Protokoll der Sitzung vom 09.05.2007

Das Wort für den SSW hat die Frau Abgeordnete Anke Spoorendonk.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch im Namen des SSW möchte ich mich für den Bericht des Landesdatenschutzbeauftragten bedanken. Zum wiederholten Male möchte ich hervorheben, dass dieser Bericht auch hinsichtlich seiner Sprache vorbildlich ist. Er ist auch für den datenschutztechnischen Laien verständlich. Ich denke, das ist wichtig. Der Beauftragte ist eben kein Datenfreak, sondern ein Technikfolgenabschätzer im besten Sinne des Wortes.

Zu der Großwetterlage hat Herr Kollege Hentschel vorhin schon einiges gesagt. Darum möchte ich nur kurz ansprechen, dass der Landtag im letzten Sommer einstimmig beschlossen hat, gegen die EUKommission - und zwar aufgrund des Antrags der FDP - bezüglich der Vorratsspeicherung von Daten über Telefonverbindungen und den E-MailVerkehr zu klagen. Ich möchte diesen Beschluss nur einmal in Erinnerung rufen, um anzudeuten, mit

welchen gesellschaftspolitischen Szenarien wir es zu tun haben, wenn wir heute über Datenschutz reden.

Aus Zeitgründen werde ich jetzt nur auf ein paar Stichworte eingehen.

Ich sagte vorhin, dass der Landesdatenschutzbeauftragte ein Dienstleister ist und in seiner Arbeit deutlich macht, wie wir modernen Datenschutz überhaupt auffassen sollten und können. Denn wer neue Verfahren ohne ausreichende Vorbereitung einführt und sich nicht die Zeit nimmt, zu erklären, was es mit dem Verfahren auf sich hat, darf sich natürlich nicht über Skepsis und Ablehnung wundern. In diesem Zusammenhang heißt das Zauberwort in dem Bericht des Landesdatenschutzbeauftragten „Transparenz“. Also: Sage, was du machst, und sage, aus welchen Gründen.

Die Bürgerinnen und Bürger sind nicht generell dagegen, dass ihre Daten gespeichert werden. Sie wollen aber gern wissen, was mit den Daten geschieht, wer sie auswertet und wie lange sie gespeichert werden. Die Möglichkeit der Selbstauskunft gehört zum Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung. Das ist ein Grundrecht, für das sich auch der SSW seit Jahren eingesetzt hat.

Das Informationsfreiheitsgesetz garantiert dieses Grundrecht. Ich werde jetzt nicht noch einmal darauf eingehen, welche Schwierigkeiten wir bei der Novellierung des Informationsfreiheitsgesetzes gehabt haben. Es waren Schwierigkeiten, die nicht zuletzt auch durch den Einsatz des Kollegen Rother doch noch irgendwie beseitigt werden konnten. Aber das Verfahren machte deutlich, dass wir es hier anscheinend mit zwei unterschiedlichen Kulturen zu tun haben: mit der Kultur, die vielleicht im Innenministerium vorherrscht, die mit einem Denken innerhalb der Sicherheitsarchitektur zusammengefasst werden kann, und dann mit einer Kultur, für die letzten Endes der Datenschutzbeauftragte steht. Dies ist die Forderung nach dem informationellen Selbstbestimmungsrecht der Menschen. Das sind zwei gegensätzliche Positionen, die in den letzten Jahren deutlicher geworden sind. Das ist nicht immer so gewesen und ich hoffe, dass sich diese beiden Gegenpole einander wieder annähern werden. Die Debatte um das neue Polizeirecht hat letztlich auch damit zu tun gehabt.

Wir bleiben dabei: Zum modernen Datenschutz gehört letztlich das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Menschen und Informationsfreiheit ist eigentlich der beste Datenschutz.

Die letzte Bemerkung: Im Ausschuss müssen wir uns natürlich dringend mit einigen konkreten Fra

(Karl-Martin Hentschel)

gen beschäftigen, zum Beispiel, wie in den ARGEn mit Daten umgegangen wird. Zum Beispiel stand in der Presse zu lesen, dass Vereine Fragen erhalten haben, wem man eine Kaffeemaschine geschenkt hatte, um zu überprüfen, ob der Hilfeempfänger dieses Geschenk auch angegeben hat. Alles das macht exemplarisch deutlich, wie wichtig es ist, dass wir uns in den Ausschüssen mit den konkreten Kritikpunkten des Berichts befassen.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Das Wort für die Landesregierung erteile ich Herrn Innenminister Dr. Stegner.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Um den Datenschutz in Schleswig-Holstein ist es gut bestellt. Das kann man als Fazit des Tätigkeitsberichts des ULD feststellen. Schwerwiegende Beeinträchtigungen des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung sind im Berichtszeitraum 2006 bei schleswig-holsteinischen Behörden nicht festgestellt worden. Es liegt in der Natur der Sache, dass manches, was auf das Vorjahr bezogen ist, nicht mehr gültig ist. Das gilt zum Beispiel für die Ausführungen zum Online-Datenabruf für öffentliche und private Stellen, wo die Befürchtung geäußert wurde, Schleswig-Holstein würde bundesweit das Schlusslicht werden. Das ist nicht der Fall. Wir haben im Februar dieses Jahres einen Vertrag mit Dataport bezüglich der Erweiterung der Funktionalität der Clearing-Stelle unterzeichnet. Ab dem 29. Juni 2007 nimmt das neue Verfahren seinen Dienst auf, mit dem die Bedenken ausgeräumt werden.

Zweitens. Ab dem 28. September 2007 wird bundesweit der automatisierte elektronische Datenabruf von öffentlichen Stellen sowie die einfache Melderegisterauskunft für private Stellen eröffnet. Wir werden für Bürgerinnen und Bürger deutliche Vereinfachungen erreichen und gleichzeitig die Datenschutzvoraussetzungen erfüllen, die an uns gerichtet worden sind. Wir haben im Übrigen mit diesen Konzepten im bundesweiten Vergleich eher eine vordere Position, man kann geradezu sagen, wir haben eine Spitzenstellung beim präventiven Datenschutz, wenn ich an Datenschutz-Gütesiegel oder Datenschutz-Audit denke, dass gerade vom ULD an die Firma Microsoft verliehen worden ist.

Ich werde übrigens wie üblich zu den weiteren im Tätigkeitsbericht angesprochenen Themen für die

Landesregierung zur Vorbereitung der Ausschussberatung ausführliche schriftliche Stellungnahmen abgeben.

Lassen Sie mich also dem Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz für die Arbeit und für den Bericht danken. Aber die Debatte führt mich doch zu drei Anmerkungen, denn das, was Frau Kollegin Anke Spoorendonk über die Gegensätzlichkeit der Sichtweisen im Innenministerium gesagt hat, ist nicht richtig.

Ich bin auch für den Datenschutz zuständig und finde, Datenschutz ist wichtig. Datenschutz ist allerdings nicht der einzige zu berücksichtigende Aspekt, liebe Kollegin Spoorendonk. Da ist nichts, was zusammenzuführen wäre.

Erstens meine ich, dass die Hauptquelle des liederlichen Umgangs mit Daten nicht der Staat ist, sondern die Menschen selbst sind. Deshalb muss man auch einmal darüber reden, was man mit seinen Kreditkarten und vielen anderen Informationen so treibt. Ich muss sagen, dass die Menschen doch deutlich zu sorglos sind. Ich vermisse, dass einmal angesprochen wird, was manche Menschen allen möglichen anderen an Daten geben. Das ist ein Punkt, der in der Debatte auch vorkommen sollte.

Zweitens. Ich finde, dass wir in der Debatte um das schleswig-holsteinische Polizeirecht und auch um andere Punkte teilweise ein Zerrbild von der Wirklichkeit malen. Wir leben hier nicht im Überwachungs- oder Polizeistaat. Die Polizei ist gut ausgebildet und wendet die Gesetze gut an. Ich finde manche Debatte schrill und hysterisch. Bei aller Anerkennung für den Datenschutzbeauftragten: In den Punkten, bei denen er anfängt zu agieren wie ein Politiker, muss er sich auch gefallen lassen, dass man auch entsprechend in die Debatte eintritt. Das ist mein Teil der politischen Verantwortung.

(Beifall des Abgeordneten Holger Astrup [SPD])

Drittens. Frau Kollegin Spoorendonk, ich habe Ihre Bemerkung gar nicht verstanden. Ich habe mich in den letzten Wochen sehr nachdrücklich - zuletzt vorgestern im ZDF-Morgenmagazin - dazu geäußert, dass ich nicht der Meinung bin, dass wir das Grundgesetz ändern dürfen, um einen Überwachungsstaat einzuführen. Ich bin massiv dagegen, dass wir präventiv 82 Millionen Fingerabdrücke speichern. Das geht nicht. Das ist ein Überwachungsstaat, den wir nicht wollen. Es ist etwas völlig anderes, der Polizei Technik zur Verfügung zu stellen, sodass Fotos nicht mehr herausgesucht und per Fax übermittelt werden müssen, was heute kei

(Anke Spoorendonk)

nen Sinn mehr macht. Wir wollen aber keine neuen Eingriffsbefugnisse.

Was die Online-Durchsuchung angeht, muss ich sagen, dass man dazu drei Dinge erfüllen muss: Erstens muss nachgewiesen werden, dass sie überhaupt erforderlich ist. Da habe ich große Zweifel. Zweitens muss man nachweisen, dass es technisch überhaupt möglich ist. Da habe ich auch große Zweifel. Drittens muss sie unserer Verfassung entsprechen. Das ist der Hauptpunkt. Wir haben uns im Rahmen unserer Verfassung zu bewegen und nicht die Verfassung zu verändern und da wird es auch keine Veränderung geben.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Wir wollen das nicht und wir dürfen das Bundesverfassungsgericht auch nicht immer beschimpfen, es hindere uns am Kampf gegen den Terror. Wer für extreme Situationen Gesetze fordert, der macht extreme Gesetze. Das wollen wir nicht. Dann würden wir nämlich einen Teil der Freiheiten aufgeben, die wir alle miteinander verteidigen wollen. Aber zu diesen drei Punkten in dieser Differenziertheit die Lage zu betrachten, heißt für mich, ein realistisches Bild dieses Landes zu zeichnen. Da gilt für mich: Man ist für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger zuständig, das erwarten die auch. Man ist aber auch Wahrer der Bürgerrechte und der Freiheiten, die in unserem Staat eine wichtige Rolle spielen.

(Beifall bei SPD, CDU und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich danke dem Herrn Innenminister Dr. Stegner und erteile für einen Kurzbeitrag dem Herrn Abgeordneten Karl-Martin Hentschel das Wort.

Liebe Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister, ich möchte einen Punkt ansprechen, von dem ich wirklich glaube, dass Sie noch einmal über ihn nachdenken sollten. Sie sagten, dass es an den Menschen selbst liegt, welche Daten sie herausgeben. Das verkennt die Funktion des Rechtsstaates. Wozu haben wir eine Polizei? Die Polizei ist dafür da, dass wir nicht alle mit Schutzweste und Revolver herumlaufen, wie es teilweise in Amerika idealisiert wird. Wir haben eine Polizei, damit wir uns sicher fühlen und nicht ständig auf der Hut sein müssen. Ich verstehe auch den Datenschutz so. Ich

verstehe den Datenschutz nicht so, dass jeder Bürger aufpassen muss, dass er seine Daten schützt. Ich möchte in Ruhe auch in Geschäften meine Daten weitergeben können, ich möchte im Internet Aufträge geben können, ich möchte meine E-Mail-Adresse oder meine Telefonnummer weitergeben können, ohne befürchten zu müssen, dass meine Daten illegal oder legal gespeichert werden oder in irgendwelchen abstrusen Dateien oder sonst wo landen. Es ist doch der Zweck des Datenschutzes, dass der Bürger nicht ständig selber aufpassen muss, sondern der Staat mit einem Rechtsrahmen garantiert, dass es funktioniert.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Deswegen glaube ich, dass Ihre Argumentation an diesem Punkt nicht sauber war. Wir müssen die rechtliche Lage und den Datenschutz so organisieren, dass der Mensch eine gewisse Freiheit und einen Spielraum hat, ohne dass er vom Staat überwacht wird. Ich glaube, das sehen Sie auch so. Wir sollten das dann aber auch in der Praxis umsetzen.

Die Frage des Polizeigesetzes werden wir noch gemeinsam ausfechten. Das wird sich juristisch klären. Ich finde es aber einfach problematisch, wenn fast jedes Gesetz im Innenbereich vom Verfassungsgericht kassiert wird. Dann stimmt doch irgendetwas mit der Gesetzgebung nicht. Es kann doch nicht sein, dass permanent das Parlament Gesetze beschließt, und anschließend diese wieder vom Verfassungsgericht kassiert werden. Was ist das für eine Welt, was ist das für ein Parlamentarismus? Da müssen wir uns an die eigene Nase fassen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das Wort für einen weiteren Beitrag erhält Herr Innenminister Dr. Stegner.

Lieber Herr Abgeordneter Hentschel, ich will Ihre Geduld im Haus nicht überstrapazieren, aber ich will doch ein Missverständnis ausräumen. Sie haben mich völlig missverstanden. Ich habe gesagt, die größte Quelle für den nicht sorgfältigen Umgang mit Daten sind die Bürger selbst, weil sie manchmal Daten herausgeben, die man gar nicht herausgeben muss. Manchmal bin ich ganz froh, dass bestimmte Daten wie bei Kreditkarten abgefragt werden können. Wir sind nämlich einer Kinderpornografie-Großorganisation im Bereich von

(Minister Dr. Ralf Stegner)

Internetkriminalität in Sachsen-Anhalt nur dadurch auf die Spur gekommen, weil das über die Kreditkartendaten nachgewiesen werden konnte. Ich finde das völlig in Ordnung. Gott sei Dank ist das erfolgt.

(Beifall bei der CDU)

Ich habe gesagt, dass man nicht an jedem Punkt aus Bequemlichkeit mit seinen Daten so umgehen muss. Das war kein Gegenargument, sondern ein zusätzlicher Appell an Bürger, dass auch sie eine Möglichkeit haben, mit ihren Daten sorgsamer umzugehen, als sie es teilweise tun. Es war kein Gegenpunkt, das wollte ich noch einmal gesagt haben.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke Herrn Innenminister Dr. Stegner für die Klarstellung. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe damit die Beratung. Es ist beantragt worden, den Bericht Drucksache 16/1250 federführend dem Innen- und Rechtsausschuss und

mitberatend allen weiteren Ausschüssen des Landtags zur abschließenden Beratung zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist erstaunlich, welche Fantasien der Blumenschmuck bei einigen Kollegen auslöst, zum Beispiel beim Kollegen Geerdts. Es ist uns zu Ohren gekommen, dass er gesagt hat, es sei eine Werbung für den Muttertag, wenn wir hier so im Blumenschmuck sitzen und dann auch noch eine Kollegin spricht.

Ich schließe die Sitzung und freue mich, Sie morgen früh hier wiederzusehen.

Schluss: 18:20 Uhr

(Minister Dr. Ralf Stegner)

Herausgegeben vom Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landtags - Stenographischer Dienst und Ausschussdienst