Protokoll der Sitzung vom 15.06.2005

Dieser Kurswechsel kommt auch nicht ganz unerwartet. Ich erinnere an die Aussage des jetzigen Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen vom April 2004. Damals hat er nach einem Gespräch mit Bahnchef Mehdorn erklärt, das Land - sprich: die damalige Landesregierung - sei kein guter Partner für die Bahn. Wirtschaftsminister Rohwer würde ständig das bundeseigene Unternehmen provozieren. Das heißt, wir haben hier eine Kontinuität. Es handelt sich hier nicht um einen einzelnen Sündenfall. Es handelt sich nicht um einen Einzelfall, über den man vielleicht diskutieren könnte. Nein, dahinter steckt eine Strategie der CDU in diesem Haus. Dieser Strategie hat gestern jemand klar und deutlich widersprochen. Ich hoffe, dass Lothar Hays Worte in diesem Zusam

(Klaus Müller)

menhang tatsächlich gelten und sich in der großen Koalition durchsetzen lassen.

Herr Kollege Arp, Sie haben vorhin, wenn ich Sie richtig verstanden habe, gesagt: Formal werden wir das einhalten. - Das aber macht den Unterschied aus. Ich traue Ihnen zu und bezweifele auch nicht, dass Sie formal korrekt handeln werden. Die Frage ist aber, was es inhaltlich geben soll. Gibt es eine Ausschreibung? Es gibt ein gutes Buch, in dem steht: Deine Rede sei ja oder nein. - Wenn ich Herrn Austermann richtig verstanden habe - er möge mich in der Sache gegebenenfalls korrigieren -, hat er heute klar gesagt: Nein, diese Ausschreibung soll es in dieser Form nicht geben. - Wenn es sie doch geben soll, würde ich mich freuen, wenn wir uns in der Sitzungsperiode des Landtages im August gemeinsam darüber verständigten. Ich finde, das sollten wir hier dann gemeinsam beschließen. Wir stehen in einer Tradition, die bisher den Menschen und auch dem Bahnverkehr gut getan hat. Ich finde, wir sollten das in der Sitzungsperiode im August dann auch deutlich machen und entsprechend abstimmen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Müller.

Lassen Sie mich ein Versäumnis nachholen. Auf der Tribüne begrüße ich unsere ehemaligen Kollegen, Herrn Professor Dr. Wiebe, Herrn Johna und Herrn Poppendiecker. - Herzlich willkommen bei uns!

(Beifall)

Für die CDU-Fraktion hat der Herr Abgeordnete Callsen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich finde es an dieser Stelle schon spannend, ausgerechnet von den Grünen, die doch eher für Überreglementierung bekannt sind, ordnungspolitischen Nachhilfeunterricht zu bekommen. Immerhin stehen auf der Tagesordnung dieser Landtagstagung noch zwei weitere Anträge von den Grünen, in denen es doch eher darum geht, Wettbewerb aus bestimmten Gründen einzuschränken oder die Folgen des Wettbewerbs abzufedern.

(Beifall bei CDU und FDP)

Was das Glas Wein betrifft, so möchte ich hier deutlich sagen, dass ich solche Unterstellungen gegenüber einem Bundesunternehmen, aber auch gegenüber Regierungen für unzulässig halte.

Ich kann Sie beruhigen: Auch für uns hat der Wettbewerb selbstverständlich eine hohe Priorität. Wir verkennen nicht, dass dadurch in den vergangenen Jahren im Schienenpersonenverkehr in SchleswigHolstein auch Erfolge erzielt wurden. Ohne die Bahnreform der CDU-geführten Bundesregierung würden wir heute ohnehin nicht über Wettbewerb auf der Schiene diskutieren. Es geht heute auch nicht um einen Kurswechsel bei dieser Politik. Der Verkehrsminister hat deutlich gemacht, dass die Landesregierung Schienennetze grundsätzlich auch zukünftig europaweit ausschreiben wird.

Worüber wir heute reden, ist ein möglicher Einzelfall in einem vierstufigen Verfahren, bei dem die beabsichtigte Vergabe natürlich europaweit bekannt gegeben wird und sich alle Verkehrsunternehmen, die Interesse an diesem Auftrag haben, beim Verkehrsministerium melden können. Insofern hat hier durchaus jeder die Chance, sein Interesse zu bekunden und ein für das Land interessantes Angebot abzugeben. Auch dies ist eine Form von Wettbewerb, bei dem unter Abwägung aller Kriterien im Ergebnis dann das Beste für das Land im Vordergrund stehen soll. Einen Stopp im Bahnwettbewerb oder einen Kurswechsel sehe ich hierin nicht. Der Minister hat das weitere Verfahren beschrieben. Dieses Verfahren ändert auch überhaupt nichts an der Spitzenreiterposition des Landes bei der Privatisierung von Bahnstrecken.

Der Verkehrsminister hat im Wirtschaftsausschuss erläutert, dass er das weitere Verfahren unter Abwägung aller Vor- und Nachteile für das Land sorgfältig prüfen und den Wirtschaftsausschuss zeitgerecht über die Entscheidungsfindung informieren wird. Wir werden dies weiter aufmerksam begleiten, denn auch wir wollen unter dem Strich das Beste für SchleswigHolstein.

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Callsen. - Für den SSW hat der Herr Abgeordnete Harms das Wort.

(Zuruf von der SPD)

- Pardon!

(Weiterer Zuruf von der SPD)

- Die Großzügigkeit des Abgeordneten Schröder korrigiert meinen Fehler. - Vielen Dank, Herr Schröder.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Schröder, das ist nicht die einzige Form von Minderheitenschutz, die man gewähren kann. Insofern können wir uns - wie ich

(Lars Harms)

denke - gern einmal darüber unterhalten, ob in dieser Hinsicht vielleicht noch mehr möglich ist.

Nun aber zum Thema! Herr Austermann, Sie haben als einziges Beispiel dafür, wo es Ihrer Meinung nach nicht so gut gelaufen ist, FLEX angeführt. Ich gehe im Umkehrschluss davon aus, dass all die anderen Ausschreibungen, die wir durchgeführt haben, gut waren, dass sie gut funktionierten, erfolgreich waren und auch genau die Ziele erreicht haben, die wir uns grundsätzlich gesetzt hatten. In Bezug auf FLEX möchte ich eines wiederholen, damit sich nicht neue Mythen bilden. Der Fall war selbstverständlich nicht ein Erfolg für die FLEX AG, wohl aber war die gesamte Ausschreibungspraxis grundsätzlich ein Erfolg, weil wir dadurch einen preisgünstigeren Anbieter mit besserer Leistung erhalten haben. Dort wird jetzt mehr gefahren und es wird dort auch jetzt schon zu günstigeren Konditionen gefahren.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das heißt, die Ausschreibungen, die wir damals getätigt haben, und die Angebote, die damals auch in Konkurrenz zu FLEX vorgelegt wurden, haben dazu geführt, dass sich die Deutsche Bahn AG gezwungen sah, ein besseres Angebot zu machen, als sie es vorher zu tun in der Lage war.

(Beifall der Abgeordneten Anke Spooren- donk [SSW])

Das zeigt deutlich, dass auch dies eine Erfolgsgeschichte war.

Sie haben weiterhin das Bahnausbesserungswerk in Neumünster erwähnt. Es ist natürlich richtig, dass es schade wäre, wenn dort in irgendeiner Weise Arbeitsplätze verloren gingen. Ich erwarte dann aber auch eine konsequente Mitteilung, wie Sie dazu stehen, dass die NOB eine Rieseninvestition in Husum tätigt, um dort genau die gleichen Leistungen für ihre Züge vorzuhalten, die bisher in Neumünster von der DB für alle Züge vorgehalten wurden. Es geht um eine riesige Investition, die Arbeitsplätze in meiner Region schafft. Sie möchten lieber den Standort Neumünster erhalten und möchten nicht so gern, dass aufgrund dieser Ausschreibungspraxis die Investition in Husum ermöglicht wird. Das möchte ich von Ihnen dann aber auch gern so gesagt haben.

Ich kann mich noch daran erinnern, dass der erste Spatenstich damals durch unseren jetzigen Ministerpräsidenten und den damaligen Bundestagsabgeordneten Carstensen vorgenommen wurde. Er war mit mir damals - wie ich glaube - einig, dass das eine klasse Sache sei und dass wir froh und glücklich sein könnten, dass aufgrund der Ausschreibung eine sol

che Folgeinvestition in unserer Region notwendig war. Den Standort Neumünster gilt es zu erhalten. Das ist richtig. Darin sind wir uns einig. Das ist überhaupt keine Frage. Das bedeutet aber nicht, dass wir auf eine Ausschreibung verzichten. Es kann daneben durchaus solche Nachfolgeinvestitionen geben. Diese Nachfolgeinvestitionen möchte ich für meine Region jedenfalls nicht missen.

(Beifall der Abgeordneten Anke Spooren- donk [SSW])

Ein Interessenbekundungsverfahren führt man normalerweise nur dann durch, wenn man das Verwaltungsverfahren vereinfachen will, wenn der Aufwand für das, was man ausschreiben will, zu groß ist. Wenn es sich um eine relativ kleine Ausschreibung handelt, wenn relativ übersichtlich ist, was es in dem entsprechendem Fall an Anbietern gibt, und wenn das Ergebnis schon im Vorweg relativ klar ist, führt man ein Interessenbekundungsverfahren durch, um eine Verwaltungsvereinfachung möglich zu machen und dem Staat zu helfen, Geld zu sparen. Man führt ein solches Verfahren aber nicht durch, wenn man sozusagen richtig große Hausnummern ausschreibt und wenn man erwarten kann, dass eine echte Wettbewerbssituation gegeben ist. Wer sich mit Wettbewerb auf der Schiene befasst hat, hat immer wieder feststellen müssen, dass die Angebote extrem unterschiedlich waren. Es gab wirklich Angebote, die teilweise doppelt so hoch waren wie die Angebote von Mitbewerbern. Deswegen glaube ich immer noch, dass in diesem Fall ein Interessenbekundungsverfahren nicht der richtige Weg ist. Vielmehr glaube ich, dass die Ausschreibung der einzig richtige Weg ist.

Etwas, was in meinen Augen - auch was die Argumentation angeht - ebenfalls wichtig ist, habe ich in Ihren Ausführungen leider vermisst, Herr Minister. Sie haben nicht gesagt, welche Kriterien Sie anlegen werden. In einem Ausschreibungsverfahren werden die Kriterien im Vorweg festgelegt.

(Beifall der Abgeordneten Anke Spooren- donk [SSW] und Anne Lütkes [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich weiß, dass wir damals, als Herr Rohwer damit begann, ausschreiben zu wollen, darüber vorher politisch diskutiert haben, wie wir diese Ausschreibung haben wollen. Selbstverständlich ist nachher die Umsetzung Aufgabe des Ministeriums, aber die Rahmenbedingungen haben wir hier und im Ausschuss diskutiert und haben eine breite Übereinstimmung über die Bedingungen gefunden, unter denen wir ausschreiben wollen. Das ist die Erfolgsgeschichte, dass wir uns darüber einig waren. Von diesem Weg abzuweichen, bedeutet, dass das gesamte Verfahren intransparent

(Lars Harms)

wird, intransparent für uns als Parlament - was ich als Parlamentarier nicht gut finden kann - und intransparent auch für die Leute, die sich um die Strecken bewerben sollen.

(Beifall beim SSW)

Es reicht nicht zu sagen, wenn einer Interesse hat, kann er vorbeikommen, wenn er Interesse hat, kann er sich melden. So geht das nicht.

Herr Abgeordneter, komme Sie bitte zum Schluss.

Das geht nur in einem vernünftigen, transparenten Ausschreibungsverfahren. Nur dann bekommen wir die Angebote, die wir auch wirklich haben wollen.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Harms. - Und nun aber wirklich der Herr Abgeordnete Bernd Schröder für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Alle Redner haben sich in der heutigen Debatte mehr oder weniger für den Wettbewerb ausgesprochen. Das ist aus der Debatte deutlich geworden. Es gibt unterschiedliche Auffassungen, wie man den Weg weiter beschreiten will, und darüber werden wir sehr intensiv und sachlich zu diskutieren haben.

Nach dem Beitrag des Kollegen Dr. Garg erlaube ich mir die Bemerkung: Minister Austermann auch nur annähernd mit dem Begriff Stamokap in Verbindung zu bringen, das ist schon eine harte Nuss. Ich habe etliches über ihn gehört, aber ich glaube, dieser Vergleich ist erstmalig gezogen worden. Sie haben sich zwar auch für den Wettbewerb ausgesprochen, aber nach Ihren Gesamtausführungen kann man wirklich nur sagen: Welch ein Kelch ist an der CDU vorbeigegangen!

(Heiterkeit)

Für Stunden gab es ja diese Partnerschaft, aber das wäre auch nicht einfach geworden.

Ich möchte daran erinnern, dass wir uns Ende des Jahres 2001 in diesem Haus einstimmig für den Wettbewerb ausgesprochen haben. Wir haben ein Wettbewerbskonzept auf den Weg gebracht und damit die Grundlage für die Ausschreibung, für den Wett

bewerb in Schleswig-Holstein gelegt. Ich erinnere auch daran, dass wir 2003 nach schwierigsten und intensiven Verhandlungen mit der DB AG unsere Interessen gewahrt und einen Zwölfjahresvertrag mit der DB AG abgeschlossen haben, der all diese Dinge geregelt hat, die hier heute auch zur Diskussion stehen. Zuschussbetrag, Qualität und auch die Reihenfolge der Ausschreibung sind Teil dieses Verkehrsvertrages. Vielleicht sollten einige da noch einmal hineinschauen und sich das angucken. Das ist die Grundlage. Es ist der DB AG durchaus bekannt, dass das Land Ausschreibungen durchführt und dass wir weiter über verschiedene Ausschreibungen diskutieren werden.

Es ist unumstritten - auch bei allen Rednern hier -, dass wir seit 1996 eine sehr erfolgreiche Bahnpolitik durchgeführt, dass wir nicht nur das Fahrgastaufkommen um 20 % erhöht haben, dass wir nicht nur die Qualität verbessert haben, wir haben auch jährlich 20 Millionen € eingespart. Bei der Haushaltlage des Landes Schleswig-Holstein ist das - glaube ich - eine Erfolgsstory und ein Betrag, den wir dringend für andere Bereiche benötigt haben.