Protokoll der Sitzung vom 22.03.2007

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben Ihnen einen Gesetzentwurf vorgelegt, bei dem es um die Neuregelung des ÖPNV geht, und zwar in der Weise, dass wir den Busverkehr komplett auf die Kreise übertragen wollen. Wir wollen damit letztlich bessere und flexiblere Angebote ermöglichen. Das tun wir, indem wir die Ausgabenund die Aufgabenverantwortung mit Wirkung vom 1. Januar 2007, also rückwirkend, bündeln.

Wir stellen den Kreisen und kreisfreien Städten in diesem Jahr knapp 60 Millionen € für den ÖPNV und den Busverkehr zur Verfügung und damit fassen wir gleichzeitig verschiedene Finanzierungsquellen, die wir zurzeit haben, zusammen. Kreise und kreisfreie Städte erhalten dadurch eine sichere und transparente Planungsgrundlage. Es gibt deutlich mehr Freiheiten und Gestaltungsmöglichkeiten und damit erreichen wir letztlich einen noch effizienteren Einsatz der knappen ÖPNV-Mittel.

Wie diese Mittel regional verteilt werden sollen, bleibt einer Verordnung vorbehalten, die wir zurzeit zwischen den Aufgabenträgern, den Verbänden und dem Land abstimmen. Welche Mindeststandards für ein angemessenes Verkehrsangebot es letztlich geben soll, werden wir mit den Kreisen und den kreisfreien Städten in einer Vereinbarung festlegen.

Insgesamt ist dies ein Beitrag zur Entbürokratisierung, denn mit der Bündelung der Mittel entfällt auch die Antragstellung und die Bearbeitung für die Ausgleichsleistungen im Ausbildungsverkehr. Das heißt, wir haben weniger Verwaltungsaufwand bei den Verkehrsunternehmen und auch beim Land. Die kommunalen Verbände haben inzwischen zugestimmt. Sie sind mit uns einig und dankbar, dass

sie diese zusätzlichen Entscheidungsmöglichkeiten haben. Wir haben weniger Verwaltungsaufwand.

Die kommunalen Behörden möchten aber eine Übertragung der Genehmigungszuständigkeit. Dazu sind wir im Moment noch nicht bereit, weil wir davon ausgehen, dass die EU einen Rechtsrahmen vorlegen wird, der neue Regelungen vorsieht. Wir werden uns dann sicher über einen neuen Weg verständigen, wenn die EU ihre Entscheidung bekannt gegeben hat.

Natürlich haben sich die Verkehrsverbände - insbesondere die Busunternehmer - mehr Geld gewünscht. Dazu möchte ich kurz die Feststellung treffen: Wir haben - soweit ich das erinnern kann noch niemals zuvor mehr Geld, insbesondere für den Ausbildungsverkehr, zur Verfügung gestellt, als wir für das letzte Jahr zur Verfügung gestellt haben. Die Mittel sind ständig angestiegen und haben sich zu einem erheblichen Betrag gesteigert. Es ist klar, dass wir in einer Situation, in der der Bund die Regionalisierungsmittel gekürzt hat, die Mittel nicht unbegrenzt weiter steigen lassen können.

Wenn Sie sich einmal vorstellen, wie viel Mittel die öffentliche Hand - Kreise, Gemeinden und das Land - insgesamt einsetzt, um den Busverkehr und den Nahverkehr in der Fläche aufrechtzuerhalten das sind rund 330 Millionen € -, dann sehen Sie, dass ein kleinerer Teil durch Fahrkarten aufgebracht wird. Im Wesentlichen leistet hier die öffentliche Hand den Beitrag.

Ich kann die Wünsche auf der einen Seite verstehen, auf der anderen Seite sehe ich wegen der Kürzung der Regionalisierungsmittel keine Möglichkeit - der Landtag hat sich bei der Beratung über den Haushalt mit diesem Thema intensiv befasst und nach Wegen gesucht, wie man zu einer Änderung kommen kann -, weiter von steigenden Mitteln auszugehen.

Ich halte das, was wir jetzt machen, für einen Meilenstein für einen attraktiven ÖPNV SchleswigHolstein, der von den Beteiligten insgesamt positiv bewertet wird. Wettbewerbsverantwortung wird auf die Kreise übertragen. Ich möchte mich bei unseren Partnern im ÖPNV bedanken, mit denen wir den vorliegenden Entwurf Schulter an Schulter erarbeitet haben, ebenso bei den kommunalen Landesverbänden, bei den Kreisen und kreisfreien Städten, bei den Verkehrsverbänden VDV-Nord und Omnibusverband Nord, bei der Landesweiten Verkehrsservicegesellschaft und beim Hamburger Verkehrsverbund.

Ich hoffe auf eine einvernehmliche, rasche Entscheidung. Wie gesagt, das Gesetz soll zum 1. Ja

nuar 2007 rückwirkend in Kraft treten. Jetzt ist Eile geboten. Die Sorgfalt bei der Beratung darf aber nicht unterbleiben.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich erteile das Wort für die CDU-Fraktion dem Herrn Abgeordneten Karsten Jasper.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll die Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs im Busbereich neu geregelt werden. Ausgangspunkt für diese Notwendigkeit sind die Kürzung der Regionalisierungsmittel durch das Haushaltsbegleitgesetz des Bundes sowie die angespannte Haushaltslage des Landes Schleswig-Holstein; Letztere wollen wir nicht verhehlen. Insbesondere die Haushaltslage des Landes ließ eine vollständige Kompensation der Kürzung der Regionalisierungsmittel durch das Land nicht zu. Minister Austermann hat eben darauf hingewiesen. Trotzdem ist es uns gelungen, gemeinsam mit dem Finanzministerium eine tragfähige Finanzierung zu finden.

Vor diesem Hintergrund hat sich das Wirtschaftsministerium mit den kommunalen Landesverbänden und den Unternehmen zusammengesetzt, um Lösungen für eine Neugestaltung der Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs zu finden. Nach umfangreichen Gesprächen ist es nun gelungen, eine zukunftsorientierte Lösung zu finden, die zum einen die Finanzierung sicherstellt und zum anderen einen effizienten Mitteleinsatz gewährleistet.

Die Kreise und kreisfreien Städte erhalten künftig pauschale Zahlungen, die die bisherigen verschiedenen Finanzierungsinstrumente zusammenfassen. Durch diese Lösung reduziert sich der Verwaltungsaufwand für die Kreise und kreisfreien Städte sowie für die Unternehmen erheblich. Entscheidend ist, dass künftig auch Aufgaben- und Ausgabenverantwortung auf kommunaler Ebene zusammengefügt werden. Diese Neuerung können wir uneingeschränkt unterstützen. Sie ist im Übrigen eine schon lange erhobene Forderung der Kommunen. Mit dieser Regelung erhalten die Kommunen auch neuen Gestaltungsspielraum.

Unser Anliegen ist es immer gewesen, Kompetenzen an die kommunale Ebene abzugeben. Diese weiß am besten, welche Einsparungen möglich sind und wo Doppelverkehre abgebaut werden können.

(Minister Dietrich Austermann)

Gleichzeitig entlasten wir die Kommunen von überflüssiger Bürokratie. So schaffen wir die Verpflichtung zur Aufstellung des landesweiten Nahverkehrsplans und zur Aufstellung der regionalen Nahverkehrspläne ab und stellen sie in das Ermessen der Aufgabenträger. Dasselbe gilt für die Durchführung einer Strategischen Umweltprüfung. Durch diese Maßnahmen werden die Aufgabenträger zukünftig zeitlich, personell und kostenmäßig entlastet.

In diesem Gesetzentwurf gehen wir ein Stück in die richtige Richtung zur Sicherung des ÖPNV in Schleswig-Holstein. Ein kleiner Anfang ist gemacht. Aber vor dem Hintergrund der Haushaltssituation müssen wir uns weiter über die künftige Ausgestaltung des ÖPNV in Schleswig-Holstein unterhalten und sie diskutieren. Sollte der Bund weitere Kürzungen der Regionalisierungsmittel vornehmen, müssen wir in Schleswig-Holstein über die künftige Finanzierung und das Angebot nachdenken. Das Land kann eine weitere Kürzung auch in Teilen - nicht erneut kompensieren.

Wir werden über das Angebot zwingend nachdenken müssen. Dabei darf es keine Tabubereiche mehr geben. Sollte es zu weiteren Kürzungen durch den Bund kommen, können Streckenstilllegungen sowohl im Bus- als auch im Schienenverkehr nicht ausgeschlossen werden. Dies hier und heute in der Öffentlichkeit anzusprechen hat nichts mit Panikmache zu tun, sondern mit Ehrlichkeit gegenüber unseren Bürgerinnen und Bürgern.

Ich beantrage, den vorliegenden Gesetzentwurf an den Wirtschaftsausschuss zur weiteren Beratung zu überweisen.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich erteile für die SPD-Fraktion dem Herrn Abgeordneten Bernd Schröder das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Rahmen der Föderalismusreform ist der Bereich Finanzhilfen für den öffentlichen Personennahverkehr in die Hoheit der Länder übergegangen. Die Kreise und kreisfreien Städte als Aufgabenträger für den ÖPNV erhalten nun die Finanzhilfen direkt aus den Händen des Landes. Die bisherigen Finanzquellen mit Regionalisierungs- und GVFGMitteln aus dem FAG sowie Zuweisungen nach dem Personenbeförderungsgesetz werden jetzt zusammengefasst und gebündelt. Die Aufgabenver

antwortung soll mit der Ausgabenverantwortung zusammengeführt werden.

Mit der Gesetzesänderung werden folgende Ziele verfolgt: die Sicherung der Finanzmittel, die Gewährleistung von Transparenz, ein effizienterer Einsatz der Mittel, die Wahrung von Gestaltungsmöglichkeiten und die Schaffung von Planungssicherheit für die Aufgabenträger und Verkehrsunternehmen.

Verbunden ist alles mit einer Reduzierung von Verwaltungsaufwand. Das Land wird entlastet - wir haben es aus dem Munde des Ministers gehört -, da es durch den Landesbetrieb für Straßenbau und Verkehr keine Anträge mehr bearbeiten muss. Die Aufgabenträger werden entlastet, weil sie nicht mehr verpflichtet sind, regionale Nahverkehrspläne zu erstellen und damit verbunden Strategische Umweltprüfungen vorzunehmen. Schließlich werden die Verkehrsunternehmen entlastet, da sie durch die pauschalierte Regelung weniger Verwaltungsaufwand haben werden. Ich finde, dies ist ein gelungenes Beispiel der viel diskutierten Deregulierung und Entbürokratisierung.

Politischer Wille ist, dass trotz der vom Bund vorgenommenen Kürzung bei den Regionalisierungsmitteln das jetzige Niveau beim ÖPNV weitestgehend gehalten werden kann. Wie Sie sich erinnern werden, haben wir das bei den Haushaltsberatungen intensiv diskutiert. Wir waren uns einig, dass wir das, was wir über viele Jahre zum Teil mühsam aufgebaut haben, in diesem Land erhalten wollen. Denn ohne Abfederung der Kürzungen des Bundes durch das Land wären weitere Einschnitte bei der Schülerbeförderung, mögliche Streckenstilllegungen und eine Ausdünnung der Taktzeiten nicht zu vermeiden gewesen. Wie Kollege Jasper hier schon erklärt hat, werden wir in den nächsten Jahren diesen Bereich noch intensiv diskutieren müssen. Denn die Kürzung der Regionalisierungsmittel wird auch in den Jahren 2009/10 erheblich durchschlagen.

Nunmehr ist eine Grundlage geschaffen worden, um die Schülerbeförderung und den öffentlichen Nahverkehr insgesamt im Flächenland SchleswigHolstein abzusichern sowie die Arbeitsplätze bei den ÖPNV-Unternehmen zu erhalten. Uns ist es wichtig, dass dies dauerhaft Arbeitsplätze mit Tariflohn bleiben.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich hoffe, dass es uns allen hier im Hause gelingt, hierfür eine zukunftssichere Lösung aufzubauen und sicherzustellen. Das Stichwort Tariftreue wird

(Karsten Jasper)

uns in nächster Zeit im Zusammenhang mit dem Tariftreuegesetz sicher noch beschäftigen.

Schleswig-Holstein nimmt den ÖPNV als Aufgabe der Daseinsvorsorge ernst und hat in den zurückliegenden Jahren ein attraktives ÖPNV-Angebot mit zahlreichen Verbesserungen aufgebaut. Dabei sind überdurchschnittliche Zuwächse bei den Passagierzahlen erreicht worden. Darauf können wir alle ein Stück stolz sein. Diese Errungenschaften wollen und werden wir trotz weiterhin angespannter Haushaltslage nicht aufgeben.

Ich schließe mich dem an, was Kollege Karsten Jasper gesagt hat, und bitte um Überweisung an den Wirtschaftsausschuss.

(Beifall bei SPD und CDU)

Für die FDP-Fraktion erteile ich dem Herrn Abgeordneten Dr. Heiner Garg das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Liebe Kollegin Redmann, der öffentliche Busverkehr gehört zur Daseinsvorsorge, gerade in einem zum Teil dünn besiedelten Flächenland Schleswig-Holstein. Aufgabenträger sind die Kreise und die kreisfreien Städte. Die Finanzierung speist sich aus verschiedenen Stellen. Es handelt sich um die klassische Mischfinanzierung, bei der viele das bezahlen, was andere bestellen. Wenn die Kompetenzen und die Verantwortung für Aufgaben und Ausgaben so auseinanderfallen, kommt es häufig zu ineffizienten Ergebnissen auf Kosten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler.

Insofern begrüßen wir grundsätzlich den Vorschlag der Landesregierung, die Finanzierungsmittel zusammenzufassen und pauschal den Kreisen und kreisfreien Städten zuzuweisen. Gleichzeitig sollen die Kreise und kreisfreien Städte größere Entscheidungsspielräume bekommen. So werden Kompetenz und Verantwortung für die Aufgaben und Ausgaben auf einer staatlichen Ebene zusammengefasst, und zwar getreu dem Subsidiaritätsprinzip auf der niedrigsten Ebene, auf der die Aufgaben sinnvoll erledigt werden können. Die einzelnen Gemeinden sind zu klein, um den öffentlichen Busverkehr effizient organisieren zu können. Der Abstimmungsbedarf zwischen den Gemeinden würde die Kosten zu sehr in die Höhe treiben.

Trotz unserer grundsätzlichen Zustimmung möchte ich auf zwei Punkte hinweisen, die aus unserer

Sicht in dem Gesetzentwurf nicht berücksichtigt sind.

Erstens muss sichergestellt sein, dass die Landesregierung die Zuweisungen für den öffentlichen Busverkehr nicht über Gebühr kürzt. Denn dass die Kreise und kreisfreien Städte den Busverkehr jetzt eigenständig organisieren dürfen, bedeutet per se nicht, dass er preiswerter wird. Eher wird das Gegenteil der Fall sein. Angesichts der steigenden Energie- und Kraftstoffpreise und der damit verbundenen automatisch steigenden Steuerlast wird auch das Bus-fahren-Lassen teurer; denn schließlich steigt der zu zahlende Mehrwertsteuerbetrag mit jeder Steigerung des Verkaufspreises proportional an, genauer um 19 % des Nettopreisanstiegs. Diese Kostensteigerungen geben die Unternehmen, zumindest teilweise, an ihre Kunden weiter. Wenn gleichzeitig weniger öffentliches Geld zugewiesen wird, steigen die Preise für die Kunden sogar überproportional, was die nachgefragte Menge an Busfahrten mindert. Das wäre genau das Gegenteil von dem, was wir wollen. Das hat auch der Kollege Schröder dargestellt.

Wir sind ja froh, dass dieses Angebot bisher so zahlreich angenommen wird. Deshalb muss es die Landesregierung unseres Erachtens vermeiden, die Zusammenfassung und die Pauschalierung der Zuweisungen für Streichungen zu nutzen. Einzig tatsächlich eingesparter Verwaltungsaufwand sollte berücksichtigt werden. Allerdings müssen, wie bereits gesagt, genauso tatsächliche Kostensteigerungen mit berücksichtigt werden.

(Beifall beim SSW)

Dies führt mich direkt zu unserem zweiten konkreten Kritikpunkt. Die Landesregierung hat den Kommunen bereits Geld für den öffentlichen Busverkehr gestrichen, und zwar in Höhe des ehemaligen Vorwegabzugs im kommunalen Finanzausgleich. In den Jahren 2007 und 2008 setzt die Landesregierung die Streichung des Vorwegabzugs für ÖPNV-Mittel - 10 Millionen € - als Kompensation für die Kürzung des kommunalen Finanzausgleichs um 240 Millionen € an. Das aber ist Unsinn. Denn die Umschichtung zwischen Vorwegabzügen und Schlüsselzuweisungen beeinflusst nur die Verteilung der Finanzausgleichsmasse, nicht aber deren Höhe. Zwar steigt die Flexibilität der Kommunen beim Mitteleinsatz und diese höhere Flexibilität ist, Herr Minister Austermann, sicherlich ein geldwerter Vorteil für die Kommunen, aber dieser Geldwert entspricht bestimmt nicht dem Kürzungsbetrag, sondern nur einem kleinen Bruchteil dessen.

(Bernd Schröder)

Mit anderen Worten: Zur Kompensation der Kürzung des Finanzausgleichs verteilt die Landesregierung die verkleinerte Finanzausgleichsmasse ein bisschen um und behauptet dann, die kleinere Finanzausgleichsmasse würde deren vorherige Kürzung ausgleichen.

Wenn wir dies berücksichtigen, wenn wir also nicht weniger, sondern zumindest ebenso viele Mittel weiterhin zur Verfügung stellen, dann bin ich sicher, dass mit diesem Gesetzentwurf etwas Sinnvolles auf den Weg gebracht wird, was wir zügig im Wirtschaftsausschuss beraten können.

(Beifall bei CDU und SPD)