Ich möchte auch das Investitionsprogramm Justizvollzug hervorheben, das hier schon mehrfach genannt worden ist, das die rot-grüne Landesregierung in den Jahren 2000 bis 2005 mit 57 Millionen € auf den Weg gebracht hat, um Modernisierungen zu finanzieren sowie mehr Arbeitsmöglichkeiten und insgesamt bessere Voraussetzungen für einen modernen Vollzug zu schaffen.
Wenn wir den Spitzenplatz in der niedrigen Inhaftierungsquote halten wollen, müssen wir die Angebote der Resozialisierung ausbauen und verbessern. Hier wurde das Beispiel USA genannt. Ein Blick in solche Länder zeigt uns, wie erfolgreich unser Weg ist. In den USA sitzen mehr als zehnmal so viele Strafgefangene in Gefängnissen wie in Deutschland, geschweige denn in Schleswig-Holstein mit seinen 60 % Bundesdurchschnitts. Trotzdem ist die Zahl der Straftäter in den USA wesentlich höher als in Deutschland. Es ist also nicht sicherer. Die Folgen sind nicht nur eine viel höhere Zahl von rückfälligen Straftätern, sondern es entstehen auch immense Kosten. Die USA geben mittlerweile mehr Geld für ihre Strafanstalten aus als für Hochschulen. Das zeigt, dass unser Weg richtig ist und dass wir fortschreiten müssen.
In § 2 des Strafvollzugsgesetzes ist das Ziel des Strafvollzugs vorgegeben - das ist hier schon vielfach gesagt worden -: Der Gefangene soll fähig werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen.
In meiner Tätigkeit im Anstaltsbeirat der JVA Kiel habe ich viele Gespräche mit ehrenamtlichen Betreuern geführt. Mich hat immer wieder die Frage beschäftigt: Mit was für Gefangenen haben wir es eigentlich zu tun? Dabei wurde mir immer deutlicher, dass das Bild aus dem Fernsehkrimi vom gerissenen Berufskriminellen in den meisten Fällen an der Realität vorbeigeht.
Die große Mehrzahl der Inhaftierten hat bestenfalls einen Hauptschulabschluss, meistens sogar gar keinen Schulabschluss, sie haben keine oder eine schlechte Ausbildung. Sie haben meist keinen sozialen Halt, ein unterentwickeltes Selbstbewusstsein und nicht die Fähigkeit, sich aus einem Milieu herauszulösen.
- Es gibt auch Ausnahmen. - In der Lösung aus dem Milieu liegt aber die Hauptaufgabe der Straffälligenhilfe innerhalb und außerhalb der Justizvollzugsanstalten. Selbst wenn sich Strafgefangene während des Gefängnisaufenthaltes durch Arbeit und Betreuung gut eingegliedert haben, ist es damit nach dem Verlassen der Haftanstalt meistens ganz schnell vorbei, denn sie wissen nicht, wohin sie gehen sollen. Sie landen ganz schnell wieder bei ihren Kumpels, sie versaufen ihr im Gefängnis gespartes Geld, wenn sie überhaupt etwas haben, und wenn das alle ist, begehen sie den nächsten Einbruch.
Auch kennen sie oft in Konfliktsituationen keine anderen Verhaltensweisen als Prügelei. Brutal ausgedrückt: Wenn wir Resozialisierung ernst meinen, dann müssen wir den Kreislauf aus Hilflosigkeit, Drogen, Suff und Kriminalität durchbrechen. Eigenverantwortliches Leben ist eine Fähigkeit, die genauso gelernt und geübt werden muss wie Fahrradfahren. Daher müssen wir bei der Einübung des neuen Lebensstils, der sinnvollen Zeit- und Freizeitgestaltung unsere Hauptaufmerksamkeit widmen.
Das Problem dabei ist, dass ein solches Leben in eigener Verantwortung unter den künstlichen Bedingungen des Strafvollzugs nur sehr schwer gelernt werden kann, denn dort herrschen enge Regeln. Dort gliedern sich viele Strafgefangene gut ein, nur wenn sie rauskommen, ist es ganz schnell wieder vorbei. Deswegen ist eine Phase des offenen Vollzugs am Ende der Vollzugszeit ausgesprochen wichtig.
Nur wenn es gelingt, in dieser Phase eine neue Umgebung für den Gefangenen zu finden - möglichst auch, wenn eine Wohnungs- und Arbeitsbeschaffung gelingt - und er nicht mehr in sein altes Milieu zurückfällt, kann die Resozialisierung erfolgreich sein. Dabei ist auch die Betreuung wichtig. Mir wurde von Betreuern immer wieder gesagt, dass es wichtig ist, dahin zu kommen, dass diejenigen, die den Gefangenen heute im Knast betreuen, ihn auch auf dem Weg danach begleiten. Eine personelle Kontinuität hinzubekommen, ist ganz entscheidend dafür, dass die ganze Sache funktioniert.
Es ist bedauerlich, dass der Landesregierung bei dem Stichwort der Resozialisierung und auch bei der Frage der Betreuung relativ wenig in diesem Bericht sagt. Das sollten wir in der Ausschussberatung nachholen, weil ich glaube, dass das zentrale, strategische Fragen sind, die für die Entwicklung des Vollzugs von Bedeutung sind. Denn in der Föderalismuskommission hat der Landesgesetzgeber nun die Aufgabe, den Strafvollzug zu regeln. Ich weiß, dass viele Justizpolitiker dagegen waren, weil der Wettlauf der Schäbigkeit befürchtet wurde, wie es genannt wurde.
Ich sehe aber, dass so, wie wir uns in SchleswigHolstein aufgestellt haben - und ich habe auch den Beitrag von Thomas Stritzl gehört, der mich durchaus erfreut hat -, in diesem Landtag eine relativ breite Einigkeit haben, unseren Weg in einer vernünftigen Richtung weiter zu gehen. Wenn das so gelingt, könnte die Chance der Föderalismusreform nicht zum Negativen ausfallen, sondern Schleswig-Holstein könnte die Chance der Föderalismusreform im Positiven nutzen und tatsächlich einen vorbildlichen Strafvollzug, den wir schon haben, weiterentwickeln und gerade die Schwachpunkte noch weiter verbessern.
Wenn uns das gelingt, ist uns der Lohn gewiss, nicht nur weniger Kriminalität und Strafrückfälligkeit zu haben, sondern auch erhebliche Kosten in der Gesellschaft einsparen zu können. In diesem Herbst wird sich der Landtag zunächst mit dem Jugendstrafvollzug befassen müssen. Wir haben grundsätzliche Zweifel - genauso wie der Verband der Strafrechtspflege -, ob der geschlossene Strafvollzug als Regelvollzug dazu geeignet ist, zur Besserung beizutragen. Das ist die zentrale Frage, die diskutiert werden muss. Wenn der geschlossene Strafvollzug aus Sicherheitsgründen stattfinden muss, muss er den besonderen Anforderungen des Umgangs mit jungen Menschen - und das sind praktisch fast immer junge Männer - gezielt Rechnung tragen. Ich bin gespannt auf diese Debatte, ich möchte ihr nicht vorgreifen.
Wichtiger Faktor sind auch die Räumlichkeiten. Wenn man durch eine JVA geht, ist man erstaunt, dass ununterbrochen Türen auf- und zugeschlossen werden. Wenn man da durchgeht, muss man ständig von jemandem begleitet werden, der einen durchschließt, wie das genannt wird.
Ich finde ausgesprochen intelligent, was die GMSH für die JVA Lübeck vorgeschlagen hat, nämlich die Zahl der Eingänge auf zwei zu reduzieren, einen an einem Ende und den anderen am anderen Ende. So wird ein Weg geschaffen, der durch den ganzen Knast führt. Von da aus sollen dann immer die Gänge in die einzelnen Abteilungen abgehen. Dadurch kann man praktisch durch den ganzen Knast gehen, ohne dass ständig geschlossen werden muss. Das spart enorm Personal.
Vielleicht noch eine Bemerkung zu der vom Minister angesprochenen Frage des Sparens in der Justiz. Mit ist klar, dass jeder Minister sein Haus bis aufs Blut verteidigt. Das ist sein Job. Ich habe nicht gefordert, dass im Strafvollzug gespart wird. Ich habe in den Haushaltsberatungen gesagt, dass mit Ausnahme des Bildungsministeriums die Häuser - so wie es in den letzten Jahren der Fall war, als wir noch dabei waren - selbst die zusätzlichen Gehaltserhöhungen erbringen müssen.
Es gibt im Justizbereich durchaus Dinge, über die man diskutieren und die man auch noch verbessern kann. Ich nenne nur die Stichworte, damit Sie wissen, worüber wir nachdenken und dass es nicht der Strafvollzug ist: Betreuungsrecht, Mediation, Umwandlung von Straftaten wie Schwarzfahren, und so weiter in Ordnungsstrafen, Haftverwaltungsmaßnahmen, Ausweitung von Diversionsverfahren. Das ist eine ganze Reihe von Punkten, wo erheblich viel Geld ausgegeben wird. Ich denke, dass auch im Justizbereich angesichts der Finanzlage des Landes darüber nachgedacht werden muss, wo gespart werden kann. Ich glaube, dass wir da nicht so weit voneinander entfernt sind.
Schleswig-Holstein hat bei der Verabschiedung des Strafvollzugsgesetzes die große Chance, den eigenen vorbildlichen Weg zu sichern und weiterzuentwickeln und so die Vorreiterrolle bei einer erfolgreichen Resozialisierung weiter auszubauen. Der Lohn sind weniger Strafgefangene, weniger Gefährdung für die Bevölkerung und dass wir weniger Geld ausgeben müssen. Ich würde mich freuen, wenn es gelingt, den überparteilichen Konsens auf diesem Weg, den wir auch in der Vergangenheit über alle Parteigrenzen hinweg hatten, fortzusetzen und zu verbindlichen Regelungen zu kommen. Deswegen schlage auch ich vor, den Bericht an den Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen, und hoffe auf eine konstruktive Beratung.
Für die Abgeordneten des SSW erteile ich der Vorsitzenden, Frau Abgeordneter Anke Spoorendonk, das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wir möchten uns bei der antragstellenden Fraktion, bei dem Ministerium und bei den Mitar
beiterinnen und Mitarbeitern für die Beantwortung dieser Großen Anfrage bedanken. Das ist eine gute Grundlage für die anstehende Diskussion und davon kommen noch einige auf uns zu.
Bei der Ausgestaltung des Strafvollzugs steht für den SSW immer noch die Resozialisierung im Mittelpunkt. Wir wollen einen modernen und das, was wir früher humanen Strafvollzug genannt haben. Ich betone das, weil gerade in diesem Politikfeld die Boulevardmedien durch ihre einseitige Berichterstattung immer wieder eine aufgeheizte Stimmung zu erzeugen wissen. Da ist dann von Wegschließen und Schlimmerem die Rede. Ich denke, es gilt, sich immer wieder von so einer Stimmungsmache zu distanzieren.
Die Föderalismusreform hat den Ländern die Aufgabe für den Strafvollzug übertragen. Kritiker befürchten einen Billigknast, der von privaten Unternehmen allein aus Profitkalkül betrieben wird. So eine Aufgabenübertragung wird es in SchleswigHolstein nicht geben, das haben wir heute noch einmal bestätigt bekommen. Wir vom SSW werden einer Privatisierung des Strafvollzugs auch niemals unsere Stimmen geben.
Die Zusammenarbeit der Länder in Sachen Strafvollzug begrüßen wir aber ausdrücklich. Aber es wird sich in Zukunft zeigen, wie sich die neue Kompetenzaufteilung auswirken wird. Strafvollzugspolitik bemisst sich eher nach Jahrzehnten denn nach Legislaturperioden.
Die rot-grüne Landesregierung hatte ein großes Investitionsprogramm für Haftanstalten angeschoben, das nun weitergeführt wird. Noch im Jahr 2000 musste die damalige Justizministerin teilweise katastrophale Zustände in den Haftanstalten einräumen. Übrigens hat damals auch die FDP-Fraktion eine entsprechende Anfrage gestellt. Ich fand, das war auch damals schon hilfreich. Seitdem hat sich zum Glück viel getan.
Wir unterstützen die Modernisierung der Haftanstalten als einen Beitrag zur Resozialisierung, denn enge Knäste überfordern das Personal und führen zu Gewalt.
Zahlen aus der Großen Anfrage belegen eindrücklich die Anstrengungen des Landes, diese Defizite zu beheben. Die Anstalten im Land sind nun einmal in ihrem Kernbestand durchschnittlich 100 Jahre und älter und können nur mit erheblichem Aufwand baulich umgestaltet werden.
Eine Neiddebatte, nach der es Gefangene besser hätten als mancher Mieter, erledigt sich angesichts der immer noch notwendigen Unterbringung in
Gerade Jugendliche, die ihr ganzes Leben noch vor sich haben, müssen eine zweite Chance erhalten, um nach Verbüßung der Strafe mit einer entsprechenden schulischen oder beruflichen Perspektive selbstständig leben zu können. Den Ausbau entsprechender Angebote - vor allem in Neumünster begrüßt der SSW ausdrücklich. Angesichts immer längerer Haftzeiten bieten qualifizierende Maßnahmen eine gute Grundlage für ein neues Leben. Insofern hat der Minister zu Recht darauf hingewiesen, dass sich diese Klientel in den letzten Jahren verändert hat. Dass die Freizeitangebote parallel ausgebaut werden, weil gerade Jugendliche bei Leerzeiten auf dumme Gedanken kommen, ist der richtige Weg und sollte weitergeführt werden.
Dass auch bald die jugendlichen weiblichen Gefangenen im Land statt im niedersächsischen Vechta stationiert werden, ist gut und richtig. Eine wohnortnahe Inhaftierung erleichtert es den jungen Frauen sicherlich, den Anschluss an ihr Umfeld und ihre Familie zu behalten. In die gleiche Richtung geht die Erhöhung der Besuchszeiten auf monatlich vier Stunden.
Ich möchte aber auch betonen, dass es nicht sein kann, dass Jugendliche erst nach einer Straftat überhaupt Förderung erhalten. Die nach wie vor hohe Jugendarbeitslosigkeit bleibt eine der wesentlichen Ursachen der Jugendkriminalität. Im Mai war jeder sechste Arbeitslose im Agenturbezirk Flensburg unter 25 Jahre alt. Beschäftigungslos und perspektivlos geraten Jugendliche mit dem Gesetz in Konflikt und machen eher Bekanntschaft mit dem Strafvollzug, als es ihnen lieb ist. Einzelfälle zeigen erschreckende Wertedefizite bei den Tätern, die die Strafwürdigkeit ihrer Taten auch noch vor Gericht leugnen.
Diese Defizite kann eine aufsuchende Sozialarbeit auffangen. Deren Mittel wurden aber ausgerechnet im letzten Haushalt um ein Drittel gekürzt. Diese Kürzung ist nicht hinnehmbar und sollte bei den nächsten Haushaltsberatungen bedacht werden. Diese Kürzung ist auch ein Beispiel kurzsichtiger Politik: Wenn Beratung und Sozialarbeit zurückgestrichen werden, steigt die Wiederholungsgefahr. Gerade im Jugendstrafvollzug ist das eine unheilvolle Entwicklung, wie wir wissen.
Hier wird gute Arbeit durch Kompetenzkonflikte zwischen Sozial- und Justizministerium zerrieben. Ich hoffe, dass wir auch diesen Punkt im Ausschuss ansprechen. Lobenswerterweise hat die Große An