Protokoll der Sitzung vom 23.03.2007

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Die SPD-Fraktion sagt ganz klar, dass sie die Unternehmensteuerreform in der jetzt beschlossenen Weise nicht akzeptiert und sich dafür einsetzen wird, dass es zu einer Änderung kommt. Auch dies ist unsere Position.

Das große Problem in Berlin ist, dass man sich sehr schnell auf die Senkung der Steuersätze geeinigt hat, dass es aber völlige Unklarheit in der Frage der

Gegenfinanzierung gibt, ob diese Gegenfinanzierung eintritt und von wem sie erbracht wird. Da sage ich in aller Deutlichkeit: Wenn es so ist, dass die 20 Milliarden € jährlichen Einnahmen aus der Mehrwertsteuererhöhung zu 50 % dadurch aufgebraucht werden, dass sie den großen Unternehmen geschenkt werden, dann machen wir das nicht mit. Es kann nicht sein, dass die Bürgerinnen und Bürger bei ihrem täglichen Einkauf das bezahlen, was die „Heuschrecken“ hinterher einsammeln.

(Unruhe bei der CDU)

Natürlich, Herr Sauter, gibt es eine Diskussion über die Frage, was die Werte in unserer globalisierten Gesellschaft sind und wie wir uns anpassen müssen. Aber wir müssen doch auch immer die Spaltung in unserer Gesellschaft im Blick haben. Die Spaltung zwischen Arm und Reich hat sich in den letzten Jahren vergrößert. Wir müssen alles tun, damit dies nicht noch weiter zunimmt, sondern dass die Armut bekämpft wird.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, die Antwort auf die Kleine Anfrage - sie wird Sie ja auch noch erreichen - macht mir ein bisschen Sorge. Sie macht mir erstens Sorge, weil sich die Landesregierung bisher überhaupt nicht aktiv in den Prozess auf Bundesebene eingebracht hat und dies auch nicht vorhat. Es heißt so schön: Die Landesregierung wird ihr besonderes Augenmerk auf das weitere Verfahren oder auf die Ziele richten. Was sagt uns das?

Das zweite ist die Frage, wie sich denn der Schuldzinsenabzug auswirkt. Die Antwort der Landesregierung lässt zwei Dinge zu: Entweder war es eine Denksportaufgabe für uns, dann sollten wir das alle miteinander einmal lösen, oder die Landesregierung weiß selbst genauso wenig wie die Bundesregierung, wen es eigentlich im Lande trifft und wer eigentlich davon profitiert. Da ich noch ein bisschen Zeit habe, lese ich Ihnen einmal drei, vier Sätze daraus vor.

Die Frage lautete:

„Welche Auswirkungen wird die geplante Begrenzung des Schuldzinsenabzugs auf die Werftenbranche in Schleswig-Holstein haben?“

Antwort:

„Die geplante Begrenzung des betrieblichen Schuldzinsenabzugs führt nicht generell zu einer Nichtabziehbarkeit der Zinsaufwendungen. Die genauen Auswirkungen können nicht abgeschätzt werden. Die sogenannte

Zinsschranke greift bei Vorliegen mehrerer Voraussetzungen. Unternehmen, die nicht zu einem Konzern gehören, sind von der Regelung voraussichtlich nicht betroffen.“

Niemand weiß also so genau, wer von der zukünftigen Zinsschranke betroffen ist. Ich sage Ihnen für meine Fraktion in aller Deutlichkeit: Wiederholen Sie nicht den Fehler, den Rot-Grün gemacht hat, nämlich Zinssätze zu senken und die Gegenfinanzierung nicht sicherzustellen. Das hat uns hier in Schleswig-Holstein geschadet. Wir alle erinnern uns an die Jahre, in denen wir über 200 Millionen € jährliche Steuerausfälle hatten. Das können und wollen wir uns nicht leisten. Wir brauchen das Geld für die Familien- und Bildungspolitik. Das haben wir gestern diskutiert. Dafür werden wir weiterhin streiten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Lars Harms.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn es darum geht, den Satz der Unternehmensteuern zu senken und gleichzeitig Abschreibungs- und andere Verrechnungsmöglichkeiten zu streichen, sodass das Ganze aufkommensneutral ist, dass wir also keine Einnahmen verlieren, haben wir kein Problem damit, das so zu machen. Das würde das Steuersystem vereinfachen. Nur, was wir jetzt haben, ist eine Steuerreform, die Unternehmen massiv entlasten soll.

Herr Sauter hat ja gesagt, warum er es machen will. Er will wettbewerbsfähiger sein. Er will, dass das Land, das sich seit Jahren rühmt, Exportweltmeister zu sein, wettbewerbsfähiger wird. Da bin ich der Meinung: Es ist wirklich so, dass allein die Fakten ganz deutlich zeigen, dass diese Unternehmensteuerreform für diesen Zweck auf keinen Fall notwendig ist. Wir sind ganz gut auf dem europäischen Markt. Wir haben ganz andere Sorgen, wofür wir dieses Geld verwenden müssten. Deswegen meine ich, dass dieses Argument der Wettbewerbsfähigkeit so nicht ziehen kann.

Welche Erfahrungen haben wir eigentlich mit der Steuerreform 2001 gemacht? Die Kollegin Heinold hat eben gesagt, es war ein rot-grüner Fehler. In der Tat! Erstens ist Rot-Grün deshalb nicht wiedergewählt worden und zweitens sind null Arbeitsplätze geschaffen worden. Es hat nichts gebracht. Wir ha

ben den Unternehmen Geld ohne Ende gegeben mit der Ansage: Bitte, bitte, schafft doch Arbeitsplätze, schafft doch Ausbildungsplätze! Und passiert ist nichts, null, jedenfalls nichts mit diesem Geld. Die haben es schön eingesackt. Ich weiß nicht, wo es jetzt ist, vielleicht auf den Cayman Islands oder in der Schweiz. Auf jeden Fall ist es nicht hier bei uns, wo es wirklich gute Dienste leisten könnte.

Zum Landeshaushalt. Gehen wir einmal davon aus, dass es uns 80 Millionen € weniger bringt. Was bedeutet das für uns? - Das bedeutet für uns, dass wir uns in den nächsten Haushaltsberatungen wieder hart darüber streiten müssen, wie wir die restlichen Gelder, die wir noch haben, verwenden wollen. Was aber viel schlimmer ist: Die Landesregierung läuft draußen herum und sagt: Wir wollen Schulden abbauen. Womit werden denn wohl diese 80 Millionen €, die wir zu zahlen haben, finanziert? Wir werden Schulden machen müssen. Anders wird es nicht gehen. Wir haben nichts auf dem Bankkonto. Das heißt, die Unternehmen werden entlastet und unser Landeshaushalt wird mit Schulden belastet. Das ist der Effekt. Das ist keine Schuldenabbaupolitik, sondern Schuldenaufbaupolitik.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es geht in der Gesamtsumme um 5 Milliarden bis 10 Milliarden €. Das ist ein Haufen Geld. Wir haben gestern darüber geredet, dass wir alle es liebend gern hätten, wenn wir die Kinderbetreuung in unserem Land verbessern könnten. Wir haben das mit guter Betreuung, mit Bildung von Kindesbeinen an begründet. Jetzt reden wir darüber, dass wir 5 Milliarden € - ich sage - zum Fenster hinauswerfen, obwohl wir dieses Geld dringend brauchen und obwohl auf Bundesebene überhaupt nicht geklärt ist, wie man denn die Kinderbetreuung für unter Dreijährige hinkriegen will, wie man es schaffen will, vielleicht auch das letzte Kindergartenjahr für die Fünf- bis Sechsjährigen kostenlos zu machen, wie man es schaffen kann, dass Bildungsleistungen im Kindergarten verbessert werden können, wie man es schaffen kann, dass die Leute, die in Kindergärten beschäftigt sind, besser ausgebildet werden können, als sie es ohnehin schon sind. Das alles ist nicht geklärt, aber wir sind in der Lage, 5 Milliarden € einfach zum Fenster hinauszuwerfen. Das ist definitiv unerträglich.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Langfristig - um bei diesem Beispiel zu bleiben kommt es auch den Unternehmen zugute, wenn wir früh bei den Kindern anfangen, ihre Ausbildung zu

(Monika Heinold)

verbessern. Das fängt im Kindergarten an und zieht sich durch die Schule durch. Das ist in meinen Augen eine weitsichtigere Politik, als kurzfristig den großen Unternehmen Steuergeschenke zu machen. Steuergeschenke sind nicht der richtige Weg, sondern es ist wichtig, in Bildung, in Ausbildung und in Weiterbildung zu investieren. Dafür brauchen wir diese 5 Milliarden € dringend. Da ist dieses Geld wesentlich besser angelegt, auch im Sinn der Unternehmen.

Deswegen muss die Landesregierung definitiv dringend gegen diese Steuerreform stimmen. Es ist notwendig, dass das Geld im öffentlichen Haushalt bleibt und dass wir versuchen, damit richtig viel Bildung in unserem Land zu gewährleisten.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Tobias Koch.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich ja immer, wenn in den Beratungen dieses Hauses die Auswirkungen auf den Landeshaushalt Berücksichtigung finden. Ich würde mir sogar wünschen, dass wir das immer tun, und nicht nur dann, wenn es darum geht, mit diesem Argument nicht gewollte politische Vorhaben zu verhindern.

Meine Damen und Herren, wovon sprechen wir? Wir sprechen davon, dass es in Deutschland die höchsten Steuersätze für Kapitalgesellschaften in ganz Europa gibt. Wir müssen uns also nicht mit irgendwelchen Steueroasen vergleichen, wir müssen uns nur mit unseren direkten europäischen Nachbarn vergleichen. Schauen wir doch mal nach Dänemark, Frau Kollegin Spoorendonk! Dort beträgt der Steuersatz 30 %. Wir können auch andere Beispiele nehmen. Wir können das soziale Musterland Schweden mit einem Steuersatz von 28 % für Körperschaften nehmen.

(Zuruf der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW])

- Das ist das Argument, das immer angeführt wird, nach dem Motto: Die Steuersätze sind zwar hoch, aber die reale Steuerbelastung ist niedrig. Ist das ein Argument, das die jetzige Situation in irgendeiner Weise rechtfertigt?

(Zuruf: Ja!)

Das führt uns doch nur vor Augen, wie irrational, wie unlogisch, wie ungerecht unser Steuersystem ist.

(Beifall bei der CDU - Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Irra- tional!)

Es begünstigt die Unternehmen mit den besten Steuerberatern und es hält ausländische Investoren von Investitionen in Deutschland ab, meine Damen und Herren.

Dann machen wir - zumindest ein Teil des Hauses hier offensichtlich den gleichen Fehler, den wir sonst den Unternehmen immer als Vorwurf machen: Wir werfen den Unternehmen vor, sie würden eine kurzfristige Gewinnmaximierung betreiben. Und dann versuchen wir - wenn ich die Redner von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW richtig verstanden habe -, dem eine kurzfristige Steuermaximierung entgegenzusetzen, indem wir sagen: Wir wollen möglichst hohe Steuereinnahmen und wir versuchen deshalb, die Steuersätze so hoch wie möglich zu halten.

(Widerspruch der Abgeordneten Anke Spoo- rendonk [SSW])

Wenn wir zu dem Ergebnis kommen, dass wir mit einer Veränderung des Steuersystems, mit niedrigeren Steuersätzen und einer breiteren Bemessungsgrundlage auf Dauer mehr Steuern einnehmen werden, dann ist es doch fahrlässig, eine solche Reform zu unterlassen, nur weil sie uns im ersten Jahr Geld kosten wird. Das ist doch ganz kurzfristiges Denken!

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich kann ja verstehen, dass bei den Abgeordneten von Rot-Grün noch die größten Befürchtungen bestehen, wenn man sich an das Jahr 2001 erinnert, als in einem Jahr 25 Milliarden € Körperschaftsteueraufkommen von Rot-Grün vernichtet wurden. Ich kann Sie beruhigen: Ich glaube, unser Bundesfinanzminister ist weder Hans Eichel noch ist er der neue Friedrich Merz. Er wird weder Murks abliefern noch eine ganz radikale Reform machen, sondern hier ist ein ausgewogener Kompromiss gefunden worden.

Frau Heinold, zu Ihrer Befürchtung, dass das die Kommunen betrifft. Das geht aus der Kleinen Anfrage noch nicht hervor, da die Große Koalition in Berlin erst in diesen Tagen entschieden hat.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: 38 Millionen €!)

(Lars Harms)

- Ich vermute, dass diese Antwort bereits überholt ist. Ich glaube kaum, dass die Landesregierung bereits das berücksichtigen konnte, was in den letzten zwei Tagen in Berlin besprochen wurde.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist von heute!)

- Nehmen Sie zur Kenntnis, dass sich die Koalition darauf verständigt hat, die Gewerbesteuerumlage abzusenken und die Kommunen dadurch entlastet werden. Im Saldo sollte das sogar zu einer Überkompensation führen. Bundesweit werden die Kommunen 300 Millionen € mehr erhalten als in der jetzigen Situation. Für die Kommunen besteht dort keine negative Konsequenz.

Unsere 80 Millionen € sollten wir in der Lage sein zu bewältigen, zumal das nur eine theoretische Berechnung ist. Da hat der Oppositionsführer völlig recht.