Protokoll der Sitzung vom 22.03.2007

- Ja, das ist richtig, aber ich finde, es muss einmal angemerkt werden. Das Wort Entbürokratisierung kommt zwar inzwischen merklich weniger vor als noch vor einem Jahr, aber trotz allem muss Entbürokratisierung mit der Transparenz von Kosten anfangen, wenn das nicht alles nur heiße Luft sein soll. Eine quantifizierte Angabe über Be- und Entlastungen - wenn auch nur als Schätzgröße - gehört aus unserer Sicht vorn in die Drucksache.

(Beifall bei SSW, FDP und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Das verlangt die Transparenz von Regierungshandeln vor der Öffentlichkeit. Damit bin ich wieder bei dem, was wir zusammen mit den Grünen angeregt hatten, nämlich die Einführung des Standardkostenmodells.

Doch nun zum Inhalt: Innerhalb des bestehenden KAG ist die Ausweitung der Abgabenerhebung durchaus nachvollziehbar, ja sogar folgerichtig. Wir

haben also keine Probleme mit der inhaltlichen Änderung. Diejenigen, die durch den Fremdenverkehr in der Gemeinde wirtschaftliche Vorteile haben, auch an den Lasten zu beteiligen, ist so weit schlüssig, zumindest theoretisch.

Dass die Gemeindegrenzen in Schleswig-Holstein in der Praxis ansonsten meist kaum den Funktionsräumen entsprechen, also die Nutznießer einer kommunalen Infrastruktur beziehungsweise Dienstleistung oft außerhalb der vorhaltenden Gemeinde steuer- und abgabenpflichtig sind, sollte aber auch nicht vergessen werden. Das ist die Perspektive. Wir reden häufig über Zweckverbandsdemokratie, Trittbrettfahrermentalität von Umlandgemeinden oder einem Investitionsstau bei öffentlichen Infrastrukturen in den Städten. Das sind einige der entwicklungshemmenden Nebenwirkungen einer überfälligen Gemeindestrukturreform. Ich denke, auch das gehört eigentlich in diesen Komplex hinein.

(Beifall beim SSW)

Der Gesetzentwurf ist eine von mehreren Kompensationsmaßnahmen zugunsten der Kommunen für den vorgenommenen Eingriff in den kommunalen Finanzausgleich. Das ist die Intention dieses Gesetzentwurfs. Es bleibt nun zu hoffen, dass die weiteren Maßnahmen mehr Wirkung erzielen als die vorliegende. Man kann sagen, die Reformmaßnahmen der Landesregierung werden brav abgearbeitet, aber das Muster ist bisher Pepita, es bleibt nämlich kleinkariert.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für einen Redebeitrag in der vereinbarten Redezeit erhält Herr Minister Dr. Ralf Stegner.

Liebe Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich wusste, dass es sich lohnt, noch einmal auf den Kollegen Dr. Garg zu antworten. Sie gehören ja der Freien Demokratischen Partei an. Mich hat Ihr Freiheitsbegriff sehr fasziniert, muss ich sagen: Können, aber nicht müssen, ist ja ganz angenehm. Müssen, aber nicht können, ist ziemlich schlecht. Und wollen, aber nicht dürfen, das entspricht nun gar nicht meinem Freiheitsbegriff, lieber Herr Kollege Garg.

(Heiterkeit bei der CDU)

Darüber würde ich mit Blick auf Ihren Parteinamen noch einmal nachdenken.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Das Wort zu einem Dreiminutenbeitrag erhält Frau Abgeordnete Regina Poersch.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Dr. Garg, ich kann nachvollziehen, dass es schwer war, bis Donnerstagmittag unruhig auf dem Stuhl herumzurutschen, um endlich auf den „Leben ohne Wachstum“-Antrag der SPD Ostholstein zum Landesparteitag zu sprechen zu kommen.

(Beifall der Abgeordneten Lothar Hay [SPD] und Bernd Schröder [SPD])

Hoppla, endlich ist es so weit, endlich geht Regina Poersch nach vorn und spricht zum Abgabenrecht. Aber anstatt zuzuhören und hinzuhören, was ich gesagt habe, kommt ein Einwurf und ein Seitenschwenk auf Zinsen: Weil Sie nicht zugehört haben, möchte ich gern wiederholen, was ich gesagt habe.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Ich habe zugehört! Der Satz mit den Schuhen!)

- Jetzt lasse ich mal die Schuhe weg. - Ich habe gesagt: Wer davon profitiert, dass eine Stadt Urlauber und Tagesgäste in diese Stadt holt, und dafür sorgt, dass touristische Infrastruktur vorgehalten wird, der soll der Stadt über die Fremdenverkehrsabgabe etwas zurückgeben. Das ist Sinn der Fremdenverkehrsabgabe: zweckgebunden, genau kalkuliert und genau nachvollziehbar. Der Vorteil für die örtliche Wirtschaft lässt sich an der Kalkulation ablesen. Darum ging es mir, das habe ich gesagt. Ich habe gesagt, dass die Kommunen verlässliche und planbare Einnahmen aus der Kurabgabe und aus der Fremdenverkehrsabgabe brauchen. Ich bin auch dafür, das Ganze zu einer Tourismusabgabe zusammenzufassen.

(Beifall bei der SPD und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Das werden wir in den Ausschüssen weiter besprechen. Ich habe nicht gesagt, dass der, der Schuhe kauft, eine Abgabe zahlen muss. Das habe ich nicht gesagt. Ich bitte darum, dass wir in Zukunft genauer zuhören, was hier vorn gesagt wird.

(Beifall bei SPD, CDU und SSW)

Das Wort für einen weiteren Kurzbeitrag hat für die CDU-Fraktion Herr Abgeordneter Johannes Callsen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Garg!

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Was habt ihr alle mit mir?)

Ordnungspolitik in allen Ehren, aber ich kann an dieser Stelle auch einmal sagen: Reisen bildet. Wir sind mit dem Wirtschaftsausschuss kürzlich in Berlin auf der ITB gewesen.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Da war ich in der Schweiz!)

Wir haben gesehen, wie intensiv der Wettbewerb im Tourismus läuft. Die Landesregierung tut deshalb über das Wirtschaftsministerium eine ganze Menge, was die touristische Infrastruktur angeht. Aber wir müssen insgesamt auch dafür sorgen, dass die Wettbewerbsfähigkeit des Schleswig-Holstein-Tourismus gesteigert wird. Wir waren am Stand der Region Tirol, die ein Jahresbudget von 15 Millionen € allein für Marketing zur Verfügung hat. Das hat sie unter anderem deswegen, weil sie eine landesweite Fremdenverkehrsabgabe eingeführt hat. Die Positionierung von Tirol im Wettbewerb des Tourismus war relativ deutlich und stark.

Wenn ich mit Blick auf die Schlei-Region die Diskussion verfolge, kann ich schon sagen - das gilt im Übrigen für Lübeck und Travemünde auch -: die Luft- und Wasserqualität ist im anerkannten Erholungsort Ulsnis genauso hoch wie im benachbarten, nicht anerkannten Erholungsort Lindaunis, aber die Gäste der Schlei-Region insgesamt profitieren davon.

(Beifall der Abgeordneten Holger Astrup [SPD] und Regina Poersch [SPD])

Auch die Wirtschaft profitiert letztendlich davon. Deshalb ist eine Ausweitung der Abgabe, wie wir sie hier diskutiert haben, sachgerecht. Wir stärken damit den Schleswig-Holstein-Tourismus, eine der wesentlichen Säulen unserer wirtschaftlichen Entwicklung, und wir schaffen und sichern Arbeitsplätze für die Menschen hier im Land. Das ist sicherlich auch im Interesse der FDP.

(Beifall bei CDU und SPD)

(Minister Dr. Ralf Stegner)

Das Wort für einen weiteren Kurzbeitrag erhält Herr Abgeordneter Jürgen Feddersen.

Ich mache das sehr kurz! Frau Präsidentin, ich muss noch einmal auf den Kollegen Garg eingehen. Ich hätte mich eigentlich gefreut, wenn Herr Kollege Hildebrand den Redebeitrag heute gebracht hätte.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Der ist auf der Be- erdigung eines Parteifreundes!)

- Das hat damit gar nichts zu tun.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Das war aber seine Rede!)

Er ist auch Vermieter und kann das vielleicht ein bisschen besser einschätzen.

Man kann gern sagen, dass man die Fremdenverkehrsabgabe oder auch die Kurtaxe abschaffen will. Dann muss man aber für Ersatz sorgen, weil man das vor Ort irgendwie regeln muss. Ich komme aus einer kleinen Fremdenverkehrsgemeinde. Wenn wir diese Einnahmen nicht hätten, müssten wir das irgendwie anders regeln. Ich bin sehr dafür, darüber zu reden, sie abzuschaffen. Kein Problem.

Ich möchte aber mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin, ein privates Wort aus meiner Firma, aus meinem Geschäft sagen: Worüber reden wir überhaupt? Was kostet die Fremdenverkehrsabgabe einen Unternehmer? Ich sage Ihnen: Ich mache zwei Drittel meines Geschäfts mit den Touristen und nur ein Drittel mit den Einwohnern. Ich bezahle keine 1.000 € Fremdenverkehrsabgabe. Ich würde freiwillig 2.000 € Fremdenverkehrsabgabe bezahlen, wenn ich dafür den Tourismus auf Pellworm erhalten kann.

(Beifall bei CDU und SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf Drucksache 16/1275 federführend dem Innen- und Rechtsausschuss und mitberatend dem Wirtschaftsausschuss zu überweisen. - Wer dem so zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, erlauben Sie mir eine geschäftsleitende Bemerkung. Die Fraktionen haben sich darauf verständigt, den Tagesordnungs

punkt 19, Dopingbekämpfung im Sport, auf die Mai-Tagung zu verschieben.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 8 auf:

Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den öffentlichen Personennahverkehr in Schleswig-Holstein (ÖP- NVG)

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 16/1276

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne damit die Grundsatzberatung und erteile dem Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr, Herrn Dietrich Austermann, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben Ihnen einen Gesetzentwurf vorgelegt, bei dem es um die Neuregelung des ÖPNV geht, und zwar in der Weise, dass wir den Busverkehr komplett auf die Kreise übertragen wollen. Wir wollen damit letztlich bessere und flexiblere Angebote ermöglichen. Das tun wir, indem wir die Ausgabenund die Aufgabenverantwortung mit Wirkung vom 1. Januar 2007, also rückwirkend, bündeln.