Protokoll der Sitzung vom 22.03.2007

Mit dem Verkauf der DB AG wollen wir mehr Verkehr auf die Schiene locken, indem wir den Wettbewerb auf der Schiene stärken.

Dadurch würde bundesweit das Gleiche geschehen, was wir vor dem Amtsantritt von Minister Austermann in Schleswig-Holstein mit offenen Ausschreibungen und ordentlichen Bieterwettbewerben auf unseren regionalen Strecken erreicht haben:

(Beifall der Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP] und Lars Harms [SSW])

Preiswerteren und besseren Bahnverkehr. „Besser“ heißt, die Züge fahren häufiger, zuverlässiger und den Kunden wird mehr Service geboten.

Das sollte Ziel und Zweck der Eisenbahnpolitik des Bundes und des Landes sein. Mehr Bahn fürs Geld der Bahnkunden, seien es nun Menschen oder Unternehmen. Nur so wird es gelingen, dauerhaft mehr Verkehr auf die Schiene zu locken. Offener und ehrlicher Wettbewerb der Schienenverkehrsanbieter ist allerdings nur möglich, wenn nicht gerade der größte private Schienenverkehrsanbieter - nämlich die Bahn AG - auch noch das Netz besitzt und damit den Zugang zum Netz ganz entscheidend mitbestimmt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Denn bliebe die DG AG weiterhin Monopolistin beim Schienennetz. Das bedeute schlechtere Leistungen zu höheren Preisen wegen ungleicher Zugangschancen zum Netz für andere Schienenverkehrsanbieter und das bedeutete schlechteren Bahnverkehr, als Deutschland ihn haben könnte.

Vom Prinzip her ist das das gleiche Problem wie bei den Stromleitungsnetzen. Die Stromleitungsnetze gehören auch nicht in die Hände der Stromproduzenten.

(Beifall bei der FDP)

Genauso gehört das Schienennetz nicht in die Hände der DB AG, schon gar nicht einer privatisierten DB AG.

Fazit: Die DB AG sollte ohne Schienennetz an Private meistbietend versteigert werden. Das

Schienennetz sollte im öffentlichen Eigentum bleiben und an Schienenverkehrsanbieter vermietet werden. Der Bund kann das Schienennetz trotzdem in privater Rechtsform erhalten, ausbauen und so kostendeckend wie möglich an Schienenverkehrsbetriebe vermieten lassen.

Genau aus diesem Grund werden wir uns bei der Abstimmung über die Beschlussempfehlung enthalten. Zwar wird dort gefordert, das Schienennetz möge Bundeseigentum bleiben, gleichzeitig soll es aber weiterhin von der DB AG betrieben werden.

Ich weiß, dass sich Kollege Harms viel Mühe gemacht hat, diese Passage noch weiter in Richtung Trennung von Netz und Betrieb zu gestalten. Trotzdem sind wir der Auffassung, dass es noch nicht genau das ist, was wir eigentlich erreichen müssen. Denn die Große Koalition macht im Prinzip den Fuchs zu demjenigen, der den Hühnerstall bewachen soll. Aber den Fuchs interessiert es beim Hühnerfressen bekanntlich nicht, wem der Hühnerstall gehört.

Genauso wenig wird es die DB AG stören, dass das Schienennetz dem Bund gehört, solange sie nur weiterhin den Netzzugang zu ihren Gunsten beeinflussen kann. Unter diesen Besitzverhältnissen wird das keine Regulierungsbehörde der Welt letztlich verhindern können.

So aber würde aus unserer Sicht genau der Zweck verfehlt, den wir mit der eigentumsrechtlichen Trennung von Netz und Betrieb erreichen wollen: mehr leistungsfördernden Wettbewerb auf der Schiene zum Nutzen der Bahnfahrerinnen und Bahnfahrer.

(Beifall bei der FDP)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich das Wort dem Herrn Abgeordneten Detlef Matthiessen.

Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Der geplante Börsengang der DB AG steht ganz oben auf der politischen Agenda. Bahnchef Mehdorn wirbt intensiv für einen integrierten Börsengang seines Unternehmens. „Integriert“ heißt hier, die steuerfinanzierte Schieneninfrastruktur soll als Eigentum der DB AG mit an die Börse gehen. Es geht also um eine grundsätzliche Weichenstellung.

(Dr. Heiner Garg)

Die Überschrift unseres Antrags lautet: Ablehnung des integrierten Börsengangs der Bahn. Dies war im Prinzip ja immer die Meinung des Hauses. Diese finde ich jetzt noch einmal bestätigt. Insofern sind wir uns da in der Ausschussberatung sehr nahe gekommen.

Das Gutachten von Booz-Allen-Hamilton kommt beileibe nicht zu dem Wunschergebnis der DB AG. Andere Modelle mit Netzabtrennung kommen zu besseren Ergebnissen für den Bund und den Schienenverkehr. Das Gutachten sagt dem Modell der organisatorischen Trennung von Netz und Transportbetrieb merkliche Marktanteilsgewinne voraus, während dem integrierten Modell die schlechteste Entwicklung der Verkehrsmarktanteile zugeordnet wird.

Wir Grünen sind der Überzeugung, dass der geplante integrierte Börsengang der Bahn bereits dazu geführt hat, dass die DB AG die Infrastruktur zurückgebaut hat. Sie hat Investitionen unterlassen. Das ist hoch spannend. Eine in dem Gutachten ursprünglich geschwärzte Seite ist letztlich doch bekannt geworden. Darin steht:

„Den größten Anteil am Effekt ‚investive Fehlallokation’ hat nach Einschätzung der DB AG eine Verlangsamung beziehungsweise Verminderung der Stilllegung unwirtschaftlicher Teile des Schienennetzes nach einer Trennung.“

Das sind selbstverständlich die peripher gelegenen Gebiete. Beispielsweise befindet sich SchleswigHolstein in einem solchen Gebiet. Frankfurt liegt in der Mitte, Flensburg dagegen nicht. Das sind die „unwirtschaftlichen Teile“.

Eine eher staatsnahe Infrastrukturgesellschaft wäre - so ist die Argumentation der Bahn - nicht in der Lage, Rationalisierungen des Netzes in dem Ausmaß und der Geschwindigkeit wie ein privatisierter, integrierter Konzern vorzunehmen. Hier lauern also die Gefahren, wenn es zu einem integrierten Börsengang käme. Das sagt die DB AG sehr offen.

Der Beschlussvorschlag von CDU und SPD in der Sitzung des Wirtschaftsausschusses vom 14. März 2007 übernimmt wortwörtlich den Beschluss der Verkehrsministerkonferenz vom 22./23. November 2006. Aus grüner Sicht ist erfreulich, dass der Kernsatz unseres Antrags in der Sitzung übernommen wurde, der da lautet: „Ziel ist es weiterhin, eine Trennung von Netz und Betrieb herbeizuführen.“ Dies ist die entscheidende Aussage.

Der Gesetzesentwurf von Verkehrsminister Tiefensee, der in der letzten Woche bekannt wurde, ist al

lerdings ein einziger Kniefall des Ministeriums vor der DB AG. Das Gesetz - ich meine den Ressortentwurf - schadet dem Schienenverkehr und dem Wettbewerb und fördert allein die Bahnprivatisierung nach Mehdorns Vorstellungen. Es entspricht in keiner Weise den von Union und SPD vereinbarten Eckpunkten, sondern ist eine verschärfte Version des Eigentumssicherungsmodells.

Das ist der integrierte Börsengang mit Netz, der von einer Mehrheit im Bundestag abgelehnt wurde. De facto gibt der Bund seine Eigentumsrechte durch Verzicht auf Stimmrechte zugunsten der DB AG an der Infrastruktur auf und damit für die nächsten 15 bis 25 Jahre jeglichen wirtschaftlichen Nutzen aus seinem Eigentum. Vor allem wird dadurch auch die Nutzung des Eigentums beeinflusst.

Gleichzeitig werden die DB AG und ihre künftigen Investoren kräftig aus dem Säckel der Steuerzahler bedient. Die DB AG erhält mindestens 37,5 Milliarden € als festen Zuschuss vom Bund für die Instandhaltung und den Ausbau des Netzes. Eine politisch steuernde Einflussmöglichkeit, die üblicherweise ein Mehrheitseigentümer oder Großsponsor hat, fehlt hier völlig.

Der vorliegende Entwurf muss angesichts der Klimakatastrophe dringend verbessert werden. Die DB AG wird sich aus der Fläche zurückziehen. Nur noch 20 % der Investitionsmittel sollen für die Nahverkehrsinfrastruktur ausgegeben werden, obwohl der überwiegende Anteil des Verkehrs dort stattfindet.

Zudem haben Wettbewerber der Bahn schlechte Karten. Das Eigentum am Netz als natürlichem Monopol in der Hand eines Unternehmens, das auch auf dem Netz Betrieb anbietet, führt ökonomisch zwangsläufig zu einer Eigenbegünstigung. Die Nutzung des Netzes muss jedoch für alle Wettbewerber diskriminierungsfrei möglich sein. Dies kann nur durch eine strikte Trennung des Eigentums gewährleistet werden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Herr Kollege, denken Sie an Ihre Redezeit!

Herr Präsident, ich komme zum Schluss.

Eine klare Botschaft kommt heute vom Landtag zum wiederholten Male, nämlich dass wir die Dinge gemeinschaftlich so sehen. Wir wissen ja, wie

(Detlef Matthiessen)

der Verkehrsminister Austermann zur DB AG steht. Das hat das voraussehbare Ergebnis des Bekundungsverfahrens zum Netz Ost gezeigt. Die Regionalbahn der DB AG soll zum Zuge kommen. Hat das hier im Haus irgendjemanden überrascht? Uns jedenfalls nicht. Auch und gerade an den Wirtschaftsminister ist dieser Antrag also adressiert.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Abgeordneten des SSW erteile ich dem Kollegen Lars Harms das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der SSW hat die Bahnreform trotz erheblicher Kritik von Anfang an konstruktiv begleitet. Für uns war das Ziel der Reform, die vorhersehbaren nationalen und internationalen Verkehrszuwächse im Personen- und Güterverkehr auf die Schiene zu verlagern, das ausschlaggebende Argument. Mit der Reform sollten aber auch die weiteren Vorgaben der Europäischen Union, mehr Wettbewerbsfähigkeit, Gleichstellung der Bahn mit den anderen Verkehrsträgern und ein diskriminierungsfreier Zugang zum Schienenverkehrsmarkt, erfüllt werden.

Darüber hinaus wurde das Ziel verfolgt, dass sich die Bahn nach wirtschaftlichen und unternehmerischen Prinzipien am Markt behaupten soll. Somit ist zwar der Börsengang der Bahn eine logische Konsequenz der Reform; allerdings hatte sich der Schleswig-Holsteinische Landtag im Februar dafür ausgesprochen, dass es unbedingt eine Trennung von Netz und Bahn geben muss, damit ein fairer Wettbewerb auf der Schiene gewährleistet werden kann.

Diese Forderung findet sich auch im vorliegenden Beschlussvorschlag wieder. Im Prinzip wäre es die beste Lösung, wenn die Schieneninfrastruktur in öffentlicher Hand verbleibt und unabhängig betrieben wird. Darauf aufbauend kann man Ausschreibungen von Verkehrsleistungen vornehmen, die so jeden Vorwurf von Einflussnahme oder unberechtigtem Entgegenkommen seitens der Auftraggeber ausschließen würden. Nur durch die Abkopplung der Infrastruktur aus dem Mutterkonzern bekommen wir langfristig mehr Wettbewerb und ein breiteres Angebot auf der Schiene. Und nur so können wir gewährleisten, dass alle zu den gleichen Bedingungen auf den Strecken fahren. Ziel muss sein, dass auf der Schiene Waffengleichheit herrscht und jeder die gleiche Chance hat, einen Auftrag zu er

halten. Hierfür sind faire Ausschreibungen immer noch das beste Mittel.

Nun hat sich die Große Koalition in Berlin nach monatelangem Streit darauf geeinigt, dass die Bahn vor der geplanten Teilprivatisierung das Netzeigentum vom Bahnbetrieb trennen und auf den Bund übertragen muss. Das heißt, das Eigentum ist beim Bund und nicht mehr bei der Bahn. Allerdings soll die DB zumindest in den ersten 15 Jahren das 34.000 km lange Schienennetz weiter bewirtschaften und auch bilanzieren dürfen. Außerdem bekommt die Deutsche Bahn eine Option auf weitere zehn Jahre und einen jährlichen Zuschuss des Bundes von bis zu 2,5 Milliarden € zum Erhalt des Netzes. Dabei kommt der Regulierungsbehörde die Aufgabe zu, einen diskriminierungsfreien Wettbewerb zu gewährleisten, und damit hat sie eine große Verantwortung.

Wir haben den Berliner Kompromiss, der aus der Sicht von Herrn Mehdorn, dem Chef des Bahnkonzerns, sicherlich positiv bewertet wird, im Wirtschaftsausschuss kontrovers diskutiert. Denn mit dieser Teilprivatisierung besteht natürlich weiterhin die Gefahr, dass die Bahn trotz der Trennung ein „Quasi-Monopol“ beibehält, weil sie weiterhin für den Betrieb der Netze zuständig sein wird. Deshalb hätte es der SSW auch lieber gesehen, wenn man sich für ein getrenntes Modell entschieden hätte, in dem der Staat Eigentümer und Betreiber des Netzes bleibt und somit für einen fairen Wettbewerb im Interesse der Kunden sorgt.

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und FDP)

Allerdings freue ich mich, dass meine Kolleginnen und Kollegen aus dem Wirtschaftsausschuss der Anregung des SSW gefolgt sind und in der Beschlussempfehlung festgeschrieben haben, dass für uns in Schleswig-Holstein weiterhin eine Trennung von Netz und Betrieb als Ziel vorgegeben sein muss. Das heißt aus meiner Sicht: Die jetzt gewählte Lösung kann nur ein Zwischenschritt sein. Nun wird man abwarten müssen, wie sich das gewählte Modell in Zukunft entwickelt. Sowohl die Opposition im Bund als auch die Fahrgastvereinigung PRO BAHN sind äußerst skeptisch bezüglich der Folgen, die die Teilprivatisierung für die Kunden haben wird. Insbesondere fürchtet man die weitere Konzentration der DB auf die rentablen Strecken zwischen den großen Städten und sieht eine Gefahr für den Bahnverkehr in der Fläche, insbesondere was den überregionalen Verkehr angeht. Wenn das Modell funktionieren soll, wird es daher aus unserer Sicht entscheidend sein, dass die Regulierungsbehörde mit ausreichend Kompetenzen und Ein

(Detlef Matthiessen)

griffsmöglichkeiten ausgestattet wird, um der Deutschen Bahn wirklich Paroli bieten zu können. Nur dann wird das Szenario, das der Kollege Garg beschrieben hat, verhindert werden können.