Protokoll der Sitzung vom 07.06.2007

Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/1380 (neu)

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Dann eröffne ich die Grundsatzberatung und erteile das Wort dem Herrn Abgeordneten und Fraktionsvorsitzenden von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Karl-Martin Hentschel.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Denkmalschutz schützt unser kulturelles und archäologisches Erbe. Er spielt eine wichtige Rolle für die Erhaltung von Gebäuden, die das Bild unserer Städte und Gemeinden prägen. Gerade in Schleswig-Holstein mit unseren vielen historischen Gütern spielt der Denkmalschutz eine große Rolle.

(Karl-Martin Hentschel)

Wir haben in Schleswig-Holstein ein Denkmalschutzgesetz. Dabei hat Lübeck eine Ausnahmestellung; denn dort gibt es den Denkmalschutz schon länger.

Das Denkmalschutzgesetz ist 49 Jahre alt. In dieser Zeit ist es in intensiver und fleißiger Arbeit unserer Denkmalschutzbehörden gelungen, schätzungsweise ein Drittel der Denkmäler unter Schutz zu stellen. Wenn es mit diesem Tempo so weitergeht, wird diese Behörde noch 50 bis 100 Jahre beschäftigt sein, um endlich den Rückstau im Denkmalschutz abzuarbeiten. Das ist ein sicherlich nicht erfreulicher Zustand.

In anderen Bundesländern wird es anders gemacht. Wenn andere es besser machen, sollte man davon lernen. Was wir vorschlagen, ist ein Beispiel sowohl zur Verbesserung der Qualität im Denkmalschutz als auch zu einer Verwaltungsmodernisierung. Nach Auffassung von Experten kann der Stau so zügig abgearbeitet werden und kann die Effizienz der Verfahren verbessert werden. Außerdem würden wir in erheblichem Umfang Gerichtsverfahren einsparen.

Zurzeit gilt in Schleswig-Holstein das Eintragungsverfahren. Die Eintragung eines Objekts als Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung ist ein förmlicher Verwaltungsakt. Dieses Verfahren führt regelmäßig zu Widersprüchen und umfangreichen Prozessen, ohne dass überhaupt eine Änderung am Objekt geplant ist. Das ist natürlich Quatsch.

Besonders absurd ist es, wenn solche Prozesse auch noch von Behörden untereinander geführt werden. Denn viele Denkmäler sind im Besitz von Bundes-, Landes- oder Kommunalbehörden, die fleißig gegen das Landesamt für Denkmalschutz Prozesse führen, um zu verhindern, dass es Einschränkungen für ihre Gebäude gibt. Im Ergebnis beschäftigen sich die Denkmalbehörden und die anderen Behörden gegenseitig. Auch Gerichte sind beschäftigt. Das ist ein wunderbares Beschäftigungsprogramm für den Staat, ohne dass es dadurch irgendeinen Sinn für die Gesellschaft oder den Denkmalschutz gibt.

Deswegen haben andere Bundesländer das Listenverfahren eingeführt. Es sind bisher zwölf Länder. Wir schlagen vor, es auch bei uns einzuführen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nach dem Listenverfahren werden alle Kulturdenkmäler sofort automatisch geschützt. Sie können in eine Liste aufgenommen werden. Die bestehende Liste mit 20.000 Objekten kann dabei übernommen

werden. Wir hätten damit sofort einen wirksamen Schutz für alle Denkmäler in Schleswig-Holstein.

Eine eigentliche Prüfung würde dann nur noch stattfinden, wenn eine Änderung am Objekt geplant wird. Dann muss darüber geredet werden. Wie die Denkmalschützer sagen, ist das kein Problem. Denn in der Regel einigt man sich gütlich. Man kommt leicht zu vernünftigen Regelungen, sodass man nicht erst prozessieren muss.

Die Prozesse, die geführt werden, werden nicht deswegen geführt, weil man unterschiedlicher Meinung ist, sondern werden als vorbeugende „Schutzprozesse“ geführt, um einen unsicheren Rechtsstatus zu verhindern. Das ist das Problem, das unser jetziges Denkmalschutzgesetz aufwirft.

Wir schlagen auch vor, die Struktur der Behörden wesentlich zu vereinfachen. In Zukunft würden wir also nur noch ein Landesamt für Denkmalschutz und ein Landesamt für Archäologie haben. Die verschiedenen Behörden auf kommunaler Ebene würden als Außenstellen integriert werden. Wir können auch die Behörde in Lübeck integrieren. Wir stellen uns das so vor, dass die zentrale Behörde vier Standorte haben könnte, die unserem Regionalisierungsmodell entsprechen.

Das heißt, Lübeck würde durchaus eine regionale Denkmalschutzbehörde haben. Sie wäre für SüdOstholstein zuständig, also auch für Lauenburg, Stormarn und Ostholstein. Im Ganzen hätten wir danach vier solcher Behörden in Schleswig-Holstein, die an die Stelle der heutigen 18 Denkmalschutzbehörden träten. Die vier Behörden könnten in wunderbarer Weise das effizienter abarbeiten, was heute an Problemen noch ansteht.

Über die Differenzen mit Lübeck sollten wir im Ausschuss reden. Ich habe das auch schon intensiv mit meinen Parteifreunden in Lübeck gemacht. Die ständigen Tabus aus Lübeck gegen jede Veränderung, die das hochverschuldete Lübeck betrifft, sind jedenfalls für eine sachliche Diskussion nicht hilfreich.

Wir schlagen auch vor, dass die Rücksichtnahme auf die Belange des Klimaschutzes und auf die Situation von Menschen mit Behinderung aufgenommen wird. In der Vergangenheit haben wir mehrere Fälle gehabt, wo Denkmalschutz und Wärmesanierung miteinander in Konflikt geraten sind. Dafür haben wir eine klare gesetzliche Regelung getroffen.

Herr Abgeordneter, die fünf Minuten sind um.

(Karl-Martin Hentschel)

Ich werde jetzt Weiteres nicht ausführen.

Ich schlage die Lektüre unseres Gesetzentwurfs vor. Ich glaube, mit dem vorliegenden Denkmalschutzgesetz werden wir ein modernes, effizientes und wirksames Gesetz haben, das den Denkmalschutz optimal vertritt. Ich freue mich auf die Ausschussberatung.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Herr Abgeordnete Wilfried Wengler.

Wenn Ihnen das Problem schon so lange bekannt ist, warum haben Sie dann nicht bereits vor, sagen wir, sechs oder acht Jahren gehandelt? Warum erst jetzt?

(Beifall bei der CDU)

In Ihrer Presseerklärung vom 2. Mai 2007 hat BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN seine Motivation für diesen Änderungsentwurf klar und deutlich ausgedrückt. Mit Erlaubnis der Präsidentin darf ich zitieren:

„Wir wollen der Regierung jetzt Beine machen und haben einen Entwurf für eine Denkmalschutznovelle eingereicht, die den Anschluss an den Standard der meisten Bundesländer herstellt.“

Dass eine Oppositionspartei die Regierung treiben möchte, ist nicht nur legitim, sondern auch Tagesgeschäft in allen Parlamenten. So weit, so gut; sozusagen „business as usual“.

Allerdings erlaube ich mir die Anmerkung, dass die Regierung dieses Thema bereits längst auf ihrer Agenda hat und zurzeit einen Gesetzentwurf erarbeitet. Sie haben für Ihren Entwurf ja schon mehr als acht Jahre gebraucht.

Sie sind sicherlich gemeinsam mit mir der Meinung, dass es sich bei dieser Novellierung nicht um ein Projekt absoluter Dringlichkeit handelt, das allerhöchste Priorität genießen müsste.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Es geht um Modernisierung!)

- Sie können sich nachher zu Wort melden.

Hier macht ein mit heißer Nadel gestricktes Modell wirklich keinen Sinn. Wir hatten in den vergange

nen Monaten sicherlich schwerwiegendere Vorhaben zu bewältigen.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welches Verwaltungsmoderni- sierungsmodell haben Sie denn?)

- Sie können sich nachher gern zu Wort melden, Herr Hentschel.

Erfreulich ist für mich die Tatsache, dass auch die Grünen den Denkmalschutz als einen Bereich erkannt haben, in dem ein Abbau der Bürokratie erforderlich ist und Kosteneinsparungen durch Veränderungen der Verfahren und Strukturen möglich sind. Die Stichworte hierfür sind Zentralisierung und deklaratorisches Eintragungsverfahren.

Es ist sicherlich richtig, dass viele Bundesländer bezüglich ihrer Kulturdenkmäler diesen Weg gehen. Ich frage mich jedoch, ob die offensichtliche Anleihe am brandenburgischen Denkmalschutzgesetz der richtige Weg ist. In Brandenburg hat sich mittlerweile gezeigt, dass die getroffenen Regelungen keinesfalls die aufwändigen konstitutiven Verwaltungsakte der Denkmalschutzbehörde deutlich vermindern können.

Mit ihrer Abhandlung der Sonderstellung von Lübeck - Sie sprechen von der „Lex Lübeck“ - kann ich mich nicht einverstanden erklären. In Ihrer Pressemitteilung halten Sie es nicht einmal für erwähnenswert, dass heute diese Sonderstellung für ein UNESCO-Weltkulturerbe eingeräumt wird. Ich glaube, so viele Sonderstellungen haben wir in Schleswig-Holstein nicht.

(Beifall bei CDU und SPD)

In dem neuen Gesetz müssen eine adäquate Regelung und eine strukturelle Einbindung erfolgen.

Darüber hinaus bedarf die rechtliche Ausgestaltung des Terminus „Denkmalbereich“ einer gründlichen Überarbeitung. Dies hat uns allen die Diskussion über die Unterschutzstellung der Neutra-Siedlung in Quickborn in unserer Februarsitzung deutlich vor Augen geführt. Weiter zwingt uns das EURecht zu einer stringenteren Formulierung des Verursacherprinzips. Es hilft aber auch keineswegs, stets lediglich am Tag des offenen Denkmals auf die Bedeutung der Denkmäler im Land hinzuweisen. Eine Verbesserung der Bodendenkmalpflege ist unumgänglich, damit die Finanzierung erforderlicher Maßnahmen der Bodendenkmalpflege im Rahmen von Bau- oder Erschließungsvorhaben eine für alle Beteiligten befriedigende Erklärung erfährt.

Die Novellierung des Denkmalschutzgesetzes soll auch nach unserer Auffassung einen Beitrag zur

Deregulierung der Verwaltungsaufgaben leisten. Gut Ding will Weile haben, anders ausgedrückt, ein Augenblick der Geduld kann vor großem Unheil bewahren, ein Augenblick der Ungeduld ein ganzes Leben zerstören. Meine Damen und Herren, chinesische Sprichworte kommen hier offenbar in Mode, aber im Gegensatz zum geschätzten Kollegen Fischer ist mir der chinesische O-Ton leider fremd.

Ich beantrage die Überweisung des Gesetzentwurfes der Grünen in den Bildungsausschuss sowie mitberatend in den Innen- und Rechtsausschuss und schlage vor, diesen Entwurf zusammen mit dem zu erwartenden Gesetzentwurf der Regierung zu beraten. Ich freue mich auf dann substanzielle Diskussionen.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Wengler. - Das Wort für die SPD-Fraktion hat nun Frau Abgeordnete Ulrike Rodust.