Protokoll der Sitzung vom 23.03.2007

Unsere 80 Millionen € sollten wir in der Lage sein zu bewältigen, zumal das nur eine theoretische Berechnung ist. Da hat der Oppositionsführer völlig recht.

(Beifall bei CDU, FDP und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort hat Herr Oppositionsführer Wolfgang Kubicki.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht kann man doch etwas Stimmung in die Debatte bringen. Die Ausführungen des Kollegen Harms haben mir fast die Schuhe ausgezogen.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Nicht nur dir!)

Herr Kollege Harms, wir - wer auch immer „wir“ ist - geben den Unternehmen kein Geld zurück oder schenken ihnen das.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Wir - wer immer „wir“ ist, der Staat - nimmt den Unternehmen möglicherweise nur weniger Geld weg als vorher.

(Beifall bei FDP und CDU)

Wenn ich diese wunderbaren Ausführungen von Grünen, Sozialdemokraten und SSW höre, wäre es ja optimal, wenn wir 100 % wegbesteuern würden, weil ich sicher bin, dass wir im Haus genug Leute finden, die das Geld nach ihrer Auffassung sinnvoll ausgeben. Ich glaube, dass die Menschen, die das Geld mit ihrer Hände Arbeit und ihrem Verstand erwirtschaften, in aller Regel besser geeignet sind als andere, das Geld sinnvoll auszugeben.

Vielleicht sollte man die Sache einmal nicht nur fiskalisch betrachten, sondern eher unter wirtschaftspolitischen Aspekten, unter Wachstumsaspekten. Wir alle freuen uns momentan über einen unglaublichen Zufluss an Steuermehreinnahmen durch Wachstum, aufgrund von Wachstumsgrößen, die wir vor einigen Jahren noch für wenig wahrscheinlich gehalten hätten. Das zeigt doch, dass wir an sich gut beraten wären - auch wenn wir unsere öffentlichen Haushalte in Ordnung bringen wollen -, für mehr Wachstum zu sorgen,

(Beifall bei der FDP)

weil das Ergebnis von mehr Wachstum mehr Steuereinnahmen sind.

Kollege Harms, was sind die Bedingungen für Wachstum?

(Lars Harms [SSW]: Bildung ist ganz wich- tig!)

- Das finde ich auch. Ich finde auch, dass wir zur Bildung von wirtschaftswissenschaftlichem Sachverstand bei vielen beitragen sollten, weil wir uns dann über die Frage, was die Determinanten von Wachstum sind, nicht weiter unterhalten müssen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Woher kommt das gegenwärtige Wachstum denn? Nicht wir im Parlament haben beschlossen, morgen ist Wachstum, sondern das ist das Resultat von politischen Entscheidungen, die in der Vergangenheit getroffen worden sind, nach unserer Auffassung teilweise noch ungenügend, aber auch - das sagen uns alle Experten - von Reformen am Arbeitsmarkt, wenn auch zu wenig, auch - das sagen uns alle Experten - von Reformen im Steuerrecht, wenn auch noch zu wenig, auch weil wir andere Rahmendaten wie eine Verbesserung der Infrastruktur geschaffen haben, auch weil durch eine Veränderung der politischen Gemengelage weg von Rot-Grün hin zu anderen Konstellationen die Atmosphäre verändert worden ist und Menschen das Gefühl haben, es lohnt sich wieder zu investieren, weil sie sich nicht mehr dafür schämen müssen, dass sie Gewinne machen, und sich nicht mehr dagegen verteidigen müssen, sie seien Sozialschmarotzer, wie es in der Vergangenheit der Fall gewesen ist.

(Beifall bei der FDP - Zurufe)

- Habe ich da jemanden gehört, der „Unsinn“ gerufen hat? War das vielleicht der Herr Innenminister, der künftige SPD-Vorsitzende, der „Unsinn“ gerufen hat? Herr Minister, es ist Unsinn, was viele aus Ihrer Partei in der Vergangenheit gewollt haben und was heute noch einige wollen: Leben ohne Wachs

(Tobias Koch)

tum, Geld ohne Zinsen? Das sind Vorstellungen auf einem Niveau, von dem ich nicht geglaubt habe, dass Sozialdemokraten in Regierungsverantwortung das jemals zum Thema ihrer Parteitage machen wollten.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Vielleicht unterhalten Sie sich in dieser Frage einmal mit Ihrem Bundesfinanzminister, der lange Zeit hier politische Verantwortung getragen hat. Ich habe mit ihm gesprochen. Der wird Ihnen schon sagen, was er von solchen Eskapaden hält. Darüber so hat er gesagt - sind wir über 200 Jahre hinaus.

Noch einmal: Die Unternehmensteuerreform, die angepackt wird, ist nach unserer Auffassung deshalb unzureichend, weil sie das Steuerrecht nicht vereinfacht. Wenn wir davon reden, dass wir ausländisches Kapital nach Deutschland holen wollen, um hier zu investieren, dass Leute von draußen ihr Geld bei uns anlegen, hier Arbeitsplätze geschaffen und hier Gewinne erwirtschaftet werden sollen, dann ist auch ein wesentlicher Aspekt - fragen Sie doch einmal alle Berater, auch aus Ihrer Partei, alle Anwälte -, dass das deutsche Steuerrecht zu undurchsichtig ist. In Großbritannien brauchen Sie eine Seite für die Steuererklärung, in der Schweiz brauchen Sie - je nach Kanton - eine bis eineinhalb Seiten für Ihre Erklärung. Bei uns ist das eine Anlage zur Erklärung, die 30 Anlagen umfasst.

Das erklärt, warum wir unser Steuerrecht vereinfachen müssen, wenn wir vorankommen wollen mit mehr Wachstum und mehr Einnahmen für die öffentlichen Haushalte.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort hat der Vorsitzende des Finanzausschusses, Herr Abgeordneter Günter Neugebauer.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Oppositionsführer ist einmal wieder dem Grundsatz seiner Partei treu geblieben: mehr Ausgaben, die der Staat leisten soll, bei immer weniger Einnahmen! Wir haben bei den letzten Haushaltsberatungen erlebt, dass es sein Geheimnis bleibt, wie er das miteinander in Einklang bringen will.

Es ist richtig, dass wir ausländisches Kapital haben wollen, Kollege Kubicki, aber für Investitionen in Arbeitsplätze und nicht für Aufkäufe von Unternehmen und die Rückkehr des Kapitals nach zwei Jahren ins Ausland.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

- Nun lassen Sie mich doch einmal reden; ich habe Sie auch nicht unterbrochen.

Der Kollege Koch hat völlig recht, wenn er sagt, dass Deutschland im internationalen Wettbewerb zu hohe Steuersätze für Körperschaften hat. Das ist nicht unser Einfall gewesen, sondern das ist das Ergebnis der Globalisierung, der wir nur begrenzt entgegenwirken können. Kollege Koch, bei dieser Diskussion dürfen Sie aber nicht vergessen, dass sich alle Steuerwissenschaftler einig sind, dass Deutschland die besten Bewertungsvorschriften hat. Sich nur auf den Steuersatz zu fixieren, ist völlig falsch, wenn man die deutsche Steuergesetzgebung mit der Steuergesetzgebung des Auslandes vergleicht. Ich nenne nur die Bewertungsvorschriften für das Umlaufvermögen oder für die Bildung von Rückstellungen.

Die Kollegin Herdejürgen hat völlig recht, wenn sie darstellt, dass das bei uns strittig diskutiert wird. Strittig ist nicht die Notwendigkeit. Alle Sozialdemokraten sind sich einig, dass wir auf die Spiralbewegung nach unten leider eine Antwort geben müssen. Nicht ganz einig sind wir uns, was den Inhalt angeht.

Einig sind wir uns in dem Ziel, dass wir die Unternehmen animieren müssen, ihre Gewinne in Deutschland zu versteuern und nicht auf Kosten des deutschen Steuerzahlers ins Ausland zu transferieren. Wir wollen - das eint uns sicherlich alle gemeinsam - den Steuerstandort Deutschland stärken und die Arbeitsplätze in Deutschland sichern. Das tun wir übrigens nicht, indem wir ausländisches Kapital durch Hedgefonds nach Deutschland lassen, die dann nach zwei Jahren den Betrieb kaputt gemacht haben und sich in ihre Heimat zurückbegeben.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Was für ein Un- sinn!)

Herr Kollege Koch, vielleicht trägt zur Versachlichung der Debatte bei, wenn ich einen Blick in den Koalitionsvertrag werfe. Im Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD - ich darf zitieren, Herr Präsident - heißt es:

„Eine Senkung von Unternehmensteuersätzen im Interesse der Wettbewerbsfähigkeit und zugunsten der kleinen und mittleren Unternehmen kann es nur geben, wenn diese Einnahmeausfälle durch die Schließung von Steuerschlupflöchern mindestens kompensiert werden.“

(Wolfgang Kubicki)

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Von dauerhaften Steuerausfällen ist nicht die Rede, im Gegenteil. Deshalb, meine Damen und Herren, kann der vom Bundeskabinett beschlossene und jetzt dem Bundesrat zur Stellungnahme zugeleitete Entwurf für eine Unternehmensteuerreform nicht unsere ungeteilte Zustimmung finden. Die Belastung für die Haushalte von Bund und Ländern ist zu hoch. Sie ist dauerhaft mit 5 Milliarden € - das ist sehr vorsichtig gerechnet - ausgelegt und sie erschwert die Konsolidierung des Landeshaushalts in Schleswig-Holstein.

(Beifall bei der SPD)

Wer schon wie Minister Austermann oder Bundeskanzlerin Merkel in öffentlichen Erklärungen weitere Abstriche an der Gegenfinanzierung vorschlägt, der trägt doch gewollt oder ungewollt dazu bei, dass die Probleme wachsen, der Haushaltskonsolidierungsprozess erschwert wird und es zu mehr Löchern bei der Gegenfinanzierung kommt.

Ich will nicht verschweigen, dass dieser Reformentwurf wichtige und gute Ansätze beinhaltet. Das ist zum Beispiel die Mantelkaufregelung, das ist die Zinsschranke, das ist die Ansparrücklage.

Ich persönlich halte es für einen steuerlichen Unsinn, die Sofortabschreibung geringwertiger Wirtschaftsgüter aufzugeben. Das ist Unsinn. Das soll dazu dienen, die Gegenfinanzierung möglich zu machen. Aber das bedeutet - dazu wird es noch Korrekturen geben -, dass wir dazu beitragen, dass die Löcher im Landeshaushalt immer größer werden.

Meine Damen und Herren, sozialdemokratisches Ziel muss es sein, die Handlungsfähigkeit des Staates zu erhalten, Arbeitsplätze zu sichern und natürlich auch im Wettbewerb mit den im Ausland bestehenden Unternehmen zu stehen. Das kann jedoch aufkommensneutral erfolgen und die Gegenfinanzierung muss aus dem unternehmerischen Bereich erfolgen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Lassen Sie mich zum Schluss feststellen: Wir sagen Ja zur Reform, aber diese muss aufkommensneutral erfolgen und sie darf keine weitere Belastung für die notwendige Konsolidierung auch des Landeshaushalts sein.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Karl-Martin Hentschel.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mir haben die Aussagen des Abgeordneten Koch die Schuhe ausgezogen - und die Socken gleich dazu.