Die Zahlen, die uns im Zusammenhang mit dem Gesetzentwurf vorliegen, unterliegen einer ganzen Reihe von angenommenen Entwicklungen, die zwar einigermaßen plausibel, aber nicht sicher sind.
Nach oben wie nach unten gibt es Unsicherheiten. Bestimmte dynamisierende Effekte sind nicht eingerechnet, die durchaus positive Einnahmeentwicklungen verursachen könnten. Die Aussagen über die tatsächlichen Auswirkungen nach oben wie nach unten sind zurzeit also nicht wirklich belastbar.
Wenn wir uns an den derzeitigen Prognosen entlanghangeln - das hat Kollege Sauter schon angesprochen -, dann wird deutlich: Wir haben in unserem Haushalt einen Puffer eingebaut. Er wird aller Voraussicht nach aber nicht ausreichen, die Einnahmenausfälle kurzfristig aufzufangen. Diesen Effekt haben wir in unserer Fraktion sehr strittig diskutiert. Möglicherweise muss man an der einen oder anderen Stelle überlegen, wo Nachbesserungen sinnvoll sind, die sich auch langfristig auswirken. Bei einer Steuerreform geht es ja nicht darum, nur auf das nächste Jahr zu schauen, sondern wir wollen langfristige Effekte erzielen.
An dieser Stelle stehen wir vor der Frage, ob wir die Steuerreform vom Grundsatz her so akzeptieren wollen, wie sie vorgelegt worden ist. Kollege Sauter hat die Einzelheiten schon angeführt. Wir wollen von unserer Fraktion aus - das sage ich ganz deutlich - mehr Transparenz des Systems. Wir wollen die Bestandteile mit Signalfunktion für Investoren - das sind die Steuersätze - reduzieren und damit einen deutlichen Anreiz zu einem größeren Engagement bei uns in Bezug auf Ansiedlungen bieten.
Im Gegenzug müssen wir Spielräume reduzieren, die sich aus dem derzeitigen Steuersystem ergeben, und die Möglichkeit bieten, sich der Gewinnbesteuerung zu entziehen, und damit zu einer Steuerbasis kommen, die breiter ist und damit auch mehr Stabilität für die Einnahmen, für das gesamte Steueraufkommen gibt. Wir wollen, dass die Vermischung von Einnahmeströmen der Gebietskörperschaften reduziert und damit auch für die Kommunen eine Stabilisierung der Einnahmen erreicht wird. Die kommunalen Landesverbände begleiten die gesamte Steuerreform sehr positiv. Auch das ist ein Punkt, den wir unseren Überlegungen berücksichtigen müssen.
Was die Gerechtigkeitsdebatte angeht, Anke, so ist eine Steuerreform ja nicht Selbstzweck. Das Stichwort „Wettbewerbsfähigkeit“ ist ebenfalls nicht Selbstzweck. Vielmehr geht es darum, dass wir als Politik einen verlässlichen Rahmen schaffen, damit die Unternehmen in Deutschland ihrer Aufgabe innerhalb unseres Gemeinwesens gerecht werden. Die Bereitstellung von Gütern und Dienstleistungen und natürlich die finanzielle Verantwortung, indem diese Unternehmen hier auch Steuern zahlen, ist
das eine. Aber es geht auch um die Verantwortung, was die Schaffung von Arbeitsplätzen, die zur Verfügungstellung von Ausbildungsplätzen angeht.
Dies ist eine kritische Bemerkung auch in Richtung der großen Konzerne: Die kleinen und mittleren Unternehmen im Land sind sich dieser Verantwortung sehr bewusst. Das zeigen unsere Aktionen, die erfolgreichen Bündnisse für Ausbildung. Schwierig ist es mit den Konzernen, die sich aus durchaus nachvollziehbaren Gründen sehr an den betriebswirtschaftlichen Ergebnissen orientieren und wenig im Hinterkopf haben, wie es denn bei großen Entlassungswellen den Familien vor Ort geht. Daran werden diese Unternehmen auch zu messen sein.
Natürlich ist das Personal ein Kostenfaktor. Das ist völlig klar. Aber Unternehmen, die in Deutschland Gewinne erzielen - das ist zumindest unsere Position -, müssen sich auch unserem Wirtschafts- und Gesellschaftssystem verpflichten, und das ist eben nicht das freie Spiel der Kräfte, sondern die soziale Marktwirtschaft, die auch von der sozialen Verantwortung der Besitzenden geprägt ist.
Daran wird diese Reform zu messen sein. Für unsere Fraktion kann ich sagen: Reform ja, und zwar in den großen Bestandteilen, wie das der Kollege Sauter auch ausgeführt hat, Nachbesserungen aus fiskalischem Interesse möglicherweise auch, aber nicht vom grundsätzlichen Inhalt her, und das alles bei angemessener Berücksichtigung der Stabilität unseres Gemeinwesens.
Ich glaube, dass wir vom Grundsatz her mit dieser Unternehmensteuerreform auf dem richtigen Weg sind. Wir werden im Finanzausschuss noch ausreichend Zeit haben, dies zu diskutieren. Im Moment finde ich es angesichts der Zahlen und der Belastbarkeit der Zahlen, die uns vorliegen, schwierig. Ich würde mich von der Tendenz her aber den Prognosen des Kollegen Sauter durchaus anschließen.
Aber ich will im Zuge der allgemeinen Beratung, die ausufert, einige Hinweise geben, wie man das selbst berechnen kann.
Grundsätzlich trägt Schleswig-Holstein etwa 3 % des Anteils der Ländermindereinnahmen. Der Bundesfinanzminister geht bei Mindereinnahmen übrigens auch bei Mehreinnahmen - grundsätzlich davon aus, dass es sich in etwa um 6 Milliarden € handelt. Der Länderanteil - die Hälfte - betrüge somit 3 Milliarden €. Heruntergebrochen auf den Anteil Schleswig-Holstein, wären es ungefähr 100 Millionen €. Wenn man den kommunalen Anteil mit 17,74 % abzieht, landen wir bei 82 Millionen €. Das kann man also selbst schnell berechnen.
Darüber haben wir bereits im Dezember debattiert. Der Finanzminister hat damals eine Erklärung abgegeben und bedauerlicherweise den Bundesanteil gleich mit eingerechnet, um die Dimension deutlich zu machen. Anschließend hat er das auf der Grundlage einer Kleinen Anfrage der Kollegin Monika Heinold korrigiert. In der Antwort auf diese Kleine Anfrage kann man nachlesen, dass es sich für Schleswig-Holstein maximal um 82 Millionen € handeln werde. Nun ist auch das bedauerlicherweise eine Fehlinformation, weil niemand von uns genau voraussagen kann, welche Entwicklung eintreten wird, vor allem welche Nah-, Fern-, Neben-, sonstige Wirkungen und vor allem Rückkopplungen durch das Verhalten von Menschen in Unternehmen entstehen.
Ich sage das insbesondere deshalb, weil die Komplexität des deutschen Steuerrechts mit dieser Unternehmensteuerreform steigt und nicht sinkt. Zwar ist anzuerkennen, dass sich der Bund bemüht, die Steuerbelastungen der Unternehmen auf ein europäisches Mittelmaß herunterzudrücken. Das ist aber auch der einzige Vorteil dieser Reform. Der Rest ist nach unserer Auffassung das übliche Gewürge einer Großen Koalition. Das Unternehmensteuerrecht bleibt genauso undurchsichtig wie zuvor. International, Herr Kollege Sauter, gilt das deutsche Steuerrecht als das komplizierteste weltweit und ist es tatsächlich auch. Wir haben in der Vergangenheit immer wieder darüber geredet, dass wir das Steuerrecht vereinfachen wollen. Bedauerlicherweise ist - wahrscheinlich ähnlich wie bei der Vereinfachung von Vorschriften im Land - das genaue Gegenteil herausgekommen.
Ein Grund für die unnütze Komplexität ist die Gewerbesteuer, die die Große Koalition immer noch nicht abschaffen will. Viel besser wäre es, stattdessen den Kommunen ein Hebesatzrecht auf die Einkommensteuer und auf die Körperschaftsteuerschuld der Betriebsstätten und der Bewohner im Gemeindegebiet zuzubilligen, so wie dies im Gesetzentwurf der FDP-Bundestagsfraktion vorgesehen ist. Dadurch würden alle Unternehmen - in den Worten des ehemaligen Finanz- und heutigen Innenministers: vom DAX-Konzern bis zur Pommesbude an der Ecke - endlich Steuern in ihren Gemeinden zahlen.
- Selbstverständlich hast du mit einem Hebesatz auf die Einkommensteuer auch eine Belastung der Freiberufler, lieber Kollege Neugebauer.
Die Unternehmensteuerreform der Bundes stellt keine Rechtsformneutralität der Besteuerung her. Im Gegenteil verzerrt sie die Belastungen zwischen Körperschaften und Personengesellschaften noch weiter. Für ein Land wie Schleswig-Holstein, das überwiegend personengesellschafts- und mittelständisch orientiert ist, ist das eine besondere Belastung. Denn bei den Personengesellschaften werden Gewinne künftig noch unterschiedlicher besteuert als bisher, je nach dem, ob sie thesauriert oder nicht. Das ist eine eindeutige Ungleichbehandlung von Einkommen aus Kapitalgesellschaften und Einkommen, das die Eigentümer von Personengesellschaften erzielen.
Vielleicht sollte man in diesem Zusammenhang auch noch darauf hinweisen, dass die zu versteuernden Gewinne ja das Einkommen der Eigentümer von Personengesellschaften sind. Der Handwerksmeister kann nicht alles wieder in den Betrieb investieren. Er muss sein Einkommen, jedenfalls teilweise, aus dem Betrieb entnehmen und muss darauf höhere Steuern zahlen als Aktionäre auf Dividenden. - Doch, Kollege Sauter. Das ist das Ergebnis. Er muss höhere Steuern zahlen als Aktionäre auf ihre Dividenden, weil diese bei den thesaurierten Gewinnen, die in den Unternehmen bleiben, gleichzeitig eine Steigerung ihres Aktienwertes erhalten.
(Frank Sauter [CDU]: Der erfolgreiche Handwerker hat auch eine Steigerung seines Unternehmenswertes!)
- Er muss immer einen wesentlichen Teil dessen, was er erlöst, für seine eigene Existenz entnehmen und kann diesen nicht reinvestieren. Er hat sozusagen keine Chance, zur Wertsteigerung seines Unternehmens dadurch beizutragen, dass er Gewinne thesauriert, weil er auch noch seine eigene Existenz fristen muss, weil man ihm das, anders als anderen Personen, nicht aus öffentlichen Kassen erstattet.
Hinzu kommt, dass die „Reichensteuer“ vor allem die Eigentümer erfolgreicher Personengesellschaften trifft. Trotz aller sozialromantischen Vorstellungen schwächt man so die Bereitschaft zu unternehmerischem Engagement. Wenn dieses Engagement geschwächt, so kostet das reale und potenzielle Arbeitsplätze.
In der Euphorie über einen moderaten Aufschwung fällt das selbstverständlich nicht so auf. Aber jeder Aufschwung geht einmal zu Ende und dann wird der Katzenjammer groß sein, weil schon wieder die Chance verpasst wurde, eine sinnvolle Unternehmensteuerreform mit einem transparenten und international wettbewerbsfähigen Steuerrecht durchzusetzen. - Nicht nur der Steuersätze, sondern auch des Steuerrechts; darauf kommt es nach unserer Auffassung an.
Zu all dem konnten sich auch noch die Kräfte in der Bundesregierung durchsetzen, die es für sinnvoll halten, Kosten der Unternehmen zu besteuern. Herr Kollege Sauter, es wäre - weil es in diesem Haus nur wenige mit Sachverstand gibt - nett, Sie würden mir Ihr Ohr leihen. - Kosten der Unternehmen besteuern - nichts anderes ist die Zinsschranke. Das ist ungefähr so, als würden Sie für ein neues Auto einen Kredit aufnehmen und dann die Zinsen, die Sie der Bank überweisen, anschließend auch noch versteuern müssten.
Diese Reform ist wegen der Senkung der Steuerbelastung von Kapitalgesellschaften ein Schrittchen in die richtige Richtung, aber die Chance auf die positiven Wirkungen einer sinnvollen Reform der Unternehmensbesteuerung in Deutschland wurde leichtfertig vergeben.
Anke Spoorendonk hat von 82 Millionen € für den Landeshaushalt gesprochen, wenn alles andere gleich bliebe. Es bleibt aber nicht alles andere gleich. Das hätten wir vorher wissen können. Wir wissen es jetzt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin schon mehr als erstaunt, dass Herr Kubicki aus einer Kleinen Anfrage zitiert, die heute Morgen abgestempelt wurde und mir als Antragstellerin zugegangen ist. Wir sollten einmal recherchieren, woher er sie hat.
Herr Kollege Kubicki, dies ist auch nicht gerade kollegial. Sie wissen genau wie ich, dass es das Recht der fragenden Fraktion gibt, eine Kleine Anfrage zunächst ein paar Tage selbst zu verwerten.
Die 82 Millionen € haben Sie richtig herausgelesen. Wir haben die Zahlen der Landesregierung bekommen. Im Jahre 2008 sind die Kommunen mit 38 Millionen € und das Land ist mit über 80 Millionen € jährlich dabei, wenn die Zahlen des Bundesfinanzministeriums stimmen. Alle Schätzungen, die es auf Bundesebene gibt, sagen uns ja, dass die Zahlen des Bundesfinanzministers - er geht ja von einem Steuerverlust von über 6 Milliarden € jährlich aus - noch deutlich größer werden.
Frau Herdejürgen, ich wundere mich ein wenig, mit welcher Euphorie Sie diese Unternehmensteuerreform begrüßt haben. Ich habe wahrgenommen - mir liegt eine Pressemitteilung von Claus Möller und Ralf Stegner zur Unternehmensteuerreform vor -, dass die SPD-Fraktion erhebliche Bedenken hat.
Die Überschrift der Pressemitteilung Ihres Fraktionsvorsitzenden lautet: „Die Belastung der öffentlichen Haushalte ist zu hoch.“ Diese Position teilt meine Fraktion. Die Unternehmensteuerreform muss aufkommensneutral sein.