Protokoll der Sitzung vom 12.07.2007

(Zuruf der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Mit dieser Aussage, die draußen, bei den Nichtbildungspolitikern, sofort Begehrlichkeiten weckt, seien Sie bitte vorsichtig! Sie müssten es eigentlich besser wissen. Wenn die Zahlen, die Sie beiden Ausschüssen Mitte März vorgelegt haben, nicht mehr stimmen sollten, legen Sie uns bitte aktuelle und überarbeitete Zahlen vor!

(Beifall bei der FDP)

Das Wort hat die Bildungsministerin.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe nicht von einer demografischen Rendite gesprochen, die schon jetzt eintritt. Wir schaffen ja bis 2010 noch erheblich mehr Lehrerstellen, um die Erfüllung der erhöhten pädagogischen und neuen Aufgaben sicherzustellen. Ich glaube, es ist jetzt nicht die Stunde, hier Zahlenkolonnen vorzulesen.

Ich bin gern bereit, die genauen Zahlen und das Konzept ab dem Jahr 2010 im Ausschuss näher zu erläutern, in dem die sogenannte demografische Rendite - ich benutze den Begriff nicht gern; er klingt, als handele es sich um etwas Positives - einsetzt.

Ich habe mich noch einmal zu Wort gemeldet, um Herrn Hentschel und der Öffentlichkeit etwas zu sagen. Ich finde es - ehrlich gesagt - unerhört, wie Sie hier über Schulleiter herziehen.

(Beifall bei SPD und CDU)

Das muss ich wirklich zurückweisen. Ich habe gestern Abend die sieben neuen Schulleiterinnen und Schulleiter der zukünftigen Gemeinschaftsschulen im Hause gehabt und mit ihnen eine Stunde lang gesprochen. Ich hatte bei keinem den Eindruck, dass das Schulleiterinnen und Schulleiter sind, die nicht engagiert und mit guten Konzepten in das neue Schuljahr gehen. Ich finde es unerhört, hier den Eindruck zu erwecken, da gebe es Leute, die machten das alles nur widerwillig oder seien nicht geeignet.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie müssen Konzepte umsetzen! Darum geht es!)

- Sie müssen das Konzept tragen, in der Tat. Woher nehmen Sie die Einsicht, hier zu behaupten, einzelne Schulleiter würden das nicht tun? Also, das ist eine Diffamierung der Lehrkräfte und Schulleiter, die ich so nicht stehen lassen kann.

(Beifall bei SPD und CDU)

Mein zweiter Punkt betrifft die Lernprozesse, die hier offensichtlich im Hause eintreten. Ich finde es ja nett, dass Sie meinen, dass Sie durch Ihre Anträge Bewegung in der Großen Koalition ausgelöst hätten. Ich sage Ihnen allerdings, dass wir seit Monaten an diesen Lösungen arbeiten. Es gab viel zu rechnen und wir haben viel darüber diskutiert, wie viel welche Lösung kostet. Sie haben uns nun die Gelegenheit gegeben, dies hier noch einmal auf der Bühne des Landtages vorzutragen. Das ist auch nicht schlecht.

(Beifall bei der CDU)

Ich stelle allerdings fest, dass Sie seit Montag einen erheblichen Lernprozess hinter sich gebracht haben. Denn Sie haben seither dreimal Ihre Anträge geändert. Sie bewegen sich nun in eine Richtung, die sich uns annähert.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke der Frau Ministerin. Durch ihre erneute Wortmeldung haben die einzelnen Fraktionen gemäß § 56 Abs. 6 unserer Geschäftsordnung einen Anspruch auf weitere vier Minuten Redezeit. Gibt es weitere Wortmeldungen? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe somit die Beratung.

Es ist insgesamt Überweisung beantragt worden, und zwar ist beantragt worden, den Gesetzentwurf Drucksache 16/1500 sowie die Anträge Drucksache 16/1486 (neu) 2. Fassung und Drucksache 16/1487 an den Bildungsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 16 auf:

Erste Lesung des Entwurfes eines Gesetzes zur Änderung des Schleswig-Holsteinischen Schulgesetzes (Schulgesetz - SchulG)

Gesetzentwurf der Fraktion der FDP Drucksache 16/1482

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Ich eröffne die Grundsatzberatung und erteile für die Antragstellerin Herrn Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug für die Fraktion der FDP das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eine klare gesetzliche Rückstellungsregelung für sechsjährige Kinder mit erheblichen Entwicklungsproblemen ist nach Überzeugung der FDP unverzichtbar.

(Beifall bei der FDP)

Über allen anderen Gesichtspunkten steht die Verpflichtung, das Wohl der Kinder in den Mittelpunkt der Entscheidungen des Gesetzgebers und der Schulbehörden zu stellen. Erst gestern hat dieses Landesparlament einstimmig den Schutz der Kinder in die Landesverfassung aufgenommen. Das ist das oberste Gebot. Nichts anderes wiegt schwerer.

Mit der vor einigen Monaten getroffenen Entscheidung von CDU und SPD, die alte Rückstellungsregelung ersatzlos zu streichen und nur noch eine Beurlaubung aus gesundheitlichen Gründen zuzulassen, hat die Große Koalition einen Fehler begangen. Diesen Fehler gilt es nun auszuräumen.

Gerade in den schwerwiegenden Fällen, die in den letzten Wochen und Monaten auch öffentlich be

kannt geworden sind, wurden Eltern in eine extrem schwierige Situation gebracht. Die unbefriedigende Rechtslage und die unklaren Konsequenzen einer Beurlaubung aus gesundheitlichen Gründen haben Verzweiflung, Angst und Unsicherheit geschürt. Die Hilflosigkeit, mit der daraufhin das Bildungsministerium in der Öffentlichkeit reagiert hat, ist geradezu beschämend. Dass aus dem Bildungsministerium zu hören war, für die Betreuung von Kindern, die aus gesundheitlichen Gründen beurlaubt wurden, sollten sich die Eltern an ihre Krankenkassen wenden -

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave: Das ist doch Unsinn! Das ist zweimal zurückgenommen worden und das wissen Sie ganz genau!)

- Die Zeitung hat es nicht zurückgenommen. Das wörtliche Zitat vom 20. Juni im „Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag“ steht.

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave: Dafür kann ich doch nichts!)

- Dafür können Sie nichts. Das haben auch nicht Sie persönlich gesagt, aber Sie haben es als Ministerin zu verantworten.

(Beifall bei der FDP)

Das Beispiel macht deutlich, dass man wie ein aufgeschreckter Haufen auf eine Situation reagiert hat, die man durch eine Gesetzesänderung herbeigeführt hat, deren Konsequenzen man offenbar nicht richtig abschätzen konnte.

In welche Situation sind Eltern geraten, die mit viel Mühe dann doch eine Beurlaubung aus gesundheitlichen Gründen für ihre Kinder erreichen konnten? - Per Pressemitteilung hat das Bildungsministerium erst am 29. Juni 2007, also zwei Wochen vor Ferienbeginn, zugesagt, den Betreuungsanspruch im Kindergarten für diese Fälle durch einen Erlass zu regeln. Im Bildungsausschuss haben Sie, Frau Ministerin, versprochen, dieser Erlass werde in der ersten Juli-Woche herauskommen. Das ist er aber nicht.

Am 5. Juli 2007 - das war der erste Freitag der ersten Juli-Woche - haben wir von Eltern folgende Nachricht per Mail erhalten; ich zitiere:

„Die Kostenfrage für Kindergartenplätze ist offenbar immer noch nicht geklärt. Ich habe heute mit dem Ministerium für Bildung und Frauen telefoniert und in Erfahrung gebracht, man arbeite derzeit mit Hochdruck an einer Lösung zum Wohle betroffener Kinder.“

Die geplante Lösung solle so aussehen, dass die Eltern nur den normalen Elternbeitrag, die Kommune die übrigen Kosten zu tragen habe.

Weiter heißt es in der Mitteilung der Eltern, die uns erreicht hat:

„Diese Auskunft sei allerdings nicht verbindlich, so die Mitarbeiterin des Ministeriums.“

Es ist doch offenkundig: Ende letzter Woche wusste man in Ihrem Hause noch nicht, wie man Eltern auf deren Anfrage hin Klarheit geben konnte. Das ist es, worauf wir von Eltern, die sich aufgrund der öffentlichen Berichterstattung in den letzten Wochen in massivem Umfang an uns gewandt haben, hingewiesen werden.

(Beifall bei der FDP)

Ich zitiere weiter aus der E-Mail:

„Darüber hinaus haben wir den Kindergarten, den unser Sohn zurzeit gemeinsam mit seinen Brüdern besucht, in einem Schreiben nochmals eindringlich gebeten, Niels auch im kommenden Kindergartenjahr aufzunehmen. Entsprechend den bisherigen Äußerungen der Kindergartenleitung seien die Planungen des Hauses bereits abgeschlossen, man habe keinen Platz für unseren Sohn.“

Das ist die Situation, in der heute, Anfang Juli 2007, Kinder stecken, die durch ein schlecht gemachtes Gesetz in ein rot-schwarzes Loch zwischen Kindergarten und Schule gefallen sind: von der Schulaufsicht aus gesundheitlichen Gründen für ein Jahr beurlaubt. Selbst wenn es nur 50, 60 oder 70 Fälle sind: Es ist unverantwortlich, dass man Eltern in eine solche Situation hineinmanövriert.

(Beifall bei FDP und SSW)

Ich finde, es muss eine gesetzliche Klarheit geben, welchen Anspruch es in einem solchen Falle auf eine Förderung in einer Kindertageseinrichtung gibt.

In der Ausgabe Juni/Juli 2007 von „Schule Aktuell“ teilen Sie, Frau Ministerin, mit, eine Beurlaubung könne frühestens 14 Tage vor Beginn der Sommerferien ausgesprochen werden. Auch das ist eine aberwitzige Idee. Es ist ein bürokratischer Aberwitz. Das heißt doch, bis unmittelbar vor Ferienbeginn, bis unmittelbar vor dem Zeitpunkt, an dem Schulen und Kindergärten schließen, werden Eltern, deren Kinder sich aufgrund von schwerwiegenden Entwicklungsproblemen in einer misslichen Situation befinden, hängen gelassen. Man gibt den Eltern also keine Klarheit darüber, was mit ihren Kindern zum Zeitpunkt der Einschulung passiert.

(Beifall bei FDP und SSW)

Herr Kollege, Ihre Redezeit!