Protokoll der Sitzung vom 15.06.2005

Meine Damen und Herren, Gebührenzahler haben ein Recht zu erfahren, was mit ihrem Geld geschieht. Dieser Forderung wird der neue Staatsvertrag gerecht, da neben den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit jetzt der Grundsatz der Klarheit von Einnahmen und Ausgaben in der Buchführung verankert wird. So sind die Kontrollbefugnisse der Landesrechnungshöfe erstmalig staatsvertraglich geregelt und das Informationsrecht der Landtage ist erweitert worden. Der NDR wird zeitnah nach Vorliegen des Berichtes der KEF, mindestens alle zwei Jahre, den Parlamenten einen schriftlichen Bericht über seine wirtschaftliche und finanzielle Lage geben müssen.

Ich will hier, da wir uns alle für die Staatsferne des Rundfunks eingesetzt haben und ein Bekenntnis hierfür abgelegt haben, für meine Fraktion deutlich sagen: Das letzte KEF-Verfahren - oder besser: der Umgang der Politik mit ihm - war ein gefährlicher Schritt in die falsche Richtung.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Wir haben das hier in Schleswig-Holstein - das sage ich zumindest für meine Fraktion - mit geballter Faust in der Tasche mitgemacht, weil es sonst gar keine Gebührenerhöhung gegeben hätte, was die Anstalten in große finanzielle Bedrängnis gebracht hätte. Aber ich will deutlich sagen: Dieser Eingriff der Politik in die Gestaltung der Gebühren, wie sie im Herbst geschehen ist, war ein Sündenfall, der nicht wieder vorkommen darf.

Die Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gerät in massive Gefahr, wenn sich Politik ohne nachvollziehbare Gründe in die Empfehlung der KEF einmischt. Und wir merken jetzt: Es liefert auch der EU Anlass, hier möglicherweise zu Recht eine verbotene staatliche Beihilfe zu vermuten. Dieser Eingriff muss einmalig bleiben.

Herr Ministerpräsident, Sie haben bessere Kontakte. Ich würde es begrüßen, wenn Sie dies Ihrem niedersächsischen Kollegen - zumindest von Teilen des Parlaments - auch so übermitteln könnten.

Meine Damen und Herren, ein Wort zu den Beteiligungs- und Informationsrechten des Parlamentes, über die eben schon gesprochen worden ist. Medienpolitik wird in den Staatskanzleien gemacht und bis zur Paraphierung von Gesetzen und Abmachungen durch die Ministerpräsidenten erfahren die Abgeordneten relativ wenig von dem Geschehen.

Ich erwarte in Zukunft keine große Debatte über Themen wie Informationsfreiheit, wie wir sie in den 70er-Jahren hatten. Dem Landtag stünde es allerdings gut an, würde er sich mehr um diese Themen bemühen und sie für die Bürgerinnen und Bürger transparenter gestalten. Letztlich kann er das aber nur, wenn auch die Regierung rechtzeitig und umfassend informiert. „Rechtzeitig“ heißt: nicht erst kurz vor der Unterschrift, sondern schon im Vorfeld, wenn eine Gesetzgebung oder Gesetzesänderung ansteht.

(Günter Neugebauer [SPD]: Sehr richtig!)

Gelegenheit dazu wird es in nächster Zeit reichlich geben, meine Damen und Herren. Ins Haus steht schon die 9. Änderung des Staatsvertrages, die noch in diesem Jahr beraten werden soll. Dabei geht es um Frequenzen oder Zugangsregelungen, aber auch um das Thema des Datenschutzes. Schließlich steht noch die Ergänzung des Rundfunkstaatsvertrages an, bei der der Medienstaatsvertrag und der Telemedienstaatsvertrag eingebaut werden sollen. Wenn eine Einigung mit der EU hinsichtlich des Beihilfeverfahrens erfolgt, müssen die neuen Regelungen ebenfalls in den Rundfunkstaatsvertrag eingebracht werden. Das wäre dann die 10. Änderung.

(Peter Eichstädt)

Sie sehen: Es gibt reichlich Gelegenheit für das Parlament, sich mit dem Thema Medienpolitik zu beschäftigen. Ich hoffe, wir werden es ausgiebig tun.

(Beifall bei der SPD)

Ich danke dem Abgeordneten Peter Eichstädt und erteile für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ihrer Fraktionsvorsitzenden, Frau Anne Lütkes, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wird in der Wissens- und Informationsgesellschaft weiterhin stetig zunehmen. Programmvielfalt ist dabei unerlässlich.

Die Veranstaltung von Fernsehen und Rundfunk allerdings den so genannten Marktkräften zu überlassen, würde die Rolle des Rundfunks als Medium der politischen Information und den Prozess der öffentlichen Meinungsbildung gefährden.

Die Rundfunkanstalten der ARD müssen unter diesem Format ihre Ziele und Aufgaben natürlich stets neu definieren und finden. Insofern ist der vorliegende veränderte Staatsvertrag nur zeitgemäß.

Herr Ministerpräsident, wir alle wissen: Ändern lässt sich im Rahmen dieser Parlamentsbefassung nachträglich wenig bis gar nichts. Insofern ist die jetzige Befassung des Parlaments letztlich eine Formsache.

Nun liegt es mir fern, an diesem Staatsvertrag Regierungsschelte zu üben; denn - ganz ehrlich - aus Erfahrung weiß ich, dass eine umfassende und frühzeitige Beteiligung des Parlaments in derartigen Prozessen ein richtiger und ein verfassungsrechtlicher Anspruch ist, der sich aber wahrlich nicht leicht umsetzen lässt. Diese Erfahrung macht nunmehr auch die CDU.

Insofern tritt meine Fraktion dafür ein, dass der Landtag sich zügig mit einem Parlamentsinformationsgesetz beschäftigt,

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

das den Anforderungen des Artikel 22 der Landesverfassung gerecht wird und ein gemeinsam erarbeitetes transparentes Verfahren der Beteiligung entwickelt. Wir können jederzeit fragen. Aber Sie können auch jederzeit informieren. Das Entscheidende ist, dass man gerade bei Staatsverträgen ein einverständliches Prozedere entwickelt.

(Zuruf)

- Regen Sie sich nicht auf. Wir werden das sicher gemeinsam entwickeln können. Aber geben Sie zu, dass es schwer ist. Nichts anderes habe ich gesagt. In diesem Punkt werfe ich es Ihnen gar nicht vor.

Positiv am Staatsvertrag ist, dass der Fokus auf Regionalprogramme gelegt wird. Es bleibt allerdings abzuwarten, wie sich diese Absicht unter dem ökonomischen Druck umsetzen lässt.

Positiv ist auch - das wurde gerade schon erwähnt -, dass die Kontrolle der Landesrechnungshöfe verstärkt wird. Wir alle wissen, dass Kostenbewusstsein in den Anstalten - ich möchte es einmal vorsichtig formulieren - durchaus noch entwicklungsfähig ist. Allerdings macht die Klage von ARD und ZDF deutlich, dass die Staatsferne der Rundfunkanstalten durchaus zu thematisieren ist und auch ein vom Bundesverfassungsgericht zu entscheidendes Thema ist. Insofern teile ich die seitens der SPD-Fraktion geäußerten Auffassungen.

Selbstverständlich begrüßen wir auch, dass im Staatsvertrag in Anpassung des Jugendmedienschutzstaatsvertrages eine stärkere Verankerung des Jugendmedienschutzes vorgenommen wird. Allerdings gilt es auch festzuhalten, dass nicht in erster Linie die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in der Frage des Jugendmedienschutzes die Entscheidenden sind. Dennoch ist es richtig, das Augenmerk auch hierauf zu lenken und andererseits festzuhalten, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Unterhaltung zu garantieren haben, dass sie aber auch den hohen Qualitätsstandard als Wettbewerbsvorteil sichern müssen.

Einen Wermutstropfen im Staatsvertrag sehen wir in der Veränderung der Zusammensetzung des Verwaltungsrates. Er bestand aus zwölf Mitgliedern. Nun sollen beigeordnete Mitglieder aus Staatskanzleien hinzukommen. In dieser Beiordnung von Regierungsbediensteten sehen wir eine nicht gerechtfertigte Aushöhlung des Prinzips der Staatsferne. Für diese Aufblähung des Verwaltungsrates gibt es keinen sachlichen Grund.

Eine weitere Ergänzung ist bei der Vereinbarung zu den Onlinediensten erforderlich. Medien- und Datendienste dürfen nach wie vor nur Inhalte anbieten, die sich auf das Rundfunkprogramm beziehen. Das Internet muss aber zukünftig neben Radio und Fernsehen als dritte Säule etabliert werden. Der Grundversorgungsauftrag ist im Hinblick auf digitale Angebote deutlicher zu definieren. Online- und Mobilfunkdienste sind inhaltlich an den Radio- und Fernsehinhalten zu orientieren. Aber sie sind so aufzubereiten, dass sie dem Medium Internet gerecht werden.

(Anne Lütkes)

Zu diesem Fragenkomplex läuft, wie wir alle wissen, bei der EU-Kommission ein Beschwerdeverfahren der privaten Sender. Die Frage, inwieweit Rundfunkgebühren als staatliche Beihilfen zu qualifizieren sind, wird in Zukunft sehr schnell zu regeln sein. Es ist natürlich auch interessant, wie sich die jetzige Landesregierung zu dieser Frage stellt. Ich gehe davon aus, dass wir an diesem Fragenkomplex gemeinsam üben werden, wie wir frühzeitig über veränderte Staatsverträge ins Gespräch kommen. Heute werden wir dem Gesetz zustimmen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir danken der Frau Abgeordneten Lütkes. - Ich erteile jetzt der Abgeordneten Anke Spoorendonk das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Landtagsdebatten über Änderungen von Staatsverträgen sind immer auch frustrierende Debatten; denn - wie von allen gesagt - es sind Debatten, die eigentlich folgenlos sind. Die Regierungschefs haben den geänderten Staatsvertrag bereits unterzeichnet. Wir können uns jetzt damit auseinander setzen. Aber richtig entscheiden können wir nicht. Daher halte ich es für wichtig, dass der Landtag frühzeitig angehört wird. Um es ein bisschen pragmatisch zu formulieren: Ich denke, das, was der Kollege Eichstädt gesagt hat, könnte vielleicht dazu führen, dass wir uns auf ein Verfahren einigen; denn es stehen weitere Staatsvertragsänderungen ins Haus.

Doch jetzt zu den geänderten Punkten. Mir persönlich fehlt der Vergleich. Aber ich weiß aus vielen Schilderungen, dass der NDR unter den deutschen Fernsehanstalten vorbildlich ist, was seine regionale Berichterstattung angeht. Mit Sendungen, die seinen Hörern und Zuschauern die bunte Vielfalt des Nordens zeigen, setzt der NDR seinen Programmauftrag um. Der SSW begrüßt es ausdrücklich, dass in Zukunft die Subregionalisierung - so heißt das, glaube ich - auch das Fernsehen umfasst.

Ich füge hinzu, dass das Studio Flensburg in der Landschaft verwurzelt ist und zweimal am Tag auf der Welle Nord Nachrichten aus der Region bringt und über die Vielfalt im Norden berichtet. Ich bin gespannt darauf, wie die Landesfunkhäuser diese neue Chance im Fernsehen nutzen werden.

Aus Sicht der dänischen und friesischen Minderheit erwarten wir natürlich, dass diese Öffnung eines weiteren regionalen Fensters - also auch im Sinne des

öffentlich-rechtlichen Auftrages des NDR - zu einer weiteren Stärkung der Minderheitensprachen genutzt wird. Ich kann hinzufügen, dass wir mit dem NDR ein gutes Gespräch zu diesem Thema geführt haben. Wir werden das Gespräch fortsetzen; denn ich denke, man muss auch auf diesem Wege versuchen, weiterzukommen. Ich freue mich darüber, dass der Herr Ministerpräsident auch das in seiner Rede aufgegriffen hat. Ich bedanke mich für die Unterstützung der Landesregierung gerade in dieser Frage;

(Beifall beim SSW)

denn gerade das Fernsehen ist aufgrund der direkten Untertitelung ein ideales Medium, das auch die Mehrheit der Bevölkerung an der kulturellen Vielfalt unseres Landes Anteil nehmen lässt. Im „SchleswigHolstein Magazin“ gehört es allmählich zur redaktionellen Routine, dass Friesen in ihrer Sprache berichten. Dem deutschen Zuschauer entgeht nichts, weil er die deutsche Übersetzung den Untertiteln entnehmen kann. So sollte es sein; das sehen wir gerne. Wir werden sehen, wie sich die Vielfalt der Region bald in den einzelnen Programmen niederschlagen werden.

(Zuruf des Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen)

- Herr Ministerpräsident, Sie haben Recht: Beim Rundfunk ist es schon etwas schwieriger. Das ist ja der Vorteil des anderen Mediums.

Da der NDR per geändertem Staatsvertrag verpflichtet wurde, alle zwei Jahre über seine Angebote und seine programmlichen Leistungen zu berichten, können wir spätestens 2007 schwarz auf weiß nachlesen, welchen Niederschlag der neue § 5, also die Auflage - ich zitiere -, „die Regionen, ihre Kultur und Sprache angemessen zu berücksichtigen“, gefunden hat. Das ist wichtig. Angesichts dessen werden wir trotz einiger weiterer Bedenken dem Staatsvertrag zustimmen.

Ich möchte als Letztes das aufgreifen, was aus der Protokollerklärung hervorgeht, nämlich dass der Rundfunkrat verkleinert werden soll. Gegen die Verkleinerung dieses Kontrollgremiums ist, denke ich, grundsätzlich nichts einzuwenden. Aber ich möchte wirklich zu bedenken geben, dass SchleswigHolstein mit seiner außergewöhnlichen kulturellen Vielfalt angemessen im Rundfunkrat vertreten sein muss. In keinem anderen Bundesland gibt es drei nationale Minderheiten. Das heißt, es darf keine Reduzierung der Zahl der schleswig-holsteinischen Vertreter geben. Aber ich denke, dass ist das, was schon einvernehmlich zu hören war.

(Beifall beim SSW und vereinzelt bei der SPD)

Wir danken der Abgeordneten Anke Spoorendonk.

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe damit die Beratung.

Der Ausschuss empfiehlt die unveränderte Annahme des Gesetzentwurfs in der Drucksache 16/65. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf in der Drucksache 16/65 mit den Stimmen von CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW bei Enthaltung der FDP so angenommen.

Meine Damen und Herren, weitere Tagesordnungspunkte sollen vor der Mittagspause nicht mehr behandelt werden. Nach der Mittagspause werden wir mit Tagesordnungspunkt 8 fortfahren.

Ich unterbreche die Sitzung bis 15 Uhr.