind Widerspruch bei der Verwaltungsbehörde, Klagen beim Verwaltungsgericht und Berufung beim Oberverwaltungsgericht zu nennen. Dazu gehört auch der Erlass einer einstweiligen Anordnung. Das wäre zum Beispiel in dem von mir geschilderten Fall der Tierschutzodyssee angebracht gewesen. Nach § 4 haben anerkannte Tierschutzverbände die gleichen Informationsrechte, wie sie jedermann nach dem Umweltinformationsgesetz hat.

(Ministerin Dr. Gitta Trauernicht)

Sie kennen die Rubrik „Häufig gestellte Fragen“ im Internet. Wieso kann das Land von der Verwaltungsgerichtsordnung des Bundes abweichen, nach der die Verletzung eigener Rechte geltend gemacht werden muss? Antwort: Der Bund hat die Abweichung in der Verwaltungsgerichtsordnung selbst zugelassen.